Otto Heinrich Graf von Loeben (1786-1825) - Liebesgedichte

Otto Heinrich Graf von Loeben



Otto Heinrich Graf von Loeben
(1786-1825)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 






An ein Mandelbäumchen

O träufle sanft in meines Mädchens Locken,
Wie Regentröpfchen deine Blüthenflocken,
Du liebes Bäumchen! hörst Du mich?

Versäume nicht, will sie dort ruhn und lauschen,
Mit regen Blättern nach ihr hin zu rauschen,
Still seufzend, seufzend fast wie ich.

Dann flüstre: Mädchen! wie die Blüthenflocken
Dir leise regnen auf die seid'nen Locken,
So, denke, weint sein Schmerz um dich.
(S. 4)
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Der Baum der Liebe

Ich hab' ein Bäumchen, wunderbar;
Viel süße Blüthen schimmern,
Und goldne Zauberäpfel flimmern
In seinem grünen Haar.

Will ein lieb Kind mein Herz ergreifen -
Gleich setzt's ein Knöpfchen an;
Bin ich vom Liebesnetz umfahn -
Läßt's eine Goldfrucht reifen.

Drum sieht man auch an meinem Baum
(Ich muß nur Stützen richten!)
Vor lauter Blüthen, lauter Früchten
Die grünen Blätter kaum.
(S. 4)
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Guitarrenlied

Leise, leise,
Laß' ich erklingen
Die Laute wie Schwingen,
Leise, leise!

Leise, leise,
Daß Sie's nur höret,
Keiner uns störet,
Leise, nur leise.

Leise, leise
Glühen die Lüfte,
Athmen die Düfte,
Bebet die Weise.

Leise, leise
Flattert die Blüthe,
Nacht o behüte
Schweigsam die Reise.

Leise, leise
Sinkt um die Leier
Der Blüthenschleier,
Rauschet die Weise.

Leise, leise
Fliehen die Töne
Die Blüthe, die Schöne,
Nur leise! nur leise!
(S. 10-11)
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Südduft

Im Herzen wohnt ein unaufhörlich Sehnen,
Zu wogen in des Südens Farbentanze,
Berauscht im Blüthenstaub der Pomeranze,
Hinwegzufliehn auf wollustvollen Tönen.

Wo fern die dunkeln Meeresstrudel dröhnen,
Zu baden am Gestad' im Abendglanze,
Mit einem selbstgebrochnen Lorbeerkranze
Die heiße Stirn zu kühlen und zu krönen.

So ist in mir ein ewiges Erglühen
Nach einem Süd der Lieder und der Liebe,
Sanft badend in geheimnißvollen Wogen.

Es klingt vor mir ein nahn' der Regenbogen,
Daß ich nicht immer so entfernet bliebe
Kann hin und her auf ihm der Bote ziehen.
(S. 29)
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Sonette der Liebe - Das zweite

Der Himmel fühlt und theilet meine Qualen,
Auch ihm geht nun der Sonnenschein vorüber,
Die Luft wird schwül, die Ferne trüb' und trüber,
Und ernste Schatten dräun' den Berg' und Thalen.

Das Blau verwallt in Dunst, die finstern, falen
Gewölke ziehn in voller Pracht herüber,
Es neigt der Tag sich in die Nacht hinüber,
Aus irrem Dunkel zukken weiße Stralen.

Ich brauche nicht die Finsterniß zu scheuen,
Ich wandle mit trübsel'gem Auge weiter,
Den Stürmen und den Wolken mich ergebend.

Nur ringend kann ich meinen Muth erneuen,
Die Blizze nahen, und ich werde heiter,
Als Phoenix über meiner Flamme schwebend.
(S. 29-30)
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Glosse

Laß uns blühen, wie wir blühn,
Eh' der Winter welker Jahre
Dir die goldgemengten Haare
Wird mit Silber unterziehn.
(Fleming)

Sollten wir dem Frühling wehren,
Daß er uns gleich Kindern schmükt,
Kränz' in unsre Haare drükt?
Laß die Blüthen nur sich mehren,
Stirn und Loken uns beschweren!
Wo die Blike schuldlos glühn,
Bleibt der Kranz der Liebe grün,
Wird umsonst vom Neid bestritten,
Und wir können nichts, als bitten:
Laß uns blühen, wie wir blühn!

