Rudolf Marggraff (1805-1880) - Liebesgedichte

 



Rudolf Marggraff
(1805-1880)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 





Der Wunderbaum

In einem Lande blüht ein Baum,
Er ist der Baum der Lieder;
In seiner Zweige weitem Raum
Da tönt es lieblich wieder.

Das Land ist gar ein heilig Land,
Es ist das Land der Herzen;
Sein Eigenthum, sein schönstes Pfand,
Das sind der Liebe Schmerzen.

Die Liebe schwellt, die Liebe keimt,
Es ist ein seltsam Treiben;
Es regt sich wunderbar, es säumt: -
Verschlossen mag's nicht bleiben.

O wundersamer Blumenflor!
O düftereiche Blüten!
Und Blümlein sprießt an Blümlein vor,
Wie wenn viel Sonnen glühten.

O wundersames Blütenheer!
O wundersam Umfangen!
Sie schauen sich je mehr und mehr
Und fühlen süßes Bangen.

Und wie durch holdes Zauberwort
Hängt Blüt' am Blütensprossen!
Zum Baume wölben fort und fort
Sich Blüt' und Blütgenossen.

Das ist der Liebe heil'ger Baum,
Das ist der Baum der Lieder.
Aus seiner Blüten weitem Raum
Tönt's: "Lieb' um Liebe!" wieder. (S. 11)
_____



Flammentod

Ew'ges Mutterland der Schmerzen,
Todesflur der höchsten Liebe,
Erdenrund, so kalt und trübe,
Grab viel liebbeweinter Herzen.

In das Freudenthal der Erden
Ward ein großer Schmerz gesendet,
Der sich dann nur segnend endet,
Wenn wir Staub und Asche werden.

Großer Gott viel großer Welten
Stieg ins Menschenherz hernieder,
Da umtönen Trauerlieder
Großen Gott viel großer Welten.

Seine Liebe ist umschlossen
Von des Leibes enger Hülle;
Heil'ger Liebe reinste Fülle
Muß auf Erden ärmlich sprossen.

Doch unendlich ist das Sehnen,
Das der Gott im Menschen fühlet;
Was im Herzen drängend wühlet,
Löst sich auf in heil'ge Thränen.

Meinen Himmel seh' ich drüben
In der Freiheit hellem Lichte,
Was ich sinne, was ich dichte,
Fühl' ich an der Erd' zerstieben.

Liebend blick' ich in die Ferne,
Liebend her zum eignen Herzen,
Liebe glüh'n des Himmels Kerzen,
Liebe dort der Blüten Sterne.

Liebe blüht und Liebe bindet
Herz dem Herzen, treu ergeben,
Auch im Liede schäumet Leben,
Wer nur will, wohl Freuden findet.

Was ich suchte, ist gefunden!
Liebe wand die Friedenspalme,
Fried' entblüht nun jedem Halme,
Liebend nur kann ich gesunden!

Aus des Todes Opferflammen
Steigt der Liebe Wunderleben,
Was die Erde mir gegeben,
Welkend sinkt's im Tod zusammen. (S. 17-18)
_____



Das Geheimniß des Kusses

Wenn so Aug' in's Auge schauet,
Wenn so Lipp' an Lipp' sich schmieget,
Wenn so Brust an Brust sich wieget,
Himmel dann auf Erden thauet;

Seele sich mit Seel' vermählet,
Geist sich dann im Geiste spiegelt,
Stumme Rede dann besiegelt
Liebe, die das Herz erwählet.

Ird'sche Farben dann verschwinden,
Ird'sche Töne dann verklingen,
Geist und Leib entfesselt ringen,
Bis sich Geist und Geist verbinden.

Ein Gedanke dann nur waltet,
Ein Gefühl sich dann nur reget,
Eine Wonne Beide träget,
Heil'ges Schweigen Beid' umfaltet.

Sehnsucht kann nicht ganz sich stillen,
Irdisch ist der Leib gebunden,
Was sich einte, fühlet Wunden,
Thränen d'rum dem Aug' entquillen. (S. 20)
_____



Blumenneid

Ein Jüngling ging im Garten
Mit seinem Liebchen umher,
Sie redeten nur wenig,
Und dachten desto mehr.

Die purpurrothen Rosen
Sah'n neidisch dem Liebchen nach,
Und kicherten und lauschten,
Sie seufzt' manch tiefes Ach!

Ihm wurde gar unbehaglich,
Es schwand ihm aller Muth;
Vor Neid ergelbten die Blumen,
Bleich ward ihr Purpurblut.

Da ging mit seinem Liebchen
Der Jüngling zum Garten hinaus;
Sie sah'n sich an herzinnig,
Und blieben still zu Haus. (S. 20-21)
_____



Die glückliche Reise

Auf ferner fremder Heide geht
Ein Wandersmann allein,
Der Sturm in seinen Locken weht,
Das wollt' ihn schier erfreun.

Er pflückte Blumen an dem Pfad
Und warf sie wieder hin;
Und weder Blüte, weder Blatt
Erfreute seinen Sinn.

Da sah er in der Ferne stehn
Ein Hüttchen, nett und klein,
Darüber eine Linde wehn
Und Lüfte, duftigrein.

Und eine Jungfrau fichtenschlank
Stand unterm Lindenbaum,
Und lilienweiß die zarte Wang', -
Es schien ihm fast ein Traum.

