Offenbarung
Du hast dich mir geoffenbart
Ein Wesen wunderbarer Art,
Wie den Profeten alter Zeit
Sich wies der Geist der Ewigkeit.
Im Sturm nicht, noch im Wetterschein
Hab' ich erkannt dein göttlich Sein,
Es überflog, ein sanfter Hauch
Dein Lieben mich, den welken Strauch.
Mich schreckte deine Nähe nicht,
Doch warf ich mich auf's Angesicht; -
Es rief in mir tief innerlich:
Wirf ab die Schuhe, beuge dich!
Und als ich aufzuschaun gewagt,
Hat mir dein Lächeln süß getagt,
So rührend sanft, so sonnenklar,
Daß nie so hell mein Leben war.
Aus deiner Stirne off'nem Buch
Las ich manch' ernsten Götterspruch -
Im Licht von deinem Augenpaar
Ward erst mein eigner Sinn mir klar: -
Die dunklen Locken wallten dicht
Um dein verklärtes Angesicht -
Und kühlend strich die weiße Hand
Von meiner Stirn den Sonnenbrand! -
Und als mir deiner Stimme Klang
Ein rührend Lied der Liebe sang:
Da fühlt' ich es im Innern tief
Daß mich ein neues Leben rief! -
So bist du mir noch immer nah,
Wie damals dich mein Auge sah,
In liebender Allgegenwart
Seit du dich mir geoffenbart! -
Aus: Im Hafen. Lyrische
und epische Dichtungen
von Marlo [Ps. von Karl Edmund Langer]
Wien 1849
In Commission bei Kaulfuß Witwe, Prandel & Compagnie
(S. 3-4)
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Blüthe und Frucht
Auf sonn'gen Hügeln reift die Traube,
Du gehst vorbei und ahnst sie nicht,
Sie birgt sich tief im grünen Laube
Bis sie die Hand des Winzers bricht.
Gezeitigt von der Sonne Gluthen
Beut sie gar süßen Lebenstrank -
Der, strömt er aus die goldnen Fluthen
Das Herz erfrischt, das matt und krank.
Doch schäumt er dir im vollen Becher,
Und fühlst du seiner Flamme Glühn: -
Da denkst du kaum, du froher Zecher
Zurück an jener Rebe Blüh'n.
Was kümmerts dich, daß sie erst keimen,
Daß sie erst blühn und reifen muß,
Eh' dich erfüllt mit stolzen Träumen
Der goldnen Quelle Feuerkuß!
Und doch wär's lieblich zu belauschen
Des Samenkorns geheimes Weh'n
Der Lebensquellen tiefes Rauschen
Eh' voll und hoch die Früchte steh'n! -
So wär's auch, denk ich, süß zu achten
Auf eines Menschenherzens Saat -
Auf sein geheimstes Sehnen, Trachten,
Eh' der Gedanke wird zur That: -
So wär's auch, denk' ich, süß zu lauschen
Auf jeder Liebe ersten Keim -
Eh' voll und hoch die Zweige rauschen
Und keine Blüthe mehr geheim!
Aus: Im Hafen. Lyrische
und epische Dichtungen
von Marlo [Ps. von Karl Edmund Langer]
Wien 1849
In Commission bei Kaulfuß Witwe, Prandel & Compagnie
(S. 5-6)
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Seelenmusik
Wenn ich recht innig dein gedenke
Du süßes Bild voll Wundermacht,
Und all' mein Sinnen tief versenke
In deiner Liebe Zaubernacht: -
Da ist's, als ob durch Geistersaiten
In mir ein Hauch erzitternd lief -
Als ob Erinnrung schön'rer Zeiten
Mit längst entwohntem Laut mich rief!
Es klingt so träumerisch und mächtig
Ein sehnsuchtsfernes Alpenhorn: -
Es rauscht durch meine Seele mächtig
Ein lang versiegter Liederborn!
Und wie dereinst dem finstren König,
Der da geherrscht im Morgenland
Die Harfe Davids, silbertönig
Die Seelenqual hinweg gebannt: -
So bannt dieß Tönen und dieß Flüstern,
Das - denk' ich dein - in mir erklingt,
Den Geist hinweg, den schwermuthdüstern,
Mit dem oft meine Seele ringt! -
Aus: Im Hafen. Lyrische
und epische Dichtungen
von Marlo [Ps. von Karl Edmund Langer]
Wien 1849
In Commission bei Kaulfuß Witwe, Prandel & Compagnie
(S. 7-8)
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Flammen
Gern labt mein Blick sich an den goldnen Flammen,
Die mistisch blitzen aus dem Rebenblut: -
Denn, klingen Becher beim Gelag zusammen,
Weh'n sie in's Herz uns neuen Lebensmuth. -
Auch seh' ich Flammen gern am Dornbusch hangen,
Die hellen Rosen, denn sie sagen mir:
Wo Dornen sind, da müssen wir auch prangen,
Sie ritzen Wunden - Balsam spenden wir!
Auch lieb' ich Flammen, die am Himmel leuchten
Und träumerisch um dunkle Berge glühn:
Weil nahe dann der Regen, der befeuchten,
Und laben soll der Fluren mattes Grün!
