Detlev von Liliencron (1844-1909) - Liebesgedichte

Detlev von Liliencron

 

Detlev von Liliencron
(1844-1909)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 

Das Kornfeld

Als die Saat der Erd entsprossen,
Als der Frühlingswind sie neckte,
Sind wir manchen stillen Abend
Langsam durch sie hingeschritten
Hand in Hand.

Kamen Menschen uns entgegen,
Wollten sie uns überholen,
Ließen wir die Hände locker,
Gingen ehrbar Seit an Seite,
Wies sich ziemt.

Waren dann die Menschen wieder
Unserm Augenkreis entschwunden,
Fanden schleunig sich von neuem
Unsre Hände, unsre Lippen,
Wies so geht.

Da das Feld nun steht in Ähren,
Überall Verstecken bietet
Allerzärtlichstem Getändel,
Wandr ich müde meines Weges
Und allein.  
(Band 3 S. 87-88)
_____
 


Winternacht

Das war beredet und besprochen,
Wie lange her, ich ahn es nicht.
Der Tag ist da, die Pulse pochen,
Die Flocken fallen träg und dicht.
Im fremden Dorf, im fremden Saale,
Es kennt uns keiner, welche Lust,
Wir drehn uns unterm Kerzenstrahle,
Wie schweißt die Liebe Brust an Brust!

Und eng gedrängt im regen Schleifer,
Entzünden wir uns mehr und mehr;
Ich fühls, ich bin Besitzergreifer,
Ich weiß auch, das ist dein Begehr.
Geheimnisvoller Schatten breitet
Sich über unser Stelldichein;
O komm, ein Zimmer liegt bereitet,
Ein traut Gemach, wir sind allein.

Der Wirt, mit artigem Verneigen,
Läßt uns hinein, wünscht gute Nacht;
Kein Späher horcht, die Sterne schweigen,
Und stumm ist rings die Winterpracht.
Und wie beim Fest die Hochzeitsgäste
Noch weiter jubeln bei Musik,
Verklingt, verhallt in unserm Neste
Gejauchz und Violinenquiek.

Wie bin ich schnell bei Band und Schnallen;
Sie wehrt sich, sie verweigerts mir,
Und ist mir um den Hals gefallen,
Verwirrung schloß die Augen ihr.
Noch sträubt sie sich, schon fällt die Hülle
Sie will nicht und sie muß, sie muß,
Und bringt mir ihre süße Fülle,
Und bringt sie mir in Glut und Kuß.

Der Morgen naht in tiefer Stille,
Sie schläft erschöpft im weichen Flaum;
Noch drang nicht durch die Ladenrille
Das Frührot in den heiligen Raum.
Die Ampel gießt in Dämmermilde
Ein Zartlicht ihr um Brust und Arm,
Und auf das himmlische Gebilde
Seh lächelnd ich und liebewarm.

Und eh die Sonne sich erhoben,
Sind wir schon unterwegs im Schnee;
Da hab ich sie emporgehoben,
Und trug sie, ein verzognes Reh.
Und trug sie bis an ihre Kammer,
Ans Erdenende tät ichs noch,
Sie aber wollte kaum die Klammer
Entlösen meinem Nackenjoch.

Die erste Krähe läßt sich hören;
Leb wohl, mein Schatz, auf Wiedersehn.
Und durch die hochbeschneiten Föhren
Muß nun den Weg allein ich gehen.
Die Sonne steigt, und tausend Funken
Durchglitzern das beeiste Feld.
Von Glück und Liebe bin ich trunken;
O Gott, wie herrlich ist die Welt!
(Band 2 S. 333-334)
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Persisches Liebeslied

Deine dunklen Augenbrauen
Sind zwei sanfte Pfortenbogen;
Eines lichtwechselnden Gartens Eingang
Haben sie zierlich überzogen.

Aber viel schwarze Wimpernspeere,
Die rings ihn, ein reizender Wall, umschmücken,
Setzen sich trotzig gradaus mir entgegen,
Trag ich Verlangen, dort Rosen zu pflücken.

Heut, als meine Liebe glühte,
Ließest du mich nicht länger warten,
Und durch die sanften Bogenpforten
Fand ich den Weg in den Märchengarten.

Die Stunde war still, die Menschen gingen
Vorüber und konnten uns nicht entdecken;
Wir saßen vom Fenster weitab in der Halle,
Sie konnten so hoch nicht die Hälse recken.

