Hermann Lingg (1820-1905) - Liebesgedichte

Hermann Lingg



Hermann Lingg
(1820-1905)

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 



Lied

Kalt und schneidend
Weht der Wind,
Und mein Herz ist bang und leidend
Deinetwegen, schönes Kind!

Deinetwegen,
Süße Macht,
Ist mein Tagwerk ohne Segen
Und ist schlaflos meine Nacht.

Stürme tosen
Winterlich,
Aber blühten auch schon Rosen,
Was sind Rosen ohne dich?
(Band 1 S. 90)
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Lied

Wenn etwas in dir leise spricht,
Daß dir mein Herz ergeben,
So zweifle, Holde, nicht,
Du leuchtest in mein Leben!

Doch nie wirst du von mir begehrt;
Wo schön're Sterne funkeln,
Sei dir ein Loos beschert,
Ich bete nur im Dunkeln.

Ich liebe dich, wie man Musik
Und wie man liebt die Rose,
Du bist mir, wie ein Blick
In's Blaue, Wolkenlose.

In Freude nur gedenke mein,
Mir aber wird ein Segen
Dein Angedenken sein
Auf allen meinen Wegen.

Denn Glück genug besitz' ich doch,
Und wär' mir nichts geblieben,
Als dieses Eine noch,
Ein Herz, um dich zu lieben.
(Band 1 S. 94-95)
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Winterritt

An meines Rosses Brust und Mähne
Gefriert der Hauch zu Duft im Schnee,
In meinem Auge quillt die Thräne,
Ich dacht' an dich heut mehr als je.

Mir klang's heut früh wie Sonntagsläuten
Durch Berg und Thal in stiller Nacht,
Ich sah dich da mit andern Bräuten,
Die Kirchenthür' war aufgemacht.

Die andern trugen Myrthenkrönlein,
Du trugst ein Schleierlein im Haar,
Du hattest auf dem Arm ein Söhnlein,
Ein Grabstein war der Traualtar.
(Band 1 S. 96)
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Mondmythus

Ich sah heut früh im Brunnen tief
Zwei Liebende allein,
Die schöne Morgenröthe schlief
Beim bleichen Mondenschein.
Sie küßten sich von Herzen
Mit lichtem Purpurmund,
Ein wellenheimlich Scherzen
War um die Morgenstund!

"Schlüpf' schnell in deine goldnen Schuh',
O rosenfingrig Kind,
Des Himmels Thore gehen zu,
Geh heim, geh heim geschwind!"
Voll Angst blickt in die Höhe
Das holde Morgenroth;
Da sieht es oben, wehe!
Den bleichen Liebling todt! -
(Band 1 S. 106)
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Tannhäuser

Frau Venus, Frau Venus,
O laß mich gehn geschwinde!
Du bist so schön, so fein und schön,
Ich muß zum Jagen auf die Höh'n,
O laß mich gehn geschwinde,
Frau Venus, Frau Venus,
Du allerschönste Sünde.

Tannhäuser, Tannhäuser,
Wer wird so früh schon jagen?
Komm, setze dich zu mir ins Grün,
Die Veilchen und Reseden blühn,
Ich will dir etwas sagen,
Tannhäuser, Tannhäuser,
Wer wird so früh schon jagen?

Frau Venus, Frau Venus,
Ich darf nicht mit dir kosen,
Ich muß nach meinen schlanken Reh'n,
Nach meinen schnellen Hunden sehn,
Ich darf nicht mit dir kosen;
Frau Venus, Frau Venus,
Wer bricht dir denn die Rosen?

Tannhäuser, Tannhäuser,
Es hat so sehr nicht Eile,
Du schießest heute noch genug,
Laß doch dem Vogel seinen Flug
Noch eine kleine Weile!
Tannhäuser, Tannhäuser,
Wer macht denn dir die Pfeile?

Frau Venus, Frau Venus,
O laß dein süßes Locken,
Du bist so schön, so zart und weiß,
Es pocht mein Herz so laut und heiß,
Ich bin so sehr erschrocken -
Frau Venus, Frau Venus,
Wer flicht denn deine Locken?

Tannhäuser, Tannhäuser,
Wie glühn dir doch die Wangen! -
Die Locken flecht' ich selbst mir ein,
Und löse sie, und fange drein,
Die von mir heimverlangen;
Tannhäuser, Tannhäuser,
Und du bist auch gefangen.
(Band 1 S. 115-116)
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Ich liebte dich

Ich liebte dich, wie konnt' ich schweigen?
Mein tiefst Gemüth lag frei vor dir;
Ich wagt' es, dir mich ganz zu zeigen,
Du aber ließest doch von mir.