Die Flammen aber, die mein Herz durchbeben,
Wenn es den Worten deiner Liebe lauscht:
Sie glühen heißer, als das Blut der Reben,
Das nur den Sinn mit trunkner Lust berauscht:
Sie blühen heller, als aus Dorngehegen
Die wilde Rose lächelt, süß versteckt,
Und künden mir den lauen Frühlingsregen,
Der Liederblumen aus dem Schlummer weckt! -
Aus: Im Hafen. Lyrische
und epische Dichtungen
von Marlo [Ps. von Karl Edmund Langer]
Wien 1849
In Commission bei Kaulfuß Witwe, Prandel & Compagnie
(S. 15-16)
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Aus ihren Briefen
I.
Ich schreibe dir - die
bösen Locken wallen,
Als wollten sie den theuren Nahmen küssen,
Auf's weiße Blatt, das ich mit tausend Grüßen
An dich belaste, der mir lieb vor Allen! -
Du ruhst vielleicht, von Schlummernacht befallen,
In lichter Träume seligen Genüssen,
Wo du die Lieder lernst, die zaubersüßen
Die mir zur Lust von deinen Saiten schallen! -
Ich aber will den leisen Stimmen lauschen
Die heimlich mir im tiefsten Herzen rauschen
Und will dir künden, was sie mich gelehrt: -
Wohl mag die Welt mit deinen Liedern richten
Doch dir allein gehört mein scheues Dichten,
Und Liebe hält, was Liebe spendet, werth! -
II.
Wenn Stürme toben, labt
uns der Gedanke:
Die Sonne barg sich nur - sie ist nicht todt; -
Wir wissen es: der Nacht folgt Morgenroth,
Und starrem Frost des Frühlings grüne Ranke. -
Des Schiffers Herz, daß es nicht furchtsam wanke
Wenn schäumend ihm die nahe Welle droht,
Belebt die Hoffnung, daß sein leckes Boot
Zum Hafen bald, zum heimathlichen, schwanke! -
So will ich gern die Sehnsucht überdauern
Die mich umfangen hält mit stillem Trauern,
Denn in die Ferne blick ich ahnungsvoll.
In deine Hand hab' ich mein Loos gegeben -
Dein ist mein Lieben - dein mein ganzes Leben,
Und dein die Zukunft, die vergelten soll! -
III.
O sprich, mein Herz! wirst
du wohl mein vergessen?
Wirst du wohl einst für fremde Liebe schlagen,
Uneingedenk des Schwur's in jenen Tagen,
Wo ich dich ganz und ungetheilt besessen? -
Zu schmerzlich wär's, fremd jeglichem Ermessen,
Müßt' ich dem süßen Zauber einst entsagen,
Der mich mit sel'ger Blindheit hat geschlagen
Daß ich so ganz des einst'gen Gram's vergessen! -
Ach! - ohne dich - wie leer, wie todt das Leben -
Es glich' dem Strom, der unterm Eise schleicht, -
Der Rose, die des Samums Odem bleicht; -
Der Lerche, die, gewohnt im Licht zu schweben,
Gefangen klagt im engen, finstren Bau
Um des verlornen Himmels sonnig Blau!
IV.
So geh' denn hin, mein
Brief, du weiße Taube
Zu ihm, der einsam schifft auf nächt'gem Meere -
Bring' ihm der Liebe süße Gotteslehre,
Auf das sein Herz an schön're Tage glaube!
Doch wahre dich, daß du nicht selbst zum Raube
Den Stürmen wirst, die in der dunklen Leere
Allnächtlich lauern, kühne Räuberheere: -
Sie drohn auch dir, du arme, weiße Taube! -
Doch zage nicht! - denn dir auf allen Wegen
Folgt meiner Liebe brünstig heißer Segen
Verhüthend, daß kein böser Blick dich trifft: -
So spann' denn aus die lilienweißen Schwingen
Den grünen Zweig des Friedens ihm zu bringen,
Der einsam durch des Lebens Wogen schifft! - -
Aus: Im Hafen. Lyrische
und epische Dichtungen
von Marlo [Ps. von Karl Edmund Langer]
Wien 1849
In Commission bei Kaulfuß Witwe, Prandel & Compagnie
(S. 24-27)
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Asyl
Hier ist die Hand, die dich geleiten,
Dich führen soll durch Wald und Nacht -
Hier ist der Arm, der für dich streiten
Wird in der heißen Lebensschlacht.
Hier ist das Herz, das dir zu schlagen
Erst mit dem letzten Schlag verlernt -
Das stets in sich dein Bild wird tragen,
Ob es dir nahe, ob entfernt!
Und hier die Brust, an der du träumen
Und ruhn sollst von der Sturmesfahrt; -
Der Hafen, der vor Fluthenschäumen
Das arme Schifflein treu bewacht! -
Nimm hin die Hand - wir wollen schließen
Auf Tod und Leben einen Bund; -
Nimm hin dieß Herz - auch Blumen sprießen
Empor aus rauhem Felsengrund!
