Hermann Löns (1866-1914) - Liebesgedichte

Hermann Löns

 

Hermann Löns
(1866-1914)
 

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 


 

 

Alle Birken grünen ...

Alle Birken grünen in Moor und Heid,
Jeder Brahmbusch leuchtet wie Gold,
Alle Heidlerchen dudeln vor Fröhlichkeit,
Jeder Birkhahn kullert und tollt.

Meine Augen, die gehen wohl hin und her
Auf dem schwarzen, weißflockigen Moor,
Auf dem braunen, grünschäumenden Heidemeer
Und schweben zum Himmel empor.

Zum Blauhimmel hin, wo ein Wölkchen zieht
Wie ein Wollgrasflöckchen so leicht,
Und mein Herz, es singt sein leises Lied,
Das auf zum Himmel steigt.

Ein leises Lied, ein stilles Lied
Ein Lied, so fein und lind,
Wie ein Wölkchen, das über die Bläue zieht,
Wie ein Wollgrasflöckchen im Wind.
(Band 1 S. 192)
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Alle Birkenzweige ...

Alle Birkenzweige schwenken
Fröhlich jetzt ihr Maiengrün,
Und in vollen gelben Dolden
Alle Schlüsselblumen blühn.

Singt das Lied von goldenen Blumen,
Singt das Lied vom jungen Grün.
Singt das Lied von unserer Liebe
Und von unserer Herzen Blühn.

Unser Lied, das ich gefunden,
Unser Lied, das in mir klang,
Als die Sonne deiner Liebe
Mir das kalte Herz bezwang.
(Band 1 S. 194-195)
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Königin

Alle Königsherzen werden blühen
An den Rainen deinen Weg entlang,
Alle Purpurdisteln werden glühen
An der Straße, die dich führt dein Gang.

Alle Quellen werden fröhlich springen,
Wenn dein Kommen beneidet den Wald,
Alle Vögel werden lustig singen,
Wenn sich nahet deine Holdgestalt.

Feld und Flur, sie werden herrlich prangen
Und die Sonne lacht darüber hin,
Wenn sie lächelnd kommt den Weg gegangen,
Meine wunderschöne Königin.
(Band 1 S. 199)
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Märchen

Am Heidehügel geht ein Singen,
Ein leises Singen her und hin,
Da wiegt in einer goldenen Wiege
Ihr Kind die Zwergenkönigin.

Ich denke an das alte Märchen,
Es liegt mein Kopf in deinem Schoß,
Dein Mund singt mir ein Wiegenliedchen,
Und meine Augen werden groß.

Mein Herz, das ist so still und selig,
Ein goldener Traum darüber fliegt,
Es liegt in einer goldnen Wiege,
Die langsam hin und her sich wiegt.
(Band 1 S. 200)
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So schreit meine Seele ...

Das Abendrot zerlodert im Moore,
Die Dämmerung spinnt die Seide ein,
Aus dunkelblauem Abendhimmel
Hör ich die wandernden Kraniche schrei’n.

Sie schrei’n so wild, so heiß, so hungrig
Nach ihrer Heimat weit von hier,
So schreit meine Seele hungrig und bange,
Bist du nicht bei mir, immer nach dir.
(Band 1 S. 186)
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Abschied

Das alte Lied, das alte Leiden,
Das jeden Menschen einst betrübt:
Ade, ade, jetzt muß ich scheiden
Von dir, die ich so sehr geliebt.

Wer kann es sagen, kann es wissen,
Ob er die Lieben wiedersieht;
Ein letzter Gruß, ein letztes Küssen,
Das alte Leid, das alte Lied.

Nun reich’ mir deine beiden Hände,
Den letzten Kuß, leb wohl, ade!
So laß mich los und mach’ ein Ende –
Wer weiß, ob ich dich wiederseh ...
(Band 1 S. 175)
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Goldene Lichter

Das junge Rohr im Teiche
Starrt wie ein Lanzenwall,
In den Weiden jubelt
Klagend die Nachtigall.

Hinter den Ellern erblasset
Rosig die Abendglut,
Goldene Lichter zittern
Über die dunkle Flut.

Goldene Lichter zittern
Über mein Leben hin,
Seit ich deiner Augen
Leuchten begegnet bin.
(Band 1 S. 190)
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Wiesengras

Das Wiesengras ist lang und weich,
Die Sonne flammt und glüht,
Um rote Disteln zittert die Luft,
Die ganze Wiese blüht.

Wie Wachen, stark und scharf bewehrt,
Die Disteln uns umblühn,
Weich ist und lang das Wiesengras
Und deine Lippen glühn.

Deine glühenden Lippen zittern leicht,
Wie Blumenblätter im Wind,
Deine Lippen, die viel roter noch
Wie die roten Blumen sind.

Ich sehe die roten Blumen nicht,
Ich sehe dich nur an
Und küsse deinen roten Mund,
Solange ich küssen kann.
(Band 1 S. 198)
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Frühlingsabend

Der Abendstern blinkt durch die Zweige,
Es schwimmt der Wald in blauem Duft,
Die allerletzte Drossel flötet,
So weich und milde ist die Luft.

Die gelben Haselkätzchen zittern
Im Abendwinde hin und her,
Ich träume in den Frühlingsabend
Und meine Brust seufzt tief und schwer.

Es ist ein Seufzer voller Sehnsucht,
Halb ist es Leid, halb ist es Lust,
Auch du denkst meiner diese Stunde,
Schwer hebt sich jetzt auch deine Brust.
(Band 1 S. 187)
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Zärtlichkeit

Der blaue und der weiße Flieder
Umduftet unsere Laubenbucht,
Goldregen pendelt auf uns nieder
Der blütenschweren Zweige Wucht.

Viele weiße Schmetterlinge fliegen,
Der Spötter singt im Rosendorn,
Ganz langsam sich die Zweige wiegen.
Ein warmer Wind geht über das Korn.

Die Sonne spielt auf deinen Händen,
Die lässig ruhn auf deinem Kleid,
Mein Blick will sich davon nicht wenden,
Mein Herz denkt lauter Zärtlichkeit.
(Band 1 S. 196)
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Der Kuckuck

Der Wald ist still, der Wald ist stumm,
Es bebt kein Blatt, es nickt kein Zweig,
Ein Vogelruf von ferne schallt,
So voll und rund, so warm und weich.

Das ist der Kuckuck, der da ruft,
So laut, so laut im tiefen Wald,
An meine Schulter drängst du dich,
Und deine Hand sucht bei mir Halt.

Du bist so still, du bist so stumm,
Ich höre deines Herzens Schlag,
Du hältst den Atem an und zählst,
Wie oft der Kuckuck rufen mag.