Und ungestört, eine selige Stunde,
Durft ich im Paradiese weilen
Und Rosen pflücken, so viel ich wollte;
Ich glaube, wir pflückten zu gleichen Teilen.

Inzwischen sanken die Wimpernspeere
Wie Fahnen, besiegt auf erstürmtem Hügel,
Und lagen geschlossen in süßer Ermüdung,
Wie des ermatteten Schmetterlings Flügel.
(Band 2 S. 329-330)
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Liebeslied

Dem Fremden gilt dein Evoë,
Du möchtest ihn tausendmal segnen.
Deine Augen sind ein gefrorner See,
Wenn sie den meinen begegnen.

Der fremde Mann ist kein Don Juan,
Er liebt dich sentimentalisch.
Und weil er dich nicht heiraten kann,
So denkt er sehr moralisch.

Mein schönes Kind, du tust mir leid,
Doch das soll anders werden.
Ich liebe dich, und es kommt eine Zeit,
Dann vergessen wir Himmel und Erden.

Glaubst du, ich will wie ein junger Fant
Stumm und kläglich verzichten?
Ich bin deiner Hoheit kein Trabant,
Mit nichten, Madonna, mit nichten.

Ob kühn, ob bedachtsam, ich weiß es noch nicht,
Wie den Angriff ich soll planen.
Doch ehe der Herbststurm die Zweige bricht,
Verneigen sich tief deine Fahnen.

Dann schwenkt ich die Mütze hoch um die Stirn,
Zeigt sich der Rauch deines Herdes.
Du horchst; dir entfallen Nadel und Zwirn,
Hörst du den Huf meines Pferdes.

Und klappert vor deiner Tür mein Gaul,
Du wartest schon an der Treppe.
In der Eile haben sich Faden und Knaul
Verwickelt in deine Schleppe.

Vor Wonne jauchzt deine junge Brust,
Vor Wonne dein Herz, das ich raubte.
Unsre Küsse geben süßere Lust
Als trauscheinlich erlaubte.

Du weißt nicht, Mädchen, was Leidenschaft ist,
Sie klingt nicht aus Engelchören.
Nicht allzulange lass ich dir Frist,
Du sollst, du wirst mich erhören.

Heut hat noch der Fremde dein Herz in Pacht,
Mich behandelst du recht eintönig.
Doch ehe die Sichel sirrt, nimm dich in Acht,
Bin ich dein Herr und König.
(Band 2 S. 124-125)
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Grete mit der Harke

Den Rechen über die Schulter quer,
Wippwappt zum Heuen die Grete daher.

Was lacht sie doch bei jedem Schritt,
Wer baumelt an ihrem Rechen mit?

An den Zinken, an bunten Bändern viel,
Wer treibt da solch ein Kirmesspiel:

Ein Kautschuckmännchen, ein Hampelmann,
Der sich nicht entwirren und lösen kann.

Wie sehr ers anhebt, stets mehr erbost,
Er zerrt sich nicht aus den Schlingen los.

Vergeblich strampelt er, schilt er und schreit;
Die Grete hat ihn nicht befreit.

Beim Himmel, das ist ja der kleine Schuft;
Nun bitt ich, da rast er sich ab in der Luft.

Was! Hatte die Grete Liebesverdruß,
Daß Amor so jämmerlich zappeln muß?
(Band 2 S. 320)
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Du hast mich lange warten lassen

Es lauscht der Wald.
Komm bald, komm bald,
Eh noch verschallt im Lärm des neuen Tages
Der Quelle Murmeln, und verhallt.

Geschwind, geschwind,
Mein süßes Kind,
Eh noch im Wind die Schauer tiefer Stille
Verzogen und verflogen sind.

