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Kurd Laßwitz
(1848-1910)
Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
-
Ausgelöscht in Dämmerungen
-
Das holde Glück, bei dir zu
weilen
-
Von diesem Haupte nimm die
Last der Jahre
-
Wie im letzten Dämmerlichte
-
Wann du mir früh begegnet
-
Ich kenne dich und die
verborgnen Wege
-
Wie in der Sommernacht
geheimem Weben
-
Oft in Mühen des Tags, wenn
die engen Gewalten des Lebens
-
Ein Gärtlein hab' ich im
Märchenreich
-
Seltsam heute
-
O Tag des Wiederfindens, wirf
herein
-
Mich haben die Menschen
beklagt und belacht
-
Tag der Freude
-
Nein, es ist nicht wohlgetan
-
Eile, kleine Zeile
-
Ein Tag, da ich dich nicht
geseh'n
-
O geh' noch nicht! Noch
einmal laß den Arm
-
Da draußen aus grauer
Wolkenschicht
-
Dies stolze Wissen um geheime
Glut
-
Die waldigen Gipfel blicken
-
Im leisen Zittern les' ich's
deiner Hand
-
Nicht in des Zornes Schleier
hülle
-
O frage nicht, was je
geschehen könnte
-
Noch ist die Sonne nicht
gesunken
-
Es ist vorüber! Er hat es
vernommen
-
Ich sah das Feld im weiten
Kranz von Bergen
-
Des Frühlings letzter Abend
ist verglommen
-
Die Stunde des Schaffens, die
segnende, schwebt
-
Ich wandle durch die Stadt
und denke dein
-
Wenn die Stunde naht, da ich
sonst dich fand
-
Als du das Leben mir
vernichtet
-
Es ist so einsam in den hohen
Fichten
-
Wenn es ein Leben gibt im
Reich der Schatten
-
Was ich im Grund des Herzens
still gepflegt
-
Sie schwärmten von heißer
Liebe Glüh'n (Stelldichein)
-
Wir steigen hinauf den
waldigen Grund (Hörselberg)
-
Durch den blühenden
Myrtenhain (Hermione)
Aus: Späte Liebe
I. Sehnen und Werben
Ausgelöscht in Dämmerungen
Liegt mein Leben, liegt mein Denken.
Nimmermehr vom Glücke fordr' ich
Neue Tage mir zu schenken.
Und doch glühn durch meine Seele
Rätselvolle schwüle Nächte,
Wundersame Märchenaugen
Wie geheime Schicksalsmächte.
Ob mir goldne Zukunftssonnen
Nahes Morgenrot verbreiten?
Ob nur fern die Wetter leuchten
In den unnahbaren Weiten?
Diese lieben dunklen Sterne,
Ach, ich weiß nicht, was sie sagen - -
Ob sie Schweigen mir gebieten,
Ob sie mich verstohlen fragen?
(S. 59)
_____
Das holde Glück, bei dir zu weilen,
Zwei Stimmen ruft es in mir wach -
Nur eine darf dein Ohr ereilen,
Doch heimlich tönt die andre nach.
Die eine wird dir höflich sagen,
Wie deine Nähe mich erfreut, -
Die andre stürmt in wirren Fragen,
Vom Herzen tausendfach erneut.
Die eine spricht von weisen Dingen,
Und klug und freundlich stimmst du zu, -
Die andre möchte jauchzend klingen:
Geliebtes Weib, wie hold bist du!
Und muß die erste plötzlich stocken,
Wenn mich dein Auge leuchtend mahnt,
Frag' ich im Stillen tief erschrocken,
Ob du die zweite wohl geahnt?
(S. 60)
_____
Von diesem Haupte nimm die Last der Jahre,
Und was sie lehrten, nimm mir, Herr der Zeit,
Daß ich den Frühlingssegen ganz erfahre,
Mit dem ihr Atem meine Tage weiht.
Nimm all die Zweifel, die das Herz berauben,
Nimm mir das Wissen um die neue Qual,
Laß mich noch einmal an die Liebe glauben
Und an ihr Glück - noch dieses eine Mal!
(S. 60-61)
_____
Wie im letzten Dämmerlichte
Näh' und Ferne matt verschwimmen,
Klingt es nicht
Dir in's Ohr wie leise Stimmen?
Dann in meinem wachen Traum
Sehn' ich mich zu deinen Füßen.
Durch den Raum
Schweben Schatten, uns zu grüßen.
Aus den Höhen, erdenfern,
Wo sich unsre Seelen finden,
Fällt ein Stern,
Und ein Lied zieht mit den Winden.