Ich lächle deiner Kinderangst,
Du meine süße Wonne du,
Es blüht uns noch so mancher Mai,
Der Kuckuck ruft ja immerzu.
(Band 1 S. 199-200)
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Die schönste Blume

Die Blumen, ja die Blumen,
Die sind so wunderschön,
Aber noch schöner sind Mädchen,
Schöne Mädchen anzusehn.

Schöne Mädchen sind reizend,
Reizend anzusehn,
Aber von allen ist keine,
Wie die eine so schön.

Schön ist sie anzusehen,
Zu küssen noch viel mehr,
Dürfte ich sie nicht küssen,
Würde das Herz mir schwer.

Aber mein Herz ist fröhlich,
Fröhlich ist es sehr,
Denn ich darf sie küssen,
Küssen und noch viel mehr.
(Band 1 S. 325-326)
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Golden

Die goldene Mittagssonne
Durch zitternde Wipfel dringt,
Seine goldene Wunderweise
Der goldene Pfingstvogel singt.

Das goldene Lied von der Liebe,
Von goldenem Glücke den Sang,
Von alten, goldenen Zeiten
Den alten, goldenen Klang.

Ich sehe die Zukunft leuchten
Golden und wunderbar
Und küsse mit bebenden Lippen
Dein goldenes Nackenhaar.
(Band 1 S. 203)
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Osterfeuer

Die goldenen Osterfeuer glühen,
Der Frühling kam in die Welt hinein,
Ich sehe deine Wangen glühen
In unserer Feuer rotem Schein.

Zwei Feuer nebeneinander flammen,
Wir haben lächelnd die Glut entfacht,
Die roten Flammen schlagen zusammen
Und lodern vereinigt in die Nacht.

Es lodern und leuchten und zittern und sprühen
Zwei Flammen heiß in die Nacht hinein,
Und unsere Wangen flammen und glühen
Von unserer Liebe Widerschein.
(Band 1 S. 190)
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Du ruhst in meinem Schoße ...

Die grünen Buchenblätter
Schatten so schwer und dicht,
Auf rotem Vorjahrslaube
Spielt blau das Sonnenlicht.

Du ruhst in meinem Schoße,
Dein Atem geht so leis,
Es fiel aus deinen Händen
Der Strauß von Ehrenpreis.

Der Duft aus deinem Blondenhaar
Berauschend mich umweht,
Um meine seligen Lippen
Ein stilles Lächeln geht.
(Band 1 S. 198)
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Rosenschein

Die grünen Wälder versinken
In violettem Duft,
Ein schwarzer Reiher rudert
Durch die tiefblaue Luft.

Das letzte Sonnenglühen
Am Himmelsrande loht,
Die schwarzen Heidewasser
Färben sich rosenrot.

Ich gehe mit sicheren Augen
In die Nacht hinein,
Vor mir ist meiner Liebe
Leuchtender Rosenschein.
(Band 1 S. 194)
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Aus deinen blauen Augen ...

Die jungen Blätter der Buchen
Die sind so frisch und grün,
Der Waldmeister duftet betäubend,
Die goldenen Waldnesseln blühn.

Die weißen und goldenen Blumen
Die bindest du mir zum Strauß,
Aus deinen blauen Augen
Lächelt die Liebe heraus.
(Band 1 S. 194)
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Sehnsucht

Die Lungenblumen blühen
Aus dunkelgrünem Moos,
Mein Herz das bebt und zittert
Meine Sehnsucht ist so groß.

Die beiden blauen Blüten
Erinnern mich so sehr
An deine lieben Augen,
Mein Herz das schlägt so schwer.

Es geht ein Zittern und Beben
Durch meiner Seele Grund,
Rot ist die eine Blüte,
Rot wie dein roter Mund.
(Band 1 S. 191)
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Morgenrot

Die Morgendämmerung ist zerflossen,
Die Sonne über die Wälder loht,
Ich grüße mit großen, frohen Augen
Das flammende, leuchtende Morgenrot.

O Morgenrot, so lange Jahre
Bin ich gegangen in schwarzer Nacht,
Mir blühet keine helle Blume,
Mir hat kein Sonnenschein gelacht.

Es fiel kein Lichtschein in mein Dunkel,
Kein Stern an meinem Himmel stand,
Mit kalter Seele, totem Herzen,
So ging ich durch das schwarze Land.

Die Blumen blühn, die Vögel singen,
So wonnig warm die Sonne lacht,
Du hast mit deiner hohen Liebe
Aufs neue mich zur Welt gebracht.
(Band 1 S. 191)
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Morgensonne

Die Morgensonne umbrandet
Den Wald mit brausender Flut,
Gold ist vor meinen Augen
Und rosenrote Glut.

Gold ist vor meinen Augen
Und rosenrote Glut,
Die warme Morgensonne
Auf deinem Haare ruht.
(Band 1 S. 197)
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Die Nacht ist still ...

Die Nacht ist still, ich stehe am Fenster,
Am Monde vorüber die Wolken fliehn,
Mit leisem Singen oben, hoch oben,
Den Augen nicht sichtbar, die Singschwäne ziehn.

Das klingt und singt durch die nächtliche Stille
Das singt und klingt und klingt und singt
So sehnsuchtsvoll nach jenem Lande,
Dem Lande, das ihnen als Heimat winkt.

Meine Gedanken, die wandern wie Schwäne
Hell und schimmernd dahin durch die Nacht
Und singen Lieder in deine Träume,
Du schläfst, und dein roter Mund, der lacht.
(Band 1 S. 188)
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Die Rosenbüsche ...

Die Rosenbüsche sind behangen
Mit wunderbarer Blütenpracht,
Das ist ein märchenhaftes Prangen,
Mein Herz, das singt und klingt und lacht.

Im weißen Kleid kommst du gegangen
In einer Flut von Sonnenschein,
Die Rosenbüsche schmachtend prangen,
Ich sehe nur noch dich allein.
(Band 1 S. 200)
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Der späte Mai

Die roten Blätter rauschen,
Der Sommer ist lange vorbei,
Es leuchten unsere Augen,
Es blüht in uns der Mai.

Wir können die Liebe nicht bergen,
Wir sind uns viel zu gut,
Es brennen unsere Lippen,
In den Schläfen klopft unser Blut.

Wir reden schüchterne Worte,
Wir sehn aneinander vorbei,
Scheu wie die erste Liebe
Macht uns der späte Mai.

Was zögerst du, was zagst du,
Wer weiß, bald fällt der Schnee,
Die ungeküßten Küsse,
Das ist das bitterste Weh.
(Band 1 S. 185)
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Heimliche Liebe

Die schönste Freude, die ich kenne,
Rot Röselein, Vergißnichtmein,
Und die ich keinem Menschen nenne,
Rot Röselein, Vergißnichtmein,
Wir beide wissen’s ganz allein,
Verschwiegen soll es sein.

Und wenn die Sonne ist vergangen,
Rot Röselein, Vergißnichtmein,
Die Sterne an dem Himmel prangen,
Rot Röselein, Vergißnichtmein,
Kein Mensch weiß, wo ich kehre ein,
Verschwiegen soll es sein.