Durch Wipfel bricht
Das Morgenlicht.
O, länger nicht, mein holdes kleines Mädchen,
Laß nun mich warten, länger nicht.
Die Sonne siegt,
Allendlich schmiegt
Und lachend wiegt sie sich in meinen Armen.
Zum Himmel auf die Lerche fliegt.
(Band 2 S. 288-289)
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Sehnsucht

Ich ging den Weg entlang, der einsam lag,
Den stets allein ich gehe jeden Tag.
Die Haide schweigt, das Feld ist menschenleer;
Der Wind nur webt im Knickbusch um mich her.
Weit liegt vor mir die Straße ausgedehnt;
Es hat mein Herz nur dich, nur dich ersehnt.
Und kämest du, ein Wunder wärs für mich,
Ich neigte mich vor dir: ich liebe dich.
Und im Begegnen, nur ein einziger Blick,
Des ganzen Lebens wär es mein Geschick.
Und richtest du dein Auge kalt auf mich,
Ich trotze, Mädchen, dir: ich liebe dich.
Doch wenn dein schönes Auge grüßt und lacht,
Wie eine Sonne mir in schwerer Nacht,
Ich zöge rasch dein süßes Herz an mich
Und flüstre leise dir: ich liebe dich.
(Band 2 S. 335)
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Briefwechsel

Im Garten, heute Morgen,
Als ich deinen Brief erbrach,
Fand ich drin verborgen
Ein Rosenblatt.
Ein Rosenblatt, deinen Locken entsunken.
Als ich es trunken
Mit den Lippen berührte,
Kam ein Windhauch und entführte
Den holden Gast.
Nun segelt es lustig zu dir zurück.
Gleich einer Krone trägt es mein Glück
Auf tiefrotem Samt - und verblaßt.
(Band 2 S. 289)
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Liedel

Immer bleibst du, wer du bist;
Nimm das Leben, wie es ist.
Wo du Rosen siehst im Garten,
Brich sie, laß sie nimmer warten.
Und im Sommermondschein
Laß dein Mädchen nicht allein.
Trinke in der Freundeskette,
Trink mit ihnen um die Wette,
Trinke bis ans morgenrot,
Trinke bis an deinen Tod.

Diese Regeln sind nicht zierlich,
Aber auch nicht unmanierlich.
Jedenfalls, und das bleibt wahr:
Wer nicht bechert, bleibt ein Narr.
Wer nicht küßt Marie, Susanne,
Heute Bertha, morgen Anne,
Wer die Rosen läßt verwehn,
Eh er ihren Duft genossen,
Mag getrost zur Hölle gehn -
Denn der Himmel bleibt verschlossen
Allen denen, die auf Erden
Unbefriedigt Asche werden.
Immer bleibst du, wer du bist;
Nimm das Leben, wie es ist.
(Band 3 S. 389-390)
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Blümekens

Kleine Blüten, anspruchslose Blumen,
Waldbrandschmuck und Wiesendurcheinander,
Rote, weiße, gelbe, blaue Blumen
Nahm ich im Vorbeigehn mit nach Hause.

Kamen alte, liebe Zeiten wieder:
Auf den Feldern wehten grüne Hälmchen,
Süß im Erlenbusche sang der Stieglitz,
Eine ganze Welt in Unschuld sang er
Mir und dir.

Nun, seit Jahren, ordnen deine Hände
Perlenschnur und Rosen in den Haaren.
Wie viel schöner, junge Frau, doch schmückten
Kleine Blumen dich, die einst wir pflückten,
Ich und du.
(Band 2 S. 288)
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Frühling

Komm, Mädchen, mir nicht auf die Stube.
Du glaubst nicht, wie das gefährlich ist
Und wie mein Herze begehrlich ist;
Komm, Mädchen, mir nicht auf die Stube.
Du klipperst und klapperst mit Teller und Tassen,
Rasch muß ich von Arbeit und Handwerkzeug lassen,
Du kleine Kokette.
Und muß dich küssen und stürmisch umfassen.
Komm, Mädchen, mir nicht auf die Stube.

Komm, Mädchen, mir nicht in die Wege.
Wenn ich einsam im Garten spazieren geh
Und im Garten dich einsam hantieren seh,
Komm, Mädchen, mir nicht in die Wege.
Aus Himbeergebüschen schimmert dein Rücken,
Ich höre dein Kichern beim Unkrautpflücken,
Du hast mich gesehen:
Was zögert er noch, in den Arm mich zu drücken!
Komm, Mädchen, mir nicht in die Wege.

Komm, Mädchen, mir nicht in die Laube.
Denn wüßtest du, wie das erbaulich ist,
Und wie solche Sache vertraulich ist;
Komm, Mädchen, mir nicht in die Laube.
Wenn wir so neben einander sitzen,
Und unsre Augen zusammenblitzen,
Es netzt uns der Nachttau,
Wir könnten uns leicht erkälten, erhitzen.
Komm, Mädchen, mir nicht in die Laube.
(Band 2 S. 291-292)
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Tiefe Sehnsucht

Maienkätzchen, erster Gruß,
Ich breche dich und stecke dich
An meinen alten Hut.

