Dreyzehnter Kuss
Schmachtend vom süßesten Zwist, in lässigen Schlummer versinkend,
Lag ich, die Arme dir fest noch um den Nacken gestrickt.
Jeder lebendige Geist zerschmolz auf den glühenden Lippen,
Und kein schwellender Hauch labte verjüngend das Herz.
Nah schon sah ich den Styx und das Land, dem Hyperion nie strahlt,
Und mit dem nächtlichen Kahn ruderte Charon herzu;
Als du aus innerster Brust tiefathmend den süßesten Kuß zogst,
Und du hauchtest ihn mir heiß auf den brennenden Mund.
Rettend befreyte der Kuß vom stygischen Felsengeklüft mich,
Und mit ledigem Boot sandte den Alten er heim.
Nein! er sandte den Alten nicht heim mit ledigem Boote,
Denn zu den Manen schwimmt trauernd mein Schatten hinab.
Deines Lebens ein Theil bewohnet, du Liebliche, jetzo
Diese Gestalt, und erhält ihren zerfallenden Bau.
Aber es strebt dein Hauch unwillig zurück nach der Heimath:
Oft auf verborgener Bahn sinnet er heimliche Flucht,
Und längst wär' er dahin, und mein Leib zu Asche zerfallen,
Pflegtest mit liebendem Hauch nicht den enteilenden du,
Schließe so fester du nun an die brennenden Lippen die Lippen,
Daß Ein ewiger Geist beyde zugleich uns beseelt,
Bis, nach der schleichenden Qual der unbefriedigten Sehnsucht,
Einziges Leben dem Bund unserer Leiber entquillt.