|
Josefine Lippert von
Granberg
(1836-1910)
Im Vorübergehen
Du schrittest mir vorbei, wie Fremde thun,
Und nichts verriet, daß wir uns innig kennen,
Obwohl ich fühlte, wie du mir so nah,
An meiner Pulse bebendem Entbrennen.
Nur luftig schwebt es wie ein stummer Gruß
Zu mir herüber ohne Wort und Zeichen,
Mein tief gesenktes Auge sucht dich nicht,
Es darf kein Laut zu dir hinüberreichen.
Da kam vorbeigewallt des Windes Zug,
Um uns berührend leise zu vereinen;
Er trachtete mit deiner Schritte Spur
Nachklingend, mir als Echo zu erscheinen;
Und ein Gedanken deiner Liebe war
Mit Taubenschwingen mir an's Herz geflogen,
Wo er vertraulich in die süße Ruh
Der längst ersehnten Heimat eingezogen.
_____
Gedicht
aus: Unsere Frauen in einer Auswahl aus ihren Dichtungen
Poesie-Album zeitgenössischer Dichterinnen
Von Karl Schrattenthal
Mit zwölf Porträts in Lichtdruck
Stuttgart 1888 (S. 284)
Biographie:
Lippert v.
Granberg, Frau Josephine, Wien I, Fleischmarkt 20, ebenda am 17. März
1843 geboren, genoss sie eine sehr sorgfältige Erziehung
und zeigte schon in der Kindheit dichterische Anlagen. In jungen Jahren
verheiratete sie sich mit dem Architekten Ritter L. v. Granberg und
bereiste mit ihm den Orient, Griechenland und Italien. Sie beschäftigt
sich viel mit Musik, Malerei und Poesie, mit kunsthistorischen und
litterarischen Studien.
- Ausonia. Lyrische
Blüten. Wien 1892
- Italien. Lyrische Gedichte. 1892
- Minne-Sinnen. Gedichte. Wien 1875
- Sicania. Blätter der Erinnerung. Ebda
- Unter Ausonias Himmel. Lieder, metrisch ins Italien, übers. m.
deutschem Originaltext. Rom, Wien 1894.
aus: Lexikon
deutscher Frauen der Feder.
Eine Zusammenstellung der seit dem Jahre 1840 erschienene Werke
weiblicher Autoren, nebst Biographieen der lebenden und einem
Verzeichnis der Pseudonyme. Hrsg. von Sophie Pataky
Berlin 1898
|