Schönres kann die Welt nicht zeigen,
Als der ersten Jugend Blüthe,
Wenn des Herzens Sonn' erglühte,
Trunken sich die Knie neigen
Vor der Herrin, der wir eigen.
Nichts ist das sich da verwahre,
Keine Fülle, die noch spare,
Stolz wird jede Kraft verschwendet,
Eh' der Gram sie uns entwendet,
Eh' der Winter welker Jahre.

O die Brust voll hoher Liebe
Kann sich keine Fülle rauben,
Darf, gleich Göttern, an sich glauben;
Hingegeben alle Triebe,
Weiß sie, daß genug ihr bliebe!
Und so laß, du Wunderbare,
Daß ich Blumen um dich schaare:
Auch der Herbst wird seine haben,
Zieren gleich des Frühlings Gaben
Dir die goldgemengten Haare.

Keine Früchte sonder Bluth;
Wo die Jugend nicht geprangt,
Wo die Liebe nicht verlangt,
Lischt der Zukunft ernster Muth,
Und des Herzens ew'ge Glut.
Laß den Frühlingshimmel fliehn;
Was er scherzend uns geliehn,
Wollen wir dem Herbste leihen,
Wenn er unsre Lokenreihen
Wird mit Silber unterziehn.
(S. 41-42)
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Boten der Liebe

Thränen unerhörter Liebe
Sind die Boten meiner Triebe.

Lauft nicht, laufet nicht, ihr Quellen,
Eilet nicht aus diesen Fässern,
Lasset ab das Land zu wässern;
Hier sind Thränen, hier sind Wellen
Eure Ufer anzuschwellen,
Thränen unerhörter Liebe
Sind die Boten meiner Triebe.

Spielet nicht mit diesen Zweigen,
Diesen Blumen so gelinde,
Wehet nicht, ihr sanften Winde;
Laßt den Seufzern, die nicht schweigen,
Sich die Zweig' und Kelche neigen,
Seufzer unerhörter Liebe
Sind die Boten meiner Triebe.

Wenn der Tag beginnt zu grauen,
Wenn die Abendlüfte wehen,
Seht ihr mich im Grase gehen;
O was laßt ihr noch, ihr Auen,
Von Auroren euch bethauen?
Thränen unerhörter Liebe
Sind die Boten meiner Triebe.
(S. 42-43)
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Frage
(Triolett)

Galt es mir, das süße Blicken
Aus dem hellen Augenpaar?
Unter'm Netz vom goldnen Haar
Galt es mir, das süße Blicken?
Einem sprach es von Gefahr,
Einen wollt' es licht umstricken;
Galt es mir, das süße Blicken
Aus dem hellen Augenpaar?
(S. 43-44)
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Zauber der Schönheit

Strebt' ich auch, was mich umflicht,
Aus der Seele wegzudrängen;
Ach! an tausend Fäden hängt es,
Ach! mit tausend Knoten zwängt es,
Und das Herz bleibt drinne hängen,
Und das Netz, ich lös' es nicht.
(S. 44)
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Trauer und Sehnsucht

Der vergangnen Tage sinnen
Ist der Trost getrennter Herzen,
Machet selbst der Trennung Schmerzen
Linder, und die Zeit verrinnen.
Ach! man lernt das Glück erst kennen,
Wenn Erinnrung uns ergreift,
Ungelabt die Lippen brennen,
Ungestillt der Busen schweift:
Doch der Sehnsucht süßes Sinnen
Wird zum Flügel an dem Herzen,
Daß wir mit der Ferne scherzen,
Daß wir Zauberkraft gewinnen.
(S. 44-45)
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Der erste Brief

Sehnsuchtsvoll, wie im April,
Wenn die Lerche steigt
Und so gränzenlos, so still
Sich das Feld uns zeigt;

Lebensathem uns begrüßt
Sanft die Brust bedrängt
Und die Sehnsucht doch versüßt,
Die uns noch umzwängt:

Nur ein linder Regen fehlt,
Mild ist schon die Luft,
Daß die Wolk' ihn nur verhehlt,
Sagt der warme Duft;

Und das Herz trinkt schon das Kühl,
Freut der Dämmrung sich,
Schwelgt in lieblichem Gefühl
Dem kein andres glich;

Also steh' ich, warte still,
Ob sie mir nicht schreibt,
Ob der Brief nicht kommen will,
Was ihn hintertreibt.

