Johann Friedrich Löwen (1727-1771) - Liebesgedichte

 


Johann Friedrich Löwen
(1727-1771)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 




Als Doris einer Masque den Tanz versagte

Warum schlug Doris jüngst den Tanz der Masque ab,
Der jede Schöne doch die Hand freywillig gab?
Warum ließ sie sich nicht von ihr verhüllt umfassen?
Ihr fragt? Sprecht: kann man sich verhüllet küßen lassen?
(S. 13)
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Der Abschied von Doris

Die Stunde schlägt, o Kind! wir müßen scheiden.
Ich küße dich, und Wehmut näßt den Kuß.
Erst zweifelt ich, nun mehrt sich Furcht und Leiden,
Du zitterst selbst beym stammelnd letzten Gruß.
O Freundinn! Kind! o Doris! meine Schöne!
Sieh, wie dein Blick zuletzt mich traurig macht.
Ja Liebe! ja, ehrst du noch deine Söhne;
So hindre doch den Ausdruck: Gute Nacht!
Umsonst, mir winkt nur Unruh statt der Freuden.
Ich weine, lebe wohl, und laß mich von dir scheiden.

Kaum ist uns noch ein Augenblick vergönnet,
Fast nur ein Bild, ein Traum vergangner Lust;
Denn werden wir zwar kurz, doch schwer getrennet,
Komm, drücke dich an deines Dichters Brust,
Der zärtlich küst. Ich trockne dir die Thränen,
Die dir mein Leyd aus Brust und Augen zwingt.
O Kind! dein Blick verräth dein banges Sehnen,
Womit dein Mund zuletzt mir Lieder singt.
O Glück! du bist zu grausam mit den Schlüssen.
Kaum küst ich Doris Reitz; so muß ich sie schon missen.

Doch ewig nicht, du auserlesne Schöne!
Nicht ewig flieht dein Reitz die vorge Lust.
Da ich entfernt mich jetzt zur Qual gewöhne
So labst du einst die redlich fromme Brust.
Zwar grausam gnug kann ich mein Schicksal nennen,
Der Sommer kömmt, und Doris bleibt betrübt,
Denn Damon muß sich ungern von ihr trennen.
Doch Kind! da dich die Treue zärtlich liebt;
So soll mich nichts, entfernt von dir, verführen,
Dein Denkmal soll mich mehr als Flur und Sommer rühren.

Wenn einsam hier, bald bey des Sommers Schwüle
Mein Fuß betrübt durch Feld und Thäler schleicht,
Wenn langsam erst, bey Zephirs holder Kühle,
Der Sonne Pracht von unsern Fluren weicht;
So will ich stets dein holdes Bildniß suchen,
Im Bilde zwar, jedoch mit süßer Müh.
Du weißt es, Kind! die schattenreichen Buchen
Verschweigen es, wenn ich zum Thälern flieh.
Hier reitzt mich oft das Abbild eurer Fluren,
Die Thäler, wo du wohnst, die Hügel, wo wir schwuren.

Wenn Philomel, da Laub und Südwind rauschet,
Den Gatten lockt. Mit keuscher Sicherheit
Ihn schmetternd sucht, und er halb schalkhaft lauschet;
So denk ich, Kind! an deine Zärtlichkeit.
Denn will ich mich um unsern Abschied grämen,
Denn soll mein Lied durch Feld und Wälder fliehn.
Der stille Wald soll meinen Schmerz vernehmen,
Er soll betrübt durch finstre Haine ziehn,
Von da, auf Felß und nahe Berge schlagen,
Der Nachhall wird ihn denn gedoppelt wieder sagen.

Kind! wenn auch du im leichten Schäferkleide
Vergnügt und still durch Flur und Wälder gehst,
Zufrieden dich an der Gespielin Seite
Im grünen müd, und schlummernd niederläst;
So denk, wie wir oft beyeinander saßen,
Frey von dem Gram, grosmütig bey dem Neid,
Stolz bey der Lust, das vorge Leid vergaßen,
Beym Scherz, und Kuß, und Spiel uns oft erfreut.
Der Tadler Heer zufrieden still verlachten,
Bey beyder Freundschafts Treu auf ewge Liebe dachten.