Doch ach, wie konnt ich jemals hoffen,
Du würdest ruhn an einer Brust,
Die selbst noch allen Stürmen offen,
Von keinem Frieden je gewußt?

Ich liebte dich - ich darf es sagen!
Ich hoffte - und mit welchem Schmerz!
Ich hab' den Muth mich anzuklagen;
O, unaussprechlich litt mein Herz!

Leb' wohl! und mög' dich Gott bewahren,
Auch ein Atom nur jener Gluth,
Die mich verzehrte, zu erfahren;
Nur mein Herz dulde, bis es ruht!
(Band 1 S. 145)
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Frühlingssegen

Mein Herz, aus goldnen Jugendtagen,
Aus glücklicher Vergangenheit,
In grünes Laub ist's ausgeschlagen,
Da lebt's und athmet, und gedeiht.

Die Sehnsucht aber, die ich hatte,
Und mancher wundersüße Traum,
Sie säuseln jetzt im Lindenblatte
Und flüstern in dem Tannenbaum.

Ich lebe, wo die Finken schlagen,
Man kann mich in der Blüthezeit
Nach Haus in einem Zweige tragen,
Gefangen bin ich und befreit.

Es bringt mir in der Morgenkühle
Des Sonntags reine Himmelslust
Die längst entschlummerten Gefühle
Erinnernd wieder in die Brust.
(Band 1 S. 151)
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Kürzeste Nacht

Noch sprüht des längsten Tages warme Quelle
Lebendig fort, es wagen sich verstohlen
Die Träume nur, und nur mit scheuen Sohlen
Die Sterne durch der Nacht saphirne Schwelle.

Kaum sank der Abend in die Dämmerwelle,
Da sucht ihn schon der Abend einzuholen,
Kaum öffnen ihren Kelch die Nachtviolen,
Da hebt die Sonnenblume sich zur Helle.

In Furcht, daß sich schon hell die Berge schmücken,
Singt schöner jetzt aus thaugenetzter Kehle
Die Nachtigall ihr klagendes Entzücken;

In Furcht, daß bald das süße Dunkel fehle,
Eilt Liebe heißer Brust an Brust zu drücken,
Und tauscht im Kusse lechzend Seel' um Seele.
(Band 1 S. 258)
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Bergrosen

1.
Euch im Bergwald wilde Rosen
Weih' ich meinen Liebesbund,
Weil auch ihr zu gleichen Loosen
Wurzelt in dem Felsengrund.

Dornenvoll und doch voll Wonne,
Sorglos, ob ihr dürft, ob nicht, -
Blühet ihr dem Licht der Sonne,
Duftet ihr dem Sternenlicht.


2.
Dich über Wolken tragen,
Du sanftes Kind, für dich
Mein Leben möcht' ich wagen,
Um dir es recht zu sagen:
Ich liebe dich!

Ich möcht' es jede Stunde
Von dir auch hören, sprich -
O sprich von Herzensgrunde
Mit deinem holden Munde:
Ich liebe dich!


3.
Ich küsse dir vom Aug die Thräne,
Die du um mich geweinet, fort,
Ich küsse deinen Mund und wähne,
Ich küsse dir vom Mund das Wort.

Ich küsse deine schöne Stirne
Und deine seidnen Wimpern auch,
Es weht vom Leuchten der Gestirne
Durch Winternacht ein Frühlingshauch.


4.
Harrst auch du dem Tag entgegen
Schlummerlos auf deinem Pfühl?
Welchen wunderbaren Segen
Gibt uns doch das Mitgefühl! -

Brennend klopft des Herzens Wunde,
Dennoch dank' ich dieser Nacht
Für die einzige Sekunde,
Wo auch du an mich gedacht.


5.
Schon wenn ich dir nahe bin,
Ueberfüllt mich, ach, ein Zittern,
Meine Kräfte sinken hin
Wie die Halme vor den Schnittern.

Wenn die Stunde näher rückt,
Wo ich darf dich Stern erwarten,
Singt, so hoch wie ich entzückt,
Eine Amsel in dem Garten.


6.
Wie Lieb' und Freude rein und klar
Aus deinen blauen Augen spricht,
Da leuchten sie so wunderbar
Wie Nacht bei Sternenlicht.

