Gottlieb Leon
(1757-1830)
Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
Lotte an Werther
Droben dort in Gottes Palmengärten
Wandelt nun dein sonnenheller Geist,
Wo er unter himmlischen Gefährten
Seinen liebevollen Schöpfer preist. -
Edler Jüngling! ach, wie heilig war die Liebe
Gegen mich, ach, wie unendlich groß!
Welche warme, himmelvolle Triebe,
Als mein Herz fest an dein Herz sich schloß!
Oft, wenn düstrer Mondenflimmer
Durch die klaren Fenster strahlt,
Seh' ich wandeln dich durch's öde Zimmer
In schneeweisser Lichtgestalt.
Ach, oft blickest du von hohen Silbersternen
Heiliger, in stiller Nacht herab,
Winkest lächelnd mir in lichte Fernen,
Und ich wein', und sinke kraftlos an dein Grab. -
Voll ist auch der Becher meiner Leiden:
Bald, o bald wird er geleeret seyn!
Lotte, weine nicht! es warten höhre Freuden,
Werther wartet dort in schönern Welten dein.
(S. 13-14)
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Mayfest
Lieblicher bricht hinter Myrthen
Heut der junge Tag hervor:
Freudig grüssen ihn die Hirten
Mit dem leichten Haberrohr.
Und geziert mit Veilchenkränzen,
Eilen sie in bunten Reih'n
Zu geschlungnen Jubeltänzen
Alle festlich in den Hayn.
In Aurorens Rosenstrahlen
Lächelt schöner die Natur.
Blau' und gelbe Blumen mahlen
Bunt die neubelebte Flur.
Durch des Haynes Schattengänge
Singen Vögel Melodie'n:
Quellen säuseln Festgesänge
Durch erfrischte Kräuter hin
Seht, auf rosigem Gefieder
Läßt der neugebohrne May
Sich aus Morgenwolken nieder
Bey dem Klange der Schallmay.
Rings umher aus Blüthenflocken
Fächeln Weste Balsamduft,
Und mit seinen goldnen Locken
Spielt die milde Frühlingsluft.
Himmelblaue Veilchen keimen
Seinem zarten Fuß empor;
In des Himmels weiten Räumen
Jubelt ihm der Lerchen Chor.
Schon beginnt in Hayn und Auen
Sein geliebtes Freudenfest:
Täubchen schnäbeln sich, und bauen
Schon ihr wonnigliches Nest.
Seht, wie schon zu neuem Werde
Alles froh hervor sich drängt,
Nun der Himmel und die Erde
Wieder bräutlich sich umfängt.
Dank dir, May! daß du erschienen,
Lange seufzten schon nach dir,
Mit der Sehnsucht trüben Mienen,
Dörferinn und Dörfer hier.
Dank dir, May! nun küsset jede
Schäfernymphe feuriger:
Keine stellt sich heute blöde,
Keine widerspenstig mehr.
Dank dir, May! du hast Belinden
Mir auch zärtlicher gemacht:
Sieh, durch wirthbarliche Linden
Winkt die Lose mir, und lacht.
(S. 18-20)
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An Elisa
Hier wo die finstern Wälder
Der bleiche Mond bestrahlt,
Wo durch die Todesfelder
Der Geist des Grabes wallt,
Hier seufzt der Hoffnungslose,
Elis', an deinem Grab,
Und weint, verblühte Rose,
In deine Gruft hinab.
Das tiefe todte Schweigen
Der schlummernden Natur
Weckt auf Zypressenzweigen
Das Lied der Eule nur.
Sie nur, sie nimmt alleine
An meinem Jammer Theil,
Und mischt in mein Geweine
Ihr banges Klaggeheul. -
Ha! dort hellt sich die Ferne;
Ich seh', Elisa, dich.
Du blickst von jenem Sterne
So liebevoll auf mich.
O steig, du Engelreine,
Herab in's öde Thal,
Wo ich Verlaßner weine,
Und ende meine Qual!
Schließ dieses thränentrübe
Verloschne Auge zu!
Gieb der bedrängten Liebe
In diesem Grabe Ruh',
Und führ' auf lichten Wegen
Den ausgerungnen Geist
Der Seligkeit entgegen,
Die uns kein Tod entreißt!
