Hieronymus Lorm (1821-1902) - Liebesgedichte

Hieronymus Lorm



Hieronymus Lorm
(1821-1902)

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 



Erscheinung

Du schrittest durch des Waldes dunkle Räume, ein Gedicht!
Und dir zum Preise flüsterten die Bäume ein Gedicht.
Dein Haupt umflossen Locken als der Liebe gold'nes Netz,
In deinem Auge webten glüh'nde Träume ein Gedicht.
An einer Blume stand'st du still und deine Thräne floß,
Als ob Erinn'rung um die Blume säume ein Gedicht.
Da schien es, ein verlornes Eden sende dir den Gruß,
Da schien es, tief in deinem Herzen schäume ein Gedicht.
Für ew'ge Trennung zogst du mir vorüber märchenhaft,
Für ewig ward, was ich von Glück erträume, ein Gedicht.
(S. 8)
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Bewußtsein

Nur aus der Ferne darf ich dein gedenken
Und muß die Gluten still in mich versenken.

Das Leben riß die Kluft auf, uns zu trennen,
Ob wir gleich seelentief vereint uns nennen.

Kein Hoffnungsstrahl darf meinem Herzen leuchten
Und selbst die Thräne kaum mein Auge feuchten.

Doch mag der wilde Schmerz im Busen brennen -
Mich trägt mit Macht ein himmlischfroh Erkennen:

Daß kein Geschick, kein Trennungsweh zerrissen
Die Seligkeit, von deinem Sein zu wissen,

Daß keine Qual vermochte zu gefährden
Mein tiefes Glück, - daß du nur lebst auf Erden.
(S. 9)
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Im Sterben

Vom Abendsonnenstrahl ergriffen
Der See wie leise träumend ruht,
Den Traum belauschend Schwäne schiffen
Vorüber auf beglänzter Flut.

Doch dieses Traum's verschwieg'nen Bronnen
Erschließt der Todeswunde Glut;
Was sie erlauscht an stummen Wonnen
Verströmt als Sang mit ihrem Blut.

So taucht mein Herz mit stummer Wonne
In deines Aug's beglänzte Flut,
Wo zitternd wie im See die Sonne
Des ew'gen Licht's Geheimniß ruht.

So wird mein Herz für seinen wilden,
Unausgesproch'nen Liebesdrang
Sich aus unirdischen Gefilden -
Im Sterben holen den Gesang.
(S. 10)
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Nicht zu verschweigen

Sollt' ich meine Lieb' wie eines sünd'gen Traumes Macht verschweigen?
Wird der Himmel seine Sterne, Frühling seine Pracht verschweigen?
Meiner Seele Sterne flammen und ihr Frühling ist erstanden,
Nimmer will ich was an Licht und Duft ihr ward gebracht verschweigen.
Mag's die Trauerweide flüstern, mag's die Quelle weiter sagen,
Wird es doch der Mond, der meine Einsamkeit bewacht, verschweigen.
Darf ich's nicht dem Tag und seinem hellen, lauten Hohn erzählen,
Sollt ich's drum der stille lauschend liebevollen Nacht verschweigen?
Ihre streng' geschloss'ne Lippe wahrt mein duftiges Geheimniß,
Doch ich will's drum nicht der Lippe, die so rosig lacht, verschweigen.
Gierig lauscht die Welt den Kunden von entfachten Kriegesflammen,
Und ich sollt' ihr meines Busens liebeheiße Schlacht verschweigen?
Nein! Selbst wenn die Sargesdeckel über mir zusammenfallen,
Die von Leid und Lust die ganze, schwere Lebensfracht verschweigen,
Wird mein Herz noch über'm Moder als ein heller Demant funkeln,
Der nicht seinen Liebesschimmer will dem Gräberschacht verschweigen.
(S. 11-12)
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Abendschweigen

Zu deinen Füßen saß ich still und träumend,
Mein Aug' in deines Auges Glut getaucht,
Dein ganzes Sein mit meinem Blick umsäumend.

Der Sonne Liebesfackel war verraucht,
Im Scheidekuß entbrannten Berg und Hügel,
Von tiefster Stille Seligkeit umhaucht.