(S. 61)
_____
Wann du mir früh begegnet,
Wie wird so hell mein Tag,
Und ob ihm tief in Wolken
Die Sonne lag,
Und ob es stürmt und regnet,
Wann du mir früh begegnet,
Wird sonnenhell mein Tag.
Vorüber leises Rauschen
Und holder Morgengruß - -
So eilend schreitet weiter
Dein leichter Fuß?
Noch immer muß ich lauschen
Des Kleides leichtem Rauschen,
Dem holden Morgengruß.
(S. 61-62)
_____
Ich kenne dich und die verborgnen Wege,
Wo deine Seele wandert - -
Durch die Höh'n
Des eisigen Äthers, wo den irren Schein
Die letzten Sterne wärmelos versprüh'n,
Führt ihre Straße sie empor ins Reich
Des ewigen Traumes. Eine fremde Welt
Durchstrahlt mit seltsam mildem Eigenlicht
Die Seele, die sich durch die Nacht gewagt.
Doch einsam schwebt sie, ach, unendlich einsam.
Tief unter ihr verloren liegt die Erde,
Wo Menschen wohnen - Menschen, die sie rufen,
Und die sie flieht - -
Ich aber kenne dich
Und die verborgnen Wege deiner Seele.
Ich bin sie selbst gewandert, endlos, stumm -
Denn keine Sprache dringt aus Menschenmund
In jene Götterhöh'n, - und Götter schweigen.
Nur der ist frei, den niemand fragen kann.
Es ist so süß zu leben ungefragt,
So hingegeben ganz dem eignen Herzen
Und dem Gefühl, das seine Wege sucht.
Und weil die Menschen fragen, immer fragen,
Floh ich hinauf, wo keine Neugier wohnt
Und eine Welt nichts weiß von andern Welten.
Dort traf ich dich, und darum kenn' ich dich.
(S. 63)
_____
Wie in der Sommernacht geheimem Weben
Die wunde Welt die Kampfesnot vergißt
Und an des Ewigen reinem Glanz sich mißt
Und betend dankt: Wir atmen und wir leben -
So spür' ich durch die Seele heilend schweben
In meiner Liebe Leid zu jeder Frist
Ein stilles Glück, das Trosteswort: Du bist!
O fühl's mit mir, denn was hab' ich zu geben?
Versagt ist mir der Wandel dir zur Seiten,
Versagt für dich des Lebens Kampf zu streiten,
Und machtlos sinken meine Hände nieder.
Nicht darf ich dich mit Schmuck und Glanz erfreuen,
Nicht auf den Weg dir Rosen zärtlich streuen,
Und fern von dir verhallen meine Lieder.
(S. 63)
_____
Oft in Mühen des Tags, wenn die engen Gewalten des Lebens
Unmut senken und Zorn in die bewegliche Brust,
Dein gedenk' ich, und ob du mich siehst; und die düsteren Falten
Glätten sich über der Stirn, und es bezwingt sich das Herz.
Leicht umfächelnd mit segnendem Hauch mich freundliche Geister,
Boten der Liebe, von dir ohne dein Wissen entsandt,
Leuchtende Blicke, ein deutsames Wort, ein leichtes Berühren -
In der Erinnerung Glanz schließt sich der Reigen des Glücks.
Auf dem lichten Gebild entschwebt die getröstete Seele
Mit der deinen geeint über die Erde hinaus.
Hand in Hand, so steigen wir auf zum Reiche der Freiheit,
Und die Herrscher der Höh'n neigen sich freundlich herab.
Denn den Göttern vertraut zu leben ist einziges Vorrecht
Dem belächelten Mann, der von der Menge sich schied. -
Hohe Gewalten, die ihr wohl sonst den Bittenden hörtet,
Sinn und Wort mir geschenkt, wenn ich euch ehrlich gesucht,
Heißt sie willkommen, die teure Gestalt, in der ewigen Schönheit,
Wunderpalast! Nicht fremd geht sie die Stufen hinan.
Nimmermehr nun komm' ich allein; in ihrem Geleite
Meinem zagenden Fuß öffnen die Tore sich weit,
Öffnen dem kühneren Blicke sich tief die unendlichen Fernen,
Und in reinerem Glanz schau' ich die heilige Form.
(S. 63-64)
_____
II. Erfüllung und Glück
Ein Gärtlein hab' ich im Märchenreich,
Dort blühen die sonnigsten Rosen
Durch's ganze Jahr, und lind und weich
Die duftenden Lüfte kosen.
