Hermann Marggraff (1809-1864) - Liebesgedichte




Hermann Marggraff
(1809-1864)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 





Dein bin ich und war ich!

Und will für mich, und will für mich
Dein Busen liebend schlagen,
So werd ich dich, so werd' ich dich
In meinem Herzen tragen.
Mein Herz, unendlich tief und weit,
Ist eine Welt von Thränen,
Von Leid und Lust, und Lust und Leid,
Von Lieb' und Liebessehnen.
Dein bin ich und war ich
Und werd' ich sein,
Und warst du die meine,
So bleibe mein!

Der Blumen schön, der Blumen zart!
In meinem Lebensgarten
Sollst du, nach treuer Liebe Art,
Mit frommen Händen warten.
Wie müssen fröhlich dann gedeihn
Maßlieb und andre Stäubchen,
Vergißmeinnicht, Gedenkemein
Und Immergrün, das Kräutchen!
Dein bin ich und war ich
Und werd' ich sein,
Und warst du die meine,
So bleibe mein!

Aus: Gedichte von Hermann Marggraff
Leipzig F. A. Brockhaus 1857 (S. 136-137)

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Die Liebe ein Geier

Kannst du, mein junges
Trotziges Heldenherz,
Lieben und schmachten,
Schmachtend vergehen,
Und im Vergehen
Höher noch glühn?
Schmählich, schmählich
Bist du gefallen!
Stärker als Leben
Ist deine Liebe,
Schwächer als Liebe
Selber der Tod;
Selber im Tode
Mag sie nicht fliehn.

Herrscherin Liebe!
Morgenroths Abendroth!
Enge gezogen
Hast du die Grenzen,
Die zwischen Leben
Und Sterben ziehn;
Leben und Sterben
Ziehst du zusammen,
Hölle und Himmel,
Nichtsein und Sein.

In ewigen Nächten
Lieg' ich gekettet
An rauhem Gestein.
Tief in des Lebens
Leben hinein
Gräbt sich die Liebe,
Zehrt mir am Herzen;
Wächst mir das Herz,
Schwillt mir zum Herzen
Wieder der Schmerz,
Nagt mich von neuem
Der Geier der Liebe,
Der immer wache,
Der nimmersatte,
Dem ewige Nahrung
Mein Herzblut gibt.

Wenn ich vergesse,
Daß ich gewesen,
Nimmer vergess' ich,
Daß ich geliebt.


Aus: Gedichte von Hermann Marggraff
Leipzig F. A. Brockhaus 1857 (S. 140-141)

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Frühling als Bräutigam

Lenz umfängt die junge Erde
Mit der Liebe Lustgeberde;
Neigt sich nach der Liebe Weise
Zierlich leicht und flüstert leise,
Flüstert leis' im lauen Hauche
Stiller Winde,
Linde, linde,
Nach der Liebe heil'gem Brauche.

Schreibt mit goldner Blumenletter,
Schreibt auf zartgewirkte Blätter,
Schreibt an still geheimem Orte
Wundersame Liebesworte,
Offenbart der Blütenwesen
Urgeheimniß
Ohne Säumniß,
Blumenräthsel, süß zu lösen.

Und im Tonfluß lebt die Liebe,
In Gesängen hell und trübe,
Steigt im Springquell flüss'ger Lieder,
Steigt empor und senkt sich wieder,
Muß im höchsten Lustbeglücken
Wanken, weichen
Und erbleichen,
Doch im Tode noch entzücken.

Aus: Gedichte von Hermann Marggraff
Leipzig F. A. Brockhaus 1857 (S. 143-144)

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Die Flüchtige

Ich stand auf grünem Wiesenplan
Und sah die goldnen Wolken an;
Die Wolken zogen leicht und frei
Im Abendduft an mir vorbei.

Ich stand am klaren Erlenbach
Und sah den Silberwellen nach;
Die Wellen zogen leicht und frei
Wie Demantblitz an mir vorbei.

Ich stand im schattendunkeln Hain
Und freute mich der Vögelein;
Ich stand, da flogen leicht und frei
Die Vögel all' an mir vorbei.

Ich sah mein holdes Liebchen gehn,
Da blieb ich still am Wege stehn;
Ich stand und rief, doch leicht und frei
Zog sie wie Wolk' und Bach vorbei.