Und wenn auch Mond und Sterne schwinden,
Rot Röselein, Vergißnichtmein,
Die Liebe weiß den Weg zu finden,
Rot Röselein, Vergißnichtmein,
Sie braucht nicht Mond noch Sternenschein,
Verschwiegen soll es sein.
(Band 1 S. 327)
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Voll Seufzen und Sehnsucht

Die silbernen Espenkätzchen
Zittern im Abendwind,
Ein bläuliches Gedämmer
Die Blöße überspinnt.

Des Mondes goldene Sichel
Hinter den Eichen steht,
Ein heimliches Geflüster
Durch die Büsche geht.

Über die Tannenkronen
Lautlos die Eule zieht,
Hinten, ganz hinten im Walde
Ruft sie ein Liebeslied.

Durch das Schweigen des Waldes
Zog es dich zu mir,
Ein Lied voll Seufzen und Sehnsucht
Das schrie und rief nach dir.
(Band 1 S. 188-189)
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Rote Gluten

Die Sonne taucht in rote Gluten
Und goldenes Leuchten Wald und Feld,
Dein Haupt ruht eng an meiner Schulter,
Mein Arm dich fest umschlungen hält.

Es brechen lauter goldene Lichter
Und rote Flammen aus dem Wald,
Du schaust hinein mit großen Augen
Und suchst an meinem Herzen Halt.

Die letzten Gluten sind verglommen,
Vorüber ist die Abendpracht,
Es kündete das Flammen und Glühen
Uns eine goldene Sonnennacht.
(Band 1 S. 203)
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Die Tannendickungen düstern ...

Die Tannendickungen düstern
Im Mondschein schwarz und schwer,
Im Gaukelflug kommt darüber
Schwebend die Nachtschwalbe her.

Auf und nieder tanzend
Sie ihr Weibchen umzieht,
Girrend ertönt ihr goldenes
Jauchzendes Liebeslied.

Liebe, irdische Liebe,
Auch den Vogel der Nacht,
Den düsteren Vogel des Schattens,
Hast du zum Sänger gemacht.
(Band 1 S. 196-197)
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Unsere Liebe

Die Weidenröschen bedecken
Die Blöße mit Purpurpracht,
Durch rote Tannenstämme
Die goldene Sonne lacht.

Der Wind treibt goldene Wellen
Über den blauen See,
Ein großer goldener Vogel
Schwebt langsam auf zur Höh’.

Wir folgen ihm mit den Augen
Und sehen uns lächelnd an,
So hoch wie unsere Liebe
Er niemals fliegen kann.
(Band 1 S. 201-202)
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Der Tausch

Du hast mein Herz gefangen
Mit deiner weißen Hand;
Du hast mein Herz bestricket
Mit einem roten Band.

Ich komm zu dir gegangen,
Mein Herz gib wieder her;
Denn da, wo es geschlagen,
Ist alles taub und leer.

Was willst du mit zwei Herzen,
Drum gib zurück es mir;
Und willst du es behalten,
So gib mir deins dafür.
(Band 1 S. 299)
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Auf der Gartenbank

Ei was mag denn das sein,
Blink und blank, blink und blank,
Sieht ja aus wie Sonnenschein,
Auf der Gartenbank;
Ist ja nicht der Sonnenschein,
Blink und blank, blink und blank,
Wird noch viel was Schön’res sein
Auf der Gartenbank.

Was ist das für’n heller Schall,
Kling und klang, kling und klang,
Ist das wohl die Nachtigall,
Die da eben sang?
Nachtigall, die kann’s nicht sein,
Kling und klang, kling und klang,
Singt ja nicht so klar und rein
Bei der Gartenbank.

Will doch schnell mal näher gehen,
Blink und blank, kling und klang,
Und mir das da mal besehn
Auf der Gartenbank;
Kling und klang, blink und blank,
Sitzt die Herzgeliebte mein
Auf der Gartenbank.
(Band 1 S. 294)
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Die schöne Marie

Eine Möwe flog um das Achterdeck
Und schrie und schrie und schrie;
Kord Kordsen war es, als wenn sie rief:
Marie, Marie, Marie!

Kord Kordsen drehte das Steuerrad
In der breiten, braunen Hand,
Und er dachte an die schöne Marie,
Und sein Herz ihm stille stand.

Und er dachte daran, wie gespart und gespart
Und gespart er Jahr für Jahr,
Und alles um die schöne Marie
Mit dem blonden Ringelhaar.

Die andern vertaten die Löhnung an Land
Bei Weibern und bei Wein;
Kord Kordsen gedachte der schönen Marie,
Hielt Leib und Lippen rein.

Und dann kam der Brief über Land und Meer,
Kord Kordsens Seele schrie,
Und er dachte, wo er ging und stand:
Marie, Marie, Marie!

Und er aß nicht mehr und er schlief nicht mehr
Und vertrank die Löhnung an Land.
Und er dachte an die schöne Marie,
Am Griffe des Messers die Hand.

Und er kam nach Haus un der ging zum Tanz
Und trank und prahlte und schrie,
Und er rief Timm Taadje ein Schimpfwort zu,
Dem Manne der schönen Marie.

Timm Taadje schlug zu und Kord Kordsen zog blank,
Und die Weiber umkreischten sie,
Und das Messer war rot und Timm Taadje war tot,
Und es weinte die schöne Marie.

Eine Möwe flog an dem Deich entlang
Und schrie und schrie und schrie.
Kord Kordsen war es, als wenn sie rief:
Marie, Marie, Marie!
(Band 1 S. 213-214)
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Männertreu

Es ging einmal ein Wind,
Ei, ging einmal ein Wind;
Er ging wohl über Stock und Stein,
Und fand ein blaues Blümelein,
Das bracht er mir geschwind.

Und das heißt Ehrenpreis,
Ei, das heißt Ehrenpreis;
Es blüht nicht für die Ewigkeit,
Es blüht bloß eine kurze Zeit,
Dann ist es welk und weiß.
Es heißt auch Männertreu,

Ei, heißt auch Männertreu;
Mein Schatz, der mich so viel geküßt,
Ich weiß nicht, wo er blieben ist,
Das Lieben ist vorbei.
(Band 1 S. 321)
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Sei still ...

Es irrt ein letzter Sonnenstrahl
Im grünen Eichenlaube,
Sei still, sei still, der Täuber ruft,
Er ruft nach seiner Taube.

Es ruft ein heißes Lied in mir
Und meine Augen flehen,
Sei still, sei still und sieh mich an,
Dann wirst du es verstehen.
(Band 1 S. 201)
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Der böse Vogel

Es kommt ein Storch geflogen,
Er fliegt wohl hin und her,
Er sucht sich eine Stelle,
Wo gut zu nisten wär.