Da wurde ihm ganz wundersam,
Es hob sich seine Brust,
Der alte, trübe Sorgengram,
Wich nie gefühlter Lust.

Die Jungfrau war sein Augenmerk,
Es wandt' den Blick nicht ab,
Er flog hinab den steilen Berg
Auch ohne Wanderstab.

Und als er kam zur Jungfrau hin,
Sahn sie sich beide an;
Die Jungfrau kannte, wie es schien,
Schon längst den Wandersmann.

Sie sah'n sich an gar lange Zeit,
Es pochte laut ihr Herz;
Darin erhob sich arger Streit
Von Liebe, Lust und Schmerz.

Da hielten sie sich länger nicht,
Sie lagen sich im Arm;
Und Mund an Mund geschlossen dicht
Und Brust an Brust so warm! -

Fand er nun Blumen an dem Pfad,
So warf er sie nicht hin,
Und jede Blüte, jedes Blatt
Erfreute seinen Sinn. (S. 28-29)
_____



Der Westwind und die Rose

Im Blumenbeete
Stand eine Rose,
Sie wollte duften,
Und konnte nicht.

Da nahte leise,
Auf Blumensocken,
Der laue Westwind
Und sprach zu ihr:

"Was fehlt dir, Blüte,
Dir zartgewebten,
Ein holdes Zeichen
Den Liebenden?

Was seh' ich glänzen
An deinem Auge?
Du hast geweinet,
Gesteh' es nur!"

""Wend' deine Blicke!
In Scham und Trauer
Sonst welk' ich, neigend
Vor dir mich, hin.""

"Verzeih' den Bitten
Des Mitleidvollen,
Wer liebt' je heißer,
Als ich und du?

Hat dich am Abend,
Als unserm Kosen
Die Vögel lauschten,
Ein Wort verletzt?

O Blümlein, sag es,
Sei nicht verschwiegen,
Und klag' den Kummer
Dem Liebenden.

Nicht ruh'n und rasten
Will ich, zu dienen
In Lieb' und Treue
Dir, Blumenkind."

""Geliebter, laß mich!
Dein zartes Lieben
Hat nicht beleidigt
Mir das Gefühl!

Als du geschieden,
Bewegte drohend
Ein Traum die Schwingen,
Die schwarzen, um mich:

Ich blühte fröhlich
Im Sonnenlichte,
Du wehtest liebend
Mir Kühlung zu.

Da kam es fernher
Wie Sturmwindsrauschen;
Du sankst getroffen
In blassen Tod.

O laß mich schweigen!
Denn neue Thränen
Perl'n aus dem Auge,
Wie in dem Traum!""

"O, reine Blume,
Ist das die Ursach
Von deinen Zähren
Im Morgenstrahl?

Im Traume weinen
Bedeutet Freude,
O laß zerrinnen
Den Schmerzensthau!

O laß den Kummer,
Eil' zu dem Herzen,
Es spricht ganz anders
Die Gegenwart!" (S. 32-34)
_____



Lappländers Lied

Durch Schneegestöber und eisigen Wind,
Ueber die öden Felder geschwind,
Hinstürmt das Rennthier, o Rennthier halt!
Dein Hufschlag mir so lieblich schallt!
O halt, o halt!

Dein Auge blinkt durch die Nebelnacht,
So hell flammt nicht des Nordlichts Pracht;
Es flimmert gewaltig und täuscht auch sehr
Das Nordlicht mit seinem Feuermeer,
Wohl täuscht es sehr.

Dein Auge flammt wie der Liebsten Blick!
Hinweg meine Wonne, hinweg mein Glück!
Im Busen brennt's, da draußen ist's kalt,
Im Busen stürmt's, es stürmt im Wald,
Da draußen ist's kalt!

In deinen Augen hold Liebeslicht!
Zum Walde folg' ich, zum Walde dicht,
Dem Schnee entscharr' ich das grüne Moos,
Dir leg' ich liebend auf deinen Schoos
Das grüne Moos.

Wer will denn scheiden das treue Paar?
An dein Geweih knüpf' ich mein Haar,
Deiner Füße Geräusch verräth dich mir,
Deiner Füße Spuren im Schneerevier
Verrathen dich mir.

O Rennthier halt, o Rennthier halt!
Auch du entflieh'st zum fernen Wald?
Treulos verlassen, ach! hier und dort,
Es schneit und stürmet fort und fort,
Ach hier wie dort! (S. 34-35)
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An eine Rose, die Sie im Gürtel trug
am 13ten Juli

Du wundersüße Rose,
Wär' ich an Deiner Stelle,
Dann dürft' ich staunend horchen
An Liebchens Herzenszelle.

Die heimlichen Gedanken
Der zarten Liebeskammer,
Die dürft' ich dann belauschen, -
O mir vielleicht zum Jammer!

Welch liebliches Gewirre,
Welch heiteres Gedränge!
Von Liebe, Lust und Scherzen
Welch zauberische Menge!

Ich würde schweigend lauschen,
Und rühren nicht ein Blättchen,
Doch haucht' ich Wohlgerüche
Vom warmen Busenbettchen.

Wenn sanft ihr Herzchen pochte,
Gern würd' ich es ertragen,
Und wenn ich es vermöchte,
Stillliebend wiederschlagen.