Ja! Lieb' ist wol wie Wolkenzug,
Wie Wellenspiel und Vögelflug;
Und ob man fleht und ob man spricht,
Sie geht vorbei und hört es nicht.

Aus: Gedichte von Hermann Marggraff
Leipzig F. A. Brockhaus 1857 (S. 145-146)

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An die Sonne

Die du mit fernher treffenden Strahlen,
Mit Feuerwallung und Feueraugen,
Und mit des Urlichts reinster Entschleierung
Anschauest Monden und Erden,
Und der Erden und Monde Thiergeschlechter,
Und bewohnten Staub und staubige Wohnungen,
Sammt armseligen Menschlein umher,
Die rings annisten in Städtehaufen,
In des Hüttengedrängs Ameisenbau,
Und all' sie anwehst mit des Athems
Glühender Fülle - der Allsonn' Abglanz!
Der ewigen Lieb' Heroldin, die ewige!
Glutsenderin! Glutgeborene Königin!
Könnt' ich dich stürzen
Von deinem Thron!

Ich nähme das Herz
Meiner Geliebten und legt' es nieder
Auf den eroberten Sonnensessel:
Daß es lächelnd strahl' auf der Staubgebornen,
Der unbewanderten Erdenwandrer
Mühvolle Zwecke,
Zwecklose Mühen;
Daß es im freundlichen Glanzring
Abspiegle die Welt;
Daß es leuchtend erwärm' und wärmend erleuchte,
Und Liebe lehr' unmündige Seelen,
Und herrlich strahle, der irdischen Liebe
Hochheil'ge Verklärung,
Der himmlischen Lieb' hochheiliges Abbild,
Und stets auch mir, dem rastlos schreitenden
Weltpilger leuchte, ein leitender Liebesstern,
Allliebend, allgeliebt, hoch
Droben am Himmel.

Aus: Gedichte von Hermann Marggraff
Leipzig F. A. Brockhaus 1857 (S. 147-148)

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Bedrängniß

Ach, wenn du mich liebtest,
Dann blieb' ich nicht hier,
Dann flög' ich, du schöne
Jungfrau, zu dir!

Der Weg ist versperrt,
Das Herzchen dein,
Es ist mir verschlossen
Und nicht mehr mein.

An der alten Linde,
Auf steinerner Bank,
Da sitz' ich und träum' ich
Wol stundenlang:

Und sitz' und träume
Und will dich vergessen;
Das muß das Herz mir
Zusammenpressen.


Aus: Gedichte von Hermann Marggraff
Leipzig F. A. Brockhaus 1857 (S. 157)

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Der Liebe Sterben

Dir gegenüber im Fenster,
Da lieg' ich in trüber Ruh',
Und wein' und halte die Augen
Mit beiden Händen mir zu.

Hast du des Lichtes Flamme
Schon in sich selbst vergehn,
Und eh' sie starb, noch einmal
Aufglühn und leuchten gesehn?

So muß auch ich ersterben
In eigner Liebesglut.
Fragt nur das arme Flämmchen,
Wie weh solch' Sterben thut!

Aus: Gedichte von Hermann Marggraff
Leipzig F. A. Brockhaus 1857 (S. 158)

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Vögleins Tod

Ein kleines jung Waldvögelein
Flog irrend durch Gebüsch und Hain,
Mit bangem Flügelschlagen
Und lauten Liebesklagen.

Es flattert' ängstlich, klagt' und sang,
Bis ihm die kleine Brust zersprang;
Da ließ zu ihm sich wieder
Ein andrer Vogel nieder.

"O daß du mich so sehr geliebt!
Und daß ich dich so sehr betrübt!
Wärst du am Leben blieben,
Ich würde jetzt dich lieben."

Aus: Gedichte von Hermann Marggraff
Leipzig F. A. Brockhaus 1857 (S. 162)

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Im Postwagen

Es bläst der Schwager Postillion
Zum Thor hinaus mit lautem Ton:
Ade, mein feines Lieb! Ade!
Ich muß nun scheiden,
Und soll dich meiden -
Das thut mir tief im Herzen weh.