Er fliegt wohl auf und nieder,
Er fliegt wohl ein und aus,
Und hebt wohl an zu bauen
Auf meines Liebchens Haus.

Ei, du schwarzweißer Vogel,
Ei, du schwarzweißes Tier,
Warum fliegst du nicht weiter,
Was baust du grade hier?

Ade, ihr Junggesellen
Bei Bier und Branntewein,
Es kam ein Storch geflogen,
Geschieden muß es sein.
(Band 1 S. 337)
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Dein Lachen

Es leuchtet aus der Dämmerung
Der Abendsonnenschein,
Rotkelchen singt sein Silberlied,
Mir fällt dein Lachen ein.

Dein Lachen, das so silbern perlt,
So hell und klar und rein,
Rotkelchen singt sein Silberlied
Beim Abendsonnenschein.
(Band 1 S. 189)
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Es singt der Star ...

Es singt der Star, die Sonne lacht,
Im Blütenschmuck die Bäume stehn,
Ein Tag ist hin und eine Nacht,
Seitdem ich dich nicht hab’ gesehn.

Der Himmel ist so hoch und blau,
Die Erde trägt ihr Hochzeitskleid,
Ich sehe alles grau in grau,
Mich friert in meiner Einsamkeit.

Mich friert in meiner schwarzen Nacht,
Ich habe keinen Sonnenschein,
Wann geht die Sonne auf voll Pracht,
Wann wirst du wieder bei mir sein?
(Band 1 S. 195)
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Dorette

Es steht eine Rose im Garten,
Ein rotes Röselein;
Die Allerschönste im Dorfe,
Das ist die Liebste mein.

Vollmeier ist ihr Vater,
Im Dorfe der reichste Mann;
Geht er über die Straße,
Seinen Tritt man hören kann.

Ich pfeife auf seine Taler,
Ich flöte auf seinen Stolz,
Ich küsse seine Dorette
Jedweden Abend im Holz.
(Band 1 S. 210)
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Verregnete Liebe

Gelb glänzt auf nassen Trottoiren
Der Glaslaternen Widerschein,
Elektrisch Licht mit wunderbaren
Blauweißen Strahlen leuchtet drein.

Tief unter einen Schirm gebogen,
So irren wir die Straß’ entlang,
Umbraust von Regensturmes Wogen –
O Maiengrün und Vogelsang ...

O Blumenduft und Liebesrauschen –
Ein Stelldichein im Waldesgrün,
Ein ungestörtes Küssetauschen ...
Nur so kann Liebe stark erglühn.

Wie heiß ersehnt war diese Stunde
Seit langer Zeit von dir und mir –
Nun gehe ich mit stummem Munde
Schüchtern – verlegen neben dir.

Es peitscht der Westwind deine Wangen –
In Blick und Worten liegt kein Herz,
Der Regen tötet mein Verlangen,
Der nasse Mund spricht kalten Scherz.

Langweile schleicht mit stummen Schritten
Um uns herum – ich wag es nicht,
Den ersten Kuß mir zu erbitten
Mit naßgeregnetem Gesicht.

Die Uhr schlägt neun – "Du mußt schon gehen?"
"Ich schreibe, wann ich kommen kann!"
Wir werden nie uns wiedersehen –
Der Regen nur ist schuld daran!
(Band 1 S. 172)
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Gold

Gold hängt an dem Weidenbusch,
Gold den Weg umzieht,
Meine Geliebte gestern da ging,
Auf lächelnden Lippen ein Lied.

Lächelnde Lippen haben mir
Gestern entgegengeblüht,
Goldene Lieder mein Herz ersinnt,
In goldenen Träumen es glüht.
(Band 1 S. 189)
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Lustgeschmetter

Goldene Knospenhülle schütten
All die jungen Buchenblätter,
Und den ganzen Wald durchjubelt
Liebessang und Lustgeschmetter.

Um die weiße Sterngrasblumen
Tanzen goldne Schmetterlinge,
Und um jede kleine Blüte
Geht ein summendes Geklinge.

Lachend faß ich deine Hüfte,
Hab so lange dursten müssen,
Lange lange lange Jahre,
Ach so sehr, nach deinen Küssen.
(Band 1 S. 193-194)
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Sonntag Palmarum

Heute ist Sonntag Palmarum,
Der Wald ist voll Sonnenschein,
Ich bat dich, du möchtest kommen,
Du sagtest, es könne nicht sein.

Mit goldenen Palmen prangen
Die Büsche am Waldesrand,
Mit ängstlichem Herzen ich wartend
Unter der Saalweide stand.

Mir blühte nicht die Weide,
Kein Vogel ein Lied mir sang,
Ich sah mit traurigen Augen
Den sonnigen Weg entlang.

Nun bist du doch gekommen,
Liebste, ich wußte es ja,
Goldgelb blühen die Weiden,
Sonntag Palmarum ist da.
(Band 1 S. 189-190)
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Matrosenlied

Heute wollen wir ein Liedlein singen,
Trinken wollen wir den kühlen Wein,
Und die Gläser sollen dazu klingen,
Denn es muß, es muß geschieden sein;
Gib mir deine Hand,
Deine weiße Hand,
Leb wohl, mein Schatz, leb wohl,
Denn wir fahren gegen Engelland.

Unsre Flagge und die wehet auf dem Maste,
Sie verkündet unsres Reiches Macht,
Denn wir wollen es nicht länger leiden,
Daß der Englischmann darüber lacht;
Gib mir deine Hand,
Deine weiße Hand,
Leb wohl, mein Schatz, leb wohl,
Denn wir fahren gegen Engelland.

Kommt die Kunde, daß ich bin gefallen,
Daß ich schlafe in der Meeresflut,
Weine nicht um mich, mein Schatz, und denke,
Für das Vaterland da floß sein Blut;
Gib mir deine Hand,
Deine weiße Hand,
Leb wohl, mein Schatz, leb wohl,
Denn wir fahren gegen Engelland.
(Band 1 S. 335-336)
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Der Tauber

Horch, wie der Tauber ruft,
O du, du, du,
Und seine Taube hört
Ihm freundlich zu;
Was wohl der Tauber will,
O du, du, du,
Denk mal darüber nach
Und hör ihm zu.

Horch, wie mein Herze schlägt,
O du, du, du,
Was sagt dein Herze denn
Dazu, dazu?
Was wohl mein Herze will,
O du, du, du,
Denk nicht darüber nach
Und gib ihm Ruh.

Der Tauber ruft nicht mehr,
O du, du, du,
Und seine Taube hört
Ihm nicht mehr zu;
Was wohl die Tauben tun,
O du, du, du,
Wozu sind wir im Mai,
Wozu, wozu?
(Band 1 S. 305-306)
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Der sonderbare Vogel

Ich hörte einen Vogel singen
Und nahm mein Mädchen bei der Hand;
Er sang ein wunderschönes Liedchen
Von allerlei und allerhand.