Darf Liebe sich nicht melden,
Dann führt sie zum Verderben,
Drum werd' ich liebeglühend
An ihrem Busen sterben.

Dann will ich noch mit Düften
Das liebe Mädchen küssen,
Bis sie mich sonder Zagen
Zertritt mit ihren Füßen. (S. 37)
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Als die Rose welkte

Du zarte Rosenblüte,
Wie bist du zu beneiden,
Du darfst an ihrem Herze
Den sanften Tod erleiden.

Ich weile in der Ferne
Und möcht' wie du vergehen,
Doch, wie ich liebend klage,
Ich bleib' verlassen stehen.

Du welke Rosenblüte,
Es zittern deine Glieder,
Du neigest deine Krone,
Und fällst zur Erde nieder.

Du süße Rosenblüte,
Komm' her zu meinem Herzen,
Ich hege dich nun heimlich
Mit liebeheißen Schmerzen.

Sie soll es nimmer wissen,
Wer von dem Tod gerettet
Dich, welke Rosenblüte,
Und dich so warm gebettet.

An meinem wunden Herzen
Will ich dich fürder tragen,
Dann magst du mir vom Liebchen
Ach! recht viel Liebes sagen. (S. 38)
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Der Abschied
Am 14ten Juli

Die Lippe sprach mit kaltem Wort,
Das Aug' mit flücht'gem Blick,
Ich reiste in die Ferne fort,
Mein Leben blieb zurück.

Zu sagen hatt' ich ach! so viel,
Und durft' es nicht gestehn!
Es war fürwahr kein leichtes Spiel,
Ich wollte schier vergehn.

Und nähm' ich Abschied noch einmal,
Ich blieb' nicht kalt und still,
Ich sagte meine Herzensqual,
Und was ich sonst noch will.

Und lächelt sie ob meiner Pein,
So weiß ich, was das soll,
Ich renne in die Welt hinein,
Von Jammer übervoll.

Dann sing' ich auch kein Liedchen mehr
Zu meiner Schönsten Ruhm;
Zu leben trüg' ich kein Begehr,
Ich blieb' für immer stumm.

Was ist der Liebe sanft Gefühl,
Wenn Gegenliebe fehlt?
Es ist ein Leben ohne Ziel,
Das nur nach Thränen zählt. (S. 39)
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Der Liebe Unterthänigkeit

O zärtliches Umfangen
Von deinem Liebesarm;
Gefangen und gehangen
Ist nun mein böser Harm.

O wonniglich Empfinden
An deiner heißen Brust,
Umschließe mich, den Blinden,
Mit deiner Liebeslust.

O seliges Vergessen
Von allem Leid und Glück!
Verwegen und vermessen
Empfang' ich mein Geschick.

Mein Wachen und mein Träumen,
Mein Aug' und Dichtermund,
Aus allen Seelenräumen,
Thut dich, du Holde, kund.

Mein Klagen, mein Entzücken,
Mein Hoffen, wie mein Schmerz,
Mein Hassen, mein Beglücken,
Dein ist mein ganzes Herz! (S. 47-48)
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Die Schneeflocke

Ein Sternlein fiel vom Himmel her, -
Wie weit es geflogen, wer sagt es denn, wer? -
Es zitterte sehr, und es fürchtete sich;
Schneesternelein, was scheuest du dich?

"Die Sehnsucht treibt mich herab zu dir,
Auf deiner Lippe ist warmes Quartier!"
O Sternelein, was zögerst du?
O eile, o eile den Lippen zu!

Du heiliger, kühlender Liebesschein,
Du lilienweißes Sternelein!
Du strebest hernieder zu gleichem Herz!
Komm', komm' nur, mich bindet ja gleicher Schmerz!

Schon nahst du der Lippe zum Liebeskuß!
O komm' und empfange den Gegengruß!
Mein Sternlein, so schnell du zerronnen bist?
Die Liebe ach! währte nur kurze Frist. (S. 48)
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An den Nachtwind

Nachtwind, nimm mir meine Thränen,
Nimm des Herzens tiefen Gruß,
Nimm mein liebesüßes Sehnen,
Nimm der welken Lippen Kuß.

Mit den thränenreichen Schmerzen,
Mit dem liebeheißen Sinn,
Wenn erbleicht des Himmels Kerzen,
Schwebe zu dem Liebchen hin.

Hauch' ihr ein mein stilles Sehnen,
Tön' ihr zu des Herzens Gruß,
Thau' auf sie der Augen Thränen,
Weh' ihr zu der Lippen Kuß! (S. 48-49)
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Meine Treue

Ich halt' dich fest mit meinem starken Arm,
Mit dir, du Lieb, in Ein Gefühl verwoben,
Dein treues Herz, wie schlägt es liebend warm.
Ich wähne mich im lichten Himmel droben.

Ich halt' dich fest mit meiner ganzen Kraft,
Mit meines Herzens ungetheiltem Lieben,
Was seelenvolles Denken in mir schafft,
Zu dir, mein Leben, wird es hingetrieben.

Ich halt' dich fest mit des Gedankens Gluth,
Mit himmelfestem, tiefempfundnem Frieden,
Des Lebens Lust, des Herzens starker Muth
Von meiner Liebe sind sie ungeschieden. (S. 49)
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Frühlingsliebe

Liebchen fragte mich mit scheuem Ton:
"Wird denn nie am heil'gen Weihaltare
Mir der Priester meine Myrtenkron'
Flechten in die dunkelbraunen Haare?"