Mein liebstes Lieb! Mein schönstes Kind!
Ich bin so treu wie Alle sind;
Und bin ich erst zum Thor hinaus,
Dann ist die Liebe,
Ich und die Liebe,
Die Lieb' und ich nicht mehr zu Haus.

Die Beiden jetzt, mein gutes Kind,
Auf Wanderschaft begriffen sind,
Vor meiner Liebe hast du Ruh'.
Nun blas', o Schwager!
Herzlieber Schwager!
O blas' und fahre immer zu!

Aus: Gedichte von Hermann Marggraff
Leipzig F. A. Brockhaus 1857 (S. 164)

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Der Liebe Ausflug

Irrend suchen meine Schritte
Ein beglückendes Revier.
Tritt hervor aus deiner Hütte,
Liebchen, komm und folge mir!
Nicht an Hof und Herd gebunden
Setz' ich all' mein Wirken ein,
Denn der Friede will gefunden
Und das Glück erworben sein.

Und ein Plätzchen laß uns finden
An des Baches Blumenbord,
Unter Buchen oder Linden
Einen heimlich stillen Ort;
Oder, wenn in Wogenbetten
Unsre kleine Barke sinkt,
Uns ans Blumenufer retten,
Das uns grün entgegenwinkt!

Aus: Gedichte von Hermann Marggraff
Leipzig F. A. Brockhaus 1857 (S. 168)

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Zu Zweien

Komm, plaudre, liebe Kleine!
Die Aeltern gingen aus,
Wir sind so still alleine,
Es schläft das ganze Haus.

Laß auf mich niederleuchten
Die Augen blau und groß,
Und ringe mir vom Busen
Die bangen Schmerzen los!

Die Schmerzen, die ich trage
Um dich, du liebes Haupt,
Und eine Welt, die nicht mehr
An echte Treue glaubt.

Die Schmerzen, eingekerkert
Wie die Titanen wild!
Ein Jeder ist ein Riese
Und doch ein leidend Bild.

Komm, schmeichle sie, du Kleine,
Mit süßem Wort heraus;
Wir sind so still alleine,
Es schläft das ganze Haus.


Aus: Gedichte von Hermann Marggraff
Leipzig F. A. Brockhaus 1857 (S. 173-174)

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Die triumphierende Schönheit

Wo du wandelst, entsprießen frisch
Rosen, Violen.
Rosen kosen so buhlerisch,
Veilchen verstohlen
Schmiegen sich süße
An deiner Füße
Flüchtige Sohlen.

Wo du wandelst, da plaudern traut
Wellen im Borne,
Sprechen Töne mit leisem Laut,
Lieblich verworrne.
Aber in Fesseln
Schlägst du die Nesseln,
Schlägst du die Dorne.

Was mit Schönheit gezieret ist,
Was dir zu gleichen
Sich in prahlendem Stolz vermißt,
Dir muß es weichen;
Dir muß den Kranz es
Des Schönheitsglanzes
Demüthig reichen.

Aus: Gedichte von Hermann Marggraff
Leipzig F. A. Brockhaus 1857 (S. 175-176)

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Märchenlust

Und du sagst, du willst mir gut sein
Und das Herz sei dir so voll?
Sprich, ob ich auf meiner Hut sein
Oder dir vertrauen soll?
Jedem Schwur, den du erneuet,
Glaub' ich willig wie ein Kind,
Das an Märchen sich erfreuet,
Ob es gleich nur Märchen sind.

Ist man doch so froh und selig
In der dunkeln Fabelwelt,
Die mit leiser Macht allmälig
Uns gefangen nimmt und hält.
Du, die selbst im Zauberschimmer
Wie ein Märchen vor mir ruht,
Märchenkön'gin, fable immer:
Daß du mir so herzlich gut!


Aus: Gedichte von Hermann Marggraff
Leipzig F. A. Brockhaus 1857 (S. 177)

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Und dennoch denk' ich dein!

So weit, so weit von dir entfernt,
Und hier so ganz allein,
Und Berg' und Ströme zwischen uns -
Und dennoch denk' ich dein!

Selbst Abschied nahm ich nicht von dir,
Das fiel mir gar nicht ein;
Geflohn, gemieden, hab' ich dich -
Und dennoch denk' ich dein!

