Angelika von Marquardt (1849-1893) - Liebesgedichte

Angelika von Marquardt Liebesgedichte und iIographie

 


Angelika von Marquardt
(1849-1893)

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:


 



Am Bergbach

Der Bergbach schäumt und braust und tost hinab;
Er führt des Hochgebirges Trümmerhauf
Mit sich zu Thal in raschem Siegeslauf.
An seinem Rand gelagert ich mich hab';
Im Tannenschatten, in der kühlen Luft,
Die reich durchtränkt von Harz und Moosesduft,
Wacht mir der Geist zu neuer Sehnsucht auf.

In Sehnsucht, ja - doch auch in wildem Weh,
Gedenk' ich dessen, was verloren gieng,
Seit ich zuerst des Berggeists Gruß empfieng,
Seit ich zuerst gespürt der Wolken Näh'
Auf diesen Höh'n, in diesem Wunderland,
Wo mich der Liebe Zauberband umwand,
Eh' ich der Jugend Sterbetag begieng!
(S. 304)
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Erinnerung

Hell lacht herab des Himmels lichte Bläue;
Da steigt aus der Erinn'rung Schattenreich
Vor meinem Geist herauf ein Augenpaar,

Ganz Licht und Glanz, ganz Liebe, Güte, Treue,
Wie Frauenauge seelenvoll und weich,
Wie Kinderblick so unschuldsvoll und klar!

Des Liebsten Auge! Süßer, sel'ger Frieden
Sich da aufs Herz herniedersenkt.
Ach, unter dieses Auges warmem Strahl

Wär' Sterben Seligkeit, und selbst hienieden
Das schwere Leid, vom Schicksal mir verhängt,
Durchkämpft' ich muthig noch zum zweitenmal!
(S. 304-305)
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Mein Traum

Schon weht ein frischer Herbstwind übers Land,
Das hundertfarb'ge Laub sinkt von den Bäumen -
Und dennoch wagt mein Herz vom Lenz zu träumen,
Von einem Lenz, wie's keinen noch gekannt?

Des Winterschlafes harrt schon die Natur,
Und ich fühl' Sommerglut, seh' Frühlingsblüten!
O möchte Gott mir diesen Traum behüten,
Der so unsagbar süß, ob Wahn auch nur!
(S. 305)
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Tröstung

O leg' Dein müdes Haupt an meine Brust
Und laß es feiern dort von seinen Leiden,
Von allen Stürmen, die darüber zogen,
Von allen Hoffnungen, die Dich getrogen,
Von jeder Freude, die Du mußtest meiden!

O leg' Dein müdes Haupt an meine Brust
Und laß es Ruhe suchen dort und Frieden,
Erfaß für den verlor'nen Traum aus Tagen
So kurz wie schön, wo laut Dein Herz geschlagen,
Wo Du gewähnt, auch Dir wär' Glück beschieden.

O leg' Dein teures Haupt an meine Brust,
Sie schlägt Dir warm und treu und stark entgegen,
Beseelt allein vom Wunsch, Dich zu beglücken!
Mein höchster Stolz wär's - und mein süß Entzücken -
Wenn Du mir danktest Deines Lebens Segen!
(S. 305)
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Unvergessen

Es klingt wie Zaubersang zurück aus früh'ren Tagen
Ein Lied von alter Lust, ein Lied von altem Leide,
Von Deinem Freundeswort und meinem Liebeseide,
Von Sehnsuchtsqual, die ach, so schwer, so schwer zu tragen!
Wohl längst die Traurigkeit aus meiner Seele schwand,
Die Liebe blieb, die einst so fest an Dich mich band,
Noch zittert, schwirrt und klingt im tiefsten Herzen nach
Das Glück, das mich durchdrang, als jenen Schwur ich sprach.

Stillsel'ge Stunde war's. In buntgebrochn'nem Strahle
Fiel warmer Sonnenschein zum Hochaltare nieder;
Die hohe Halle klang vom Segensliede wieder,
Vom Dankgebet nach dem empfang'nen Gnadenmahle.
Die Seele war erfüllt von Frieden, Glück und Licht;
Mein ganzes Leben schien ein märchenschön Gedicht -
Durch Dich ward's so! Mein Herz hat freudvoll stolz erregt
Den Treueschwur in jener Stunde abgelegt!
(S. 305)
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Das Glück der Liebe

Wer nie geliebt ward, sollte nimmer klagen -
Unglücklich nur, wer niemals selbst geliebt!
Ich mag des Schicksals schwersten Schlag ertragen,
Mag jede Qual erdulden ohne Zagen,
Solang noch Schatz auf Schatz das Herz vergibt!