Und Alles schwieg! Mit regungslosem Flügel
Auf Blumen lag die Biene, duftberauscht.
Der Abend hielt den wilden Wunsch im Zügel,

Was schäumt und tobt und Schmerz um Schmerzen tauscht
Gefesselt lag's an seiner Rosenkette.
Und Alles schwieg! Als ob Natur gelauscht

Und regungslos den Sinn gerichtet hätte
Auf einer Offenbarung Gottesklang,
Die nicht vernommen wird auf ird'scher Stätte,

Und nie zum engen Menschensinne drang,
Nur als Geheimniß bebt in grünen Zweigen,
Als Ahnung tönt im Aeolsharfensang,

Uns Grüße sendet durch der Blumen Neigen
Und unbegriffen, unerkannt vergeht,
Begraben in des Abend's heil'gem Schweigen. -

Wir schwiegen auch! die Erde war verweht
Und Leid und Lust erstickt von Himmelsküssen,
Wir schwiegen; uns're Seele war Gebet.

Doch was aus Blumenkelchen wollte grüßen,
Als Ahnung durch die Aeolsharfe haucht,
Die Zweige als Geheimniß bergen müssen,

Und was als Gottesfunke still verraucht -
Uns ward es klar, als ich in Traum versunken,
Zu deinen Füßen, stumm mein Aug' getaucht
In deines Auges Gluten liebestrunken.
(S. 13-14)
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Ein Erinnern

Die Blumen schliefen, Sterne wurden wach,
Und mahnend mir von langverlornem Frieden
Des Abend's feierliche Ruhe sprach.

Wir hatten gern den Schwarm der Welt gemieden
Und schritten stumm und träum'risch durch den Wald.
Ich fühlte tief den Schmerz, daß wir geschieden:

Daß stets mein Geist mit finsterer Gewalt
Will nach des Tod's verhülltem Abgrund schäumen,
Indeß dir lockend noch das Leben schallt;

Daß meiner Seele nebelhaftes Träumen
An's Unerforschte sehnend fest sich schließt,
Indeß du wallst in lenzgeschmückten Räumen;

Daß selbst im Tod du künft'ges Leben siehst,
Indeß mir selbst in Frühling's Allbeglücken
Ein unerschöpfter Born der Trauer fließt.

Doch als die Wehmuth wollt mein Herz bedrücken,
Daß also unser Lebensweg sich trennt,
Da schlug dein frohgerüstet Wort mir Brücken

Zu deines Glückes lichtem Firmament
Aus meiner todten Nacht, wo Schmerzen sprühend
Die Fackel meines Geistes einsam brennt.

Und was du sprachst, von inn'rer Lust erglühend,
Und was in deinem zarten Geist erstand
An Bildern und Gedanken, rasch erblühend

Zu vollem Sein an deines Auges Brand,
War meiner Jugend ahnungsreicher Glaube,
War meines Glückes rosig Wonneland.

O flieg noch oft, du leicht beschwingte Taube,
Hinaus als Pil'grim nach des Lebens Glück,
Und bringe mir mit einem grünen Laube
Der Erde halbvergeß'ne Lust zurück!
(S. 15-16)
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Gelöbniß

Wir sprachen viel in trauter Abendstunde
Von Schmerz und Liebe, Sterben und Bestehn,
Wie muthig wir in jede Zukunft seh'n,
Weil Gruß der Ewigkeit in unsrem Bunde.

Da rang der heiße Wunsch sich mir vom Munde:
O, könnt' mein Leben wie ein Traum verwehn!
Mit dir vereinigt möcht' ich untergeh'n,
Ein Kuß der Seelen uns're Todeswunde.

Doch als ich sah dein Auge sich erheben
Und dein von Lieb verklärtes Angesicht,
Gelobt' ich - selbst auf deinem Grab zu leben!

Mit dir vergeh' dein Bild auf Erden nicht,
Noch einen Abglanz will der Welt ich geben
Im Wort - in hohen Thaten - im Gedicht.
(S. 17)
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Die Myrthen

Wie mögt ihr doch so froh im Sonnenstrahl,
Vom West gewiegt, ihr grünen Myrthen sprießen,
Und durftet einst ein theures Haupt umschließen,
Dem euer Schmuck den Schmuck des Lebens stahl!

Sie beugte sich gelassen, ohne Wahl,
Doch ward ihr harmlos jugendlich Genießen,
Was ihre Träume märchenhaft verhießen,
Noch früher als die grüne Myrthe fahl.

Und jetzt, wenn liebend meine Blicke brennen,
Wie glänzt ihr Aug' in hellem Jugendschimmer,
Als lernt' Genuß und Traum sie wieder kennen!