Nur leider den Schlüssel, ich weiß es nicht,
Wann ich ihn glücklich erhasche,
Bis plötzlich ein goldenes Klingen spricht
Ganz leise in meiner Tasche:
Schließ auf geschwind, das ist die Zeit,
Im Zauberland zu pflücken!
Heut trägt der Tag ein Feierkleid,
Und Rosen sollen es schmücken.
(S. 65)
_____
Seltsam heute
Wandte der Gott der Träume
Mir sein goldenes Würfelspiel.
Rosen blühten
Leuchtend am Berghang,
Süß berauschend
Schmeichelten Blumendüfte;
Wonnige Farben
Glühten um Näh' und Ferne.
In lichtem Purpur
Senkte der Abend
Leicht ermattend die leisen Flügel. -
Aber zur Linken
Stürzt sich der Abgrund
Unermessen hinab zur Tiefe.
Dämmernd liegt es
In blauen Nebeln,
Wie ein Geheimnis
Fragender Sehnsucht
Warnend verschlossen.
In leichten Schleiern
Wallend und wogend
Steigt es herauf
Zum schmalen Pfade
Den wir wandeln,
Du und ich,
Sorglos und träumend
Am Abgrund der Liebe.
Und siehe - plötzlich
Am Felsenabsturz
Im Nebelgewoge
Endet der liebliche Pfad -
Unter den Füßen
Schlüpfrig schwindet die jähe Klippe
Zum drohenden Abgrund
Wank' ich und stürze -
Hinabgeschmettert
Zum Tode der Tiefe!
Mein letzter Blick
Hält noch dein liebes
Schreckenerstarrtes
Auge fest.
Aus seinem Spiegel
Grüßt es wie rettender Trost:
"Ich komme! Ich komme!"
Heil mir! Du folgest -
Wir stürzen zusammen!
Und schmerzlos vergeh' ich
Im Abgrund der Liebe -
Heil mir!
Aber der Traumgott
Argvoll lächelnd
Schüttelt im Becher die goldnen Würfel.
Und von der Höhe
Nieder zum Grunde
Senkt es sich breit in sanften Terrassen.
Auf den Stufen des weißen Marmors
Schmiegt sich weich der glänzende Teppich.
Goldne Geländer
Ziehen sich schützend
Zu beiden Seiten
Und in der Mitte,
Ein freundliches Lächeln
Auf süßen Lippen,
Erhobenen Hauptes
Im Festgewande
Siegreich geschmückt,
Wandelst du langsam
An mir vorüber
Bequem und sicher
Und ohne Straucheln
Die breiten Stufen.
(S. 65-68)
_____
O Tag des Wiederfindens, wirf herein
In dunkle Herzen deine Flammenzeichen!
Groß wie der Morgen, dem die Schatten weichen,
Groß laß und klar das neue Leben sein!
Nicht jenen Halben, die so arm und klein
Um das Geheimnis heil'gen Feuers schleichen,
Darf die Geliebte, die ich kenne, gleichen,
Denn ihre Liebe haßt den milden Schein.
Ich will im spielerischen Zeitvertreib
Um Worte nicht, um Küsse nicht mehr werben,
Ein Stückchen Seele und ein Stückchen Leib -
Sei es die Rettung, sei es das Verderben!
Nichts oder alles! Leben oder Sterben!
Gib, lichter Tag, mein alles mir, mein Weib!
(S. 68-69)
_____
Mich haben die Menschen beklagt und belacht,
Es drück' im Kopf mich ein Sparren,
Doch jubelnder Dank sei dem Gotte gebracht,
Der mich schuf zum seligsten Narren!
Verlassen
Hab' ich die Gassen;
Sie mögen im Dämmer verblassen!
Die wackelnden Häupter, ich sehe sie nicht,
Ich weiß nicht, was in der Stadt man spricht -
Hoch schweb' ich auf Flügeln der Liebe.
Ihr Wolken geballt zu drohendem Bild,
Euch reiß' ich lachend zu Fetzen!
Ihr Stürme, tobt ihr auch noch so wild,
Ich will euch den Atem versetzen.
In Grüfte
Der irdischen Klüfte
Hinab ihr Gespenster der Lüfte!
In Trümmer zerschlag' ich der Himmel Kristall -
Willkommen, unendliches ewiges All!
Hoch schweb' ich auf Flügeln der Liebe.
Hier brauet die Zeit sich den Weltenpunsch
Aus Äther und Sonnen zusammen,
Und mundet der Trank ihr nicht nach Wunsch
Verzischt er in läuternden Flammen.
Im Raume
Zersprüht er zu Schaume.