Der Vogel, der flog immer weiter,
Bis da, wo eine Linde stand;
Da sang er noch einmal das Liedchen
Von allerlei und allerhand.

Er flog wohl auf und flog wohl nieder,
Bis er sein Nest im Laube fand;
Und da sang er erst recht das Liedchen
Von allerlei und allerhand.

Mein Mädchen hat ihn eingefangen,
Gefangen ihn mit ihrer Hand;
Doch darum läßt er nicht das Singen
Von allerlei und allerhand.
(Band 1 S. 329)
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Im Stangenholz ...

Im Stangenholz ruschelt es leise,
Die Uhlenflucht beginnt,
Zu schüchtern flüsternder Weise
Erstirbt der Tagewind.

Nun, Liebste, laß uns gehen
Tief in den Wald hinein,
Wo die Buchen wie Säulen stehen,
Versilbert vom Mondenschein.

Wo schwarze Schatten liegen
Auf der Wege hellem Grund,
Da will ich mich an dich schmiegen
Mit Herz und Hand und Mund.

Kein Wörtchen will ich sagen,
Will sein ganz stumm und still,
Meines Herzens lautes Schlagen
Allein zu dir sprechen will.
(Band 1 S. 193)
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Schmetterling

In blauen Streifen fällt das Licht
In unsern stillen Wald,
Des Schwarzspechts heller Glockenton
Zu uns herüberschallt.

Ich gehe den Weg mit leichtem Schritt,
Einst ging ich ihn müde und schwer,
Ein großer schwarzer Schmetterling
Flog lockend vor mir her.

Mit seligen Augen streif ich dein Haar,
Das sich im Nacken rollt,
Der Schmetterling, der vor uns schwebt,
Der ist so gelb wie Gold.
(Band 1 S. 191-192)
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Mary

In den alten Platanen flüstert der Wind
Mit müdem, nachlässigem Wehen –
Ich denke an dich, du totes Kind,
Und daß ich dich gestern gesehen.

Du schautest mich an so bittend und scheu,
Erflehend ein Zeichen der Liebe,
Ich aber ging höflich grüßend vorbei
Durch das wogende Sonntagsgetriebe.

Es war ein Traum, so wonnig und bang,
Ich werde ihn niemals vergessen,
Den kurzen Traum, wo mein Arm dich umschlang,
Wo ich deine Liebe besessen.

Ich lieb’ dich noch heut wie an jenem Tag,
Doch will ich es dir nicht mehr sagen,
Seitdem du mit lächelnd kokettem Schlag
Meinen Glauben an dich hast erschlagen.

Und blickst du auch noch so schmerzlich und lieb,
Zertreten ist einmal der Samen,
In das Album meiner Erinnerung schrieb
Ich ein Kreuz dir hinter den Namen.

Ich hätte geträumt ein schönes Gedicht:
Dich als ehelich Weib zu umschließen,
Doch um Liebe betteln, das tue ich nicht,
Nicht einmal zu deinen Füßen.
Münster, 5 August 1889
(Band 1 S. 118)
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Küssekraut

In den grünen Wald bin ich gegangen,
Wo das Rotkelchen sang,
Ein Stündlein, kleines Stündlein,
Auch zwei dreie lang.

Unterm Liebholz hab’ ich gesessen,
Habe Küssekraut gepflückt;
Hat mein Liebster, Allerliebster
An das Herz mich gedrückt.

Und er hat mich liebkoset
Mit Mund und mit Hand;
Sang ein Vöglein, kleines Vöglein
Und das Lied ich verstand.

Und das Lied hat geheißen,
Und das Lied und das hieß:
Ach die Lieb, süße Liebe
Und die schmeckt ja so süß.

Will jetzt Küssekraut pflücken
Bei Tag und bei Nacht;
Denn zum Küssen, ach Küssen
Sind wir Mädchen gemacht.
(Band 1 S. 364-365)
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In knospenden Zweigen ...

In knospenden Zweigen schmettern die Finken,
Es trommelt der Specht sein Liebeslied,
Der Tauber ruckst im Eichenwipfel,
Ein Zittern und Beben den Wald durchzieht.

Im Fallaub leuchten einzelne Blüten,
Der Wald wird morgen voll Blumen sein,
Es hat erweckt sein Singen und Blühen
Aus unseren Augen der Sonnenschein.
(Band 1 S. 187)
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In schwarzen Büschen ...

In schwarzen Büschen flüstert der Nachtwind,
Ein Eulenruf schallt aus dem Moor,
Grau ist die Nacht, zwei Sterne blinken
Aus grauen Wolken schimmernd hervor.

Die Sterne blitzen, die Sterne blinken,
Süßes Gedenken mein Herz umspinnt,
Aus deinen Augen schimmern mir Sterne,
Wenn sie ganz nahe an meinen sind.
(Band 1 S. 196)
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März

Jetzt zieht ein süßes, banges Wonneahnen
Heimlich erschauernd über die Natur,
Ein unbewußtes traulich-leises Mahnen
Des nahen Lenzes erste Werdespur.

Am Weidenbusch die Silberkätzchen schwellen,
Es fliegt der erste gelbe Schmetterling,
Es murmeln leise die befreiten Wellen,
Im kahlen Apfelbaum studiert der Fink.

Der Winter flieht, der alles kalt und trübe
Verschlossen hielt, erkältend jede Glut,
Ein jedes Herzchen denkt an neue Liebe,
An helle Kleider und den Sommerhut.

Es kommen jetzt die holden Weihetage,
Jedweden Dichter küßt der Genius,
Nach rosa Briefpapier ist große Frage
Und der Papierkorb schäumt von Überfluß.

Nun ruhe, Hand, du hast genug geschrieben –
O deutsches Volk, wie hoch wirst du beglückt!
Jetzt aber will ich gehen und mich verlieben,
Wie sich das für den deutschen Jüngling schickt.

Doch wenn im Herbst die Stürme rauh zerfetzen
Das letzte Laub am fahlen Apfelbaum,
Dann will ich still mich an den Ofen setzen
Und klagen über meinen Frühlingstraum.
Münster März 1890
(Band 1 S. 140)
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April

Laut flötet der Wind durch den Haselnußstrauch,
Schneeflocken durchwirbeln den Hain,
Bald Hagel, bald Regen und eisiger Hauch,
Bald lachendster Lenzsonnenschein.
Ich weiß ja, daß kurz dieser Sonnenblick dauert,
Daß Hagel und Regen und Schneefall schon lauert
Und Nordwinds erstarrendes Wehn,
Und dennoch mich freudige Hoffnung durchschauert,
Es ist ja so schön, ja so frühlingshaft schön.