Mein Haß ist echt, die Liebe war
Nur eitler falscher Schein.
Vergessen, Süße, hab' ich dich -
Und dennoch denk' ich dein!

Aus: Gedichte von Hermann Marggraff
Leipzig F. A. Brockhaus 1857 (S. 178)

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An eine Gestorbene

Wie zärtlich du zu plaudern,
Wie süß zu küssen wußtest,
Zu eilen und zu zaudern -
Ach, daß du sterben mußtest!

Ach, daß wir sind gekommen
Um deiner Wangen Rose,
Um deine Augen, die frommen,
Um deiner Worte Gekose!

So süß quoll dein Gesichtlein
Aus Goldgelock und Häubchen,
Wie ein reifes goldenes Früchtlein,
Wie ein duftig würziges Träubchen!

Und deine jugendschlanke
Gestalt bog sich so wiegsam,
Als ob eine Lilie schwanke
Auf zartem Stengel biegsam.

Ob dich ein Hauch entrissen,
Ein Morgenstrahl verzehrte,
Weil nach so himmlischen Küssen
Der Himmel selbst begehrte?

Aus: Gedichte von Hermann Marggraff
Leipzig F. A. Brockhaus 1857 (S. 179-180)

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Wort und Kuß

Ja und Nein und Nein und Ja,
Dies ist deine Rede;
Kommen sich die Lippen nah,
Bist du nicht so blöde.
Zwanzig Worte hast du nicht,
Doch zehntausend Worte
Küssend deine Lippe spricht
Am gelegnen Orte.

Gleicht dies nicht der schwarzen Kunst,
So im Kuß zu sprechen?
Worte sind nur eitler Dunst,
Worte sind zu brechen.
Kuß allein ist Eidespflicht,
Kuß ist das Gewisse;
Küsse drum - und rede nicht,
Rede nur durch Küsse!

Durch das Plaudern geht die Zeit
Unbenutzt verloren.
Durch die That wird Ewigkeit
Schnell heraufbeschworen.
Kuß ist That - und handeln muß
Stets der Mensch im Leben,
Und er soll - drum Kuß auf Kuß! -
Alles wiedergeben!

Aus: Gedichte von Hermann Marggraff
Leipzig F. A. Brockhaus 1857 (S. 186-187)

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Natur und Liebe

Wenn in ihren eignen Tiefen
Liebe ahnungsvoll sich regt,
Träume, die im Busen schliefen,
Zu Gestalt und Bildung prägt,
Dann im seligen Empfinden
Trittst du erst in dich hinein,
Und die Pforte wirst du finden,
Die vom Scheine führt zum Sein.

Oeffne sie - und neues Leben,
Auferstandner! quillt um dich,
Und in halbverstandnem Beben
Oeffnen alle Pulse sich.
Und Natur, die du solange
Nur erfaßt als äußern Leib,
Wird dir nun, im geist'gen Drange,
Herz und Seele, Braut und Weib.

Und du schwelgst in ihrer Fülle,
Strömest ihren Strömen zu;
Wo sie braust, umfängt dich Stille,
Wo sie still ist, brausest du!
Geisterantwort gibt die Höhle,
Gottes Stimme weht im Strauch.
Was nur Farbe war, wird Seele,
Was nur Duft, wird Lebenshauch!


Aus: Gedichte von Hermann Marggraff
Leipzig F. A. Brockhaus 1857 (S. 188-189)

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Wein und Schönheit

Kommt je mein Herz aufs Trockne,
So greif' ich frisch zum Wein
Und will beim Becherfüllen
Mein eigner Schenke sein.

Herbei, ihr zarten Geister
Des Weins, so neckisch toll,
Der seligsten Gedanken
Und muntern Possen voll!

Kommt je mein Herz aufs Trockne,
Dann, Liebste, nahe mild,
Du Becher aller Schönheit,
Der voll vom Leben quillt!

Und lehre mich, wie Eintracht
Der Glieder Zeit und Welt
Gesetzlich, ebenmäßig
Und stark zusammenhält!

So sprüht aus jungen Gliedern
Die ältste Harmonie,
Und aus dem ältsten Weine
Die junge Poesie!