Und an die Brust, die unverzagte,
Leg' immerhin dein schönes Haupt: -
Was wär's, das sie für dich nicht wagte,
Da du der Himmel, den sie glaubt?! -
Aus: Im Hafen. Lyrische
und epische Dichtungen
von Marlo [Ps. von Karl Edmund Langer]
Wien 1849
In Commission bei Kaulfuß Witwe, Prandel & Compagnie
(S. 30-31)
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Ein Frühlingslied
In weißen Blüthen steht der Strauch,
Mild angeweht vom Frühlingshauch -
Die Quelle rauscht, die Lerche singt,
Vom Berge her das Alphorn klingt. -
Denkst du der fernen, schönen Zeit
Verlebt in sel'ger Einsamkeit,
Wo unsre Liebe war erwacht
Wie Frühlingsblumen über Nacht? -
Ihr Angedenken weht zu mir
Als wär's ein Blick, ein Kuß von dir -
Es wallt um mich ihr süßer Hauch,
Wie Mailuft um den grünen Strauch!
So einsam jetzt - so liebeleer
Schleicht Tag um Tag ins Zeitenmeer
Das Alphorn tönt - die Lerche singt,
Doch ungehört mein Lied verklingt! -
Aus: Im Hafen. Lyrische
und epische Dichtungen
von Marlo [Ps. von Karl Edmund Langer]
Wien 1849
In Commission bei Kaulfuß Witwe, Prandel & Compagnie
(S. 34)
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Ueber Nacht
Laß die Verstimmung, die mir feindlich,
Laß sie nicht währen über Nacht;
Sei wieder mild und gut und freundlich
Wie ich mir immer dich gedacht!
Blick' auf! - siehst du die Sterne wallen? -
Viel birgt die Nacht im dunklen Schooß! -
Zu Schutt und Trümmern kann zerfallen
Oft über Nacht ein prangend Schloß!
Ein Eiland, grün in Wogenschäumen
Kann sinken über Nacht in's Meer; -
Aufschreckt aus stolzen Siegesträumen
Oft über Nacht ein muthig Heer!
Es kann in's dunkle Nichts vergehen
Die ganze, schöne Weltenpracht,
Und all' ihr Duft und Glanz verweben
In einer einz'gen kurzen Nacht! -
Und ich! - Wähnst du, ein ewig Leben
Verheiße meiner Wangen Roth? -
Auch mich kann über Nacht umweben
Mit fahlem Bleich ein rascher Tod!
Dann magst du über mich dich neigen
Mit heißbethräntem Angesicht -
Doch aus dem ew'gen ernsten Schweigen
Des Todes weckt dein Schmerz mich nicht! -
Dann magst du wild die Hand erfassen
Die ich dir jetzt vergeblich bot -
Und mußt erschreckt sie fallen lassen
Weil sie so starr, so kalt - so todt! -
Du weinst? - O laß die Thränen fließen,
Sie bringen Kunde mir vom Strand
Wo der Versöhnung Rosen sprießen,
Sie fallen warm auf meine Hand!
Komm' an mein Herz! - Blick nicht so trübe -
Vergiß, was dich so bang gemacht -
Es lebt ja noch die alte Liebe,
Sie wird nicht sterben über Nacht!
Aus: Im Hafen. Lyrische
und epische Dichtungen
von Marlo [Ps. von Karl Edmund Langer]
Wien 1849
In Commission bei Kaulfuß Witwe, Prandel & Compagnie
(S. 36-37)
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Am Heimwege
Lieder
1.
Wölkchen fliegen durch die
Nacht
Sanft vom Mond umgossen,
Ferner Berge dunkle Pracht
Hat sich still erschlossen.
Alles ruhig - Alles still,
Wie vom Traum umwoben,
Nur mein Herz, das heiße, will
In Gedanken toben.
Stürmend Herz! thu's gleich der Nacht
Wolle Ruh' dir wählen: -
Morgen, wenn der Tag erwacht
Magst dich wieder quälen! -
2.
Sie sprach zu mir: "Leb'
wohl, schlaf süß
Und laß von mir dir träumen,
Und morgen kehrst du doch gewiß,
Du darfst nicht länger säumen!" -
O lieblich Wort, o heller Klang
Du tönst durch meine Seele
Stets fort auf meinem Heimathgang,
Daß kein Geleit mir fehle!
Ich ruf's zurück: Leb' wohl, schlaf süß
Und laß' von mir dir träumen,
Und morgen kehr' ich ja gewiß, -
Kann ich denn länger säumen?! -
3.
Herbstlich kahle Bäume
stehn
Schwankend am Gestade,
Ihre gelben Blätter weh'n
Still zum Wellenbade.
Muß denn Alles, was so grün
Herbstlich einst ersterben,
Alles, was geblüht, verblüh'n
Und Vernichtung erben? -
Ach! vom kahlen Baume wallt
Blatt auf Blatt hinüber,
Und die Wellen ziehen kalt,
Kalt und rasch vorüber! -
4.
Wie war sie heut so mild,
so weich,
Ihr Blick, ihr Wort so sinnig,
Ihr ganzes Thun so liebereich,
Ihr Kuß so sehnsuchtinnig! -
Wallt immerhin den Fluten zu
Ihr Blätter, welk und trübe,
Mein Herz durchströmt so sel'ge Ruh,
Gedenk' ich meiner Liebe!