Wer je des Himmels Lichtazur
Am Tage dunkel sah,
Der sah's von höchsten Höhen nur
Ihm selbst, dem Himmel, nah.
(Band 2 S. 115-117)
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Dämmerstunde

Der Abend findet mich allein,
Allein bei dir nur in Gedanken,
Ich möcht' zu dir, möcht' bei dir sein,
Dein Händchen halten, deinen schlanken
Geliebten Leib umspannen, jedes Wort
Und jeden Hauch von deinen Lippen saugen,
Und schau'n und schau'n in deine lieben Augen
In einem fort.

Denn etwas schmerzt mich tief, daß nie,
Im Schwarm der Menschen mir begegnet
Dein Blick in rascher Sympathie
Und still und insgeheim mich segnet.
"Hat dich auch nicht ein Wort von mir verletzt?"
Möcht' ich dich oft mit einem Blicke fragen,
Und oft möcht' ich zu deiner Seele sagen:
Wo bist du jetzt?
(Band 2 S. 118)
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Märchen

Man sagt, durch's Zimmer walle
Ein schönes Engelkind,
Wenn plötzlich schweigen alle,
Die drinn beisammen sind.

Dies sagen wir uns immer
Und stille küssen wir,
Ein Engel geht durch's Zimmer,
Ein Engel ist bei mir.
(Band 2 S. 119)
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Früher Sonnenstrahl

Wie der Sonne Strahl so müd
Hinter schwarzen Felsengipfeln
Ueber Flächen Schnees hinüberschied! -
Aber in der Tanne Wipfeln
Sang die Drossel schon ihr Lied;
Gern schlägt sie der Abendruh,
Wie der Nacht die Nachtigallen,
Wie dem Tag die Lerche; du
Herz der Liebe schlägst in Allen!
(Band 2 S. 120)
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Traute Stelle

Ob ihr den Himmel, ihr Wolken, umzogt,
Und uns gefangen
Unter die Hütte, die schützende, bogt,
Aber mir wogt
Sehnsucht im Herzen und süßes Verlangen.

Ueber dem Fenster blühn Reben herein,
Draußen die Rosen,
Sage mir, können wir glücklich sein?
Bist du allein?
Können wir herzen im Stillen und kosen?
(Band 2 S. 121)
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Mainacht

Gewitterschwüles Bangen
Umfängt den Erdenball,
Schwermüthig und gefangen
Wehklagt die Nachtigall.

Geliebte! komm, wir schauen
Vom Fenster, Hand in Hand,
Hinaus ins Wettergrauen,
Hinaus ins dunkle Land!

Ich halte dich umfangen,
O meines Herzens Braut,
Wie glühen deine Wangen,
Wie pocht dein Herz so laut!

Ein bebendes Entzücken
Durchschauert meine Brust,
Ich möchte dich erdrücken
Vor selig banger Lust.

Als ob er zürnen müsse,
Schickt eines Blitzes Strahl,
So oft ich dich nur küsse
Der Himmel jedesmal.

Ich sehe dann erleuchtet
Das Dunkel meiner Schuld,
In Wimpern sanft befeuchtet
Von Thränen deiner Huld. -

O horch, es schlägt vom Thurme,
Und durch den Donnerhall
Und mitten in dem Sturme
Ertönt der helle Schall.

Und mir im Herzensgrunde
Klingt's nach, daß uns ein Tag
Vereint zum ew'gen Bunde
Bei diesem Glockenschlag.
(Band 2 S. 122-123)
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Liebeswünsche

Ich wollt', ich wär' die Morgenstund',
Dann wär' ich doch, wenn du erwachst,
Der Erste, dem mit holdem Mund
Du hold entgegenlachst;

Ich wollt', ich wär' die Sommernacht,
Dann drückt' ich dir zu süßer Ruh
Die seidnen Wimpern still und sacht
Mit heißen Küssen zu!
(Band 2 S. 124)
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Für immer

Einmal hast du - o der Stunde!
Schlummernd mir im Arm geruht,
Meinen Kuß noch auf dem Munde,
Auf den Wangen welche Glut!

O wie da die Pulse flogen!
Lauschend jedem Athemzug,
Fühlt' ich an des Busens Wogen
Wie dein Herz an meines schlug.

Das wird nie vergessen werden,
Das verlöscht kein andrer Tag,
Nicht das größte Glück auf Erden,
Nicht des Unglücks schwerster Schlag.

Eine Flamme, nie verglühend,
Ein lebend'ger Edelstein,
Lebt mir der Gedanke blühend
Einmal so und ewig mein!
(Band 2 S. 125)
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Sonnwendfeier

Kommt, schließet den Ring,
Ihr Mädchen und Knaben!
Ich spring', ich spring'
Durch's Feuer im Graben.

Ich wollt' für dich
Durch jedes rennen,
Nur laß du mich
Nicht immer so brennen.