Aus: Gedichte von Hermann Marggraff
Leipzig F. A. Brockhaus 1857 (S. 192-193)

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Leben im Tod der Liebe

Nur einmal noch dich sehen
In deiner Glieder Pracht -
Und dann in Lust vergehen
Vor deiner Schönheit Macht -
Ein Nebelrauch, verflogen
In reiner Lüfte Flut,
Ein Tropfen, aufgesogen
Von heißer Sonnenglut:

O wollustreich Ergeben,
Verlust und doch Gewinn!
O Tod, so voll von Leben,
O Ende voll Beginn!
O Seligkeit voll Schmerzen,
O Lust so voller Pein,
Will Herz dem zweiten Herzen
So Sarg und Wiege sein!

Aus: Gedichte von Hermann Marggraff
Leipzig F. A. Brockhaus 1857 (S. 194)

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Liebesursach

"Sprich, kannst du mir, du süßes Kind,
Recht gründlich sagen,
Warum du mich im Herzen schon
So lang' getragen,
So lang', so lang' - und trägst mich noch
In deinem Herzen,
So tief, so tief - das könnte mich
Beinahe schmerzen.

Ich bin nicht schön, nicht allzu jung
Und nur ein Dichter."
Da ward verklärter ihre Stirn,
Ihr Auge lichter;
Da sprach sie, als ob weiter nichts
Zu sprechen bliebe:
"Ich liebe dich, ich liebe dich,
Weil ich dich liebe!"


Aus: Gedichte von Hermann Marggraff
Leipzig F. A. Brockhaus 1857 (S. 193)

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Grabesliebe

Es rauscht der Falke ernst und trüb',
Er bringt gar blutige Kunde:
"Erschlagen ist dein feines Lieb,
O Ritter Siegismunde!"

""Wer mein fein's Lieb getödtet hat,
Treu Falk! sollst du mir sagen.""
"Dein Nebenbuhler Ulrich hat
Die süße Maid erschlagen."

Der Ritter, über Land und Meer,
Zur Heimath will er eilen,
Der Falke fliegt danebenher,
Sie woll'n nicht rasten noch weilen.

Und auf das Grab der Liebsten schwang
Der Falke sein Gefieder;
Und auf ihr Grab, von Ahnung bang,
Ließ sich der Ritter nieder.

Und als er schwur und als er rief:
Blut soll mit Blut sich rächen!
Da hört' er's aus dem Grabe, tief
Und doch vernehmlich, sprechen.

O Ritter Siegismunde heiß!
Laß, wer da lebet, leben!
Du bist so warm, ich kalt wie Eis,
Komm! - will dir Kühlung geben.

Da zog's am Hermeline sein,
Er konnt' ihn nicht mehr halten,
Das Grab sinkt ein, er sinkt hinein,
Und kühlt sich an der Kalten.

Aus: Gedichte von Rudolf und Hermann Marggraff
Zerbst 1830 Gedruckt und in Commission
bei Gustav Adolph Kummer (S. 219-220)

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Auf dem Wasser

Das Schifflein geht hernieder,
Hernieder und herauf,
Ein Jüngling und ein Mägdlein,
Die sitzen still darauf.

Sie sind getrennt gewesen
Gar eine lange Zeit,
Da hat sich einem Andern
Verlobt die holde Maid.

Drauf aber ist im Herzen
Erwacht die Liebe neu,
Die alte große Liebe
Mit ihrer großen Treu.

Sie sitzen starr unheimlich,
Sie sitzen ernstgemuth,
Sie schweigen beide seltsam;
Eins wie das And're thut.

Dem Jüngling glänzen Thränen
Im halb erstorb'nen Blick,
Und weinend schlägt das Mägdlein
Ihr schönes Haupt zurück.

Sie schaut hinauf zum Himmel,
Zu Mutter Marie sie fleht,
Der Jüngling betet leise;
Das war ein fromm Gebet.

Und ob zuletzt die beiden
Gestürzt sich in die See,
Ein And'rer mag es künden;
Mir bricht das Herz vor Weh.