Und mag auch Duft und Farbenglut
Des Todes Welle trinken: -
Mein Lieben und mein frischer Muth
Soll nicht in ihr versinken!
5.
Um den Mond, so klar und
mild
Lichte Wölkchen kosen,
Wie um ein Madonnenbild
Schimmernd weiße Rosen.
Süßer Anblick! Wie voll Macht
Hältst du mich gefangen,
Weil in meines Herzens Nacht
Gleiche Bilder prangen!
Der Gedanken lichte Schaar
Hält den Ort umkränzet,
Wo so mild und mondenklar
Meine Liebe glänzet!
Aus: Im Hafen. Lyrische und epische Dichtungen
von Marlo [Ps. von Karl Edmund Langer]
Wien 1849
In Commission bei Kaulfuß Witwe, Prandel & Compagnie
(S. 42-46)
_____
Die Waldkapelle
Lauer Abendschein
Goß umher die Flammen;
Durch den stillen Hain
Gingen wir zusammen: -
Unsrer Wand'rung Ziel'
War die traute Stelle,
Wo so schattig kühl
Steht die Waldkapelle! -
Wo so jugendfrisch
Felsenquellen rauschen,
Denen träumerisch
Dunkle Tannen lauschen; -
Wo, vom Moos umwallt
Stolze Felsen stehen,
Die so ernst und kalt
In die Thäler sehen! -
Vor dem Gnadenbild
Neigten wir uns wieder,
Und wie immer mild,
Grüßte es hernieder; -
Und es schien, sein Mund
Riefe uns entgegen:
"Eurem Herzensbund
Meinen schönsten Segen!" -
Und es hielt mein Arm
Innig dich umfangen -
Thränen, frühlingswarm
Netzten unsre Wangen:
Süßes Schweigen lag
Um die Waldkapelle -
Nur im Tannenhag
Flüsterte die Quelle! -
Aus: Im Hafen. Lyrische
und epische Dichtungen
von Marlo [Ps. von Karl Edmund Langer]
Wien 1849
In Commission bei Kaulfuß Witwe, Prandel & Compagnie
(S. 47-48)
_____
Laß ruhn!
Ob ich der alten Zeiten noch gedenke
Da ich gekämpft um dich so herben Streit? -
Laß ruhn auf ewig sie; - versenke
Sie in die Tiefen der Vergessenheit!
Mein bist du nun! - Wozu die Tage wecken
Wo ich vergeblich um dein Lieben rang? -
Laß sie nicht aufersteh'n in ihrem Schrecken
Durch deiner Stimme mächt'gen Zauberklang! -
Wenn still das Meer, wenn seine Wogen träumen
Dann sprecht mir nicht von wilder Sturmesnacht; -
Erzählt mir nicht von seinen Fluthenschäumen
Wenn sonnig hell sein grüner Spiegel lacht.
Denn wenn die Wogengeister dort, die düstern,
Die tief im Schoose der Gewässer ruh'n -
Wenn sie vernehmen euer banges Flüstern
Verlockt es sie zu neuem, wilden Thun! -
So laßt mich denn auf stiller Meerfluth schiffen,
Laßt träumen mich von schönem Perlenlicht,
Von Meeresrosen und Korallenriffen -
Und wär's ein Traum - ach! weckt mich, weckt mich nicht! -
Aus: Im Hafen. Lyrische und epische Dichtungen
von Marlo [Ps. von Karl Edmund Langer]
Wien 1849
In Commission bei Kaulfuß Witwe, Prandel & Compagnie
(S. 50-51)
_____
Zuruf
So manche Jahre sanken
Seit ich mich dir verband -
Doch fest und ohne Wanken
Hielt unsre Liebe Stand.
Wir hielten treu zusammen,
Was auch die Zeit gebracht,
Zwei lichtgenährte Flammen
Die Ein Hauch angefacht. -
So laß uns eng umschlungen
Durch's Leben muthig gehn -
Dieß Land der Dämmerungen
Wo Ros' und Dornen stehn.
Ich weiß, nicht allen Tagen
Lacht süßer Sonnenschein: -
Doch laß' es uns nur wagen,
Der Haß nur geht allein! -
Doch Liebe liebt zu wandern
Der Liebe zugesellt: -
Laß du die Welt den Andern,
Die Liebe ist die Welt! -
Aus: Im Hafen. Lyrische und epische Dichtungen
von Marlo [Ps. von Karl Edmund Langer]
Wien 1849
In Commission bei Kaulfuß Witwe, Prandel & Compagnie
(S. 54-55)
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Wie kam's?