Maienkätzchen, erster Gruß,
Einst brach ich dich und steckte dich
Der Liebsten an den Hut.
(Band 2 S. 127)
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Liebesnacht

Nun lös ich sanft die lieben Hände,
Die du mir um den Hals gelegt,
Daß ich in deinen Augen finde,
Was dir das kleine Herz bewegt.

O sieh die Nacht, die wundervolle;
In ferne Länder zog der Tag.
Der Birke Zischellaub verstummte,
Sie horcht dem Nachtigallenschlag.

Der weiße Schlehdorn uns zu Häupten,
Es ist die liebste Blüte mir;
Trenn ab ein Zweiglein, eh wir scheiden,
Zu dein und meines Hutes Zier.

Laß, Mädchen, uns die Nacht genießen!
Allein gehört sie mir und dir.
Die Blüte will ich aufbewahren
An diese Frühlingsstunde hier.
(Band 2 S. 302-303)
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Rondell

Rötliche, schimmernde, krausliche Haare
Spielen im Wind mir um Schläfen und Ohr.
Frühling ists, bald kommen grämliche Jahre;
Rötliche, schimmernde, krausliche Haare
Sind eine preisliche, köstliche Ware,
Kaufe sie rasch dir, du närrischer Tor.
Rötliche, schimmernde, krausliche Haare
Spielen im Wind mir um Schläfen und Ohr.

Sieh meine blaugrauen lustigen Augen,
Wie sie sich sehnen nach seliger Stund.
Wollen zur Liebe, zur Liebe nur taugen,
Sieh meine blaugrauen lustigen Augen,
Süßeste Liebe nur wollen sie saugen;
Küsse mich, küsse mir Augen und Mund.
Sieh meine blaugrauen lustigen Augen,
Wie sie sich sehnen nach seliger Stund.

Breite um Nacken und Hals mir die Arme,
Lege dein Haupt an die klopfende Brust.
Daß ich an deinem Herzen erwarme,
Breite um Nacken und Hals mir die Arme;
Siehst du nicht, daß ich vergeh im Harme
Mächtige Sehnsucht nach Liebe und Lust?
Breite um Nacken und Hals mir die Arme,
Lege dein Haupt an die klopfende Brust!
(Band 2 S. 303-304)
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Trotzköpfe

Und echten Samt, zu aller Neid,
Das allerfeinste Spitzenkleid,
Und alles Gold und alles Geld,
Und alle Schätze dieser Welt,
Ich leg es dir zu Füßen,
Das Leben dir zu süßen.

Was soll mir all dein Prachtgeschmeid,
Das bringt mir Tränen nur und Leid;
Schenk mir ein einfach Ringelein,
Von allem wünsch ichs mir allein.
Dann will ich dir gehören,
Dann darfst du mich betören.
Ein Ringlein schenk ich nicht an dich;
Das bindet uns für ewiglich,
Das zwängt den Nacken mir mit Blei,
Bin nicht mehr selbstherrlich und frei,
Und rechne zu den Toren,
Und bin für mich verloren.

Dann gib mich auf und laß mich stehn,
Ich kann nicht weiter mit dir gehn;
Such dir ein ander Schätzchen wo,
Das wird durch deinen Reichtum froh.
Ein Ringelein in Ehren,
Das willst du mir verwehren.

Da ging er weg, ließ sie allein,
Um beide floß der Mondenschein,
Die Sommernacht stummt überall,
Nur eine einzige Nachtigall
Klagt sehnsuchtsvoll ihr Lieben;
O wär er doch geblieben.

Sie senkt die Stirn, sie seufzt, sie weint;
Daß er es auch so ernst gemeint.
Hätt er ein letztes Wort gesagt,
Noch einmal liebevoll gefragt,
Ich hätt ihm ja mein Leben,
Hätt Alles ihm gegeben.

Sie lehnt sich an den Blütenbaum,
Vorüber zog der schönste Traum.
Er wandert rüstig zu im Feld
Und dünkt sich als ein rechter Held;
Im gleichen festen Tritte
Verhallen seine Schritte.