Aus: Gedichte von Rudolf und Hermann Marggraff
Zerbst 1830 Gedruckt und in Commission
bei Gustav Adolph Kummer (S. 220-221)

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Frühlingsliebe

Lenz umfängt die junge Erde
Mit der Liebe Lustgebärde;
Neigt sich nach der Liebe Weise
Zierlich leicht und flüstert leise,
Flüstert leis' im lauen Hauche
Stiller Winde,
Linde, linde,
Nach der Liebe heil'gem Brauche.

Schreibt mit gold'ner Blumenletter,
Schreibt auf zart gewirkte Blätter,
Schreibt an still geheimem Orte
Wundersame Liebesworte,
Offenbart der Blütenwesen
Urgeheimniß
Ohne Säumniß, -
Blumenräthsel, süß zu lösen.

Und im Tonfluß lebt die Liebe,
In Gesängen, hell und trübe,
Steigt im Springquell flüß'ger Lieder,
Steigt empor und senkt sich wieder,
Muß im höchsten Lustbeglücken
Wanken, sterben,
Tod erwecken,
Uns im Tode noch entzücken.

Diesem heißen Liebessegen
Schwillt die Erde rasch entgegen,
Will den Frühling an sich pressen,
Sich in sich und ihm vergessen.
Sieh! da muß der Lenz verbluten
In der Liebe
Lustgetriebe
Mit der Rosen letzten Gluthen.

Aus: Gedichte von Rudolf und Hermann Marggraff
Zerbst 1830 Gedruckt und in Commission
bei Gustav Adolph Kummer (S. 276-277)

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Das Herz und seine Bewohner

Wer kennt des Herzens Tiefen? -
Das ist der böse Schmerz,
Der hat sich eingegraben
Tief innerst in mein Herz;

Der kennt des Herzens Tiefen,
Der hat erforscht genau
Das Labyrinth der Gänge
Im kleinen Wunderbau.

Es ist zu stolz zum Weinen,
Zu trotzig wunderlich,
Es hat wie ich so wenig
Gelernt, zu beugen sich.

Und kehrt nach langer Reise
Die Freud' im Herzen ein,
So wird sie, eh' man's dachte,
Daraus verschwunden sein.

Und senkt aus langer Weile
Die Liebe sich in's Herz,
So muß sie weinend fliehen
Vor übergroßem Schmerz.

Das ist ein ewig Wandern,
Wie Ebb' und Fluth zur See,
Doch lauert stets im Grunde
Ein namenloses Weh.

Aus: Gedichte von Rudolf und Hermann Marggraff
Zerbst 1830 Gedruckt und in Commission
bei Gustav Adolph Kummer (S. 281-282)

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Vög'leins Rückkehr

Nach schönen Ländern
Zog ich hinaus,
Nun kehr' ich wieder
Zum alten Haus,
Zu meinem warmen
Geliebten Nest,
Aus Blütenstengeln
Gewoben fest.
Hab' in der Ferne
Gar manches geseh'n,
Doch mochte die Liebe
Nicht mit mir gehn.
Der Schmerz der folgte
Zur Fremde mir,
Und Trauer fand ich
So dort wie hier.
Ach! meine Liebe
Die hier zu Land
Sich mir gesellet,
Die Lieb' entschwand.
Da drunten ruhet
Die Leiche klein,
Das süße Liebchen
Im Frühlingshain.
Nun will ich versingen
Den großen Schmerz,
Vor Sanglust zittert
Das kleine Herz: -
"Die Lieb' ist vorüber,
Der Winter vorbei,
Das Herz gealtert,
Lenzheit're neu!" -
Doch still, du süße
Gesangesnacht,
Daß nicht die Liebste
Im Grab' erwacht.

Aus: Gedichte von Rudolf und Hermann Marggraff
Zerbst 1830 Gedruckt und in Commission
bei Gustav Adolph Kummer (S. 282-283)

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Der Liebe Sterbelied

Dir gegenüber im Fenster,
Da lieg' ich in trüber Ruh,
Und wein' und halte die Augen
Mit beiden Händen mir zu.

Und blick' ich auf, dann dränget
Der ganze Liebesschmerz
Sich in die off'nen Augen
Empor aus Brust und Herz.

Hast du des Lichtes Flamme
Schon in sich selbst vergeh'n,
Und eh' sie starb, noch einmal
Aufglüh'n und leuchten geseh'n?

