Das Liebes-Poetische Manuskript N° 55

Hundert Küsse zu hundertmalen, hundert Küsse zu tausendmalen,
tausend Küsse zu tausendmalen ...

Die Küsse des Johannes Secundus (1511-1536)
 


Tiziano Vecellio(1488-1576)
Frau im Pelzmantel


 




Vierter Kuss
 

Nektar spendet Neära, keine Küsse,
Spendet duftenden Morgenthau der Seele,
Spendet Narden und Thymian und Zimmet,
Spendet Honig, wie Bienen am Hymettus
Und in Attika's Rosenhainen lesen,
Und, in weidengewobnen Körbchen bergend,
Mit jungfräulichem Wachs ringsher umzirken.
Wenn in volleren Zügen ich sie schlürfe,
Werd' ich plötzlich vom Kuß unsterblich werden,
Und das Mahl der erhabnen Götter theilen.
Spare, spare darum die Wundergabe,
Oder werde mit mir, Neära, Göttinn.
Von dir ferne verschmäht' ich Göttermahle,
Mögt', an Jupiters statt, im Sternenreich nicht
Herrschen, zwängen mich auch die Uraniden.
 

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Übersicht

Gedicht aus: Die Küsse des Johannes Secundus
München Hyperion Verlag 1920
In der Übersetzung von Franz Passow [1786-1833]
(nach der Ausgabe Leipzig 1807)
(S. 15)
 


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