Doch die Sehnsucht füllt mich so,
Macht mich schon so reich,
Daß ich glaub', ich lebte froh
Käm' er auch nicht gleich.

Lebte froh in Hoffnung hin
Was der Brief mir bringt,
Fühlte schon wie reich ich bin,
Wie mich Rührung dringt.

Alle Sprossen werden grün
Wenn der Regen naht;
Und ich fühl' ein gleiches Sprühn
Auf des Herzens Saat.

Linde Wärme fühl' ich hier,
Alles wühlt sie auf,
O ein einzig Wort von dir
Trägt mich himmelauf!
(S. 45-46)
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O wie oft, ich muß mir's sagen,
Hab' ich mir mein Glück verscherzt!
Einmal, einmal mußt' ich's wagen,
Und ich hätte dich geherzt.

Rührten gestern nicht die Büsche
Schwellend sich um unsern Gang?
Daß sich Hauch mit Hauch vermische,
Rieth es nicht ihr leiser Drang?

Ach so dicht mit mir zusammen,
Wie zwey Beerchen an dem Strauch,
Und es fehlt', um aufzuflammen,
Wohl ein einz'ger, leiser Hauch!

Ja, er bebt' in tiefster Seele,
Hatte Furcht vor unsrer Welt,
Wie sich oftmals Philomele
Still bey Sonnenglanze hält.
(S. 46)
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Letzter Gruß

Nicht sag' ich, geh', mich zu vergessen,
Denn du hast nie an mich gedacht,
Ob Lieb', ob Wehmuth mir die Augen nässen,
Du weißt es nicht, du kennst nicht deine Macht.

Der schöne Fels, der Wipfel träget,
Worunter gern die Sonne ruht,
Er steht am Meer, das hohe Wellen schläget,
Und keine zieht ihn mit sich in die Flut.

Die Schmerzen, die am Herzen nagten,
Zu deinen Blicken sagten: Sprecht!
Wenn sie der kalten Härte dich verklagten,
Ich küsse sie, sie waren ungerecht.

O rinne fort, du Freudenquelle,
Und fliehe nur das inn'ge Thal!
Wie ihm das Rauschen deiner Silberfälle,
Verhallt dir seine Lust und seine Qual.
(S. 47)
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Das verzogene Kind

Wenn Sie mein Haupt
In ihre Hände drückte,
Mit Blumen schmückte,
Und schmeichelnd, schmeichelnd
Mir durch die Locken glitt:
O wie mir war als trüg' ich
Den ganzen Frühling auf dem Haupt!

Nun mir entschwunden
Der liebe getreue Blick,
Zurück, zurück,
Wie ruft es mich immer,
In seine Schimmer
Zu bergen mein Haupt und auf ihren Schoos!

So wie ein Kind,
Mit dem ein Spiel gespielt ward,
Nun soll es ernsthaft lernen
Und hübsch alleine seyn;
Es war zu lieb im Garten!
Nun thut sein Köpfchen ihm so weh, so weh.
(S. 47-48)
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An die Thränen

Tropfen himmlischer Auroren
Dem Gemüthe aufgegangen,
Dort am Born des Lichts geboren,
Von der Blüthe heißer Wangen
Dann so sehnend aufgegangen;
Perlen, die die Welt verklären,
Sich vom eignen Glanze nähren;
Ahndungsvolle Regenbogen
Durch die Seele hingezogen
Seid gegrüßt, ihr linden Zähren.

Thränen, welche Lust vergossen,
Thränen, die den Blick erhellt
Wenn ihr sanft ihn eingeschlossen,
O ihr seid uns zugesellt,
Boten einer Friedenswelt.
Deutlich fühl ich eure Wellen
Mir am Herzen ringend schwellen,
Eh' ihr in das Auge dringt,
Euch im lichten Bogen schwingt;
In der Brust sind eure Quellen.