(S. 23-24)
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Die Verschwiegenheit
Nach Hrn.
Weisse
Sobald Damötas Chloen sieht,
Wird er auf einmal so gesellig:
Er thut so schmeichelnd, so gefällig,
Und all sein Stolz entflieht.
Sie scheint durch ein geheim Behagen
Genaus dieß Räthsel zu verstehn,
Und er ist jung, und sie ist schön:
Ich will nichts weiter sagen.
An ihrem blauen Busenband
Bleibt oft sein loses Auge hangen,
Er drückt mit schmachtendem Verlangen
Oft feurig ihre Hand.
Das Aug' auf ihre Brust geschlagen,
Scheint sie beschämt, ihn anzusehn,
Und er ist jung, und sie ist schön
Ich will nichts weiter sagen.
Erblickt er schlafend sie am Bach,
So schleicht er hin mit leisen Füssen,
Sie aus dem Schlummer aufzuküssen:
Doch Chloe wird nicht wach.
Sie scheint sein zärtliches Betragen
Nur listiger zu hintergehn,
Und er ist jung, und sie ist schön:
Ich will nichts weiter sagen.
Sie gehn oft heimlich in den Hayn;
Er hält den Arm um sie geschlungen,
Und in der Büsche Dämmerungen
Sind sie oft ganz allein.
Sie scheint mit ihm in schwülen Tagen
Bloß zur Erkühlung hinzugehn,
Und er ist jung, und sie ist schön:
Ich will nicht weiter sagen.
(S. 25-26)
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An den Mond
Mond, sey Zeuge meiner Leiden!
Ach, beglückt war ich!
Warst sonst Zeuge meiner Freuden,
Lieber Mond, beweine mich!
Hier saß ich an dieser Stelle,
Auf dem weichen Moos,
Und an dieser Silberquelle
Hatt' ich sie in meinem Schoos.
Hier gab ich ein duftend Veilchen
Freundlichlächelnd ihr,
Und die Liebe gab ein Mäulchen,
Ach, ein süsses Mäulchen mir.
Hier hat mich ihr Arm umwunden,
Und an ihrer Brust
Hab' ich, Seliger, empfunden
Volle, warme Himmelslust.
Weinen will ich, ewig weinen,
Oeder Felsenbach!
Seufze nur den Tannenhaynen
Meine leisen Klagen nach.
Mond, sey Zeuge meiner Leiden!
Ja, beglückt war ich!
Ach, du sahst oft meine Freuden,
Aber nun beweine mich!
(S. 29-30)
_____
Maylied
Wie lächelt so heiter
Die ganze Natur!
Wie duften die Kräuter
Auf thauiger Flur!
Wie flimmert so helle
Im sonnigen Strahl,
Die flüsternde Quelle
Durch's buschige Thal!
Ein leiseres Beben,
Voll himmlischer Lust,
Ein wärmeres Leben
Durchwallet die Brust.
Mein Auge blickt milde,
Blickt segnend dahin:
Sieht Morgengefilde
Im herrlichen Grün.
Sieht offene Felder,
Mit Blumen bestreut,
Edenische Wälder,
Mit Blüthen beschneyt:
Sieht gülden umstrahlen
Den Morgen die Höhn,
Auf Hügeln in Thalen
Violen entstehn.
O höret die Freude!
Wie lieblich sie ruft,
Im jungen Getraide,
In bläulicher Luft.
Sie mischt in's Gekräusel
Der Mayen so schön,
In's Quellengesäusel
Ihr Silbergetön.
Ihr schnäbelt das Täubchen,
Voll Minnebegier,
Sein trauliches Weibchen
Am Blüthenbaum hier;
Ihr blöcken und springen
Die Schäflein im Thal:
Ihr zwitschern und singen
Die Vögelein all.
Ihr tanzen die Mädchen
Im maylichen Hayn,
Nach lieblichen Flötchen,
Und hellen Schallmay'n.
Sie gehn in Gewändern,
Halb roth und halb weiß,
Mit Sträußern und Bändern,
Und singen ihr Preis.
Ihr Alten und Jungen,
Eilt fröhlich herbey!
Gesungen, gesprungen
Sey heute dem May!
Ein jegliches Liebchen
Sey doppelt erfreut,
Und küsse sein Bübchen
Herzinniger heut.