So muß auch ich ersterben
In eig'ner Liebesgluth;
Fragt nur das arme Flämmchen
Wie weh solch Sterben thut!

Aus: Gedichte von Rudolf und Hermann Marggraff
Zerbst 1830 Gedruckt und in Commission
bei Gustav Adolph Kummer (S. 289-290)

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Doppelhimmel

O wie reich bist du gestaltet,
Du mein Himmel im Gemüth!
Du mein süßer Liebeshimmel,
Welcher ewig mit mir zieht!
Mit dem Himmel meiner Lieder
Geh' ich einst zum Himmel ein;
Wenn zwei Himmel sich vereinen,
Welch ein Himmel muß das sein!


Aus: Gedichte von Rudolf und Hermann Marggraff
Zerbst 1830 Gedruckt und in Commission
bei Gustav Adolph Kummer (S. 306)

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Morgenlied

Liebchen! Frühlingslispel wehn
In den Thälern, auf den Höh'n!
Thal und Höhe schallt von linden
Düftenreichen Morgenwinden;
Tausend Lüftchen regen sich,
Tausend Lüftchen rufen dich.

An dem Felsen Wiederklang!
In den Lüften Vögelsang!
Wiederklang in Felsenklüften,
Vögelsang in blauen Lüften,
Und die laute Well' im Bach
Rufen dich vom Schlummer wach.

Wie die Blume offen sein
Deinen Blick dem Sonnenschein!
Lausch' empor! - mit zärtlich leisen,
Süßen Aeolsharfenweisen
Ruft der treue Sänger dich. -
Liebchen! Liebchen! höre mich!

Aus: Gedichte von Rudolf und Hermann Marggraff
Zerbst 1830 Gedruckt und in Commission
bei Gustav Adolph Kummer (S. 306)

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Die Braut in Arabien

In Arabien hab' ich ein Liebchen,
Das hätte wohl Niemand gedacht. -
Oft hab' ich mir im Traume
Ein Bild von ihr gemacht.

Auch hab' ich sie besungen
An einem langweiligen Tag;
Doch wird es mir Keiner verdenken,
Wenn ich sie sehen mag.

Die Leut' in Arabien lieben
Ein hochstolzierendes Roß,
Drum putzt' ich mir einen Klepper,
Und jagte vor Liebchens Schloß.

Da streichelte sie mein Pferdchen;
Ich sprach: Meine liebe Madam!
So küssen Sie doch den Verlobten,
Der deshalb nach Arabien kam!


Aus: Gedichte von Rudolf und Hermann Marggraff
Zerbst 1830 Gedruckt und in Commission
bei Gustav Adolph Kummer (S. 309-310)

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Amors Geschütz

Dem Spieße wehrt die Rüstung,
Die uns're Brust umhüllt,
Den Pfeilen Schien' und Brüstung,
Dem Schwerte Helm und Schild;

Doch ach! vor Ueberlistung,
Die Amors Köcher füllt,
Wahrt Brustwehr nicht und Rüstung,
Nicht Schiene, Helm und Schild.

Aus: Gedichte von Rudolf und Hermann Marggraff
Zerbst 1830 Gedruckt und in Commission
bei Gustav Adolph Kummer (S. 310-311)

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Stumme Liebe

Es haben die Brünetten und Blondinen
Gesprochen viel von Lieb' und Liebestriebe,
Doch nie gewagt zu handeln in dem kühnen
Gefahrenspiel der königlichen Liebe.

Die kleine Schwarze sprach kein einz'ges Wörtchen,
Sie saß verstummt in stillem Liebeshoffen;
Spät Abends kam ich, und das Gartenpförtchen
Und Herz der kleinen Schwarzen stand mir offen.

Aus: Gedichte von Rudolf und Hermann Marggraff
Zerbst 1830 Gedruckt und in Commission
bei Gustav Adolph Kummer (S. 312)

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Im Postwagen

Es bläst der Schwager Postillion
Zum Thor hinaus mit lautem Ton;
Ade! mein feines Lieb! Ade!
Ich muß nun scheiden,
Und soll dich meiden -
Das thut mir tief im Herzen weh.