Wie rührte mich dein aufgewecktes Wesen,
Dein Reitz, der klug aus braunen Augen lacht,
Dein spröder Blick ließ mir stets Proben lesen,
Für mich allein seyst du so schön gemacht.
Oft must ich mit in deine Thöne singen,
Denn schlugest du anmutig das Clavier.
Mir konte stets ein zärtlich Lied gelingen,
Denn wenn ich sang, so sang ich nur von dir.
Der Doris Reitz, den oft mein Lied erhoben,
War nur ein Bild von dir, dich Freundinn wollt ich loben.

Du weinest, Kind? O! welch ein schmerzlich Sehnen!
Jetzt nähert sich der bange Augenblick.
Ich reisse mich von dir mit heissen Thränen,
Du sprichst betrübt: Wie? gehst du schon zurück
Ja, Doris! ja, ich schwör bey unsrer Liebe,
Daß dieser Tag mir stets zur Marter wird.
Doch, stille nur die schmertzlich schweren Triebe,
Verbirg den Schmerz, wobey der Geist offt irrt.
Nim diesen Kuß zum Siegel, statt der Schwüre,
Sey groß, verschwiegen, treu, damit dich nichts verführe.

Dies ist (nun Kind! laß uns den Abschied machen.)
Der letzte Blick, das letzte zärtlich thun.
Die Vorsicht wird schon für mein Glücke wachen,
Denn sollst du auch in meinen Armen ruhn.
Du kennst den Bund. Nun Doris! laß uns scheiden,
Das Posthorn schlägt bereits mein schüchtern Ohr.
Sey stets gesund nach ausgestandnen Leyden,
Mich grüße bald dein Brief in jenem Chor.
Glaub, daß ich dir stets zärtlich danken müße.
Leb wohl - -  die Sprache stockt - -  Nim lieber diese Küße.
(S. 14-17)
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Das Grübchen im Kinn

Wenn ich Friederiken küsse
Mit dem tiefgewachsnen Grübchen
In dem rund und weichen Kinne,
Wenn ich meine heissen Lippen,
Welche ihre Küsse feuren,
Zitternd auf dies Grübchen drücke,
O! so muß ich vor den Küssen
Erst mit innrer Rührung lachen,
Denn ich denke bey dem Grübchen
Stets ans Maal der liebsten Venus,
Welches, wie ich sicher glaube,
Hier im Bild geschildert worden.
Mädgens! wenn ihr Männer küsset,
Welche euch ein Grübchen zieret,
Werdet ihr wohl anders denken?
(S. 44)
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Uber die Entfernung von Doris

Durch unser schmerzliches Entfernen
Hat meine Brust erst schätzen lernen,
O Doris! wie die Liebe quält.
Hier ruf ich mit zerstreutem Blicke
Die Stunden unruhvoll zurücke,
Da unser Kuß den Bund gewählt.

Jetzt muß ich mich bey stillem Sehnen
Zu bangen Liedern angewöhnen,
Zum Schmerz, den unser Abschied gab.
Wein, Spiel und Freund sind mir verhaster,
Und jede Lust wird mir zum Laster,
Denn deine Liebe schreckt mich ab.

Im Zimmer, wenn ich einsam sitze,
Bey dem System, wobey ich schwitze,
Bey jeder Lust, bey Wein und Bier,
Im Garten, auf dem Wall, in Feldern,
In Haimbergs* wahren Dichter Wäldern
Schwebt stets dein holdes Bild vor mir.

Singt Philomel gerührte Lieder;
So werf ich mich im Schatten nieder,
Und hör des Vogels Lehren an.
Denn wallt mein Blut mit stärkerm Triebe.
O Schade! daß ich deine Liebe
Hier nur im Bilde sehen kann.