So reiches Blüh'n gebührt euch, Myrthen, nimmer,
Denn ihr vereint, was feindlich sich will trennen,
Und trennt, was sich vereinen will für immer.
(S. 17)
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Nach hundert Jahren
An eine Frau

Ein Jahrhundert wird vorübergeh'n,
Unsre Gräber wird man nicht mehr sehn,
Unsre Namen, was wir thun und wollen,
Alles ist vergessen und verschollen.

Menschen, deren Zorn wir feig gebebt,
Da wir lieber ihrem Wahn gelebt,
Als im Glanz der Wahrheit hinzuwallen,
Sind in Staub gleich unserm Staub zerfallen.

Für den Traum, der nie ein Hoffen fand,
Für das Glück, das ungenossen schwand,
Wird die Welt, der wir's zum Opfer gaben,
Keinen Dank und kein Erinnern haben.

Nichts mehr lebt für uns, selbst nicht der Hohn,
Der da früge, was des Opfers Lohn!
Doch im Reich der Seelen tönt ein Klagen
Um so sündhaft Leiden und Entsagen.

Seelen, die der gleiche Ruf erfaßt,
Wie zwei Blüthen auf dem gleichen Ast,
Eine Frucht zu werden der Vollendung,
Trennten sich und logen ihrer Sendung.

Ein Jahrhundert wird vorübergehn,
Was wir opfern, ist umsonst geschehn,
Doch die Geister höh'rer Welten richten
Strafend unser frevelhaft Verzichten.
(S. 22-23)
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Liebeszauber

Es giebt ein tief geheimnißvolles Walten,
Zwei Herzen, die sich lieben, zu verknüpfen:
Ein Zauber ist's im Wort nicht festzuhalten,
Und dem Erforschen wird er stets entschlüpfen.

Es ist ein seelenvoll Beisammenfühlen,
Ein körperlos verschwieg'nes Wonnebringen!
Sie dürfen vor der Welt, der fremden, kühlen,
Sich unsichtbar mit süßer Glut umschlingen.

O, wenn du liebst mit Worten nicht und Liedern,
Nur mit dem Glück, das dich verklärt, gestehe!
Verlang' von ihren Lippen kein Erwidern
Und fühl' es nur im Zauber ihrer Nähe.

Doch fühlst du nicht, ihr nah, sie ganz dein eigen,
Scheint dich ein herber Bann von ihr zu trennen,
Dann ist dein einz'ger Halt noch das Verschweigen
Und deine Todeswunde das Bekennen.
(S. 32)
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Einer Todten

I.
Gab ein Volk, daß Liebe noch es leiste,
Seinen Todten Schätze mit in's Grab,
Legt mein Herz, das früh durch dich verwaiste,
All sein Lebensglück mit dir hinab.


II.
Für jede Schmerzensthräne,
Die mir entlockt das Leben,
Hat eine Freudenthräne
Mir deine Lieb' gegeben.

Für jede Freudenthräne,
An deiner Brust vergossen,
Ist eine Schmerzensthräne
An deinem Sarg geflossen.
(S. 33)
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Zu spät

Was soll dem Hoffnungslosen
Der Zauber im Gemüth?
Ach! meines Lebens Rosen
Sind alle schon verblüht.

Mir wend' nicht zu dein bleiches,
Dein holdes Angesicht,
Das Glück ist ein zu reiches,
Von dem dein Anblick spricht.

Mir war's, als süße Treue
Dein feuchtes Aug' verhieß,
Ich säh' des Gottes Reue,
Der mich in's Elend stieß.
(S. 34)
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Unterschied

Wie sucht das Herz mit gläubigem Vertrauen
Sich aus des Edens letzten Trümmern allen
Ein flüchtig Erdenglück noch zu erbauen!

Indeß dem Geist in Trümmer muß zerfallen
Der Erde Glück, eh' seinem lichten Schauen
Erstehen eines Paradieses Hallen.
(S. 35)
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Die Schönheit

Die Schönheit dringt als Klang von gold'ner Leier,
Als Marmorbild und Farbenreiz zur Seele.
Doch was sie immer als Erscheinung wähle,
Den Baum in seiner Ruh - im Flug den Geyer -

Ob sie dem Stern, der Landschaft stiller Feier,
Dem Gliederbau des Leibes sich vermähle,
Welch' irdisch Formenspiel von ihr erzähle:
Ihr selbst entsank noch nie der letzte Schleier!