Erfrieren auch die Veilchen, die gestern erblüht,
Verstummt auch der Fink in dem Wald -
So lieb ich, April dich, in meinem Gemüt
Ist's auch heute warm, morgen kalt.
Auch dich hatt' ich lieb, die so oft mich belogen,
So oft mich mit Lachen und Weinen betrogen,
Dich Mädel, trotz Falschheit und Lug,
Ja, Zauberkraft war's, die zu dir mich gezogen,
Ja Trug, doch berauschender, seliger Trug.

Schon lange ist's her, schon manch langes Jahr,
Hab' immer gern deiner gedacht,
Du rosige Wange, du goldhelles Haar,
Du Auge, voll tiefblauer Pracht,
Ihr Lippen, wie konntet ihr lachen und schmollen,
Ihr Augen, wie konntet ihr strahlen und grollen,
Bald Höllenpein spenden und bald Paradies,
Was half mir mein besseres Wissen und Wollen,
Ja Lüge und Trug war's, doch süß, ach so süß.

Ich weine den Blumen des Herzens nicht nach,
Schon morgen erblüht neues Glück,
Und wenn auch der Nordwind die Lenzblüten brach,
Ein Jahr und sie kehren zurück.
Ja Hagel und Regen und Sonne und Schneien,
Und Wechsel von Trauer, von Lust und Bereuen,
Bald jauchzend, bald düster und still,
Die Lust nicht verachten, die Schmerzen nicht scheuen,
Ich lieb euch, falsch Mädchen und falscher April.
Paderborn 1887
(Band 1 S. 99-100)
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Goldene Sonnen

Lauter kleine goldene Sonnen
Leuchten aus dem Rasengrün,
Lauter große goldene Träume
Stolz in meiner Seele blühn.

Jeder Baum ist voller Blüten,
Jeder Vogel jubelt laut,
Jeder Halm und jede Rispe
Ist mit Tropfen schwer betaut.

Und ich gehe, dein gedenkend,
Durch das taubeperlte Ried,
In den Augen feuchtes Glänzen,
In der Brust ein Frühlingslied.
(Band 1 S. 193)
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Margrete

I.
Margrete, Schönste der Schönen du,
Die jemals mein Sinn begehrt,
Warum hast du mit kaltem Blick
Mein heißes Herz empört?

Was blickt dein Auge so kalt und stolz,
Wenn meins dir Liebe droht,
Was bleibt dein Herz so winterlich,
Wenn mein Herz kocht und loht?

Ich habe nicht Gott noch Menschen gescheut,
Mir hat schon als Kind nicht gegraut,
Doch Angst umkrallt mein freies Herz,
Wenn du mich angeschaut.

Du hast mich gebunden, zum Sklaven gemacht,
Die Seele und auch den Leib –
Doch hüt’ dich, Margret, daß der Strick nicht zerreißt,
Margrete, du bist nur ein Weib!


II.
Ich tue alles, was du fordest,
Wenn du mich dafür liebst,
Wenn du dich eine kurze Stunde
Mir ganz zu eigen gibst.

Nenn’ einen Mann mir, Margrete,
Und dessen Tod dir Begehr,
Nenn’ mir den Mann doch, Margrete,
Und morgen lebt er nicht mehr.

Und kännte den Mann ich, Margrete,
Dem Liebe dein Auge loht –
Ich schwör’s beim Hasse meiner Liebe:
Auch er ist morgen tot.


III.
Ich lieb’ dich nicht, so wie ich liebte
Ein andres Mädchen, wahr und treu,
Ich lieb’ dich mit zerstörungssüchtiger
Wahnwitzig wilder Raserei.

Ich lieb’ dich, wie der Tod das Leben,
Der Blitz den Baum, den er zerstiebt,
Ich liebe dich, so wie der Teufel
Die unschuldsvollen Seelen liebt.

Nur einmal möcht’ ich dich umarmen,
Nur einmal liebend weich dich sehn,
Nur einmal meine Kraft dir zeigen,
Dann höhnischlachend von dir gehn.
Münster 1888
(Band 1 S. 104-105)
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Mohnblumen

Mit roten Feldmohnblumen
Hatt’ ich dein Haar geschmückt,
Die roten Blumenblätter
Die sind nun alle zerdrückt.

Du bist zu mir gekommen
Beim Abendsonnenschein,
Und als die Nacht hereinbrach,
Da ließest du mich allein.

Ich höre die Stille rauschen
Und sehe die Dunkelheit sprühn,
Vor meinen träumenden Augen
Purpurne Mohnblumen blühn.
(Band 1 S. 204)
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Mit schmetterndem Schlage ...

Mit schmetterndem Schlage steigt ein Vogel
Über die Birken jauchzend empor,
Mit seligem Sange sinkt er nieder
Zu seinem Liebchen in dem Moor.

Mein Lied erhebt mich in den Himmel
Und führt mich sanft zu dir zurück,
Zur Höhe führt mich deine Liebe
Und auf der Erde wohnt mein Glück.
(Band 1 S. 192)
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Surrogat

O küsse mich, dein Küssen ist
So süß fast wie des Todes Kuß,
Bei deinem leisen Kuß vergißt
Mein Herz, daß es noch schlagen muß.

O küß und küß mich immerzu,
Bei deinem warmen, lieben Kuß
Vergesse ich, wie einst die Ruh
Des Grabes mich beglücken muß.
1886
(Band 1 S. 90)
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Liebeseid

Ob ich dich ewig lieben werde,
Fragst du mich, süße kleine Frau,
Ob liebend ich kein Weib der Erde
Nach dieser Stunde mehr anschau?

Närrisches Weib, den Frühling frage,
Frag ihn, ob nie er wiederkehrt!
Und denke, daß nach jedem Tage
Die Nacht das Sonnenlicht verzehrt.

Ich kenne meines Herzens Treue,
Das dankbar für die Treue ist,
Doch weiß ich auch, daß eine Neue
Mein Mund nach deinem Treubruch küßt.

Ich glaube nicht an Weiberliebe,
An Augen, die vor Reue naß,
Ich glaub’ an Neid und Säbelhiebe,
Pistolenkugeln, Lug und Haß.

Aus deinen Augen laß die Tränen,
Und laß das Fragen aus dem Spiel,
Solang sich meine Adern dehnen,
Bleibt auch mein Herz für dich nicht kühl.

Ob Haß, ob Liebe wird entstehen
Für später, ist mir unbewußt –
Eins schwör ich dir, nie wirst du sehen
Gleichgültig deiner meine Brust.

Nun küß mit deinem süßen Munde
Hinweg mir den Gedankenbann –
Ich lieb dich, wie in dieser Stunde
Ich überhaupt nur lieben kann.
23. Dezember 1889
(Band 1 S. 127)
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Maifrost

Oft leuchtet im Frühling die Sonne so warm,
Doch rauh pfeift der Nachtwind von Norden,
So ist mir auch gestern in deinem Arm
Eisig zu Mute geworden.