Treues Lieb, jetzt ist die Frühlingszeit,
Wo im frischen Glanz die Blumen prangen,
Möcht' dich wohl, du frühlingsheitre Maid,
Immer nur als Frühlingsblüt' umfangen. (S. 49-50)
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Abschiedsgruß

Ade, ade, Geliebte mein,
Ade, du Blumenkron'!
Ich werd' dir nimmer lästig sein,
Ich ziehe weit davon;

Ich ziehe fort ins fremde Land,
So weit die Sterne glüh'n;
Die Blume, die mich hier gebannt,
Wird dort mir nimmer blüh'n.

Da ist's so kalt, da ist's so leer,
Kein Herzschlag wärmet dort,
Kein lieber Stern erglänzt da mehr, -
Dorthin soll ich nun fort!

Da zieh' ich hin, die Augen naß,
Das Herz beengt und kalt,
Die Wangen welk und todtenblaß,
Als würd' ich sterben bald.

Du hörtest nie auf meinen Gruß,
Sahst nur seitab mich an;
Das ist's, warum ich wandern muß
Die weite, öde Bahn.

Ade, ade, Geliebte mein,
Ade, mein Schatz, ade!
Zerbrich, zerbrich, lieb Ringelein!
Wie ist um's Herz mir weh! (S. 51-52)
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Sonnenfinsterniß

Dort oben die Sonne funkelt,
Hier unten die Blumen blühn;
In meinem Herzen es dunkelt,
Viel Wolken darüber ziehn.

Nun möcht' ich von Herzen wissen,
Für wen die Sonne scheint?
Wen ihre Strahlen küssen,
Hat der sich ausgeweint?

Für mich nicht funkelt die Sonne,
Für mich nicht Blumen blühn;
Du heil'ge Liebeswonne,
Willst du denn ganz verglühn? (S. 53)
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Die Blume und der Westwind

Ueber Blüten schwebet
Der Westwind hin,
In Blüten webet
Der Liebe Sinn.

Da schläft und träumet
Ein Blümelein;
Der Westwind säumet
Im fernen Hain.

Es träumet von Liebe
Und Liebesgluth,
Die nicht zerstiebe
Wie Wasserfluth.

Zum Blüm'lein wendet
Der Westwind sich:
"Wer hat gesendet
Zum Blüm'lein dich?"

Er sieht betroffen
Das Blüm'lein stehn
Und zartes Hoffen
Darüber wehn.

Da küßt er leise
Den Blütenstaub,
Zieht Düftekreise
Mit seinem Raub.

Das Blüm'lein fühlet
Des Kusses Glühn,
Das Traumbild spielet
Verrinnend hin.

Die Sehnsucht spaltet
Das Düftehaus,
Die Liebe faltet
Die Blätter aus.

O Liebessehnen,
O Liebesglühn,
Der Sehnsucht Thränen
Zu Thau erblühn.

Das Blüm'lein träumet
Von Lust und Schmerz,
Von Liebe schäumet
Sein volles Herz.

Der Westwind klaget
In weiter Fern',
Es weint und zaget
Der Blumenstern.

Das Blüm'lein schließet
Die Blätter still,
Inmitten sprießet
Der Liebe Füll';

Es neiget weinend
Zur Erde sich,
Je matter scheinend,
Bis es erblich.

Der Westwind schwebet
Zurück die Bahn,
Im Staube webet
Der Liebeswahn. (S. 53-55)
_____



Als die Blume welken wollte

Könnt' ich dich doch noch halten
Mit deinem Farbenschein,
Du schaust mit düsterkalten
Verblich'nen Aeugelein.

Geh hin, du süße Blume,
Wie hatt' ich dich so gern,
In deinem Heiligthume
Lag meines Lebens Kern.

Willst du nicht, Blüm'lein, weilen,
Du meine Liebeslust?
Wer konnte mir noch heilen
Die wunde, heiße Brust?

Geh' hin mit deiner Liebe!
Du liebtest niemals mich!
Verschmähst du meine Triebe,
Mein Herz ist doch für dich!

Der Frühling und die Blüten,
Der Liebe Farbenglanz,
Sie keimten und verglühten, -
Mein Herz, o bleibe ganz! (S. 55-56)
_____



Seufzer

Fragt mich nicht, woher die Trübe
Meiner kranken, öden Brust,
Fragt mich nur, wo meine Liebe,
Wo des Herzens süße Lust!

Fragt mich nicht! die schönsten Blüten
Meines Lebens sind dahin.
Niemand kann sie mir vergüten,
Ewig traurig ist mein Sinn.

Von des Frühlings Blütenerde
Floh der Sonne Lebensschein,
Auf des Herzens Hoffnungsheerde
Brannte meine Liebe ein. (S. 56)
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Schiffers Abschiedslied

Muntern, lust'gen Sonnenschein,
Helles Freudenleben,
Hast du nun, Woch' aus Woch' ein,
Mädchen, mir gegeben.

Eingerefft durch Schicksals Macht
Sind die Freudensegel;
Auf den Tag erfolgt die Nacht,
Das ist in der Regel.