Und in eurer milden Kühle
Schwimmen, wie das Licht im Bach,
Die Gedanken, die Gefühle;
Sind die Worte einzeln, schwach,
Werden zartre Töne wach.
Wie wir fernem Stromesrauschen
In dem Abendlichte lauschen,
Wenn der schwüle Tag verglommen;
Kommt ihr dämmernd hergeschwommen,
Daß wir Leid mit Lust vertauschen.

Töne süßer Fantasien
Sind der ersten Nachtigall,
Lerchen ist der Dank verliehen,
Holder Stimmen weicher Schall
Grüßt den Aether überall;
Wenn die Worte mir entfliehen,
Keine Töne mir geliehen
Laut zu fühlen, was ich fühle,
Welch ein Bad die Brust umspüle,
Welch ein Strom von Melodien:

O dann kommt aus stummer Wonnen,
Aus des Herzens tiefstem Quell,
Diamanten, ihr geronnen,
Und es wird um sich so schnell
Wohllautathmend, lebenshell.
Aus verworrenen Getösen
Will sich lautre Stimmung lösen;
Wie vor mir der Staub zerstoben,
Dringt das Gute still nach oben,
Und der Nebel bleibt dem Bösen.
(S. 48-49)
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Am Bach

Das Vergißmeinnicht
Du liebes Menschenangesicht,
Was trübt dich nur so sehr,
Hier blüht dir ein Vergißmeinnicht,
Und weine nur nicht mehr!

Der Liebende
Dein Aug' so süß mich weinen macht,
Vergessen kann ich nicht,
Und alle meine Lieb' erwacht
Bey deinem blauen Licht.
(S. 49-50)
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Wonne des Wiedersehens

Hier siz ich wieder,
O Frühlingslieder,
Nun werdet laut!
Nun schweigt, ihr Qualen,
Die Berg' und Thalen
Zu vielen Malen
Ich anvertraut.

Hier siz ich wieder,
Da zieht mich's nieder
In's weiche Gras,
Und nach den Schatten,
Den Thal' und Matten,
Den Felsenplatten,
Woselbst sie saß.

Hier siz ich wieder,
Und das Gefieder
Schlägt tausendfach,
Singt dir zu Ehren,
Du magst nicht wehren
Wenn's mich will lehren
Sein süßes Ach.

Hier siz ich wieder,
Und deine Glieder
Umfängt Ein Kühl;
O Volk der Zweige,
Kein Ach! mir zeige,
Dich nur verneige
Vom Blüthenpfühl.

Hier siz ich wieder,
Dich hab ich wieder,
Was will ich mehr?
Bleib dieser Bronne,
Der Lämmer Wonne,
Bleib meine Sonne,
Ich will nichts mehr.
(S. 50-51)
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Der Lurleyfels

Da wo der Mondschein blitzet
Um's höchste Felsgestein,
Das Zauberfräulein sitzet,
Und schauet auf den Rhein.

Es schauet herüber, hinüber,
Es schauet hinab, hinauf,
Die Schifflein ziehn vorüber,
Lieb' Knabe, sieh' nicht auf!

Sie singt dir hold zum Ohre,
Sie blickt dich thöricht an,
Sie ist die schöne Lore,
Sie hat dir's angethan.

Sie schaut wohl nach dem Rheine,
Als schaute sie nach dir,
Glaub's nicht daß sie dich meine,
Sieh' nicht, horch nicht nach ihr!

So blickt sie wohl nach allen
Mit ihrer Aeuglein Glanz,
Läßt her die Locken wallen
Unter dem Perlenkranz.

Doch wogt in ihrem Blicke
Nur blauer Wellen Spiel,
Drum scheu die Wassertücke,
Denn Flut bleibt falsch und kühl.
(S. 68)
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Sonette

85.
Dem blüht kein Lorbeer, der die Liebe meidet!
Zum Schattenreiche kranzlos wird er ziehen,
Vor ihm wird Saffo und Alcäus fliehen,
Und Orfeus, der den Lethe nicht mehr neidet;

Vor ihm Petrarca, den der Lorbeer kleidet,
Torquato, dem die Welt ihr Ohr geliehen,
Ariost, gewohnt, vor Frauen hinzuknieen,
Der hohe Dante, der die Sfären scheidet.