Mir glühn im unsterblichen Traume
Zwei wonnige Augen, zwei Strahlen des Lichts,
Und die Zeit und die Welt sind Nacht und nichts -
Hoch schweb' ich auf Flügeln der Liebe.
(S. 69-70)
_____
Tag der Freude
Weltbeglückender
Bote der segnenden
Allumfassenden Menschenliebe -
Bebende Hoffnung
Späht aus glänzenden Kinderaugen
Selig entzogen dir,
Und die einsame Träne
Auf der Wange der Armut rinnt
Dir in zitterndem Danke.
Holde Weihnacht!
Warum mir,
Mir verbirgst du das Glück,
Mir der Liebsten lächelndes, süßes Antlitz?
Uns versagst du den freien
Tausch der freundlichen Gaben,
Von Aug' zu Auge den Dankesblick
Unter der häuslichen Tanne?
Ach, unsre Tannen
Stehen draußen im weißen Nebel
Der winterlichen Mondnacht
Im Rauhreif schimmernd,
Und nur durch ihrer Schatten kalte Stille
Menschenfern und einsam
Flammt zu unsern Häupten
Der Stern der Liebe.
Doch tief im Herzen
Wundersam und groß,
Wie über Palmen einst
Den irrenden Weisen strahlend
Winkt er Verheißung
Froher Erlösung auch uns
Durch das Geheimnis
Eigner, unendlicher Liebe.
Und tief im Herzen,
Wisse, mein Lieb,
Erricht' ich heimlich,
Der Welt verborgen,
Für dich allein
Den Weihnachtsbaum.
In meiner Seele
Tief innerstem Grunde
Steht er gewurzelt
Mit treuen Gedanken.
Und fest und sicher
Zum Licht empor
Hebt sich der Stamm
Hoffnungsfroher Liebe.
Leise schwankt
Sein grünes Gezweig
Im Hause der Sehnsucht,
Geliebter Nähe
Entgegenstrebend.
Schimmernder Blüten
Zierlichen Schmuck,
Süßeste Gaben,
Hast du mit tausend Küssen,
Tausend zärtlichen, lieben Worten
Angeheftet an seine Zweige.
Goldne Früchte
Leuchten dazwischen:
Klingende Lieder,
Durch deine Huld
Hervorgezaubert aus meiner Seele.
Und alles durchstrahlt
Ein himmlischer Schein
Vom Glanze der Kerzen
Den deiner Augen
Wonnige Blicke,
Wohin sie treffen,
Glühend entzünden!
Mein Lieb!
Freundlich empfange
Den festlichen Baum,
Den du bereitet
Mit eigener Seele,
Empfang ihn wieder
Von deinem Freunde,
Der dein gedenkt
Heut wie immer. (S.
71-73)
_____
Nein, es ist nicht wohlgetan
Fern von der Geliebten weilen.
Wolkennacht wie Sonnenschein
Lassen sich nicht redlich teilen.
Ob sie froh, ob traurig ist,
Niemand weiß es mir zu sagen -
Ach vielleicht zu gleicher Frist,
Da ich hoffte, mußt' sie klagen?
Sehnsuchtsleid und Sorgenwahn
Aug' und Mund nur kann sie heilen.
Nein, es ist nicht wohlgetan,
Fern von der Geliebten weilen.
(S. 73)
_____
Eile, kleine Zeile,
Hin zu ihr und sage,
Daß ich bei ihr weile,
Heut' wie alle Tage.
Heut' wie alle Tage
Wann der Morgen graue,
Fliege meine Frage
Zur geliebten Fraue.
Zur geliebten Fraue
Wunsch und Grüße ziehen,
Ob sie heiter schaue,
Ob die Tränen fliehen?
Ob die Tränen fliehen?
Weiß ich doch das Eine,
Daß mein Glück gediehen,
Seit ich ganz der Deine.
Seit ich ganz der Deine,
Deine dir im Stillen,
Ward die Welt zu Scheine,
Herrscht allein dein Willen.
(S. 74)
_____
Ein Tag, da ich dich nicht geseh'n,
Ist wie ein Aug' in tiefer Nacht,
Das starr im wesenlosen Späh'n
Durch müde Finsternisse wacht.
Ein Tag, da ich dich nicht geseh'n,
Ist wie der atemlose Gang,
Umblendet von der Nebel Weh'n
Auf wegverlornem Felsenhang.
Ein Tag, da ich dich nicht geseh'n,
Ist wie des Büßers frommer Tod
Im Glauben an ein Aufersteh'n
Zu neuem, sel'gem Morgenrot.