Durch unser schmerzliches Entfernen
Hat meine Brust erst schätzen lernen,
O Doris! wie die Liebe quält?
Hier ruf ich mit zerstreutem Blicke
Die Stunden unruhvoll zurücke,
Da unser Kuß den Bund gewählt.
(S. 49-50)

* Ein sehr angenehmes Gehölze nahe bey Göttingen
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Uber die verflossenen Tage

Seit dem man mich, verhasten Fluren!
Nicht mehr in eurer Gegend sieht,
Seit dem der Kuß, womit wir schwuren,
Nicht mehr auf Doris Lippen glüht,
Seit dem verbann ich fast die Triebe
Der ehmahls holden Zärtlichkeit,
Und glaube, daß mir stets die Liebe
Nichts als gehäufte Martern beut.

Ich fühle zwar, daß Geist und Flammen
Mein jugendliches Herz nicht fliehn.
Ich selbst darf nicht den Trieb verdammen,
So lange Jugend Rosen blühn.
Natur und Unschuld flösen beyde
Uns den Geschmack zum Lieben ein,
Und dieser Stand, und diese Freude
Wie könnten diese strafbar seyn?

Allein, Erfahrung! Neid! und Glücke!
Wieviel habt ihr mich nicht gelehrt!
Ich schätze mich bey Doris Blicke
Der allerbesten Ruhe werth.
Ich sprach: in ihren holden Armen
Soll noch mein müdes Alter ruhn,
Und hat der Himmel kein Erbarmen;
So wird ers ihrentwegen thun.

So dacht ich. Doch, geträumte Zeiten!
Wie bald verflog nicht eure Lust!
Ein Schattenbild von Zärtlichkeiten
Prägt ich mir flüchtig in die Brust.
Ein Traum, soll ich euch anders nennen?
Ein Unding, und gewis weit mehr.
Dafür würd ich euch auch erkennen,
Wenn ich wie sonst noch zärtlich wär.

Wie manche Zeit, wie manchen Morgen,
Wie manchen Tag, wie manche Nacht
Hat mir die Liebe nichts als Sorgen
Bey überhäufter Qual gemacht.
Sie zog mich sanft in ihre Stricke,
Unschuldig folgt ich diesen Zug.
Nun flieh ich sie mit scheuem Blicke,
Und fluche über den Betrug.

Dies Blendwerk, Doris Reitz und Klagen
Zog mich von Lust und Arbeit ab,
Und brachte mich zu größern Plagen,
Als die mir Buch und Feder gab.
Ja, was ich stets erdulten müssen,
Ist niemand mehr, als mir bekandt.
Nur freut mich noch die Zahl von Küssen,
Die ihr mein Mund so oft entwand.

Jetzt rechn ich oftmahls mit Entsetzen
Die Meng erlittner Martern aus.
Mir baut die Liebe, statt Ergötzen,
Ein ewig daurend Marter Haus.
Entfernt von Doris, will ich lernen
Sie, und die Liebe zu verschmähn.
Vielleicht auch läst mich das Entfernen
Ein Glück mit bessern Folgen sehn.

Hier hält mich noch kein Reitz gefangen,
Mich ekelt fast für diesen Zwang.
Kom, Freyheit! bleibe mein Verlangen,
Verdien an mir den besten Dank.
Dir will ich ein geneigt Geschicke,
O Doris! auch entfernt, erflehn.
Mir wünsch ich bald ein beßres Glücke,
Wer weis, soll es nicht bald geschehn!
(S. 51-53)
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Der Versuch