(S. 31-33)
_____
An Nadine
Nach Hrn.
Bürger
Mein Sinn ist mir so trübe,
Das Herz schlägt mir so bang!
Ach Gott! ich bin vor Liebe
So matt, so todtenkrank.
Ein loses Zauberfädchen
Umschlingt mich armen Mann:
Das hat mir, süsses Mädchen,
Dein schwarzes Aug gethan.
Ach! seit ich dich gesehen,
Ist mir das Herz so voll,
Fühl' ich so süsse Wehen,
Und nirgend ist mir wohl:
Und Gram und Schwermuth färben
So blaß mein Angesicht.
Lieb Liebchen, laß mich sterben!
Ach! liebst du mich doch nicht.
Nur eine holde Miene,
Ein Händedruck von dir,
Liebreizende Nadine,
Und alles giebst du mir.
Nur einen deiner Küsse
Von deinem Rosenmund,
So inniglich, so süsse!
O dann bin ich gesund.
(S. 34.35)
_____
Vernunft und Liebe
Ein blondiges Mägdelein, rosig und zart,
Liebäugig und schalkhaft nach Täubelein Art,
Das läuft mir die Sinnen wohl aus und wohl ein,
Und läßt nicht ein Stündchen in Ruhe mich seyn.
Ja, sink' ich in Schlaf auf erquickenden Pflaum,
So geckt sie und neckt sie mich selber im Traum,
Und will ich sie haschen dann lüftig und warm,
Husch! schlüpft mir der flüchtige Schalk aus dem Arm. -
O Bübinn, Spitzbübinn! treibst du mir's stäts so,
Dann werd' ich des Lebens wohl nimmermehr froh,
Dann sieht's hier im Hirnchen, ach! kunterbunt aus:
Mamachen Vernunft bleibt mir nimmer zu Haus.
Drum bitt' ich, damit du mit ihr dich verträgst,
Daß du dein Visitchen nun seltner ablegst,
Und kömmst du, so komm' ihr hübsch sittig und fein,
Um noch so willkommner wirst du ihr dann seyn.
Denn bleibt ihr euch, Lieb' und Vernunft, stäts so hold,
Daß eines auf's andre nicht grollt und nicht schmollt:
Dann lebt sich's und liebt sich's mit fröhlichem Muth,
Dann liebt sich's und lebt sich's noch einmal so gut.
(S. 39-40)
_____
An Lottchen
Holde Sittsamkeit,
Lieb' und Freundlichkeit
Schmückt mein Lottchen nur;
Ein so hold Gesicht
Hat kein Mädchen nicht
Auf der ganzen Flur.
Bey den Erlen hier
Hat der Engel mir
Sanft die Hand gedrückt:
O und mir dabey
So verschämt und scheu
Unter's Aug geblickt.
Gott! und wie mir da
Wie mir da geschah,
Könnt' ich sagen das!
Ach! ein süsser Schmerz
Schlich sich in mein Herz;
Und mein Aug war naß.
Nun geh' ich so gern
Bey dem Abendstern
Durch den Erlenhayn;
Und mir ist's so weh,
Wenn ich sie nicht seh',
Soll das Liebe seyn?
(S. 44-45)
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An meine künftige Geliebte
Noch schwankt, von Furcht und Hoffnung hingerissen,
Mein Geist von tausend Zweifeln voll,
Ob ich dieß Herz auf ewig dir verschliessen,
Ach! oder ganz dir öffnen soll. -
Zwar ich gesteh's, die Schuld an seinem Falle
War deines Geistes Reiz allein:
Doch wirst du nicht, wie fast die Mädchen alle,
Falsch, flatterhaft und treulos seyn?
Und o! wenn deine Augen Treue logen,
Weh mir, so hätte dann in dir
Ein Teufel, ach! als Seraph mich betrogen,
Und, Gott! was würde nun aus mir?
Dann gieng' das Maß von allen meinen Leiden
Den überfüllten Rand herab:
Gefühllos, todt für alle Lebensfreuden,
Wär' all mein Trost allein das Grab. -
Unmöglich! - nein! bey so viel Himmelsgüte
Wohnt so viel Trug der Hölle nicht:
Dieß ist's, was in mein zweifelndes Gemüthe
Der Hoffnung Schmeichelstimme spricht.