Novalis, der mit ernster Ahndung Bliken
Erstrebt, den Bau des Lebens zu betrachten,
Bekennt, es sei der Lehrling edler Frauen.

Und Göthe lächelt, daß die Schläf' ergrauen,
Daß Abendwinde nach den Rosen trachten,
Die aus dem Lorbeer ew'ge Düfte schiken.
(S. 86)
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An Wilhelmine
[So war der Name der dahingeschiedenen Jugendgeliebten,
deren Gedächtnis der folgende Sonettenzyklus gewidmet ist 92. - 109.]

92.
So war kein Wiedersehen uns beschieden,
Als ich dir jenen Abend Abschied sagte,
Dein blasser Mund um unser Scheiden klagte,
Dein Herz zerrissen war, ich ohne Frieden?

O, daß ich damals alle Furcht vermieden,
Und nicht, gleich dir, an jedem Trost verzagte!
Wohl sagtest du's, als ich zu scheiden wagte:
"Du hast auf immer dich von mir geschieden."

Hätt' ich, wie jetzt, dies traur'ge Wort verstanden;
Mich hätte nichts aus jenem Arm gerissen,
Dem meine Hände damals mich entwanden.

Nun mahnt mich an den Abschied mein Gewissen,
An jene Blicke, die in Thränen standen,
An süße Bande, die ich selbst zerrissen.
(S. 91-92)
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93.
Dich fragt' ich oft: wirst du mich auch beweinen,
Wenn sich dereinst mein Hügel wird erheben?
Dich fragt' ich oft: wirst du ihm Kränze geben,
Und heiße Küsse seinen kalten Steinen?

Wie grausam will mir jetzt die Frage scheinen!
Nicht gegen dich, die Sterne nun umschweben;
Nein, gegen mich; ich muß dich überleben,
Ich trotze deinen theueren Gebeinen.

Was soll ich, Theure, deinem Hügel schenken?
Du hast die Blumen alle mitgenommen
Die deiner Hand gefiel auf mich zu streuen.

Nur Lorbeer'n hab' ich, auf dein Grab zu senken,
Und heiße Wangen, die für Lieb' entglommen,
Und Lippen, die den Kuß des Todes scheuen.
(S. 92)
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94.
Welch' feindlich Schiksal wollte sich verschwören,
Und hatte deine Antwort hintertrieben,
Als ich die leztenmale dir geschrieben,
Von dir die Wahrheit, nur von dir zu hören?

Man hoffte mich in meinem Trost zu stören,
Im süßen Trost, du seist mir treu geblieben;
Man wollt' ein falsches Bild mir unterschieben,
Mich zur Verachtung wider dich empören.

Sie wußten leicht, daß du so lang' geschwiegen;
Sie würden sonst an meiner Hoffnung nagen,
Dein oder mein Brief sei vielleicht verloren.

Nun kann ich über alle Zweifel siegen:
Dein Tod entschuldigt dich auf alle Klagen;
Nur Unschuld grüßt die himmlischen Auroren.
(S. 92)
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95.
So will ich nur auf deine Briefe trauen,
Auf jene frühen, welche vor mir liegen;
Und auf die Zeit, seit welcher du geschwiegen,
Soll mehr kein Argwohn, soll nur Andacht schauen.

An jenen Worten will ich mich erbauen,
Die sich gleich dir an meine Seele schmiegen,
Die du, selbst meinem Mitleid obzusiegen,
Geliebt der zarten Feder zu vertrauen.

Weil, oberwärts von üpp'gen Weinlaubs Ranken
Das trunkne Haupt, von Blumenwuchs umgeben,
Am Nekar ich der ganzen Welt vergessen:

Schreibst du: "O Freund, beklage nicht mein Leben;
Sähst du mich bei der Arbeit, voll Gedanken,
Mein Glück nur würde Thränen dir entpressen."
(S. 93)
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96.
Wie wohl ist mir, bei jedem Brief zu weilen,
Den du, getrennt von mir, an mich gesendet;
Wie süße Bilder werden mir gespendet
In jedem Worte dieser theuren Zeilen!