Wir schwiegen still und sinnig,
Da keines Worte fand -
Ich drückte dir nur innig
Die liebe, weiche Hand! -
O sprich - wie war's gekommen
So rasch - so ungeahnt,
Daß unsre Lippen glommen
In heißer Küsse Brand?! -
Aus: Im Hafen. Lyrische und epische Dichtungen
von Marlo [Ps. von Karl Edmund Langer]
Wien 1849
In Commission bei Kaulfuß Witwe, Prandel & Compagnie
(S. 62)
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Beschwörung
Vom Zauberlehrling las ich einst die Sagen,
Der, da einst fern der alte, finstre Meister,
In dessen Buch den Spruch sich aufgeschlagen,
Der herrisch tönt in's ferne Reich der Geister. -
Er wollte rufen nicht die finstern Schemen,
Neugierig hing sein Blick nur an den Zeichen:
Da schaut er auf - fast will der Schreck ihn lähmen,
Er sieht vor sich den Geist, den todesbleichen! -
Das Zauberbuch entsinkt den starren Händen,
Er sucht das Wort, das jenen macht verschwinden:
Doch kann er nicht das Auge von ihm wenden,
Und auch das Wort nicht, das unsel'ge, finden! -
So las auch ich, von heißer Sehnsucht trunken,
Im Zauberbuche deiner schönen Seele,
Nicht ahnend damals, daß ich traumversunken
Mir selbst den Schlummer aus dem Busen stehle!
Den Geist der Liebe wollt' ich nicht beschwören,
Doch plötzlich sah ich schimmernd auf ihn tauchen,
Mit seinem Gruß mich lieblich zu bethören,
Und heiße Gluthen in mein Herz zu hauchen! -
Ich rief ihn nicht - er aber wußte mächtig
Mit süßen, weichen Armen mich zu fassen: -
Nun tritt er mir in meinen Traum allnächtig,
Und will mich nimmer, nimmer mehr verlassen!
Aus: Im Hafen. Lyrische
und epische Dichtungen
von Marlo [Ps. von Karl Edmund Langer]
Wien 1849
In Commission bei Kaulfuß Witwe, Prandel & Compagnie
(S. 65-66)
_____
Im Hafen
Im Hafen ruhen wir, und schauen
In's weite, dunkle Meer hinaus, -
Die fernen Küstenberge grauen
Tief in's kristall'ne Wogenhaus.
Die weiße Möve kommt geflogen,
Ein Herold, der die Fehde bringt;
Und hinten rauscht das Heer der Wogen
Horch! wie ihr Schlachtensang erklingt! -
Sieh! - mitten durch das Sturmgetose,
Schifft, wie ein schöner Friedensgeist,
An's Ufer eine weiße Rose
Vom wilden Wogenschwall umkreist.
Ward sie dem wilden Sturm zum Raube,
Der ist entführt aus schöner Hand?
Daß sie, gleich einer weißen Taube,
Jetzt ängstlich späht nach festem Land?
Ward gerne sie hinaus gesendet
In's dunkle Meer aus sich'rem Port,
Ein letztes Lebewohl - gespendet
Von treuer Lieb' dem Schiffer dort?
Ist es die Bothschaft der Sirene,
Die unten singt in klarer Fluth,
Daß, nachzugeh'n dem Ruf der Töne
Der bange Fährmann fasse Muth?
Wie dem auch ist - sei uns willkommen,
Du Wunderbild in Sturmesnacht,
Das du an unsern Strand geschwommen
Mit deiner hellen Blüthenpracht!
Bist du uns nicht ein treues Bildniß
Von unsrer Liebe, still und heiß,
Die aus dem Meer der Lebenswildniß
Uns blüht so rein und lilienweiß?
Aus: Im Hafen. Lyrische
und epische Dichtungen
von Marlo [Ps. von Karl Edmund Langer]
Wien 1849
In Commission bei Kaulfuß Witwe, Prandel & Compagnie
(S. 75-76)
_____
Verhängniß
Warum blühst du, zarte Rose
An des dunklen Grabes Rand?
Warum fielst du, sanfte Thräne,
In den dürren Wüstensand?
Rose! blühtest du im Garten,
Hätte Mancher dich gepflückt: -
Thräne! wärst in's Meer gesunken,
Hättest Kronen bald geschmückt!
Mädchen! - sieh' hier unser Bildniß
Du die Rose - ich das Grab:
Du die Thräne - ich die Wildniß,
Deren Gluth den Tod dir gab! -
Aus: Im Hafen. Lyrische und epische Dichtungen
von Marlo [Ps. von Karl Edmund Langer]
Wien 1849
In Commission bei Kaulfuß Witwe, Prandel & Compagnie
(S. 79)
_____
Im Freien
Hinaus aus euren dumpfen Mauern,
Der kühlen, öden Kerkernacht,
Wo tausend Späherblicke lauern
Und jedem Laut ein Lauscher wacht.
Dem Wort ist Freiheit dort entrissen,
Dem Blick der freie Strahl verhüllt,
Und Aug' und Lippe soll nicht wissen
Wenn heiß das Blut die Pulse füllt!
Doch draußen in den freien Räumen,
Wo blau die Luft - die Saaten grün,
Da darf der Haß entkerkert schäumen,
Und fessellos die Lieb' erglühn.
Mit stolzem Blick und kühner Rede
Darf ich dem Feind in's Auge seh'n,
Ihn fordern zur entflammten Fehde
Und ernst ihm gegenüber stehn!
Und blicken darf ich traumversunken
Dir in dein lieblich Angesicht,
Und laut und kühn und liebestrunken
Dir künden was die Seele spricht.