Drum will ich denn des Herzens Siegel brechen,
Das Menschenfurcht so fest noch schließt,
Und wag' es laut den Zauber auszusprechen,
Daß du mein Wunsch, mein Alles bist!
Ja, Zauberinn! du hast zu Lieb' und Treue
Ein edles Herz an dich gebannt,
Ein Herz, das schon voll düstrer Menschenscheue
Sich weg von dieser Welt gewandt;
Und doch, vom Band der Menschheit losgerungen,
Gleichwohl in seiner Einsamkeit,
Von ihrem Wohl und Weh noch tief durchdrungen,
Ihr seine besten Kräfte weiht;
Ein Herz, das laut und mit entbranntem Grimme
Der Bosheit arge List empört,
Das nur allein die holde Zauberstimme
Der unverfälschten Wahrheit hört;
Und kalt und kühn den Heuchler wie den Thoren
Mit edlem Selbstgefühl verschmäht
Ob er auch, niedrig- oder hochgebohren,
Vor ihm sich krümmet oder bläht;
Ein Herz, das in die süssen Harmonien
Des grossen Alls, noch unverwöhnt
Und reingestimmt, in seinen Sympathien
Mit rührenden Akorden tönt;
Ein Herz, das nie an geiler Buhlerinnen
Leichfeilem, ecklen Busen schlug,
Das, unentweiht vom Kitzel schnöder Sinnen,
Dein Bild in seinem Innern trug. -
Kann nun dieß Herz das deine ganz beglücken,
Wohlan, so laß uns unbedrängt
Hinaus an's Ziel der fernen Zukunft blicken,
Die über uns noch nächtlich hängt.
(S. 48-51)
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Minnelieder
Chrimhild der Junge
an Fräulein Kunigunda von Friedmar
Ich lieb', ach, so herzminnevoll
Das Fräulein Kunigunde;
Um ihren süssen Minnezoll
Scheu' ich nicht Hieb und Wunde.
Ihr Wänglein, hell, wie Rosenschein,
Huldlächelt, ach, so milde:
Ihr Händlein glänzt so blank und rein,
Als Lilien im Gefilde-
An Zucht und Zier und Ehrbarkeit
Da übertrifft sie keine:
Drum nennt man sie auch weit und breit
Nur Kunigund, die Reine. -
Jüngst gieng bey stillem Abendglanz
Im Gärtlein sie spatzieren,
Da thät' ein klarer Lilienkranz
Die Jungfrau reine zieren.
Sie gieng wohl her, sie gieng wohl hin
Gieng's Gärtlein auf und nieder:
Und aus dem jungen Frühlingsgrün
Sang's Vöglein Minnelieder.
Sie gieng wohl her, sie gieng wohl hin:
Ein Mayenblüthenregen
Rauscht' aus dem jungen Frühlingsgrün
Liebgauckelnd ihr entgegen.
Sie sah wohl her, sie sah wohl hin,
Und sah und sah mich sitzen:
Ich aber saß, und sah durch's Grün
Die Sonnenstrahlen blitzen.
Da kam die junge Lilienbraut,
Bot mir ein Abendgrüßchen,
Und ward gar bald mit mir so traut:
Gab mir dann gar ein Küßchen.
Drauf sie gar freundlich zu mir sagt:
Sie hätt' mich herzlich liebe.
Auch hieng im Aug' der zarten Magd
Ein Minnethränlein trübe.
Da sprach ich, Minnchen, liebst du mich,
Liebst du mich keusch und reine?
So lieb' auch ich herztreulich dich,
So sey mein Herz auch deine.
Seitdem thut's mir so ahnevoll,
Thut mir das Herz so schlagen:
Weiß nicht, was ich beginnen soll,
Ob singen oder klagen?
Seitdem liegt mir der Abend so,
Der Abend so im Sinne:
Und kömmt der Mond, dann eil' ich froh
In's Gärtlein zu der Minne.
(S. 91-93)
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Ritter Minnebold an seine Zukünftige
Wie so heiß ich dich erflehe,
Das weiß Gott im Himmel nur:
Engel, ach! ich such' und spähe
Aller Orten deine Spur.