Dein Mund war so süß, dein Busen so weich,
So warm deines Herzens Pochen –
Da kam aus dem kalten Gedankenreich
Ein kalter Gedanke gekrochen.

Du sprachest so schön und platonisch zu mir
Von Liebe gleichfühlender Seelen –
Doch mir schien alles das nur die Gier
Der Leiber, sich zu vermählen.

Das alles ist Lüge und Trug der Natur,
Schlaflieder, uns einzuwiegen,
Sie schmeichelt dem stolzen Geiste nur,
Daß die Leiber sich williger fügen.

Und dieser Gedanke, mein liebes Kind,
Muß die innigste Liebe ermorden –
Wie schade, daß wir keine Tiere mehr sind
Oder noch keine Engel geworden!
Münster 21 September 1889
(Band 1 S. 118-119)
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Abendlied

Rose Marie, Rose Marie,
Sieben Jahre mein Herz nach dir schrie,
Rose Marie, Rose Marie,
Aber du hörtest es nie.

Jedwede Nacht, jedwede Nacht,
Hat mir im Traume dein Bild zugelacht,
Kam dann der Tag, kam dann der Tag,
Wieder alleine ich lag.

Jetzt bin ich alt, jetzt bin ich alt,
Aber mein Herz ist noch immer nicht kalt,
Schläft wohl schon bald, schläft wohl schon bald,
Doch bis zuletzt es noch hallt:

Rose Marie, Rose Marie,
Sieben Jahre mein Herz nach dir schrie,
Rose Marie, Rose Marie,
Aber du hörtest es nie.
(Band 1 S. 322-323)
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Verloren

Rosmarienheide zur Maienzeit blüht,
Rosmarienheide erfreut das Gemüt,
Rosmarienheide ist lieblich und zart,
Rosmarienheide ist eigener Art.

Anna, Marianna, wo bist du, mein Lieb,
Anna, Marianna, der Wind dich vertrieb,
Anna, Marianna, du zogst in die Stadt,
Anna Marianna vergessen mich hat.

Rosmarienheide blüht wieder im Moor,
Rosmarienheide die Farbe verlor,
Rosmarienheide zum zweiten Mal blüht,
Rosmarienheide erfreut kein Gemüt.

Anna, Marianna, wo bist du, mein Lieb,
Anna Marianna, der Wind dich vertrieb,
Anna, Marianna, dein Herz das ging tot,
Anna, Marianna, in Kummer und Not.
(Band 1 S. 310-311)
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Irrkraut

Scheidewind weht auf der Heide,
Meidewind weht in dem Moor;
Ich suche und suche die Stelle,
Wo ich mein Herz verlor.

Hier war es, wo ich es verloren,
Es muß doch hier irgendwo sein;
Es liegt hier im Laube und Moose
So mutterseelenallein.

Ich suche und suche und suche
Und suche wohl hin und wohl her;
Ich höre und höre es klopfen,
Und finde es nimmermehr.

Scheidewind flüstert im Laube,
Meidewind flüstert im Gras;
Irrkraut wächst auf der Stelle,
Wo ich mein Herz vergaß.
(Band 1 S. 301)
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Schwefelgelbe Blitze ...

Schwefelgelbe Blitze fahren
Durch die blaue Sommernacht,
Knirschend sich die Buchen biegen
Und es stöhnt und pfeift und kracht.

Und es kracht und knirscht und donnert
Und die stärkste Buche liegt
Mit den Wurzeln ausgerissen
Vor mir wettersturmbesiegt.

Wie ein Wetter war die Stunde,
Die mich brausend überwand,
Als ich ohne Kraft und Willen
Mich zu deinen Füßen fand.
(Band 1 S. 200-201)
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Die mich liebt

Sie, die mich liebt, wo finde
Ich sie, die träumt von mir,
Bußopfer oder Sünde,
Was führt mich hin zu ihr?

Sie, die mich liebt, ich gehe
Vielleicht an ihr vorbei,
Träum’ von ihr und verstehe
Nicht ihren Hungerschrei?

Sie, die mich liebt – wir werden
Vielleicht uns niemals sehn,
Mein letzter Hauch auf Erden
Wird sie vielleicht umwehn?

Sie, die mich liebt – am Ende
Ein Traum, der bald zerstiebt,
Eine selbsterfundene Legende
Von jener, die mich liebt.
Münster Mai 1890
(Band 1 S. 152-153)
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Mittagsstille

Silbereis liegt auf den Gräben,
Auf dem Weg Goldsonnenschein,
Auf dem Weg, mein süßes Leben,
Den wir gehen ganz allein.

Keine Blume sprengt die Hülle,
Und kein Spierchen schiebt das Ried,
In die große Mittagsstille
Singt ein Vogel nur sein Lied.

Was er singt, wir wissen’s beide,
Denn in unsern Herzen klingt,
Was die Ammer in der Weide
Immer immer wieder singt.
(Band 1 S. 186)
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Winter

Über die Heide geht mein Gedenken,
Du kleines Mädchen,
Nach dir, nach dir allein;
Über die Heide möchte ich wandern,
Du kleines Mädchen,
Bei dir zu sein.

Über die Heide flogen die Schwalben,
Du kleines Mädchen,
Sie grüßten mich von dir;
Über die Heide krächzten die Raben,
Du kleines Mädchen,
Antwort von mir.

Über die Heide fallen die Flocken,
Du kleines Mädchen,
Und fußhoch liegt der Schnee;
Über die Heide ging einst mein Hoffen,
Du kleines Mädchen,
Ade, ade!
1885
(Band 1 S. 90)
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Winter

Über die Heide geht mein Gedenken
Annemarie, nach dir, nach dir allein,
Über die Heide möchte ich wandern,
Annemarie, bei dir zu sein.

Über die Heide flogen die Schwalben,
Annemarie, sie grüßten dich von mir,
Über die Heide riefen die Raben,
Annemarie, Antwort, Antwort von dir.

Über die Heide pfeifen die Winde,
Annemarie, und alles ist voll Schnee,
Über die Heide ging einst mein Lieben,
Annemarie, ade, ade.
(Band 1 S. 336)
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Über die Heide ...

Über die Heide sind wir gegangen,
Und die Heide war blütenleer,
Goldene Käfer flogen schimmernd
Auf dem Sande vor uns her.

Alle Fuhrenzweige blühten,
Und die Heidelerche sang
Aus der wolkenlosen Höhe
Süß zu unserm Heidegang.

Einen Busch von goldenem Ginster
Hieltest du in deiner Hand,
Den ich an dem Hünengrabe
Zur Erinnerung dir band.

Zur Erinnerung an die Stunde,
Die in uns noch lange glüht,
Wenn an deinem Ginsterstrauße
Alle Blumen sind verblüht.
(Band 1 S. 195-196)
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Liebeszauber

Und willst und willst du mich nicht lieben,
O Maienzeit, o Süßigkeit,
Das soll und soll mich nicht betrüben,
O Maienzeit, o Bitterkeit;
Ich weiß das edle Kräutlein blühn,
Habmichlieb, das Kräutlein grün,
Kräutlein grün, Blümlein rot
Hilft bei Liebesnot.