Der Waldstrom rauscht im wilden Falle
Mein zürnend Wort gewaltig nach -
Vervielfacht wird vom Widerhalle
Der Fluth, den meine Lippe sprach: -
Doch meiner Liebe sanften Tönen
Leiht die Natur gar holden Klang,
Und mag sie liebend gern verschönen
Durch Lerchenschlag und Quellensang!
Aus: Im Hafen. Lyrische
und epische Dichtungen
von Marlo [Ps. von Karl Edmund Langer]
Wien 1849
In Commission bei Kaulfuß Witwe, Prandel & Compagnie
(S. 86-87)
_____
Schneeflocken
Wie lieb' ich euch, ihr silberweißen Flocken,
Wie lausch' ich gerne eurem flücht'gen Treiben,
Wenn ihr an meines Fensters helle Scheiben
So traulich pocht, als wolltet ihr mich locken!
Wohl bringt ihr Eis und macht die Quellen stocken,
Die Blüthen starben und die Dornen bleiben,
Mailieder gibt es freilich nicht zu schreiben,
Denn stumm sind Vogelsang und Hirtenglocken.
Doch auch die Zeit, sie ist nicht arm an Gaben,
Sie bringt den Traum zurück der Kindertage,
Vom Weihnachtfest die schöne Ammensage:
Und wo zwei Menschen innig lieb sich haben,
Da lebt sich's traulich, wie im Lenz beisammen
Im stillen Stübchen vor den hellen Flammen! -
Aus: Im Hafen. Lyrische
und epische Dichtungen
von Marlo [Ps. von Karl Edmund Langer]
Wien 1849
In Commission bei Kaulfuß Witwe, Prandel & Compagnie
(S. 97)
_____
Einklang
In des Waldes Dämmerungen
Lausch' ich froh dem Liederstreit,
Der um mich so hell erklungen
Tief in kühler Einsamkeit.
Tausend Stimmen, tausend Klänge
Werden rings im Grünen wach,
Und die holden Waldgesänge
Tönt mein Herz erbebend nach.
Quellen rauschen süß und linde,
Wiegen mich in wachen Traum,
Und im leisen Hauch der Winde
Flüstert still der Tannenbaum.
Rings die bunten Sängerheere
Fallen ein mit hellem Sang, -
In der Klänge vollem Meere
Würd' ich gerne selbst zum Klang!
Süße Lieder! Süße Töne!
Wohl ein Zaubrer sandte euch;
In mir schweigt das Kampfgedröhne,
Und mein Herz wird warm und weich.
Und all' euer wirres Rauschen
Dünkt Ein Klang mir, längst vertraut,
Dem ich ewig möchte lauschen:
Liebe! heißt der Seelenlaut!
Aus: Im Hafen. Lyrische
und epische Dichtungen
von Marlo [Ps. von Karl Edmund Langer]
Wien 1849
In Commission bei Kaulfuß Witwe, Prandel & Compagnie
(S. 108-109)
_____
Die Einsamen
I.
Ich träume mich so gern an
deiner Seite
Auf eines fernen Insellandes Strand,
Wohin kein Schiff die Bahn, kein Seemann fand,
Wo rings das Meer nur rauscht, das tiefe, weite!
Wo zwei Gefang'ne, die Ein Tag befreite,
Und heimwärts führte in ein freies Land:
So ruhten wir dort selig, Hand in Hand,
Fern allem Haß und allem bösem Streite.
Der alten Welt nicht wollen wir vertrauen
Den reichen Schatz, den unsre Herzen bergen,
Sie dünkt ein Friedhof uns voll morschen Särgen!
Nein! - aus den Wogen, aus den dunkelblauen
Soll frisch und grün ein neues Eiland steigen,
Das uns allein und unserm Glück zu eigen!
II.
Am Horizont seh'n wir ein
Segel blinken
So weiß wie Schnee im hellen Sonnenlicht;
Es ist ein Schiff! Geliebte, siehst du nicht?
Soll ich's heran zu unserm Strande winken? -
"Ach! laß es zieh'n!" - Der Masten stolze Zinken
Sie fliehn vorbei, die Schiffer ahnen nicht,
Daß dieser Ort zwei Selige umflicht,
Die unbelauscht vom Born des Glückes trinken!
Und wie dieß Schiff an unsrer grünen Küste
Vorübertrieb in ferne Meereswüste
Vom Sonnenbrand des Mittags überglüht: -
So mag es oft die laute Welt nicht ahnen,
Daß dicht an ihren sturmgewohnten Bahnen
Die Blume sel'gen Friedens aufgeblüht!
III.
So heimlich still wird's
nun am Erdenkreise,
Der Sonne Gluthenflügel sind gefaltet
Und all' ihr Strahlenglanz im Meer erkaltet,
Da sie vollbracht des Tages weite Reise!
Und in den Dämmerungen regt sich leise,
Ein geistig Wesen, wunderbar gestaltet,
Es keimt und wächst; sein mächt'ger Zauber waltet
Im Dunkel auf geheimnißvolle Weise!
Fühlst du es auch, dieß nächtlich stille Sehnen?