Mein liebstes Lieb! mein schönstes Kind!
Ich bin so treu, wie Alle sind;
Und bin ich erst zum Thor hinaus,
Dann ist die Liebe,
Ich und die Liebe,
Die Lieb' und ich nicht mehr zu Haus.

Die Beiden jetzt, mein gutes Kind!
Auf Wanderschaft begriffen sind.
Vor meiner Liebe hast du Ruh.
Nun blas', o Schwager!
Herzlieber Schwager!
O blas' und fahre immer zu!


Aus: Gedichte von Rudolf und Hermann Marggraff
Zerbst 1830 Gedruckt und in Commission
bei Gustav Adolph Kummer (S. 312-313)

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Der Liebe Ausflug

Irrend suchen meine Schritte
Ein beglückendes Revier;
Tritt hervor aus deiner Hütte,
Liebchen, komm' und folge mir!
Nicht an Hof und Heerd gebunden
Setz' ich all mein Wirken ein;
Denn der Friede will gefunden
Und das Glück erworben sein.

Und ein Plätzchen laß uns finden
An des Baches Blumenbord,
Unter Buchen oder Linden
Einen heimlichstillen Ort;
Oder, wenn in Wogenbetten
Unsre kleine Barke sinkt,
Uns an's Blumenufer retten,
Das uns grün entgegenwinkt!


Aus: Gedichte von Rudolf und Hermann Marggraff
Zerbst 1830 Gedruckt und in Commission
bei Gustav Adolph Kummer (S. 316)

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Lied von der Liebe

Liebe nahverwandter Wesen,
Die des ersten Engels Hand
Für einander auserlesen,
Höchste Wahl und schönstes Band!
Nur den Trieben glückt, den blinden,
Deine Seelenharmonie!
Wer dich nicht sucht, wird dich finden,
Wer dich suchte, fand dich nie.

Wie auf öden Felsenwegen
Uns ein Blümelein entzückt,
Wird der Pilger von dem Segen
Zarter Liebe angeblickt.
Und nun schatte, kühle Laube!
Und nun wehe, Frühlingsluft!
Und nun girre, Turteltaube!
Säus'le purpurn Rosenduft!

Aus: Gedichte von Rudolf und Hermann Marggraff
Zerbst 1830 Gedruckt und in Commission
bei Gustav Adolph Kummer (S. 317)

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Liebesleben

Lustverein! Lustverein!
Liebchens Aug' und Sonnenschein!
Strahlenfluthen,
Lichte Gluthen
Durch den Hain!

Durch den Hain wallt allein
Liebchen hold und wunderfein;
Möchte gerne,
Stern der Sterne,
Bei dir sein.

Liebesmacht, Sehnsuchtsmacht
Harret auf des Mondes Pracht;
Denn die Liebe
Liebt die trübe
Mondscheinnacht!

Lustverein! Lustverein!
Liebchens Aug' und Mondenschein!
Dämmernd Weben
Liebesleben
Tief im Hain!

Aus: Gedichte von Rudolf und Hermann Marggraff
Zerbst 1830 Gedruckt und in Commission
bei Gustav Adolph Kummer (S. 318-319)

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Minnelied

Und will für mich, und will für mich
Dein Busen liebend schlagen,
So werd' ich dich, so werd' ich dich
In meinem Herzen tragen.
Mein Herz, unendlich tief und weit,
Ist eine Welt von Thränen,
Von Leid und Lust, und Lust und Leid,
Von Lieb' und Liebessehnen.
Dein bin ich und war ich
Und werd' ich sein,
Und warst du die meine,
So bleibe mein!

Der Blumen schön, der Blumen süß
In meinem Lebensgarten,
Sollst du, als wär's im Paradies,
Mit frommen Händen warten.
Und wird nach zarter Liebe Weis'
Eins treu dem Andern bleiben,
So soll das frische Liebesreis
Willkomm'ne Früchte treiben.
Dein bin ich und war ich
Und werd' ich sein,
Und warst du die meine,
So bleibe mein!


Aus: Gedichte von Rudolf und Hermann Marggraff
Zerbst 1830 Gedruckt und in Commission
bei Gustav Adolph Kummer (S. 323-324)

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Biographie:

https://de.wikipedia.org/wiki/Hermann_Marggraff



 

 


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