Dich, du meines trüben Herzens
Klarer, lichter Morgenstern!
Dich, du Labsal meines Schmerzens!
Such' ich nah' und such' ich fern.
Fänd' ich dich, du Lilienreine,
Du, nach der mein Herz sich quält,
Ach, die meiner Seel' alleine
Unaussprechlich wohlgefällt:
Reichen Dankdirgott dann singen,
Wollt' ich heut noch himmelan:
Und mit Perlenschmuck und Ringen
Heut noch dich als Braut empfahn.
Fröhlich, abermal so fröhlich
Würd' um mich die Schöpfung seyn:
Durch mein Leben, frohn und selig,
Strahlte Morgensonnenschein.
(S. 94-95)
_____
Ritter Minnebold an Fräulein Fridamilta
Könnte sie, die Süsse, Holde,
Mich zum Minner ausersehn,
Ha! mit ihrem Minnesolde
Wollt' ich Noth und Tod bestehn.
Goldnen Rittersporn und Degen,
Wappen, Ordensband und Stern
Trüg' ich nur um ihretwegen
Unter freyen deutschen Herr'n.
Ihr nur wollt' ich bey Turnieren
Um den Preis auf jeder Bahn
Freudig Schild und Lanze führen
Als ein tapfrer Rittersmann.
Ihre Huld mir zu verpfänden,
Sollte mir's ein Leichtes seyn,
Aus der Raubegrafen Händen
Keusche Jungfrau'n zu befreyn.
Ach, um ihre Minnegabe
Thät' ich gern mit Haar und Bart
Nach dem fernen heil'gen Grabe
Eine fromme Pilgerfahrt.
Armer Leute Noth zu stillen,
Uebt' ich dann von Haus zu Haus
Noch so gern, um ihretwillen,
Christenlieb' und Demuth aus.
Ja, mit edlen deutschen Knechten
Zög' ich selbst in's Heidenland,
Für des Heilands Kreuz zu fechten,
Um der Huldinn Herz und Hand.
Wäre siegen oder sterben
Ihres Mündleins Aufgebot:
Ihre Minne zu erwerben,
Wär' mir gleiches: Sieg und Tod!
(S. 96-97)
_____
Ritter Minnebolds Freudenlied
An Ebendieselbe
Gleich des Heilands Leidenbilde,
Saß ich schon neun Monden lang,
Nun ich, ach! mit Speer und Schilde
Soldlos noch um Minne rang.
Seht, da trat der Fräulein Eine
Aus der edlen Mägde Schaar:
Perlenschmuck und Edelsteine
Zierten hoch ihr blondig Haar.
Und ihr Mund, gleich hellen Rosen,
Lachte sanft voll Huld und Zier.
Hey! da sprach mit süssem Kosen
Also traut ihr Herz zu mir:
Edler Ritter, zagt mit nichten
Ob der Dienste, so ihr zollt,
Bleibet stäts in Ehr' und Züchten
Fräulein Fridamilt' euch hold.
Wie des Priesters Hand dem Kranken
Nach der letzten schweren Beicht
An des bittern Todes Schranken
Noch die heil'ge Oelung reicht;
Seht, so zog die Süsse, Hehre
Nun mit ihrem rothen Mund
Meines Leides Centnerschwere
All aus meines Herzens Grund,
Wie die Schwalben wiederkehren,
Froh der holden Mayenzeit,
Also baß ist auch der Ehren
Mein getröstet Herz erfreut.
Gerne will ich mich verdingen
Um der Minne Lohn und Ziel,
Gern um sie den Preis erringen
Bey Turnier und Ritterspiel.
Hohen Muthes pilgerfahrten
Will ich meine Lebensbahn:
Wie ein blumenvoller Garten
Lacht mich rings die Schöpfung an.
Des soll dann in frohen Weisen
Auch zu Gottes Habedank
Nun mein Lied die Edle preisen,
Preisen all mein Lebelang.
(S. 98-100)
_____
Ritter Floris an Rosa von Lauenburg
Die Jungfrau Rosa blüht so schön,
Als auf dem Feld ein Lilien,
Sie stammt aus adlichem Geblüt,
Und trägt auch adliches Gemüth.