Ach! wem's beginnt das Herz zu überweh'n,
Der fühlt, was keinem Fühlen ist vergleichbar: -
Auf zu den Sternen muß er schau'n in Thränen,
Er will sie niederziehn, sie aber geh'n
So still, so klar, und ach! so unerreichbar! -
IV.
Und soll denn einst dieß
reiche, schöne Leben
Versinken in des Todes ew'ger Nacht:
Dann stirb nicht langsam hin, du Blüthenpracht,
Dann fallt nicht einzeln ab, íhr grünen Reben!
Nein! Ein Moment, er lasse uns entschweben
Mit unserm Eiland, das der Götter Macht
Gewährend unserm Glücke zugedacht: -
Mit uns versinke es in leisem Beben! -
Und wenn die Schiffer einst nach fernen Jahren
In Sturm und Wetternacht vorüberfahren:
Hier liegt stets ungetrübt die stille Fluth.
Ein heil'ger Schauer wird zu ihnen sprechen,
Daß unter diesen stillen Wasserflächen
Das Eiland zwei beglücker Herzen ruht!
Aus: Im Hafen. Lyrische und epische Dichtungen
von Marlo [Ps. von Karl Edmund Langer]
Wien 1849
In Commission bei Kaulfuß Witwe, Prandel & Compagnie
(S. 120-123)
_____
Ghaselen
I.
Die Wolken gehen, wer
weiß, wohin,
Die Lüfte wehen, wer weiß, wohin!
Es singt im Wald ein Vöglein so süß,
Die Töne ziehen, wer weiß wohin;
Es blüht im Grünen die Rose so roth,
Die Düfte fliehen, wer weiß, wohin!
Ein Blüthenstäubchen schwimmt durch die Luft,
Der Sturm, er trägt es, wer weiß, wohin;
Ein Schiff durchsegelt das stolze Meer,
Die Woge verschlägt es, wer weiß, wohin!
Der Sänger streut seine Lieder hinaus,
Sie wandern und wallen, wer weiß, wohin;
Und du, mein Leben, mein Streben und Sein,
Auch du wirst verhallen - wer weiß, wohin! -
II.
Wer ist', der mir so süßes
Sein bereitet? - Du!
Der schützend mich durch dunkle Wege leitet? - Du!
Wer schlägt die Laute, deren zitternd weicher Laut,
Ein holder Traum in meine Seele gleitet? - Du!
Wer sprach der Liebe zagendes Geständniß aus,
Das mir die schmerzbeengte Brust erweitet? - Du!
Wer ist der Friedensgeist, der über Nacht und Fluth
Ein milder Himmelsbote zu mir schreitet? - Du!
Und wer - wer ists, der mir die schönste Rose beut,
Von der er liebend erst den Dorn beseitet? - Du! -
III.
Du hast den Frieden mir
gesendet, habe Dank!
Hast deine Liebe mir gespendet, habe Dank!
Du hast den Blitz des zürnenden Geschicks
Von meinem Haupte abgewendet, habe Dank!
Du warst der Herold, der mit grünem Friedenszweig
Den heißen Kampf in mir beendet, habe Dank;
Du bist die Fee, die ihre schönen Gaben all'
An Ein geliebtes Herz verschwendet, habe Dank!
Ich stehe stumm in der Geschenke reichem Kreis,
Von ihrem goldnen Glanz geblendet, habe Dank,
Und wähne nicht, daß jemals naht der Augenblick,
In dem mein Herz zu sagen endet: "Habe Dank!" -
IV.
Sinnend leh'n ich am
Portale, wie dereinst;
Blick' empor zum hellen Saale, wie dereinst,
Und auf meine trübe Stirne fällt auch heut'
Jener Lampe Licht, das fahle, wie dereinst!
Die Karossen hör' ich rollen durch die Nacht,
Seh' das Treiben um mich her, das schale, wie dereinst,
Nur dein Bild erglänzt in meine Einsamkeit
Das ich mir erglühend mahle, wie dereinst!
Tritt auch heut' hervor, o komm, du Lichtgestalt,
Aus dem dämmernden Portale, wie dereinst,
Daß ich jauchzend dich empfang' und deine Huld
Mit gerührtem Danke zahle, wie dereinst!
Aus: Im Hafen. Lyrische und epische Dichtungen
von Marlo [Ps. von Karl Edmund Langer]
Wien 1849
In Commission bei Kaulfuß Witwe, Prandel & Compagnie
(S. 124-127)
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Ghaselen
1.
Die Welt, die draußen ist, sie rührt uns nicht! -
Der Glanz, der draußen ist, verführt uns nicht! -
Wir blicken träumend uns in's Angesicht,
Der Lärm, der draußen ist, erweckt uns nicht!
Wir ruh'n uns liebeselig Brust an Brust,
Der Zwist, der draußen ist, erschreckt uns nicht!
Wir sagen uns viel süße Dinge vor -
Der Neid, der draußen ist, er hört uns nicht!
Wir küssen uns auf Auge, Stirn und Mund,
Der Groll, der draußen ist, er stört uns nicht! -
So schwindet Stunde uns um Stunde hin,
Nach dem, was draußen ist, begehrt uns nicht!