(S. 74-75)
_____
O geh' noch nicht! Noch einmal laß den Arm,
Geliebtes Weib, um diesen Hals mich schlingen,
Noch einmal deine Lippen weich und warm
Im süßen Wonnestreit des Kusses ringen!
Verweile noch! Die Nacht verrät uns nicht
Die kurze Zeit, darein wir einzig leben.
Wie haß' ich jetzt des Tages Späherlicht!
Denn bist du fern, was kann die Sonne geben?
O geh' noch nicht! Du bist die Himmelsglut,
Du weckst der Seele schlummernde Gestalten,
Aus deiner Liebe quillt der Lebensmut,
Im neuen Flug die Schwingen zu entfalten.
Verweile noch! Aus jedem Kusse sprießt
Ein junger Lenz beglückender Gedanken,
Und aller Zweifel bange Qual zerfließt
In deiner Nähe gold'nen Zauberschranken.
(S. 77)
_____
Da draußen aus grauer Wolkenschicht
Eintönig rieselt die Regenflut,
Doch hell aus seliger Augen Licht
Strömt mir die goldene Himmelsglut.
In deinen Armen zur Märchenpracht
Klärt sich die düstere Wirklichkeit,
Von deinen Lippen entgegenlacht
Verschwiegene Wonne der Lenzeszeit.
O könnt' ich, was du mir gabst an Glück,
Dir wiederschenken mit kleinem Teil
O flösse freudig zu dir zurück
Die Segensfülle, mein Stern und Heil!
(S. 77-78)
_____
Dies stolze Wissen um geheime Glut
Von Aug' zu Auge sprüht's in heißen Funken,
Und wenn ich fern dir weile traumversunken,
In seinem Hort beglückt die Seele ruht,
Seit ich des lodernden Gefühles Flut
An deiner Liebe Flammenborn getrunken,
O wie veracht' ich euer falsches Prunken,
Ihr kargen Seelen, Herzen ohne Blut!
Den durst'gen Toren locket ihr durch's Leben
Mit eurer Augen blassem Irrlichtschein
Und fordertet und wußtet nicht zu geben.
Du gabst dich selbst, und alles wurde dein!
Wenn eure Schatten wesenlos verschweben,
Du wirst unsterblich wie die Liebe sein.
(S. 78)
_____
III. Verlieren und Gedenken
Die waldigen Gipfel blicken
Ins schweigende Tal herein,
Die Wiesenhalme nicken
Träumend im Mittagsschein.
Die lieben, kühlen Hände
Halt' ich in stummem Leid,
Ob ich das Glück wohl fände,
Das diese Stunde weiht.
Das Haupt seh' ich dich neigen
Und deine Seele weint - -
Da ward ich dir zu eigen
In heil'gem Schmerz geeint.
Und aus dem Waldesschatten,
Der unser Glück gebannt,
Still schritt es durch die Matten
Und winkte - und verschwand.
(S. 79-80)
_____
Im leisen Zittern les' ich's deiner Hand,
In der geliebten Züge stillem Leide,
Die Glut, die unsre Herzen selig band,
In heißer Sehnsucht nun verzehrt sie beide.
Dein Sonnenlächeln, das ich sonst gewann,
Es birgt sich bang, ob niemand es erspähe,
Und dir gesellt, ein glückgequälter Mann,
Entbehr' ich dich im Reichtum deiner Nähe.
(S. 80)
_____
Nicht in des Zornes Schleier hülle
Dein Auge, das die Unrast bannt,
Den holden Quell der Friedensfülle,
Darin ich selbst mich wiederfand!
Entziehe nicht die lieben Hände,
Die süßen Fesseln nimm mir nicht,
Und dieses düstre Schweigen ende,
Das mir den Mut der Seele bricht!
Das Glück, das meines Lebens Blüten
Mit jedem Morgen frisch betaut,
Dein Lächeln will ich rein behüten,
Auf's neue sei es mir vertraut!
(S. 80-81)
_____
O frage nicht, was je geschehen könnte,
Wann du mich nicht mehr liebst! Was wird geschehn,
Wann einst der Winter über meinen Hügel
Mit weicher Hand die stillen Flocken deckt?
Was wird geschehn, wann dieser Sonnenball
Den letzten Strahl zur frosterstarrten Erde
Herniedersandte? Wann in ew'ge Nacht
Die kalte Welt versank, kein Auge mehr
Am Glanz der Rosen und kein Ohr am Laut
Der holden Frühlingslieder sich erfreut?
Was wird gescheh'n, wenn nichts mehr kann gescheh'n?