In Hüllen nur enthüllt sie sich den Sinnen,
Als Wirkung nur verräth sie sich dem Geist,
Nicht als Erkenntniß ist sie zu gewinnen.

Drum ist der Sehnsucht voll, wer Schönheit preist:
Sie lockt nach einem fernen Ziel von hinnen,
Das sie versagt, indem sie es verheißt.
(S. 60)
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Verschwiegen

Es hat sich mir auf dieser Erde
Ein Himmel heimlich aufgethan,
Zu dem aus Trübsal und Beschwerde
Empor mich trägt ein holder Wahn.

Mir leuchten schön beseelte Züge
Der Frau, der still mein Herz gehört,
Die ich zu lieben mich begnüge,
Ihr selbst verborgen, ungestört.

Wenn mich ein einzig Wort verriethe,
Schon wär's an meinem Glück Verrath,
Dem ich allmächtig nur gebiete
So lang's Gedanke blos, nicht That.

Ein heißer Blick, ein Druck der Rechten,
Die Klage sehnsuchtsvollen Drang's
Giebt Preis das Glück den finstern Mächten
Der Lebensqual, des Untergang's.

Geheimniß, das mich süß umsponnen,
Sei nicht dem Schicksal anvertraut!
Durch Schweigen bin ich ihm entronnen,
Ob vor der Einsamkeit mir graut.

Doch wenn mein Träumen ich verhülle
Der Erde räuberischem Neid -
Mich trägt der Wahn, daß sich's erfülle
In unbegriffner Ewigkeit.
(S. 102-103)
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Dein Auge

Mir ist dein Aug', das wunderbare,
Noch eine unerforschte Welt,
Ein tiefes Meer, das eine klare,
Verschwieg'ne Mondesnacht erhellt.

Mir taucht aus dieses Meeres Grunde
Vineta nimmermehr empor, -
Mein Glück, das sich in banger Stunde
Für alle Zeiten drin verlor.
(S. 103)
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Galathea

Ich kniete vor dem regungslosen Steine
In Liebe hin; - o wollt' der Tod sich lügen
Zum Weib in diesen ehern kalten Zügen,
Daß er als Schönheit meinem Blick erscheine?!

Vergebens daß ich glü'nde Thränen weine!
Gebet und Wunsch und Flammenworte trügen,
Das Tiefste meiner Brust will nicht genügen,
Wenn ich den Marmor zu beleben meine.

O hätt' das holde Loos auch mich getroffen,
Daß ihr, entflammt von meiner Liebe Lust,
Das Auge plötzlich für das Dasein offen!

Verkehrten Schicksals bin ich mir bewußt:
Ihr Herz blieb Stein und all mein Glück und Hoffen
Erstarrt zu Tod an ihrer todten Brust.
(S. 104)
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Neue Jugend

Preis dem Geschick, das mich zu dir gezogen,
Es lehrt, daß meine Jugend nicht verflogen.
Nicht ihre Wonnen sind's und nicht ihr Zauber,
Woran mein Herz sich glühend festgesogen.
Auch sprach dein Aug' zu keinem meiner Träume
Mit mildem Strahl, er hätte nicht gelogen.
So oft mein Wunsch zum Himmel stieg, da sandtest
Du einen sichern Schmerzenspfeil vom Bogen.
Du gabst Versagung mir und Weh für Alles,
Was je ein Weib zur Liebe hat bewogen,
Und doch erkannt' ich meine Jugend wieder, -
Denn wieder hat das Leben mich betrogen.
(S. 105)
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Arm in Arm

Der Schmerz der Welt hat auch
In meiner Brust Altäre,
Auf daß dein süßer Hauch
Zum Frieden ihn verkläre.

Der Schmerz der Welt ist nur
Die Sehnsucht nach der andern,
Von der die Himmelsspur
Mit dir dahin zu wandern.
(S. 106)
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In der Trennung

Die holden Stunden,
Die mich gebunden
An dich allein,
Sind bald entschwunden;
Doch süße Pein,
Bei dir empfunden,
Ist nicht zerronnen!
Des Herzens Wonnen
Sind seine Wunden.