O nicht um jedes Glück des frohen Lebens
Gäb' ich mein Liebesleid um Dich dahin!
Mein Hoffen bleibt in Ewigkeit vergebens,
Verboten ist das Ziel des reinsten Strebens,
Nur im Entsagen liegt für mich Gewinn!

Und doch, wie bin ich selig! Dich zu lieben,
Du Einz'ger, gilt als höchste Wonne mir.
Wie welkes Laub, vom Sturmwind umgetrieben,
Wie Staub zuletzt mag jedes Glück zerstieben -
Was kümmert's mich: Es bleibt die Lieb' zu Dir!
(S. 306)
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Des Menschen Herz

Wie ist des Menschen Herz unendlich weit;
Wie birgt es Freuden ohne Maß und Zahlen,
Wie viel nicht auch des Leids, der Bitterkeit!
Es faßt ein Meer der Wonne und der Qualen!

Doch bricht es nicht; es kennt den wilden Kampf,
Es kennt das langsam schleichende Vergehen;
Todmatt beginnt es oft aufs neu' den Kampf
Und lernt in Lieb' und Leid sich kaum verstehen!
(S. 306)
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Katharina von Siena
Legende

In stiller Kammer betet Katharina -
Ihr Auge flammt in heißer Liebesglut;
Von Himmelssehnsucht ist ihr Herz entzündet,
Wie das entzückte Seraphslächeln kündet,
Das hold auf ihren bleichen Lippen ruht.

Sie betet; da ertönt es: "Katharina!" -
Der Heiland steht vor seiner reinen Braut.
Zwei Kronen zeigt Er ihr; mit Edelsteinen
Muß Gold in einer zauberisch sich einen;
Kein fürstlich Weib hat solche Pracht erschaut.

Geblendet fühlt ihr Auge Katharina;
Da blickt sie auf die zweite Krone hin,
Die aus den schärfsten Dornen ist geflochten,
Daß wohl vor solchem Anblick zittern mochten
Des Menschen weiches Herz und schwacher Sinn!

Der Herr fragt: "Welche wählst Du, Katharina?"
"Dir ähnlich, Herr, verlanget mich zu sein!"
Schnell folgt die Hand den wonnetrunknen Blicken;
Ins zarte Haupt der kühnen Jungfrau drücken
Der Schmerzenkrone Dornen tief sich ein!

Und heldenmütig lächelt Katharina,
Indes ihr Blut aus frischen Wunden dringt. -
Ihr ward, was sie sich selber auserlesen:
Sie ist auf Erden Schmerzenskind gewesen,
Die droben nun das ew'ge Brautlied singt! -
(S. 307)
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Gedichte aus: Deutsche Dichterin[n]en und Schriftstelerin[n]en
in Wort und Bild
Herausgegeben von Heinrich Groß
III. Band Berlin 1885


Biographie:

Marquardt, Angelika von, Ps. M. Angely, Breslau, Monhauptstrasse 22, geboren den 28. Juli 1849 in Schweidnitz, Schlesien, als die Tochter eines Hauptmannes, späteren General-Majors Eduard von Marquardt. In Sagan 1851 erhielt sie ersten Unterricht. Ihr Wunsch war, sich dem Lehrerinnenfache zu widmen. Sie legte daher 1867 das Gouvernantenexamen ab, wurde jedoch schon 1875 durch schwere Krankheit gezwungen, das Unterrichten für immer aufzugeben. Sie gab sich dem Studium der modernen Sprachen hin, und wendete sich der Schriftstellerei zu. Ihre litterarischen Arbeiten sind in vielen verstreut.
- Gedichte Münster 1875

aus: Lexikon deutscher Frauen der Feder.
Eine Zusammenstellung der seit dem Jahre 1840 erschienene Werke weiblicher Autoren, nebst Biographieen der lebenden und einem Verzeichnis der Pseudonyme. Hrsg. von Sophie Pataky
Berlin 1898

 

 


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