Rasch verfluthete die Zeit
Wie die schnelle Welle;
Treu mir warst du, holde Maid,
Wie dem Fels die Quelle.

Einmal hab' ich dich gesehn,
Seh' dich nun nicht wieder;
Wenn die lust'gen Wimpel wehn,
Sing ich Abschiedslieder.

Sieh! die Segel schwellen auf
Und das Tauwerk zittert!
Wie der hohle Wogenlauf
Kiel und Mast erschüttert!

Einen letzten Kuß mir gieb
Von dem Rosenmunde;
Bald erblaß' ich, treues Lieb,
Auf dem Meeresgrunde! (S. 57)
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Des Bergmanns Abschiedslied

Glück auf! du trautes Liebchen mein,
Ich fahre just zum Schacht,
Da glitzert nicht dein Augenschein
Mir durch die ew'ge Nacht.

Glück auf! mein Mädel, blick' mich an,
Recht tief in's Aug' hinein!
Dein Augenstern soll meiner Bahn
Die Grubenleuchte sein.

Find' ich allda helllichtes Gold
Und blanken Edelstein,
So denk' ich wohl, mein Liebchen hold,
Es ist dein Augenschein.

Glück auf! und schau mir ins Gesicht,
Du trautes Liebchen mein.
Ha! Maid, du bist mein Sonnenlicht,
So sanft, so zart, so rein! (S. 59)
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Lied des Schäfers

Ich hatt' einmal ein Liebchen,
Mit Wangen rosenroth;
Das Augenpaar, das blaue,
Nur Lieb' und Lust gebot.

Sie war auch meiner Heerde
Vor allen andern hold;
Die schmückte sie so gerne
Mit hellem Flittergold.

Wenn ich bei ihrem Hause
Vorbei zum Walde trieb,
So grüßte mich so freundlich
Mein wundersüßes Lied.

Bald hatte sie Gebänder,
Bald Blumen, roth wie Gluth,
Die wand sie züchtig lächelnd
Mir um den weißen Hut.

Im öden düstern Walde
Da saß ich oft bei ihr,
Uns ward die Traueröde
Zum lustigen Revier.

In ihres Vaters Hause
War ich gar gern gesehn,
Ich wußte viel Geschichten
Von wohlgesinnten Feen.

Still lauschte meinen Worten
Das Mädel, jung und fein;
Ich machte manchmal Pausen,
Schaut' ihr ins Aug' hinein.

Nun hab' ich kein Feinsliebchen,
Mit Wangen rosenroth,
Das Augenpaar, das blaue,
Ist nun verblasst und todt. (S. 59-60)
_____



Klagen des Ulysses

Schöne Göttinn, deine Thränen
Wecken meiner Liebe Schmerz,
Wecken meiner Liebe Sehnen
Nach der Gattinn heimathwärts.

Deine Zauberblicke schmieden
Mich an dieses Eiland an,
Deiner Worte süßer Frieden
Hält mich im verhaßten Bann.

Weg mit deinen Zauberblicken,
Mit dem holden Zauberwort,
Weg mit deinen Liebestücken,
Ach! laß mich zur Gattinn fort!

Seufz' ich schmerzenvoll hinüber
Nach dem fernen Heimathland,
Immer dumpfer, immer trüber,
Schlägt die Woge an den Strand.

Dort, wo lichte Rosen blühen
In Aurorens Purpurschein,
Dort, wohin die Wogen ziehen,
Muß die schöne Heimath sein.

Säh' ich einmal noch von Ferne
Heimathlicher Berge Blau,
Wie des Lebens Thau so gerne
Tränk' ich dann des Todes Thau.

Säh' ich einmal noch der Hütten
Heimathlichen Heerderauch,
Dann, was liebend ich gelitten,
Schwände wie Erinn'rungshauch. (S. 61-62)
_____



Gretchens Gesang

Du gehst ins Weite, Heinrich?
O Heinrich, könnt' ich mit!
Du gehst im bunten Kleide
So lust'gen, muntern Schritt.

Die grünen, lichten Auen,
Und Saat und Baumesblüt',
Der blaue Himmel droben
Dir grüßend vorüberzieht.

Nimm mich hinaus ins Weite,
Mein guter Heinrich du,
Sprich liebend deine Worte
Dem armen Gretchen zu!

Nicht grüne, lichte Auen,
Nicht Saat und Baumesblüt',
Nicht blauer Himmel droben,
Dein Aug' ist's, was mich zieht.

Dein Aug' das ist der Himmel,
Dein Aug' die Baumesblüt',
Dein Aug' das ist die Sonne,
Die mir so freundlich glüht.

Du gehst und hörst nicht, Heinrich?
Du böser, guter Mann!
Hast mir ja sonst so gerne,
Ach! Alles zu lieb gethan.

Du gehst und hörst nicht, Heinrich?
Nun will ich bleiben allein!
Hab' dich ja immer geliebet,
Will immer auch treu dir sein. (S. 62-63)
_____



Der Sänger

Es wallte ein Sänger am fernen Strand',
Und sang von Liebe so gerne,
Oft sah' er hinüber zum Heimathland,
Da glänzten ihm heller die Sterne.

Sein Liebchen galt für die schönste Maid
Viel Meilen umher in der Runde,
Die hatte ihm Liebe in Ewigkeit
Geschworen in heiliger Stunde.