"Die Zeit," schreibst du, "scheint mir zu sehr zu eilen,
Wenn bei der Arbeit, die mein Fleiß vollendet,
Mein Blick auf deine Briefe sich gewendet,
Auf Angedenken, die mein Sehnen theilen.

Wenn Freundinnen mich zum Spaziergang rufen,
Wie fühl' ich dann mich erst allein gelassen,
Wenn jener Sitz am Fenster mir entschwunden!

Wohl kann's von jenen auch nicht eine fassen,
Was mir für Balsam meine Thränen schufen;
Ein Herz wie deins, hat keine ja gefunden."
(S. 93)
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97.
Es zog sich meine Stirn in bange Falten,
Als üble Rede mir ans Ohr geschollen,
Und ich, der deine Stimme hören wollen,
Von dir noch immer keine Zeil' erhalten.

Als ich sie endlich in der Hand zu halten
Vermeint', und eingelegt in fremde Rollen;
Da mußt' ich ach! die dich befragen sollen,
Die eignen Zeilen aus dem Brief entfalten.

Zu spät hätt' ich den letzten Brief geschrieben!
Denn während er auf seinem halben Wege,
Warst du bereits am Ziele deiner Reise.

Du starbst in eines andern Gaues Pflege,
Damit der Ort, wo ich gelernt zu lieben,
Mir nichts als ew'ge Blumenspuren weise.
(S. 93-94)
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98.
Es war der achte Tag im rauhen Merzen,
Vor nur vier Monden und zwei ganzen Jahren,
Als ich zum letzenmal in frohen Schaaren
Mit ihr getanzt aus unbesorgtem Herzen.

Mich freu'ten diese Töne, diese Kerzen,
Das lichte Wimmeln unter diesen Paaren;
So oft die Tänzer unbeschäftigt waren,
Saß ich mit ihr, halb lustig, halb in Schmerzen.

"Auf diesem Saal sind wir nicht mehr beisammen!"
Sprach sie alsdann, und ich nahm ihre Hände,
Sie weinte sanft, und ich verfiel in Schweigen.

Ja wohl! wir tanzen nun nie mehr zusammen!
Dich zog der Tod in düstre Wände,
Denn Anmuth fehlte seinem Schattenreigen.
(S. 94)
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99.
Zwei Gegner waren wider uns im Bunde,
Und dachten unsre Liebe zu vernichten;
Erst kam die Zeit, und hieß mich schnell verzichten
Auf jeden Kuß von deinem lieben Munde.

Doch als die Trennung eine tiefre Wunde
Als erst dein Aug' in mir schien anzurichten,
Da kam der Tod dem Feinde beizupflichten,
Damit ich dich vergesse und gesunde.

Vereint euch nur, unmöglich mir zu machen
Die Wiederkehr in jene treuen Arme,
Wo ich die Zeit, wo ich den Tod vergessen.

Was Zeit, was Tod, das lehrt ihr mich ermessen;
Doch daß die Genien der Liebe wachen,
Lehrt mich ein Gott in meines Herzens Harme.
(S. 94-95)
_____



100.
Gern möcht' ich dir so viele Spenden geben,
Und habe nichts, als Augen, welche weinen;
Ja, nur wenn Blumen ächte Liebe meinen,
Verstehst du meiner Opfer zärtlich Streben.

Nicht mag ich selbst mit Trauerlaub' umweben
Was schon als Grab betrübt genug will scheinen;
Ich suche nur, mich innigst zu vereinen
Mit dem, was übrig ist von deinem Leben.

Mein Wunsch ist nicht, daß ich dein Grab verhülle
Mit diesen Blumen, die ich dir gespendet;
Der Streit um dich soll beide mir verklären.

Ich weiß mein Herz in solcher Jugendfülle,
Daß selbst zu deinem Grabe hingewendet,
Kein Thau lebend'ger stralt, als meine Zähren.
(S. 95)
_____



101.
Ein Mädchen, aus dem Mittelstand entsprossen,
Für alles Froh' und Gute voll Bewegung,
Und klügrer Einsicht fern, und klügrer Pflegung,
So war, um die ich Thränen hier vergossen.