Doch Eines weiß ich, Einz'ge, dir zu sagen -
Nur neige mir dein liebes Ohr ganz nah
Zu meinen Lippen, daß kein neid'scher Gott
Mein Wort vernimmt, und was ich schaudernd kaum
Zu denken wage, weil es Frevel ist,
In fürchterliche Wahrheit mir verkehre!
Denn Frevel ist's zu denken, daß dein Herz,
Das mir gehört, sich wenden kann von mir.
Und merk' es wohl, was ich in's Ohr dir flüst're:
So namenlos war dieses späte Glück,
Das deiner Liebe Sonne mir geglüht,
So unvergeßlich ist der heiße Dank,
Den ich die Knie dir umfassend stammle,
Daß dich verlieren mir nichts andres dünkt
Als aller Sterne Grab und Weltentod.
Was dann geschieht? Auch ausgeglühte Sonnen
Durchrasen noch den leeren Weltenraum - -
Vielleicht, daß in dem alten Gleis der Tage
Auch dieser Leib ein greises Leben fristet,
Vielleicht, daß dies Gehirn in matten Pulsen
Die ruhelose Arbeit weiterspinnt - -
Doch dieses Herz ist tot. Das wisse nun!
Wer dich geliebt wie ich, der liebt nicht wieder.
Denn diese Liebe war kein süßes Spiel
Mit Liedern und Rosen, leicht verwelkt -
Die Lohe war's, drin Welten sich verzehren.
Dir hab' ich mich geschenkt und bin nun nichts.
Einmal im Leben glüht der letzte Strahl,
Einmal der letzte Kuß. Und der war dein.
(S. 81-82)
_____
Noch ist die Sonne nicht gesunken,
Noch lebt der laute Tag und lacht,
Ich aber wanke dämmertrunken
Zum frühen Kerker meiner Nacht.
Es sprießt in leuchtenden Geländen
Von meinen Saaten Blatt an Blatt -
Ich taste an den kahlen Wänden
Im Dunkel mich zu meiner Statt.
Und wenn sie meine Blüten pflücken
Und mit den Fingern schlank und fein
Den Kranz an weiche Lippen drücken,
Mir ruht das Haupt am harten Stein.
Es sitzt das Glück an meiner Schwelle
Und birgt im Schleier sich und zagt,
Und durch die Fugen meiner Zelle
Sein hoffnungsloses Weinen klagt.
(S. 82-83)
_____
Es ist vorüber! Er hat es vernommen,
Der neidische Gott, als ich frevelnd gemeint,
Nie könne der Tag, der vernichtende, kommen,
Da deine Sonne mir nicht mehr scheint.
Es ist vorüber! Nun quäle mich nimmer,
Nun zwinge mich nicht vor dein Angesicht!
Des einstigen Glückes versinkenden Schimmer
In deinen Zügen ertrag' ich nicht.
Es ist vorüber! Und daß dich rette
Vor meinem Groll - hinweg und weit.
O wenn ich die Träume, die Träume nicht hätte,
Die wonnigen Lügen aus alter Zeit!
(S. 83)
_____
Ich sah das Feld im weiten Kranz von Bergen
Mit seinem Steingeröll und dunklen Mooren,
Mit Heidekraut bedeckt und Kieferzweigen,
So lag es stumm in Einsamkeit verloren.
Zwei Falter sah ich kosen auf den Blüten
Und voneinander flieh'n die kurz Vereinten.
Zwei Wangen sah ich, die von Küssen glühten,
Und sah die Augen, die in Schmerzen weinten.
Ein Wandrer klomm empor zu Wolkenkronen,
Und wilde Klagen in der Luft verklangen.
Den Weg zurück, im fernen Tal zu wohnen,
Ist stummen Leides eine Frau gegangen.
(S. 83-84)
_____
Des Frühlings letzter Abend ist verglommen,
Und steigt der Morgen aus der kurzen Nacht,
So mag der Sommer glückverheißend kommen!
Im Scheiden hat der Lenz ihm dargebracht
Von allen Gaben, die sein Füllhorn beut,
Die herrlichste: der Rosen Blütenpracht.
Wie dem geschloss'nen Auge sich erneut
Der Sonne Bild, und wenn sie längst entschwunden,
Noch rings die farbenbunte Spur verstreut,
So hat die Erde, seit sie lichtgebunden
Am Sonnenblick des Frühlingsgottes hing,
Sein Nachbild in der Rose Glut gefunden.
Und nun der Lenz mit Zögern von ihr ging,
Erblüht sein Glanz viel tausendfach entfaltet
Mit jeder Rose zartem Kelchesring,
In leuchtender Erinnerung gestaltet.