Ihm dünkte die ferne Erde ein Grab;
Das muntere Wesen thät schwinden;
Mit liebenden Sinne stieg er hinab,
Das schöne Treuliebchen zu finden.

Wohl fand er das Städtchen auf grüner Flur;
Und Liebchens Fenster erleuchtet:
Doch einem Andern ach! Treue sie schwur,
Der hatte ihr Liebe gebeichtet.

Da wallte der Sänger zum fernen Strand;
Und sang von Liebe nicht wieder;
Er schaute hinüber zum heimischen Land',
Und senkte die Augenlieder. (S. 64-65)
_____



Mondscheinbilder

1.
Die Jungfrau
Im Mondenlicht, im Mondenlicht,
Da geht zu jenem Brunnen nicht!
Mein Treugeliebter ging hinaus,
Und kam noch immer nicht nach Haus.

Im Mondenschein, im Mondenschein,
Da ging er in den Wald hinein,
Zu jenem Brunnen, jung und roth,
Die Ruhe kam, sie that nicht Noth.

Und Stille rundum weit und breit
Er träumte ach! von seiner Maid
Er träumte dort so lang, so lang!
Wie ist mir ach! so weh, so bang.


2.
Der Jüngling
Wie scheint mir heut' der Mond so bleich,
Er träufelt Thränen hinab zum Teich;
Es sinken der Thränen ach! mehr und mehr!
Den guten Mond betrübt' ich sehr.

Hinweg, du bleiches Mondenlicht,
Wie meines Liebchens Augenlicht!
Sie weinet der Thränen ach! mehr und mehr!
Ich sehe sie weinen und athme schwer. (S. 65-66)
_____



Lied der verlassenen Braut

Weh mir! hab' ich sie verlassen,
Vater, Mutter, und die Brüder?
Vaterland ach! lernt ich hassen,
Stieg zum fremden Strande nieder.

Wer verhöhnet mich, die Schwache?
Wer wohl spottet der Betrübten?
Wollte unter einem Dache
Wohnen mit dem Treugeliebten.

Ihn nur sahen meine Augen,
Blumen und den Himmel droben,
So nur konnt' ich Frieden saugen,
Ganz in Eins mit ihm verwoben.

Spottet nicht der süßen Liebe,
Die zum Engel mich geboren,
Spottet nicht der Wundertriebe
In des Herzens heil'gen Thoren.

Einmal doch hab' ich empfunden
Wie man dort im Himmel liebet,
Die ihr Liebe nie gefunden,
Lebet hier zum Tod betrübet.

Den ich lieb' wie meine Seele,
Wie des eignen Auges Sehe,
Ohne Wandel, ohne Fehle
Steht er da in sonn'ger Höhe.

Er ist meiner Seel' Gedanke,
Meines Herzens ew'ge Sprache,
Wie dem Baum' die schmiege Ranke
Bin ich sein, ich schlaf', ich wache.

Hin auf And're schaut der Liebe
Mit dem dunklen Augenpaare.
Ach ich pflege meine Triebe
Liebevoll bis zu der Bahre! (S. 67-68)
_____



Die Jungfrau

Sie saß am Felsgehange
Und sah zur dunklen Fluth,
Die wälzte sich so bange
Vorbei mit wilder Wuth.

"Was soll das Luftgebrause
Auf naher Waldeshöh?"
Es heult des Winds Gehause
Tief unten in dem See!

Und aus des Waldes Mitte
Glänzt Roberts Schaar hervor,
Den jüngst der Aeltern Bitte
Zum Gatten ihr erkor.

Ihn konnte sie nicht lieben,
Ihr Herz für ihn nicht schlug,
Der wohnte ja fern drüben,
Den sie im Herzen trug.

Sie stand am Felsgehange
Und sah in dunkle Fluth,
Im trauernden Gesange
Entquoll der Liebe Gluth:

"Ihr dunklen Stromgewalten,
Was woget ihr so wild?
Ach! laßt in euch entfalten
Sich reiner Liebe Bild."

Da schwand der Wellen Wüthen
Und wilder Wogen Tanz,
Gar bunte Blumen blühten
Im See wie Sonnenglanz.

"Nun nehmt mich auf, ihr Lieben,
In euer Blütengrab,
Und führt zum Trauten drüben
Den Todesgruß hinab."

Da nimmt mit Zauberwehen
Die stille Fluth sie auf.
Sie ward nicht mehr gesehen,
Sie kam nicht mehr herauf. (S. 71-72)
_____



Die weiße Lilie

Wehmuthsthau von blassen Wangen
Zartem Liebessänger rollt,
Seine Abschiedstön' erklangen
In der Sonne Abendgold:

"In die Ferne zieht der Sänger
Aus der heimathlichen Flur,
Liebesweh trägt er nicht länger,
Suchet fremder Länder Spur.

Nimmer wolltest du mich lieben,
Wie ich auch nach Liebe rang,
Und kein Pfand ist mir geblieben,
Meiner Treue Gegendank.

Deiner Wangen Lilienmilde,
Deiner Augen dunkle Nacht
Forme sie zu einem Bilde
Deiner heil'gen Liebesmacht!"

Sieh! da fällt vom Fenstergitter
Eine Lilie, bleich und zart,
Und im silbernen Geflitter
Glänzt ein Stern von dunkler Art.