Zur Liebe will ich dich bekehren,
O Maienzeit, o Süßigkeit,
Du kannst und kannst es mir nicht wehren,
O Maienzeit, o Bitterkeit;
Ich weiß das edle Kräutlein grün,
Habmichlieb, das Kräutlein grün,
Kräutlein grün, Blümlein rot
Hilft bei Liebesnot.

Und hab’ und hab’ ich es gefunden,
O Maienzeit, o Süßigkeit,
So bleibst und bleibst du mir verbunden,
O Maienzeit, o Bitterkeit;
Ich weiß das edle Kräutlein blühn,
Habmichlieb, das Kräutlein grün,
Kräutlein grün, Blümlein rot
Hilft bei Liebesnot.
(Band 1 S. 338)
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Maiandacht

Von dem Dom acht Glockenschläge schallen,
Aus den Fenstern flimmert Kerzenglanz,
Tausend hübsche kleine Mädchen wallen
Nach dem Dom mit Buch und Rosenkranz.

Tausend hübsche stramme Burschen warten
An der Kirchtür und flüstern leis:
Schätzchen, um halb neun im städt’schen Garten!
Tausend Mündchen flüstern: Ja, ich weiß!

Drinnen senken sich die hübschen Köpfchen,
Und das Knie das Kirchenpflaster küßt,
Unter all den Löckchen und den Zöpfchen
Kein Gedanke bei der Predigt ist.

"Gott sei Dank! Die Predigt ist zu Ende,"
Schnell nach draußen strömt der bunte Hauf,
Und des Schloßparks breite Laubgelände
Nehmen die verliebten Pärchen auf.

Welch ein Küssen, Drücken, süße Sünden!
Selbst das frommste Herzchen wird gerührt –
Kalter Himmel, deine Schrecken schwinden,
Und die heiße Hölle triumphiert.
Münster Mai 1890
(Band 1 S. 148-149)
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Ein welkes Blatt

Warm sind die leisen Lüfte,
Die Zweige sind blütenschwer,
Unstet treibt auf dem Rasen
Ein welkes Blatt einher.

Aus den blühenden Veilchen
Stößt es der Wind in den Sand,
So war einst meine Seele
Eh sie die deinige fand.
(Band 1 S. 199)
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Verbotene Liebe

Weißt du wohl, als wie wir sind,
Wie das Kornfeld und der Wind,
Wie der Sturm und das wilde Meer,
Das da wallet hin und her;
Aug’ zu Auge zärtlich spricht,
Aber uns lieben, das dürfen wir nicht.

Wenn die Sonne geht zur Ruh,
Denk ich dein und mein denkst du,
Und bei Mond und Sternenschein
Denk ich dein und du denkst mein;
Herz zu Herzen zärtlich spricht,
Aber uns lieben, das dürfen wir nicht.

Gestern um die Mitternacht
Bin ich weinend aufgewacht,
Denn mein allerschönster Traum
War dahin, wie Wellenschaum;
Mund zu Mund im Traume spricht,
Aber uns lieben, das dürfen wir nicht.
(Band 1 S. 356)
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Claire

Wie ein Hauch hast du mein Leben gestreift,
Wie ein leiser, lauer Wind,
Eine Liebe, die man kaum begreift,
Die wie ein Traum uns umspinnt.

Wie Samt deine Wange, wie Seide dein Haar,
Die Augen vergißmeinnichtmild,
Wie Quellflut im Glase dein Denken so klar,
Ein allzu engelhaft Bild.

Ein Rosenschein überfloß dein Gesicht,
Mein Herz schlug ahnungsfroh,
Doch kam es zur Liebesbesinnung nicht,
Ach, damals empfand ich so roh.

Ich träumte hinter dem Hauche her!
Was war das, was ist mir geschehn,
Ich sah dich nicht, weißblonde Claire,
Mein rauhes Leben durchwehn ...

Eine Liebe war’s, die man kaum begreift,
Die wie ein Traum uns entrinnt, -
Wie ein Hauch hast du mein Leben gestreift,
Wie ein leiser, lauer Wind.
(Band 1 S. 172-173)
_____

 

Der schönste Platz

Wo die weißen Tauben fliegen,
Wohnt mein Schatz und der ist schön;
Wo die weißen Tauben fliegen,
Muß ich immer wieder gehen.

Wo die roten Rosen blühen,
Hab’ ich sie zuerst geküßt;
Wo die roten Rosen blühen,
Meine liebste Weide ist.

Wo die grünen Büsche stehen,
Singt ein Vogel dies und das;
Wo die grünen Büsche stehen,
Ist zerdrückt das junge Gras.

Wo die klaren Quellen rauschen,
Liegt ein Rosenkränzelein;
Wo die klaren Quellen rauschen,
Ward das schönste Mädchen mein.
(Band 1 S. 342-343)
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Frühling im Dom

Wunderschönes Frühlingswetter
Glitzert durch die bunten Scheiben,
Goldne Sonnenstäubchen tanzen
Lustig um den Hochaltar.

Auf der Kanzel spricht der Pater
Donnernd gegen Lust und Unzucht,
Auf dem breiten, keuschen Schmerbauch
Hüpft ein goldner Lichtreflex.

Und um seine rote Nase
Flattert ein Zitronenfalter,
Fliegt zu einem schönen Mädchen,
Das mit scheuem Herzen horcht.

Nachgefolgt dem gelben Falter
Sind des Paters strenge Augen,
Treffen schließlich auch das liebe,
Süße Mädchenangesicht.

Plötzlich stockt der Pater Thomas,
Er, der große Kanzelredner,
Er, der große Reuebringer,
Wird verwirrt, er stockt und schweigt.

Über einem Strebepfeiler
Sitzt ein feister Marmorengel,
Dieser grinst mit kleinen Augen
Lustig Pater Thomas an.
Münster März 1890
(Band 1 S. 141)
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Wunderblüten

Zwischen hohen Ginsterbüschen
Ruhst du jetzt vom weiten Weg,
Gelbe Wunderblüten bauen
Um dich her ein Goldgeheg.

Gelbe Wunderblüten senken
Huldigend sich auf dein Haar,
Und das schimmert in der Sonne
Märchenhaft und wunderbar.

Und ich lieg zu deinen Füßen,
Seh bewundernd auf dich hin,
Auf mein Lieb im goldnen Ginster,
Meine goldene Königin.
(Band 1 S. 197)
_____

 

Gedichte aus: Hermann Löns Sämtliche Werke
in acht Bänden. Hrsg. von Friedrich Castelle 
Hesse & Becker Verlag Leipzig 1923
 

Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Hermann_Löns

 

 


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