Wer mag erklären,
Was in den Sphären
Der Liebe haust?
Mit heißen Zähren
Von Schmerz durchbraust,
Muß sie entbehren
Und kann sich trunken,
In Lust versunken,
Von Träumen nähren.
(S. 106)
_____



Vereinigung

Geliebte Frau, in deinem Arm
Umfängt mich eine Welt der Ferne,
Ich lese klar die Schrift der Sterne,
Geliebte Frau, in deinem Arm.
Was ich in jenen Höhen lerne,
Besiegt der Erde nahen Harm.
Geliebte Frau, in deinem Arm
Umfängt mich eine Welt der Ferne.

Was Himmelssterne mir vertraut,
Von deinen Lippen wird's besiegelt;
Ein ird'scher Stern, dein Auge, spiegelt,
Was Himmelssterne mir vertraut. -
Des All's Geheimniß ist entriegelt!
Ich glaube, spricht's auch ohne Laut,
Was Himmelssterne mir vertraut:
Von deinen Lippen wird's besiegelt!

Denn liebessel'ger Vollgenuß
Ist Himmelreich im Raum der Stunde.
Was spricht mit kußverschlossnem Munde
Denn liebessel'ger Vollgenuß?
Daß fromme Sehnsucht ist im Bunde
Und Glut der Andacht mit dem Kuß!
Denn liebessel'ger Vollgenuß
Ist Himmelreich im Raum der Stunde.
(S. 107-108)
_____



Briefwechsel

I.
Er schreibt:
Jetzt, da mein Leben schon zerstört, verwittert,
Bist du, ein Licht des Friedens, mir erschienen,
Wie auf in Staub zerfallende Ruinen
Ein bleicher Mondesstrahl versöhnend zittert.

Wie oft ist meine Seligkeit zersplittert
An blöden Herzen schnellbethörter Phrynen,
Bis mir mit deinen wunderbaren Mienen
Ein Himmel ward, den Zweifel nicht verbittert.

Ich liebe dich! Mit schmerzlicher Geberde
Erheb' ich segnend über dich die Hände,
Ich fühl's, wie bald ich dir entfliehen werde.

Erhörung fleht das Wort nicht, das ich sende,
Nur wissen sollst du, Herrlichste der Erde,
Daß du der Trost in einem Menschenende.


II.
Sie schreibt:
Umhüllt vom reichsten Glanz, wie bin ich elend!
Wie schmerzt mein Haupt, gedrückt vom Diademe!
Indeß ich gern der Hirtin Kränze nähme,
Des Dorfes stillen Frieden mir erwählend.

Zur Seite geht mir, meine Thränen zählend,
Ein Mann, für den ich kaum den Haß bezähme,
Indeß ich gern zu dir mit Schätzen käme,
Mein todtes Glück durch deine Lieb' beseelend.

Und dennoch, laß' uns muthig weiter leben!
Uns eint ein Schmerz, ob Alles sonst uns trennt.
Laß' von der Lieb' Bewußtsein uns umweben!

Wie weit der Stern auch von der Blume brennt,
Ist ihm der Strahl und ihr der Duft gegeben
Zum heimlichen Verkehr, den Gott nur kennt.
(S. 109-110)
_____



Liebe

Von Liebe sagt und singt die Welt
Seit sie vom Sonnenlicht erhellt.
Doch liebt er selbst, empfindet Jeder,
Daß Wort und Bild und Ton und Feder
Von Liebe, wie sie ihn bezwungen,
Noch nichts gesagt hat und gesungen.
(S. 297)
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Liebeslied

Mit dem holden Frühlingszauber
Steh' ich auf vertrautem Fuße,
Denn er streute frische Blüthen
Vor dich hin bei meinem Gruße.

Eins doch will er nicht verzeihen,
Ward's mir auch zum schönsten Loose,
Daß ich nur auf Deinen Lippen
Suche seine erste Rose.
(S. 306)
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Das Herz

Das Herz, so klein in seinem Raum,
Das Herz, so groß in seinem Traum,
Es schlägt in enger Menschenbrust
Und faßt des Erdballs Schmerz und Lust.
Beständig spricht's mit seinem Pochen,
Was Menschenweisheit nie gesprochen;
Hätt's für sein stummes Wort den Mund,
Es gäb das Weltgeheimniß kund.
(S. 389)
_____

Aus: Gedichte von Hieronymus Lorm
Siebente, vermehrte Auflage
Dresden und Leipzig
Verlag von Heinrich Minden 1894

 


Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Hieronymus_Lorm

 

 


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