Sie horcht, sie lauscht: hemmt er den Fuß?
Sie möcht ihm senden lauten Gruß,
Und immer stiller wirds im Hain,
Es schlief die ganze Erde ein,
Der Wind nur durch die Hecken
Spielt Haschen und Erschrecken.
(Band 3 S. 75-76)
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Vergiß es nicht

Er:
Vergiß es nicht, das alte Heck,
Das zwischen stillen Wiesen liegt,
Wo wir im sichern Versteck
Uns einst geküßt und eingewiegt.

Beide:
Uns eingewiegt in einen Traum,
Der ach so kurz und flüchtig war
Wie Wolkenzug und Wellenschaum,
Ein Taubenopfer am Altar.

Sie:
Im Wäldchen hinter uns pfiff laut
Die Drossel ihren Hochzeitssang,
Und immerzu, so treu und traut
In ihrer Sehnsucht heißem Drang.

Er:
Du schlugst um meinen Hals den Arm,
Dein Auge hob sich scheu zu mir;
Ich hielt dich fest und liebewarm,
Und keine Zweifel kamen dir.

Sie:
Und Hand in Hand, und ohne Wort,
Und ich war deine Königin,
So zogen zögernd, zag wir fort
Durch junge grüne Saaten hin.

Er:
Vergiß es nicht, das alte Heck,
Das zwischen stillen Wiesen liegt,
Wo wir im sicheren Versteck
Uns einst geküßt und eingewiegt.

Beide:
Uns eingewiegt in einen Traum,
Der ach so kurz und flüchtig war
Wie Wolkenzug und Wellenschaum,
Ein Taubenopfer am Altar.
(Band 3 S. 238-239)
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Ich und die Rose warten

Vor mir
Auf der dunkelbraunen Tischdecke
Liegt eine große hellgelbe Rose.
Sie wartet mit mir
Auf die Liebste,
Der ich ins schwarze Haar
Sie flechten will.

Wir warten schon eine Stunde.
Die Haustür geht.
Sie kommt, sie kommt.
Doch herein tritt
Mein Freund, der Assessor;
Geschniegelt, gebügelt, wie stets.
Der Assessor will Bürgermeister werden.
Gräßlich sind seine Erzählungen
Über Wahlen, Vereine, Gegenpartei.
Endlich bemerkt er die Blume.
Und seine gierigen,
Perlgrauglacebehandschuhten Hände
Greifen nach ihr:
"Ah, süperb!
Müssen mir geben fürs Knopfloch."
Nein! ruf ich grob.
"Herr Jess noch mal,
Sind heut nicht bei Laune.
Denn nicht.
Empfehl mich Ihnen.
Sie kommen doch morgen in die Versammlung!"

Ich und die Rose warten.
Die Haustür geht.
Sie kommt, sie kommt.
Doch herein tritt
Mein Freund, Herr von Schnellbein.
Unerträglich langweilig sind seine Erzählungen
Über Bälle und Diners.
Endlich bemerkt er die Blume.
Und seine bismarckbraunglacebehandschuhten Hände
Greifen nach ihr:
"Ah, das trifft sich,
Brauch ich nicht erst zu Bünger.
Hinein ins Knopfloch.
Du erlaubst doch?"
Nein! schrei ich wütend.
"Na, aber,
Warum denn so ausfallend;
Bist heut nicht bei Laune.
Denn nicht.
Empfehl mich dir."

Ich und die Rose warten.
Die Haustür geht.
Sie kommt, sie kommt.
Doch herein tritt
Mein Freund, der Dichter.
Der bemerkt sofort die hellgelbe.
Und er leiert ohn Umstände drauf los:
"Die Rose wallet am Busen des Mädchens,
Wenn sie spät abends im Parke des Städtchens
Gehet allein im mondlichten Schein..."
Halt ein, halt ein!
"Was ist denn, Mensch.
Aber du schenkst mir doch die Blume?
Ich will sie mir ins Knopfloch stecken."
Nein!! brüll ich wie rasend.
"Aber was ist denn?
Bist heut nicht bei Laune.
Denn nicht.
Empfehl mich dir."