Und wie sie mich das erstemal umschlossen,
Entzückte mich ein Geist voll feur'ger Regung,
Ein reicher Sinn voll Scherz und Überlegung,
Ein Reiz, der über alles ausgegossen.

In ihrer Hand las ich die meine wieder,
Nicht zart're Briefe küßt' ich, als die ihren,
Mit keiner flog ich wärmer durch den Reigen.

Die Schwächen selbst, das mädchenhafte Zieren,
Die süße Neugier mag ich nicht verschweigen;
Das zog so oft mich auf die Knie nieder.
(S. 95-96)
_____



102.
Herb' ist es, wo zwei Liebende sich trennen,
Am lezten düstern Abend sich bestellen,
Und trostlos wanken von den stummen Schwellen;
Was da das Herz zerreißt, ich lernt' es kennen.

Und wenn in Busen, die für Liebe brennen,
Des Zwistes Funken allverzehrend schwellen,
Da löschen auch die wilden Thränenquellen
Die Qualen nicht, die keine Worte nennen.

Ich kannte beides; und in meinem Wähnen
Verneint' ich größre Trauer könn' es geben
Und ungereimtre Reden, als die meinen.

O dürft' ich jetzt um Zwist und Irrung weinen!
Empfing' ich Lebewohl, und dürft' es geben!
Was seid ihr Thränen gegen diese Thränen!
(S. 96)
_____



103.
Dem Wandrer, den auf einer eil'gen Reise
Ein schnellentstandner Wasserstrom verhindert,
Bleibt sichre Hoffnung, daß er sich vermindert,
Geduld, bis er zurük in seine Gleise.

Der Schiffer feiert an des Flusses Eise,
Des Frühjahrs harrend, wo der Frost gelindert;
Ein Alter der noch gern mit Tulpen kindert,
Fühlt, welcher Keim in seinen Zwiebeln kreise.

Mich hat von meiner Heimat, die so glühend,
Ein Strom unsel'ger Thränen abgeschnitten,
Der nie verläuft und keine Brüke leidet.

Wo wär' ein Schiff, das jenen Raum durchschneidet
Von mir zu ihr? - und wo, auf welche Bitten
Belebt ein Gärtner, was nur einmal blühend?
(S. 96-97)
_____



104.
Die Stadt, wo ich so vieles Glük genossen,
So viele schöne Regungen empfunden,
Umgiebt mich wieder; Jahre werden Stunden,
Nun mich die alten Freunde rings umschlossen.

Und alles grüß' ich, so wie Hausgenossen,
Und im Gedächtniß ging kein Ort verschwunden,
Und vieles find' ich, wie ich es gefunden,
Der alte Bund des Antheils ist geschlossen.

Doch wie ich alle Häuser wieder nenne,
Die Fenster weiß, an welchen Freunde wohnen,
Bleibt eine Straße, die ich still durchwanke.

Dort steht ein Haus, an dem ich nichts mehr kenne
Als seine Mauern, die die Jahre schonen
Und seine Thür, einst meiner Sehnsucht Schranke.
(S. 97)
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105.
Ist hier das Haus, das unsrer Liebe Sehnen
Zum Tempel weiht' allseliger Gefühle?
Der Tempel steht, ein Haus voll öder Kühle
Will über seine Priesterin sich lehnen.

Wie sich die Häuser einsam vor mir dehnen!
Ich steh' allein im gällenden Gewühle,
Und keiner fragt von allen was ich fühle,
Nach welchem Zauber sich die Blicke sehnen.

Sonst durft' ich unten nur vorübergehen,
Da schien die Sonn' aus diesen stummen Scheiben,
Da lacht' ein Stern, wenn dort der Mond am Himmel.

Mag ich mich tagelang durch dies Gewimmel,
An diesem Hause mich vorübertreiben:
Die Flamm' erlosch, und kalte Lüfte wehen.
(S. 97-98)
_____



106.
Du stille Hütte, die uns gern empfangen,
Wo süße Blumen wir so oft gefunden,
Wenn draußen alle tief im Schnee verschwunden,
Auf kahlen Aesten kleine Vögel sangen!