Die Lust, die draußen ist, nicht lockt sie uns -
Der Gram, der draußen ist, verzehrt uns nicht! -
2.
Für die schönsten meiner Lieder ford're ich zum Lohne Dich,
Und ich nenne des Gesanges schönste Lorbeerkrone Dich! -
Duftlos däuchten mir die Kränze, die die Welt den Sängern flicht,
Sollten sie das Haupt mir schmücken, mich umschlingen ohne Dich.
Ziehen will ich aus der kalten, aus der ahnungslosen Welt
In der Dichtung zauberhafte, süße Blütenzone Dich! -
Perlen will ich um Dich streuen, Strahlen gießen um Dein Haupt,
Dich mit Tönen süß umweben, Licht und Klang umwohne Dich!
Und die duftendsten der Rosen wind' ich Dir zum Diadem,
Dich erquicken soll ihr Odem, doch ihr Dorn verschone Dich! -
Komm zu mir in meine Reiche - Fürst bin ich in schönem Land,
Doch um Alles gerne säh' ich neben mir am Throne Dich!! -
3.
Es haben mir Deine Blicke so manches Süße erzählt -
Es haben so manches Liebe mir Deine Küsse erzählt;
Es hat mir Dein blaues Auge, der zauberisch waltende Stern,
So manches Holde und Schöne durch seine Grüße erzählt! -
Sie haben mir alles Geheime, was tief im Herzen Dir ruht,
Mit schnell geläufiger Zunge, auf das ich es wisse, erzählt: -
Nun kannst Du mir nimmer entkommen, armes, verrath'nes Kind,
Schon haben zu viel mir die Blicke, die Worte und Küsse erzählt!
Aus: Immergrün.
Taschenbuch für das Jahr 1844
Achter Jahrgang Wien Verlag der Carl Haas'schen Buchhandlung
(S. 267-268)
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Der Entfernten
Ob Du auch fern - ich klage nicht,
Wenn gleich mein Herz an Sehnsucht kranket,
Und an Dein holdes Angesicht
Mein Blick so gern sich aufwärts ranket.
Ob Du auch fern - ich trag' es still,
Wenn gleich die Hoffnung, Dich zu sehen,
Trostlos in mir ersterben will -
Sie muß ja wieder neu erstehen! -
Und bauen die Gedanken nicht
Von mir zu Dir den Brückenbogen,
Der siegend Berg und Thal umflicht,
Wie eines Bächleins Silberwogen? -
Die Briefe Deiner lieben Hand,
Sind's Tauben nicht mit weißen Schwingen,
Die mir aus fernem Wunderland
Gar süße, schöne Kunde bringen! -
D'rum - ob du fern - ich klage nicht;
Wenn auch mein Herz von Sehnsucht kranket,
Und an Dein holdes Angesicht
Mein Blick so gern sich aufwärts ranket!
Aus: Immergrün.
Taschenbuch für das Jahr 1844
Achter Jahrgang Wien Verlag der Carl Haas'schen Buchhandlung
(S. 269-270)
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Am Lethe
Am Lethe wünscht' ich oft mich zu ergeh'n,
Vergessenheit mir trinkend zu erringen;
An seinen Ufern wollt' ich träumend steh'n,
Bis Jetzt und Ehemals vor mir vergingen!
Dem Lispeln, das durch seine Schilfe zieht,
Wollt' ich wie Götterstimmen bebend lauschen;
Und so wie auf ein lieblich Schwanenlied,
So horchte ich auf seiner Fluten Rauschen.
Von dieser Erdenscholle armen Raum
Wollt' ich mich auf in ferne Himmel schwingen;
Und träumen wollt' ich einen Göttertraum,
Wie ihn die Dichter alter Zeiten singen.
Vergessen wollt' ich, daß ich Staubessohn, -
Daß Mensch ich sei, ich wollte es vergessen,
Und hoch vom sterndurchwirkten Aetherthron,
Ein Gott zu walten, frevelnd mich vermessen!
- Wozu dies Sehnen nach dem Fabelland?
Wozu der heiße Drang zu Lethe's Wellen? -
Reicht mir nicht diese Welt mit Segenshand
Vergessenheit aus nähern, schönern Quellen? -
So ist es! - Seit ich Dir in's Auge seh'
Und tief in seine Zauber mich verstricke:
Schwand diese Erde mir sammt Lust und Weh',
Getaucht in Nebelduft durch Deine Blicke.
Und trink' ich Deines Kusses Lebenshauch,
Erglüht mein Mund an Deiner Lippen Flammen,
Und pocht mein Herz - wie's süßer Liebeshauch -
Mit Deinem Herzen innig warm zusammen:
Da liegt vergessen rings um mich die Welt,
In ferne Himmel fühl' ich mich getragen:
Den Göttern bin ich träumend zugesellt,
Und wahrgeworden sind mir Lethe's Sagen!
Aus: Immergrün.
Taschenbuch für das Jahr 1844
Achter Jahrgang Wien Verlag der Carl Haas'schen Buchhandlung
(S. 273-274)
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Biographie:
https://www.biographien.ac.at/oebl/oebl_L/Langer-Lannsperg_Carl-Edmund_1819_1885.xml