Damit ich im Lauf
Nicht stürze, so fange
Du Schöne mich auf,
Nach der ich verlange.

Dein holdes Gesicht
Strahlt lautere Wonne,
O scheide noch nicht
Du liebe Sonne!
(Band 2 S. 126)
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Hüte dich!

Nachtigall, hüte dich!
Singe nicht so lieblich!
Ach, dein allzuschönes Singen
Wird dich um die Freiheit bringen.
Hüte dich!

Schöne Blume, hüte dich,
Blühe nicht so glühend,
Dufte nicht so voll Entzücken!
Wer dich siehet, will dich pflücken.
Hüte dich!

Schönes Mädchen, hüte dich,
Lächle nicht so gütig,
Deine Schönheit, deine Güte -
Denk' an Nachtigall und Blüthe.
Hüte,
Hüte dich!
(Band 2 S. 131)
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Lebewohl

An letzten Rosenblättern hing
Des Sommers letzter Schmetterling
Und ihn umfing zum letztenmal
Der Abendsonne müder Strahl.

Da ging ich durch die Dämmerung
Mit einem Mädchen bleich und jung,
Die Liebste war's, mit der ich ging,
Ich gab ihr Lebewohl und Ring.

Der Waldbach zog am Mühlensteg,
Ein Hirte sang am Felsenweg,
Er sang ein Lied so weh, so bang,
In unser Aug' die Thräne drang.

Wir standen an der Kirchhofthür:
Nun lebe wohl, nun scheiden wir,
Mir ist das Herz so schwer! so schwer!
Mir ahnt, wir sehn uns nimmermehr.
(Band 2 S. 132)
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Kunkelstube

Wie still die Mädchen da sitzen und spinnen
Voll Ernst und Ruh,
In großer Stube sitzen sie und sinnen,
Während sie spinnen,
Aber auch nicht eine singt dazu.

Du, wenn da wärst, könntest singen,
Du, ja du!
Du würdest in dies Leben Freude bringen,
Du würdest singen,
Singen und scherzen und küssen dazu.

Kämst du jetzt plötzlich hereingeschritten,
Sage wohin
Würden wir dich zu sitzen bitten?
Liebliche! mitten,
Zwischen Violen und Rosmarin.
(Band 2 S. 133)
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Vergessen und verlassen

Nur deine Locken küßt der Wind -
Sonst ist es ringsum stille Nacht,
Ein Mainachtregen haucht gelind,
Kein Licht erglänzt, kein Stern erwacht,
Nur deine Locken küßt der Wind.

Was blickst du einsam in die Nacht,
Du armes, allverlass'nes Kind?
Dein Lächeln hat einst mir gelacht.
Kein Licht erglänzt, kein Stern erwacht,
Nur deine Locken küßt der Wind.
(Band 2 S. 134)
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Julinacht

Schwüle, schwüle Julinacht -
Südwind küßt die Zweige,
Was dich so stolz und elend macht,
Schweige mein Herz, verschweige!

Ueber den See, der stille ruht,
Wehen die Wolkenschatten,
Ueber die stille schlafende Flut,
Ueber die schimmernden Matten.

Hörst du's, wie zur Hochzeitnacht
Flöte tönt und Geige?
Was dich so stolz und elend macht,
Schweige, mein Herz, verschweige.
(Band 2 S. 135)
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Erste Liebe

Schwebst du mit den Erosflügeln,
Erste Liebe, noch einmal
Von der Jugend Sonnenhügeln
In dies düstre Todesthal?

Erste Liebe, du dem Leben
Als der Engel zum Geleit
Uns vom Himmel mitgegeben
Durch die Wüsten spät'rer Zeit!

Jeder Pfad bleibt eingesegnet,
Jeder Baum am Bach, im Thal,
Wo du mir zuerst begegnet,
Mich gegrüßt im Frühlingsstrahl.

Jenem Tag bleibt ew'ge Feier,
Wo, vom Himmelsglanz erhellt,
Du zuerst erhobst den Schleier
Vor der Seele stiller Welt.
(Band 2 S. 144)
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Schönster Lohn

Ein Scherflein hab' ich doch gelegt,
O Noth, auf deine Wunden!
Ein Fünkchen hab' ich doch gehegt,
Ein Röslein doch gefunden!

Den besten Dank, den Einer wüßt',
Den hab' ich auch empfangen,
Die schönsten Lippen hab' ich geküßt
Und auch die blühendsten Wangen.
(Band 2 S. 154)
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Frühlingsanfang

Es kommt so still der Frühlingstag,
So heilig hergezogen,
Kaum daß ein Hauch bewegen mag
Des Flieders blaue Wogen.