Wie fröhlich kam ich zu dir hergegangen,
Wie ward ich o! in dir so sanft umwunden,
Wenn meine Gute schon sich eingefunden
Im Herzen Ungeduld, Angst und Verlangen.

Hier saß mein Kind, und ich an ihrer Seite;
Die Stadt war hinter uns im Schnee verborgen,
Doch nichts vom Winter war um uns zu spüren.

Voll muntrer List, voll Furcht oft und voll Sorgen
Gab ich ihr dann am Abend das Geleite,
Jetzt reicht mein Arm nicht weiter, sie zu führen.
(S. 98)
_____



107.
Ich segne den Entschluß, der Wünsche Dringen,
Die mich zu dir und deines Stromes Wogen,
Du traute Stadt, mit süßer Macht gezogen,
Den alten Gruß von neuem dir zu bringen.

Wie meine Schmerzen auch mich laut umfingen,
Beklemmend mich die Schwermuth angeflogen,
Hier hab' ich endlich Kunden eingezogen,
Und aufgelöst sind der Verwirrung Schlingen.

Verdacht auf andr' und Sie, den ich erstikte,
Doch der den Winden gleich in Aeols Schlauche
Bei'm leisesten Vergessen sich befreite.

Er floh, wie mir die Wahrheit Strale schikte,
Daß sie mich zu dem Licht des Glaubens leite:
Sie liebte dich bis zu dem letzten Hauche.
(S. 98-99)
_____



108.
Sonst schwindet langsam mit dem Trauerkleide
Das stete Weh', das Suchen und Vermissen,
Die Wunde, die man anfangs aufgerissen;
Doch meine Liebe wächst mit meinem Leide.

Oft von Eurydicen auf blum'ger Weide
Les' ich, wie eine Schlange sie gebissen;
Bis wo sie dem Gemal' auf's neu entrissen,
Les ich; das ist die Stelle, die ich meide.

Schon sind so manche Monde hingeflossen
Seit jenem traur'gen Tag'; und nun erst sag' ich:
Ich lerne sie vermissen und beweinen.

Was Menschen trösten kann, halt' ich umschlossen,
Alte Geschichten, fromme Bücher frag' ich,
Ob Liebende sich trennungslos vereinen?
(S. 99)
_____



109.
Am Fenster oft verträum' ich ganze Stunden;
Ich weiß nicht was ich will und was ich denke;
Ich blick' auf Kleider, zierliche Gehenke,
Und traure, wenn sie von der Straß' entschwunden.

Ein dunkles Haar, auf deine Art gewunden,
Ein Gang, ein Wuchs, von dem ich find' er senke
Sich wie der dein', und dieser Arm, er schwenke
Sich wie dein Arm; das will mich süß verwunden.

O wären solche Züge, die dir gleichen,
Von deinem Geist beseelt, von deiner Güte,
Der gleiche Wuchs, verspräch' er gleiche Liebe:

Ich weiß nicht was ich thät', ich lief', ich schriebe,
Bis das verwandte Wesen für mich glühte,
Und, selbst getäuscht, mir Täuschung könnte reichen.
(S. 99-100)
_____



An Astralis

Es giebt im Lieben ein unendlich Sprechen,
Im Frühlingsglanz aus allen Büschen singend,
Auf den berauschten Blumenlippen klingend,
Wenn sich in uns so Farb' als Töne brechen.
Wie Nachtigall'n im Walde sich besprechen,
Die Liebesklagen mit einander ringen,
Die Stimmen in einander sich ergießen,
Bis sterbend sie im Abendroth zerfließen,
In übergroßer Seligkeit verklingend,
Zwei Flöten gleich die Herzen fliehn, - und springen:
So schweigt der Mund, geheime Töne dringen
Im Innern vor. Wie durch die Welt sie fließen,
Muß sich die Welt erschließen
Als eine Lilie von einander brechen,
Worinnen Erd' und Himmel sich besprechen.
(S. 131-132)
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Aus: Gedichte von Otto Heinrich Grafen von Loeben
Ausgewählt und herausgegeben von Raimund Pissin
Berlin W. 35 B. Behr's Verlag 1905

 



Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Otto_von_Loeben





 

 


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