Das Liebes-Poetische Manuskript N° 44


Lieb' ist die Sonne ...


Liebesgedichte deutscher Dichterinnen

(c) Ernst Rose Pixelio.de



Kathinka Zitz-Halein
(1801-1877)


Liebeszauber

Was Liebe sei, soll ich Dir sagen?
Bald ist es Jubeln, bald ist's Klagen,
Wie Honig süß, wie Galle bitter,
Oft Zephirhauch, und oft Gewitter.

Der ersten Liebe süßes Sehnen
Gleicht dem geheimnißvollen Tönen
Der Memnonssäule, wenn Aurore
Dem Phöbos weicht am Himmelsthore.

Sie flötet süß wie Philomele,
Sie ist die Sonne unsrer Seele;
Vermag sie in Dein Herz zu dringen,
Dann übet Psyche frei die Schwingen.

In Tugend wandelt sie die Mängel,
Sie stellt den Menschen zu dem Engel,
Und selbst des Lebens bange Leiden
Verkehret sie in Himmelsfreuden.

Doch wurdest Du mit Heucheltriebe
Belohnt für Deine reiche Liebe,
Dann wandeln sich in Höllenflammen
Die Gluten, die vom Himmel stammen.

Es nagen ihre Folterschmerzen
Mit Schlangenzähnen Dir am Herzen,
Nur Dornen blieben von den Rosen,
Und von dem Glück bist Du verstoßen.

Du wandelst fern vom Freudenschimmer
Gleich einem Geiste unter Trümmer
Der eingestürzten Tempelhallen
Woraus nur Deine Seufzer schallen.

In Schutt vermodern die Altäre
Der Liebe, Deine heiße Zähre
Fällt in den Staub, doch neues Leben
Kann selbst Dein heil'ger Schmerz nicht geben.

Nur einmal zünden jene Funken
Die von dem Himmel selbst gesunken,
Die nicht zum zweitenmal erstehen,
Wenn gift'ge Winde sie verwehen.

 

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Gedicht aus: Herbstrosen in Poesie und Prosa
von Kathinka Zitz
Mainz 1846

(c) Bild Ernst Rose Pixelio.de

 


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