Es grüßt mich durch die klare Luft
Ein Tönen halbverklungen,
Und aus der Blume stillem Duft
Tauchen Erinnerungen.
(Band 2 S. 157)
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Maiglocke

Wenn vom Schnee die letzte Flocke,
Wenn zur Blume wird der Thau,
Wird er eine Maienglocke,
Die dein Bild ist, holde Frau!

Weht es nicht wie Waldeskühle,
Haucht es nicht aus ihrem Duft
Wie die Unschuld der Gefühle -
Wie die reine Morgenluft? -

Im Verborgnen blühst du gerne,
Wie die Maienglocke blüht,
Wer dir naht, fühlt schon von ferne
Dein holdseliges Gemüth.
(Band 2 S. 158)
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Nachtigall

Komm, Nachtigall, schwing dich hernieder
Zum Garten im blühenden Hag,
Komm, liebliche Sängerin, wieder,
Sing' deine melodischen Lieder
Hinüber dem scheidenden Tag.

Noch schweigst du, was willst du verschweigen?
Die Fülle so sehnlicher Qual?
So lange nicht willst du dich zeigen,
So lang nicht in blühenden Zweigen,
Das Mondlicht leuchtet im Thal.

Von heiligen Strahlen umfangen,
In glühenden Wonnen erwacht,
Lobsingst du mit süßem Erbangen
Das schüchterne Liebesverlangen,
Du himmlische Stimme der Nacht.
(Band 2 S. 159)
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Gruß in die Ferne

Dunkelnd über dem See dämmert das Abendroth,
Nur die höchsten Gebirge
Krönt noch Glut, doch es sinkt, düst'rer allmählig, nun
Auch ihr Bild zu den Schatten.

Dort ach, fern in der Nacht, dort wo des Himmels Licht
Hinschwand unter den Wolken,
Dort dich wieder zu sehn, träumt' ich, und war dir nah -
Nah im Geiste, da warf mir
Ueber Dornen am Weg Blüten der Lufthauch zu,
Während dein ich gedachte! -
(Band 2 S. 171)
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Aus Nacht

Dein Herz, so liebevoll und schön,
O wär' es mir gewogen!
Ich schaute dann in lichte Höh'n
Aus dunklen Lebenswogen.

Ich würde nicht im Streit mit mir
Wild hin und her getrieben,
Ich würde fromm sein und mit dir
Die Welt und Alles lieben.
(Band 2 S. 172)
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Angedenken

Dein weißes Halstuch, Süße!
Bewahr' ich auf der Brust,
Es sagt von dir mir Grüße,
Es schafft mir Leid und Lust.

Oft hab' ich's umgebunden
Dir in der kühlen Nacht -
O welcher trauten Stunden
Erinnerung erwacht!

Und mag die Welt beschenken
Mit Gold und Edelstein,
Mein liebstes Angedenken
Soll mir dein Halstuch sein.

Ich küss' es oft und weine
Und press' es heiß an mich,
Ich küss' es oft und meine,
Und mein', ich küsse dich.
(Band 2 S. 177)
_____



Dir

Im Anschau'n deiner Schönheit nur versunken,
Vergess' ich, daß die Welt mich höhnt und schmäht,
Ich bin zu sehr von deiner Liebe trunken,
Als daß ich's merkte, wenn mich wer verräth.

Den Lorbeer selbst, um den ich heiß gerungen,
Entbehren könnt' ich ihn, wie leicht, da du
Mir Alles bist und gibst - die Huldigungen
Des höchsten Ruhms und mehr - dein Herz dazu.
(Band 2 S. 178)
_____



Treuegelöbniß

So soll es sein,
Ich lebe dein,
Dein Stab und deine Stütze,
Daß jederzeit
In Sturm und Streit
Dich meine Treu' beschütze.

In Streit und Schmerz
Ein treues Herz -
So sollst du stets mich kennen.
Kein fremdes Glück
Soll mein Geschick
Von deinem Loose trennen.

Gern steig' ich an
Auf rauher Bahn,
Weiß ich nur dich im Frieden.
Bei dir allein
Ist Sonnenschein
Und all' mein Glück hienieden.
(Band 2 S. 181)
_____

Aus: Gedichte von Hermann Lingg
Erster Band Siebente Auflage
Stuttgart Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung 1871
Gedichte von Hermann Lingg
Zweiter Band Dritte Auflage
Stuttgart Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung 1874
 


Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Hermann_Lingg

 

 


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