Doris! allerliebste Doris!
Fühlst du noch die Macht der Liebe,
Als der sanfte Hauch des Amors
Unsre Küsse jüngst beseelte?
O! ich fühle noch die Stärcke,
Und das Feuer deines Nachdrucks
Glüht noch immer auf den Lippen.
O! wie funkelten die Augen!
O! wie schüchtern warfst du Blicke!
O! wie schlug ein Blut geschwinder!
Wie empörte sich dein Busen,
Den die Keuschheit stets bewohnet!
Wie entfärbten sich die Wangen,
Wo die volle Unschuld blühet!
Wie verwirrt war deine Rede,
Die die Liebe schamhaft lobet!
O! wie war dein ganzes Wesen
Zärtlich, schüchtern, treu und edel,
Als mein Mund die ersten Küsse,
Schönste Doris! auf dich wagte.
Aber nun bist du schon dreister,
Wenn ich küssend dich erhasche.
Und du streitest ganz gelassen.
Doch wie gerne mögt ich wieder
Deinen ersten Zustand sehen.
Doris! ich weis einen Vorschlag.
Wenn wir über Kleinigkeiten
Und nur einmahl zanken könnten,
Etwa daß ich bey dem Spiele
Lottchen manchen Kuß geraubet,
Und du wolltest nur aus Rache
Meinen Blick vier Tage meiden,
Bis dein kleiner Stolz sich legte.
O! wie würde die Versöhnung
Uns zu neuer Glut anfeuren!
O! wie würden unsre Küsse
Heftiger, als nun geschehen,
Auf den schmachtgen Lippen brennen!
Wie gefällt dir dieser Vorschlag?
Doris! soll ich ihn versuchen?
(S. 54-55)
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Die veränderte Liebe

Schon sind es achtzehn Wochen,
Daß ich mein braunes Mädgen
Nicht sehe, und nicht küsse.
Ey! wie? in achtzehn Wochen
Sein Mädgen gar nicht sehen,
Und gar nicht einmahl sprechen,
Und gar nicht einmahl küssen?
Heist dies wohl zärtlich lieben?
Verzeiht es mir, ihr Freunde!
Ich muß es euch gestehen.
Seit dem mich diese Gegend
Und den lastbaren Elbstrom
Als ihren Dichter küsset,
Hab ich versprechen müssen,
Ein Mädgen hier zu wählen.
Dir, schalkhaft schlauer Amor!
Dir must ich es versprechen.
Wie wird nicht Doris weinen,
Wenn sie um jene Hügel,
Wo kahle Fichten knarren,
Mein kennend Bildniß suchet.
Doch läst die Macht des Amors
Und sein Befehl sich ändern?
O! allerliebster Amor!
Erhöre diese Bitte.
Erheb die leichten Schwingen,
Und laß auf Götter Flügeln
Dich über Land und Wasser
Nach jenen Thälern tragen,
Und stille Doris Sehnsucht,
Gewähr ihr Trost und Freude
Durch einen andern Schäfer.
Mir aber laß im wählen
Die Zärtlichste nur finden,
Etwa wie jene Phillis.
Doch, wird sie mich auch wählen?
(S. 56-57)
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Der geweigerte Kuß

Du schlugst mir ab, dich jüngst zu küssen.
O Phillis! Phillis du must wissen,
Daß du mich zürnen siehst.
Dich sehn, und keine Küsse rauben?
O Phillis! soll ich etwa glauben,
Daß du die Küsse fliehst?

Ja, kleine Schwarze! deine Blicke
Erlaubten schon den Kuß, mein Glücke,
Dein Weigern sprach nur: Nein.
So seid ihr losen Mädgen! immer,
Ihr wist, ein Kuß macht euch nicht schlimmer,
Und doch hört man euch schrein.

Kein Mädgen glaubt der Mutter Lehren,
Von Sterben will es zwar nicht hören,
Doch, tödtet wohl ein Kuß?
Welch Mädgen ist so unerfahren?
Ihr Kinder wist in frühen Jahren
Schon wie man küssen muß.

Doch, Kinder, und auch du, Brunette,
Ihr Mädgens! alle, glaubt, ich wette,
Die List macht euch verstellt.
Ihr flieht den Kuß und bleibt doch stehen,
Ihr zürnt, warum? wir sollen flehen,
Weil euch der Wunsch gefällt.

Wie? Kind! hab ich dein Herz entdecket?
Dein Weigern, das mich erst geschrecket,
Macht mich nun hoffnungsvoll.
Ich will, so oft ich dich kann sehen,
Stets deine Küsse mir erflehen,
Wie lange fleh ich wohl?
(S. 63-64)
_____


Aus: Zärtliche Lieder und
Anakreontische Scherze
[Johann Friedrich Löwen]
Hamburg In der Hertelischen
Handlung im Dom 1752

 


Biographie:

https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Friedrich_Löwen





 

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