(S. 84)
_____
Die Stunde des Schaffens, die segnende, schwebt
Leisatmend durchs stille Gemach,
Und der Schein ist wahr, und der Traum, er lebt,
Und das Schweigen des Ewigen sprach.
Wenn die Fessel des Endlichen klingend zerspringt,
Wenn das lösende Wort von der Seele sich ringt,
Und die Erde vergeht, und der Himmel ist mein -
In der heiligen Stunde gedenk' ich dein.
Wenn die Göttin des Sieges den seltenen Kranz
Auf die Stirn dem Zögernden drückt,
Und das Aug' erglüht in kühnerem Glanz,
Und der Mut den Verzagten beglückt,
Wenn der Funke gezündet im weiten Land
Und freudiger Dank mir die Geister verband,
Dir möcht' ich den Lohn, den errungenen, weih'n - -
In der Stunde des Stolzes gedenk' ich dein.
Und der Tag entschläft, und der Abend naht -
Vor den Gärten duftet es weich,
Und zärtliche Pärchen auf dunkelndem Pfad
Durchwandeln ihr glückliches Reich.
Und es legt sich der Neid um die irdische Lust
Mit Sehnsuchtsqual auf die seufzende Brust,
Und die Schatten flüstern: Allein - allein - -
In der Stunde der Tränen gedenk' ich dein.
(S. 84-85)
______
Ich wandle durch die Stadt und denke dein
Und weiß doch überall, ich bin allein.
Da ist kein Plätzchen, das mir nicht verrät,
Wie oft mein Blick nach dir hinausgespäht.
Hier ward ein heimlich süßer Gruß getauscht,
Hier hab' ich deinem lieben Wort gelauscht.
Und durch die Leere schreit' ich nun dahin.
Starr liegt und tot die Stätte, wo ich bin.
Es kommt ja nicht das Glück des Weges her,
Und wenn es naht, ist es mir Glück nicht mehr.
(S. 86)
_____
Wenn die Stunde naht, da ich sonst dich fand,
Wieder flammt die Sehnsucht heiß mir auf,
Was in Todesschlaf starr der Tag gebannt,
Quillt in wirrem Fieberstrom herauf.
All die wilde Qual wird mir neu entfacht -
Alte Wege irr' ich unbewußt - -
Auf ihr Blütenbett sinkt die Frühlingsnacht,
Doch der Herbstessturm tobt in meiner Brust!
Durch den leeren Park bin ich hingewallt,
Wo der Mond die Nebelschleier webt,
Grausam täuschend mich, daß die Lichtgestalt
Aus dem Schatten mir entgegenbebt.
Jeder heiße Blick, jeden Kusses Glut,
Jedes zärtlich süße Schmeichelwort,
Als du flüsternd noch mir im Arm geruht,
Wogen in der Seele glühend fort.
Dein, auf immer dein! singt es mir durch's Ohr,
Selig, wie zum ersten Mal es klang - -
Sprich, wo ist der Mund, der so wonnig schwor?
Sprich, wo ist der Arm, der mich umschlang?
(S. 86-87)
_____
Als du das Leben mir vernichtet,
Nahmst du ja nur, was dein.
Längst hab' ich auf mein Glück verzichtet,
Und Liebe kann verzeih'n.
Daß du das eig'ne Bild zerschlagen,
Das ich so licht und rein
Von dir im Herzen hab' getragen,
Das mag dir Gott verzeih'n.
(S. 87)
_____
Es ist so einsam in den hohen Fichten,
Die feuchten Nebel atmen heil'ge Kühle,
Und ernste, regungslose Tropfen hangen
Wie tausend stumme Tränen an den Zweigen.
Gebannt vom Wald ist jeder fremde Laut,
Auf weichen Nadeln schweigt der eig'ne Schritt -
Es schweigt die Welt - -
So laß auch mich hier schweigen.
Ich frage nicht nach meines Weges Ziel
Und weiß es nicht; und niemand fragt darum,
Wohin die wandernden Gedanken schweifen,
Und ob es Menschen gibt -
Warum auch Menschen,
Die niemand sieht und niemand hören kann?
Es ist so einsam in den hohen Fichten.
(S. 87-88)
_____
Wenn es ein Leben gibt im Reich der Schatten,
So leb' ich's jetzt. Denn wie am styg'schen Fluß
Die scheuen Nachtgestalten irren,
Und wissen nicht, warum sie selber sind,
Und wissen nicht, warum der lichte Geist,
Der sie des Glückes sonn'gen Pfad geführt,
Sich eilend schied und sie in's Dunkel stieß, -
So frag' ich bang: Wo bist du, lichte Seele?