Ich und die Rose warten.
Die Haustür geht.
Sie kommt, sie kommt.
Und - da ist sie.
Hast du mich aber heute lange lauern lassen.
"Ich konnte doch nicht eher...
Oh, die Rose, die Rose."
Hut ab erst.
Stillgestanden!
Nicht gemuckst.
Kopf vorwärts beugt!
Und ich nestl ihr
Die gelbe Rose ins schwarze Haar.
Ein letzter Sonnenschein
Fällt ins Zimmer
Über ihr reizend Gesicht.
(Band 3 S. 42-44)
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Die gelbe Blume Eifersucht

Was war das? Drückt er ihr leise die Hand,
Als gestern Abend er neben ihr stand?
Der Hund, der Hund!
Heut sah sie den ganzen Tag hinaus:
Wann wird er kommen.
Und als er um die Ecke bog,
Das Rot ihr in die Schläfen flog.
Das soll dir nicht frommen,
Du Hund, du Hund!

Heut Abend, ich lauschte, in heimlicher Stund,
Er küßte sie zärtlich auf Augen und Mund,
Der Hund, der Hund!
Nun lauer und schleich ich im Säulengang
Auf Katzenpfoten:
Meinen Dolch betast ich wohl hundertmal:
In die Brust ihn dir brech ich für alle die Qual,
Als Liebesboten,
Du Hund, du Hund!
(Band 2 S. 293-294)
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Mit ausgebreiteten Armen

Weltvereinsamt und verlassen,
Liebes Mädchen, sitz ich hier.
Alle Menschen muß ich hassen,
Kann mich selber nicht mehr fassen
Komm, o komm zu mir!

Blütenpracht und grüne Zweige
Und die ganze Frühlingszier
Sind mir holde Fingerzeige,
Daß ich sanft zu dir mich neige:
Komm, o komm zu mir!

Tausend zärtliche Gedanken,
Keusche Minne, Liebesgier,
Die sich ewig in mir zanken -
Hab Erbarmen mit dem Kranken:
Komm, o komm zu mir!
(Band 3 S. 391)
_____

 

Glückes genug

Wenn sanft du mir im Arme schliefst,
Ich deinen Atem hören konnte,
Im Traum du meinen Namen riefst,
Um deinen Mund ein Lächeln sonnte -
Glückes genug.

Und wenn nach heißem, ernstem Tag
Du mir verscheuchtest schwere Sorgen,
Wenn ich an deinem Herzen lag
Und nicht mehr dachte an ein Morgen -
Glückes genug.
(Band 2 S. 125)
_____

 

In einem Frühlingsgarten

Wie riecht am Beet der frische Buchs,
Wie dehnt sich jede Kraft,
Und Alles strebt im Frühlingswuchs,
Wie treibt und quillt der Saft.
Im jungen Stachelbeerenstrauch
Zeigt sich der erste Schoß,
Die alte ruppige Kiefer auch
Erfreut ein neuer Sproß.

Und Alles lebt und Alles blüht,
Der warme Sonnenhort
Wirkt auch im innersten Geblüt
Der beiden Falken dort,
Die sich im Liebestaumelflug,
Vor keinem Traualtar,
Umkreisen auf dem Hochzeitszug;
Wie blitzt ihr Flügelpaar.

Ich stehe am Kastanienbaum,
Wo noch die Knospe klebt,
Wo eben durch den Gartentraum
Ein blauer Falter schwebt.
Mein Auge schweift so sehnsuchtsvoll,
Weiß nicht warum, wohin,
Wohl das es immer suchen soll
Die kleine Gärtnerin.

Und heimlich flattert her ein Gruß,
Sie gräbt die Schollen auf.
Ihr derber Strumpf, ihr kleiner Fuß
Bringt schnell mein Blut in Lauf.
An ihrer Seite bin ich bald,
Sie kichert und wird rot,
Und tut so spröde, tut so kalt,
Das macht mir wenig Not.

Halt ein und laß das Graben sein,
Und komm an meine Brust.
Da sträubt sie sich in holder Pein
Und wechselt Angst und Lust.
Bis ich in meinen Arm sie zwang,
Noch immer will sie fliehn;
Hat endlich doch in Trieb und Drang
Dem wilden Sturm verziehn.
(Band 2 S. 323-324)
_____

 

Der Maibaum

Wir liebten uns. Ich saß an deinem Bette
Und sah auf deinen todesmatten Mund.
Dein Auge suchte mich an irrer Stätte:
Hörst du den Sensenschnitt im Wiesengrund?