Und er birgt die bleiche Blume
An der liebevollen Brust,
Sieht in ihrem Heiligthume
Der Erinn'rung süße Lust.

Schweigend ziehet er von dannen,
Blickt nicht noch dem Schlosse mehr,
Und aus seinen Augen rannen
Heiße Thränen, stumm und schwer;

Sieht der Menschen bunt Gedränge
In den Städten, auf der Flur,
Froher Wesen Lebensklänge
Weben mild durch die Natur;

Er durchschifft des Meeres Wogen,
Er durchwandert Berg und Wald,
Und so weit der Himmelsbogen
Blaudurchathmet sonnig wallt.

In des Wanderns Wechselleben
Ist die Lilie seine Lust,
Weißer Lilie Augen geben
Hoffnung in des Sängers Brust.

Seine heißen Thränen enden,
Seiner Wangen Blässe flieht,
Mit der Lilie in den Händen
Er zur stillen Heimath zieht.

Heiter durch der Bäume Zweige
Blickt er zu dem Schlosse hin,
Ob hinunter sie sich neige
Mit der Liebe trautem Sinn.

An den hohen Fensterbogen,
Sanft erhellt vom Kerzenlicht,
Sieht er stumme Schatten wogen
Mit verhülltem Angesicht.

Und er tritt mit bangen Schritten
In den Ahnensaal hinein,
Einen Sarg sieht er inmitten,
Mondbeglänzt vom Fackelschein.

Drinnen liegt im Lilienglanze
Die Geliebte blaß und mild,
Und mit weißer Rosen Kranze
Ist die Todte rings umhüllt.

Regungslos starrt auf die Leiche
Er mit bitterbangem Schmerz;
Nimmt die Lilie dann, die bleiche,
Legt sie auf des Liebchens Herz. (S. 75-77)
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Der Stern der Liebe

Sieh den hellen Stern dort oben,
Warum leuchtet er so hold,
Von der Liebe Licht umwoben,
Von der Liebe reinem Gold?

Nirgends kann mein Auge weilen,
Zu dem Stern nur zieht's mich hin,
Seine Strahlen mich ereilen
Aller Orten, wo ich bin.

In dem holden, süßen Scheine
Seh' ich der Geliebten Bild,
Lieb' mit Liebe im Vereine,
Funkelt hernieder vom Sterngefild.

Heißer Sehnsucht mächt'ge Triebe
Dringen durch das All der Welt,
Der Geliebten Himmelsliebe
Strahlt zu mir in's Erdenzelt. (S. 77)
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Des Sängers Abschiedslied

Der Sänger stand am Baume,
Sah trüb' in sich hinein,
Da quollen seine Klagen
In manchem Liedelein.

Was er in sich erschaute,
Das quillt im Lied hervor,
Und seiner Seele öffnet
Sich dann des Himmels Thor.

Wer mit des Sängers Auge
Des Friedens Heimath schaut,
Dem ist das Seelenbeete
Von ew'ger Lust bethaut.

Der Erden flücht'ge Scherze,
Der Sinnen flücht'ge Lust,
Sie können nicht verweilen
In solchen Sängers Brust.

Beneidet nicht den Dichter
Mit seinem Himmelsschmerz!
Er singt und klaget Lieder,
Im Liede bricht sein Herz. (S. 81-82)
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An die Geliebte

O sei nicht stets so spröde
Und komm' zu mir behende,
Daß, wie du zu mir eilest,
Der Schmerz sich von mir wende.

Du zeigst dich wie die Sonne
Im heitern Frühlingsscheine,
Es blüh'n, wo du dich nahest,
Die Gärten und die Haine.

Du gleichst dem sanften Monde
Mit seinem Silberlichte,
Es flieh'n, wo du erscheinest,
Die Nachtgewölke dichte.

Du zeigst dich wie die Quelle,
Dahin die Vögel dringen,
Die, wenn sie liebend rauschet,
Im heitern Lied erklingen.

Es neigt die Blütenkrone
Zu dir der Baum hernieder,
In seinen Zweigen tönet
Dein Liebesflüstern wieder.

Du zeigst dich wie die Welle
Im Strome dort, dem reinen,
Mag Blüt' und Vogel klagen,
Du hörst nicht, wie sie weinen! (S. 85-86)
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Die Liebesthräne

Ich habe tief in die Seele geschaut
Dem Liebchen so fromm und rein.
Ihr Auge von schimmernden Thränen bethaut,
Da hab' ich geschauet hinein.

Wie sah's dort wunderbar lieblich aus,
Den Himmel sah ich darin,
Ein weites hellleuchtendes Gotteshaus
In meiner Holdseligen Sinn.

Die Thrän' in ihrem Aeuglein klar,
Die Perl' in der Blumenkron,
Hat mir enthüllt gar wunderbar
Der Liebe ewigen Thron.

Ein Engel hatte die Thräne geweint,
Sie war wie die Sonne so rein,
Und glich dem Thau, zu der Blüte geeint,
Der Himmel strahlte darein. (S. 86-87)
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Der Todten Bitte

Auf blasse Lilie in der Blumen Mitte
Rann heiß und schwer der Augen Thränenquelle,
Die Trauersprache meiner Herzenszelle
Zerschellt' an der Geliebten welker Hütte.