Wie sank' ich nieder in das Schattenland?
Und weinend flieh' ich vor dem eig'nen Nichts.
(S. 88)
_____
Was ich im Grund des Herzens still gepflegt,
Für dich zu blühen war es angelegt.
Und jedes Blatt, das grünend sich erneut,
Um deinetwillen hat es mich gefreut.
Reich war mein Sommer. Dir hat er gehört. -
Nun hast du selbst den Blütenschmuck zerstört.
Leb' wohl! Wie war dein milder Schimmer schön,
Du holder Stern auf meines Lebens Höh'n.
Du letztes Lächeln meiner Jugendzeit,
Leb' wohl! Der Herbstwind rauscht - ich bin bereit.
(S. 89)
_____
Aus: Gedichte
vermischten Inhalts
Stelldichein
Sie schwärmten von heißer Liebe Glüh'n
Und nächtlichem Erwarten,
Wo unter dunklem Immergrün
Frau Venus steht im Garten.
Sie kamen geschlichen dicht verhüllt,
Sie standen sich gegenüber,
Die Augen von heimlicher Glut erfüllt
Leuchteten wie im Fieber.
Sie hätten umschlungen sich gar zu gern,
Daß Herz an Herz geschlagen,
Doch ach, ihr Mantel war zu modern,
Zu hoch am Pelze sein Kragen.
Und als die sich neigten zum ersten Kuß,
Da fröstelten sie bedenklich;
Denn er war ein Rheumatikus
Und sie katarrhalisch kränklich.
Die schöne Frau im Mondenstrahl
Enthüllte die weißen Glieder
Und sah von ihrem Piedestal
Mitleidig auf sie nieder.
(S. 114)
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Hörselberg
Wir steigen hinauf den waldigen Grund
Zum Berge der schönen Frau.
Das Auge lacht, es scherzt der Mund,
Die Luft ist lind und lau.
Und wo mit zackiger Felsenwand
Die Halde stürzt zu Tal,
Da grüßen wir jubelnd das weite Land,
Beglänzt von sonnigem Strahl.
Hier waltet gebietend die schöne Frau -
Wir lächeln und wissen darum.
Es spielen auf der blumigen Au
Die blauen Falter ringsum.
Das ist der gebannten Seelen Schar,
Verfallen der lockenden Fee - -
Nun flattern sie rastlos immerdar
In ungestilltem Weh.
Und zwischen Kiefergebüsch und Stein
Irrt forschend der Blick durchs Tal.
Wo führt der Weg zu dir hinein,
Frau Venus, in deinen Saal?
Wo bist du, Herrin der Bergesschlucht,
Du Sinnbestrickende, sprich!
Verlangend haben wir dich gesucht,
Und grausam verbirgst du dich?
Und tief im Berg mit drohendem Groll
Das Wort Frau Venus hört.
Nun hat sie, ach, geheimnisvoll
Den Frieden mir gestört.
Verzaubert lagen Stund' und Ort
Von ewiger Sehnsucht Macht -
Drum ist auch mir nun fort und fort
Die stumme Qual erwacht.
Nun muß die Seele, dem Falter gleich,
Verweilen am Wiesenhang;
Nun schweift das Auge zum Bergbereich
Sehnsüchtig wegentlang.
Dort seh' ich wandeln im Goldgewand
Frau Venus' holde Gestalt. -
Dort hat sie für ewig mich gebannt
In ihre süße Gewalt.
(S. 114-116)
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Hermione
Durch den blühenden Myrtenhain
Schwebt Hermiones Fuß wieder zum Meergestad;
Lange lauert der Holden schon,
Fern auf schimmernder Flut spielend, der linde West.
Sieh, nun jagt er in Liebeshast,
Sturmgleich jagt er heran, um das Gewand zu weh'n
An die zarte Gestalt geschmiegt
Und ums flatternde Haar, das er im Fluge kost!
Aber schneller als er voraus
Vom ihm selber geweckt huschet der Wellen Schwarm
Weißaufleuchtend, wie Kopf an Kopf
Liebesgötter ein Heer, drängt es am Strand empor.
Deine Füße begehrt ihr Kuß,
Deine Locken der West, süße Hermione;
Drum noch schneller als Meer und Wind
Muß ich, zürne mir nicht, Liebste, dich an mich zieh'n!
(S. 116-117)
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Aus: Empfundenes und
Erkanntes
Aus dem Nachlasse von Kurd Laßwitz
Leipzig Verlag von B. Elischer Nachfolger 1920
Biographie:
http://de.wikipedia.org/wiki/Kurd_Lasswitz
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