Es leuchtet, als das klare Gold,
Ihr Haar, das bis an's Erdreich rollt,
Ihr Aug' scheint wie der Morgenstern,
Wenn er aufgeht in blauer Fern.
Sie ist die Blume aller Frau'n;
So stattlich ist nicht anzuschau'n
Der Röslein Zier zur Mayenzeit,
Als ihrer Schönheit Lieblichkeit.
Ihr makelbarer Ehrenkranz
Strahlt wie der hehre Mondenglanz.
Kein Fräulein rings in Oesterreich
Steht ihr an Zucht und Milde gleich. -
Der tapfre Floris aus Brabant
Ist, Jungfrau, ganz in euch entbrannt;
Zwar ist er arm an Gut und Blut,
Doch adelreich an Herz und Muth.
Empfieng er euch zum Ehgemahl,
Dann wär' er froh zu tausendmal,
Ach, Gottes Schöpfung würd' ihm seyn
Ein himmlisch Rosengärtelein.
(S. 101-102)
_____
Graf Selbitz an Frau Elisabeth von Reutlingen
Helf mir Gott! ich bin gefangen
Von der schönsten Frau im Land!
Leib und Seel' hat mir umhangen
Ihr gewaltig Minneband.
Dennoch ist mir's, wie im Mayen
Einem Lerchlein auf dem Feld:
Von dem süssen Band befreyen
Wollt' ich mich um keine Welt.
O nichts lieblicher auf Erden,
Als der schönsten Frauenzier
Ein Gefangener zu werden!
Kron' und Gold lass' ich dafür. -
Schallen ihr allein zur Ehre
Soll mein wonniglicher Sang:
Dann so reichet mir die Hehre
Süssen Lippensold zum Dank.
Könnt' ich höhern Lohn gewinnen?
O so reich ist kein Gewinn!
O um solchen Sold zu minnen,
Geb' ich Leib und Leben hin.
(S. 103-104)
_____
Frauenhold an's Liebchen
Liebchen, der mein Herz entglüht,
Liebchen, dir gilt dieses Lied.
Nimm es an zum treuen Sold,
Den dir froh dein Lautner zollt.
Lilie der Frauenschaft!
Ach, mit welcher Wunderkraft
Nimmt dein hoher Ehrenschein
Mich zu holden Diensten ein!
Mildreich ist dein Angesicht,
Wie des Mondes Silberlicht,
Wenn's in stiller Mayennacht
Auf die Haide nieder lacht.
Deiner Augen süsses Blau
Glänzt wie Veilchen auf der Au;
All so hehr und zauberreich
Weiß ich nichts an Reiz ihm gleich. -
O wie leicht und wonniglich
Hebt dein Fuß im Reigen sich!
Kümmerniß und Seelenleid
Weicht von hinnen weit und breit.
Als du hold im Frauenkranz
Mir dein Händlein botst zum Tanz,
O wie sprung das Herz in mir!
Hohen Muthes dankt' ich dir.
Unser festes Minneband
Löse nur des Todes Hand:
Deinen Preis aus Herzensgrund
Sprech' im letzten Hauch mein Mund.
(S. 105-106)
_____
Frauenholds Lenzlied an's Liebchen
Bey der Sendung
eines Veilchenstraußes,
da es den ersten May besang
Dieses Sträußchen hier
Lohne, Liebchen, dir!
Laß am Fest des Lenzen
Es dein Hütchen kränzen;
Und sey für den Sold
Deinem Minner hold.
Ach, dein Liedchen klang
Süß, wie Amselsang,
Wenn im Schein des Mayen
Sich die Blümlein neuen,
Und die Jahrszeit grünt,
Und sich alles minnt.
Liebchen, wohl ein Jahr
Bin ich freudenbar:
Seit die Anger grünen,
Muß ich soldlos dienen,
Ach, dein Mündlein beut
Mir nicht Mayenzeit.
Kußlich Mündelein,
Wollst mich bald erfreun!
Bring die Zeit der Rosen
Durch dein süsses Kosen:
Dann sing' ich zum Preis
Auch nach Amselweis.
(S. 107-108)
_____
Aus: Gedichte von
Gottlieb Leon
Wien, bey Rudolph Grässer und Compagnie 1788
Biographie:
https://de.wikipedia.org/wiki/Gottlieb_Leon