Da tönt' zu mir der Todten holde Bitte:
"Du, Weiner, sprich, was rinnt der Thränen Welle,
Unaufgehalten, auf des Sarges Schwelle?
Die Thränen rinnen nicht nach Himmelssitte!

Noch lieb' ich dich, wie sonst, nur innig reiner,
Dich mild umschwebend im erneuten Hoffen
Und in Erinn'rung liebender Begrüßung.

Die Thrän' entehrt dich, schmerzumhüllter Weiner;
Das heit're Auge sieht den Himmel offen,
Sucht in Erinn'rung heil'ger Trauer Büßung!" (S. 100)
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Der Liebe Wundergaben

Der Liebe Macht und zauberisches Walten
Hatt' mir des Lebens Heiligthum erschlossen;
Da sah ich Blüten unverwelklich sprossen,
Wie auch Natur mocht' winterlich veralten.

Des Geistes Fülle, der Tugend Lustentfalten,
Verständ'ger Ernst, von Liebesreiz umflossen,
Muth und Vertraun, des eignen Werths Genossen,
Der Frömmigkeit verklärende Gewalten:

Das sind die Blüten, die Erinn'rung breitet
Auf trüber Gegenwart erblich'ne Fluren; -
Der Blumengarten liegt schon längst begraben.

Schon seh' die Blüten ich zur Frucht bereitet,
Zu Thaten werden der Erinnrung Spuren, -
Das sind der Liebe reiche Wundergaben! (S. 103)
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Der Liebessänger

Ich saß, in Blütenduft gehüllt,
Auf bunter Blumenmatte;
Da war's, als ob ein Mädchenbild
Sich hübe aus dem Blatte.

Ich sah - und pries der Blumen Licht,
Die Mädchen auch, die Blüten;
Da naht' mit düsterm Angesicht
Der Ernst, die Wangen glühten.

Er sprach: "Dein Lied singt Blum' und Lieb',
Und wieder Lieb' und Sterne;
Erhab'nen Denkens heil'gen Trieb,
Den, Liebesdichter, lerne!

Du singest nicht, wie Brahma ward,
Und sich die Welt erzeugte;
Wie lange sie im Chaos harrt',
Und wer das Dunkel scheuchte.

Du singest nicht vom Menschengeist
Und von Substanz und Wesen;
Wie Gott auf philosophisch heißt,
In Chifferschrift zu lesen.

Du singst von Liebe? - Was ist das? -
Ein Windhauch duftgefüllet!
O wisse, daß der ärgste Haß
Sich oft in Liebe hüllet!

Du singst von Blumen? Sie vergeh'n
Wie Morgenrothes Glühen!
Du singst von Sternen? Sie versteh'n
Nichts von der Menschen Mühen!

Nicht sage, das sei Ironie,
Und Scherz nur drin verborgen.
O glaub' es mir, Philosophie
Währt länger, als bis morgen.

Die schmiede du in Verse fein,
Und gieb sie uns als Dichtung,
Dann wird sie, was sie sollte sein,
Zu einer Lebenssichtung."

Statt weiser Lehre Lob zu weih'n,
Pflückt' ich mir eine Blume,
Und formte d'raus ein Mädchen fein,
Nur mir zum Eigenthume. (S. 118-119)
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Vergebliches Suchen

Ich fragt' den Baum mit seinen Düfteblüten,
Ich rief den Wolken dort im Nachtgewande,
Hin zu der Rose ich die Klagen sandte,
Und Wolken, Baum und Rose mich erriethen.

Im Thränenguß die Blüten niedersprühten,
Die Wolken netzten trauernd alle Lande,
Des Thaues Tropfen an der Rose Rande
Mitleidig lindern sie des Herzens Wüthen.

Das Reh, gefragt, wollt' mir nicht Antwort geben;
Die Nachtigall ergoß die bittern Klagen,
Der Schwan zog seufzend durch des Sees  Fluthen.

Wo weilst du, Heißgeliebte, du, mein Leben,
Um die so Pflanz als Thiere Kummer tragen?
Komm' und vertilg' der Sehnsucht Feuergluthen! (S. 125-126)
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Glosse: Das Lob der Liebe

Liebe will ich liebend loben,
Jede Form sie kommt von oben
Göthe

Ach! es will mir nicht behagen
Buntes Schema für die Glosse:
Jeden Ritt auf fremdem Rosse
Muß der Schwache sich versagen;
Und es hieß mich wahrlich plagen,
Vier Decimen zu erproben:
Jede Form scheint mir verschroben:
Nicht in Blicken, nicht in Tönen,
Nicht im Farbenbild, dem schönen,
Liebe will ich liebend loben!

Doch was hilft's, das bloße Schweigen
Wird wohl nie die Liebe preisen,
Auch in Red'- und Liebesweisen,
In der Töne sanftem Reigen
Darf die Liebesgluth sich zeigen.
Das Gefühl ist bald zerstoben,
Nur das Lied darf Liebe loben!
Und in zwei, nicht vier Decimen
Will ich Liebe singend rühmen:
Jede Form sie kommt von oben. (S. 133)
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Aus: Gedichte von Rudolf und Hermann Marggraff
Zerbst 1830 Gedruckt und in Commission
bei Gustav Adolph Kummer

 

Biographie:

https://de.wikipedia.org/wiki/Rudolf_Marggraff


 

 


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