Und Pfingsten rings. Die Stadt war ausgeflogen
In hellen Kleidern und im Frühlingshut.
Wir waren um den schönsten Tag betrogen;
Tag, sei gnädig ihrer Fieberglut.

Zu deinem Haupte bog, zu deinen Füßen
Bog sich ein grünes Birkenbäumchen vor;
Sie sollten dich vom heiligen Leben grüßen,
Ein letzter Gruß dir sein am schwarzen Tor.

Ich hatte gestern sie für dich geschnitten,
An einer Stelle, die dir wohlbekannt,
Zu der wir ausgelassen oft geschritten,
An der wir oft gesessen Hand in Hand.

An jenem Ort steht eine alte Weide,
Vor Neid und Sonne unsre Schützerin;
Da ist es still, und überall die Haide,
Am Ginster zittert die Libelle hin.

Ein Wasser schwatzt sich selig durchs Gelände,
Ein reifer Roggenstrich schließt ab nach Süd;
Da stützt Natur die Stirne in die Hände
Und ruht sich aus, von ihrer Arbeit müd.

Weißt du den Abend noch? Wir saßen lange,
Ein nahendes Gewitter hielt uns fest
An unserm Weidenbusch, du fragtest bange,
Es klang so zag: Und wenn du mich verläßt?

Sieh zu mir auf, beschirmt von Birkenzweigen:
Ich war dir treu, wir haben uns geglaubt.
Aus Wüsten zieht auf Wolken her das Schweigen,
Die Sense sirrt, und sterbend sinkt dein Haupt.
(Band 3 S. 31-32)
_____

 

Kalter Augusttag

I.
Wir standen unter alten Riesenulmen,
An unsres Gartens Rand. Mein Arm umschlang
Die schlanke Hüfte dir. Es lag dein Haupt,
Das schöne, blasse, still an meiner Schulter.
Ein kalter Hauch drang uns entgegen; fröstelnd
Zogst fester du das Tuch um meinen Hals.
In grauer Luft, unübersehbar, lag
Der Wiesen grünes Flachland ausgebreitet.
Wie deutlich hörten wir den Jungen schelten
Auf seine Kühe; immer hör ich noch
Dein fröhlich Lachen, als uns die gesunden,
Vom Winde hergetragnen Worte trafen.
Und eine Öde, nordisch unbehaglich,
Durchfror die Landschaft. Krähen stolperten,
Laut krächzend, übern Garten. Schläfrig zog
Am Horizont die Mühle ihre Kreise.
Und doch: es lag auf Wegen fern und nah
Der Sonnenschein, der Sonnenschein des Glückes.
Und langsam kehrten wir zurück ins Haus.


II.
Und wieder stand ich unter unsern Ulmen,
Doch nicht mit dir. Allein blickt ich hinaus
In lichten Frühlingstag: Der Jungen pfiff
Ein lustig Liedchen seinen Kühen, glänzend
Im Licht umkreisten Krähen hohe Bäume,
In blauer Luft sah ich am Horizont
Die Mühle schnell im Wind die Flügel drehn.
Und doch: ich sah nur graue Todesnebel,
Und teilnahmslos kehrt ich zurück ins Haus.
(Band 2 S. 258-259)
_____

 

Einen Sommer lang

Zwischen Roggenfeld und Hecken
Führt ein schmaler Gang;
Süßes, seliges Verstecken
Einen Sommer lang.

Wenn wir uns von ferne sehen,
Zögert sie den Schritt,
Rupft ein Hälmchen sich im Gehen,
Nimmt ein Blättchen mit.

Hat mit Ähren sich das Mieder
Unschuldig geschmückt,
Sich den Hut verlegen nieder
In die Stirn gerückt.

Finster kommt sie langsam näher,
Färbt sich rot wie Mohn;
Doch ich bin ein feiner Späher,
Kenn die Schelmin schon.

Noch ein Blick in Weg und Weite,
Ruhig liegt die Welt,
Und es hat an ihre Seite
Mich der Sturm gesellt.

Zwischen Roggenfeld und Hecken
Führt ein schmaler Gang;
Süßes, seliges Verstecken
Einen Sommer lang.
(Band 3 S. 80-81)
_____

 

Alle Gedichte aus: Detlev von Liliencron:
Gesammelte Werke. Band 2 und 3.
Deutsche Verlags-Anstalt Stuttgart Berlin Leipzig 1923


Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Detlev_von_Liliencron



 

 


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