Eduard Mautner (1824-1889) - Liebesgedichte

 

Eduard Mautner
(1824-1889)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 






Ich bin für dich versunken

Ich bin für dich versunken
Tief in des Lebens Flut,
So wie vergessenstrunken
Im Meer Vineta ruht;

So wie in Schutt und Trümmer
Versank Pompejis Pracht,
So wie ein Klang, ein Schimmer
Verweht in dunkler Nacht. -

Du aber blüh'st und lebest
In meiner Seele fort,
Und wo du bist und webest,
Ist mir ein heil'ger Ort.

Du bist mir ein Erinnern
An blüthenvolle Zeit,
Du hast in meinem Innern
Die Tempel eingeweiht. -

Die Tempel sind zerfallen,
Umhüllt von Moos und Ried,
Doch durch die öden Hallen
Tönt's manchmal - wie ein Lied.
(S. 111-112)
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Daß du mich damals nicht verstanden

Daß du mich damals nicht verstanden,
Als ich in träumerischer Stund',
Bevor ich zog nach fernen Landen,
Zum Kuß erflehte deinen Mund!

Nun, da ich bin hinausgetrieben
In's wüste Meer auf schwankem Kahn,
Nun denkst du an mein feurig Lieben
Und klagest reuig selbst dich an.

Nun möchtest du mich fast ersticken
Mit Küssen, wenn ich heimgekehrt;
Wie konntest du so kalt nur blicken,
Als ich den Einen Kuß begehrt?

Zu spät! zu spät! Ich kann nicht wieder
Zurück in die verlass'ne Bahn;
Ich treibe jetzt und meine Lieder
Auf weitem Lebensocean.
(S. 113-114)
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Ein wüster Zecher hab' ich mich berauschet

Ein wüster Zecher hab' ich mich berauschet
Im zaub'risch glutenvollen Lebenswein,
Den Melodien der Welt hab' ich gelauschet
Und mitgetanzt in ihren tollen Reih'n.

Hab' Nächte an dem grünen Tisch verschwärmet,
Die Morgensonn' beim Glas herangewacht,
An sünd'ger Liebe Gluten mich gewärmet,
Und einer ew'gen Liebe nicht gedacht. -

Da sah ich dich! - So konnt' ich dir nicht nahen,
Der Sünder ich - und du die himmlisch Reine;
Ich längst umstricket von der Höll' Umfahen,
Dein Haupt umglänzt vom lichten Heil'genscheine.

Ein andrer, bess'rer Mensch ward ich zur Stunde,
Und dein Geschöpf ist's, das vor dir jetzt kniet,
Des Ausspruchs harrend bang aus deinem Munde,
Der ihm ein Jubel- oder Sterbelied.
(S. 115-116)
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War es ein Fluch, war es ein Beten

Du bist noch einmal hingetreten
Zum Fenster, halb hinweggewandt;
War es ein Fluch, war es ein Beten,
Was du mir leise nachgesandt?

Ich ging von dir, um nie zu kehren,
Geschieden war's für dieses Sein,
Doch fielen bitter deine Zähren
In meinen heißen Lebenswein.

Für einer Dichterliebe Flammen
Warst du zu einfach, still und schlicht:
Und mag dieß Wort mich selbst verdammen -
Bei Gott! ich konnte anders nicht.

In meiner Seele tiefstem Grunde
Ist ein Erinnern aufgewacht:
Ein Frauenbild mit glüh'ndem Munde
Und tiefer, dunkler Augen Pracht.

Vor diesem mächtigen Erfassen,
Vor dieser heißen Leidenschaft
Mußte dein sanftes Bild erblassen,
Wie vom Sirocco hingerafft.

Ich habe niemals dir gelogen;
So wie es in mir aufgetagt,
Daß ich mich in mir selbst betrogen,
Hab' ich dir's männlich auch gesagt!

Du warst verletzt im tiefsten Leben,
Erdrückt von dieses Schmerzes Last;
Und doch - dein weibliches Ergeben
Hat mich im Innersten erfaßt.

Kein lautes Jammern und kein Grollen,
Dein Antlitz war so still vergrämt:
Ich hätte Allem stehen wollen -
Die Milde hat mich tief beschämt.

Nur als ich ging, da sahst du nieder,
Mir war's, als winkte deine Hand,
Als schöss' durch halbgeschloss'ne Lieder
Ein rasch entfachter, heißer Brand.

Auf deine Lippen schien zu treten
Ein Wort, zersprengend jedes Band:
War es ein Fluch, war es ein Beten,
Was du mir leise nachgesandt?

O daß aus deiner Liebe Quelle,
Ein Durst'ger, schlürfen ich gekonnt!
O daß in deines Herzens Helle
Ich selig hätte mich gesonnt!

Es ist zu meiner eignen Strafe
Für meine wilde Jugendhast,
Daß ich jetzt eines Wahnes Sclave,
Der mich gewaltig hat erfaßt.

Der blauen Wunderblum der Mythe
Jag' ich jetzt sinnverwirret nach
Und werf' sie fort, die duft'ge Blüthe,
Die ich auf meinem Wege brach. -

Hab' dich mit hartem Fuß zertreten,
Hab' dich geknickt mit rauher Hand,
War es ein Fluch, war es ein Beten,
Was du mir leise nachgesandt? -
(S. 117-120)
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Du schönes, verlorenes Kind

Ich sehe dich an mit Beben,
Die Thräne vom Auge mir rinnt:
Denk' an dein gebrochenes Leben,
Du schönes, verlorenes Kind!

Sprahst traurig: das Angedenken
An mich verflattert im Wind,
Willst Eine Stunde du schenken
Dem armen, verlorenen Kind!

Ich war nicht roh wie die Andern;
Ich sprach dir schonend und lind
Muth ein für dein Erdenwandern,
Du schönes, verlorenes Kind!

Und du gestand'st mir's mit Beben:
Meine milden Worte, die sind
Ein Lichtstral in deinem Leben,
Du schönes, verlorenes Kind!

Eine Locke von meinem Haupte,
Eine dunkle schnitt'st du geschwind,
Bargst in der Brust die geraubte,
Du schönes, verlorenes Kind!

Vielleicht, wenn gleich schneeiger Flocke
Gebleichet die Haare mir sind,
Du hast noch die dunkle Locke,
Du schönes, verlorenes Kind!
(S. 121-122)
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Wenn ich dich seh' so grambefangen

Wenn ich dich seh' so grambefangen,
Du schöne, bleiche Schmerzensbraut,
Mit deiner Augen dunklem Prangen,
Mir's tief in meine Seele graut!

Dir könnten Monden froh enteilen,
Was zogst du mit in's wilde Meer?
Was mußt' ich mit dir Stürme theilen,
Die mir, dem Manne, selbst zu schwer?

Du lächelst still, du willst mir sagen:
Lass' mir den Schatten, nimm das Licht,
Mein Herz, es wird noch selig schlagen
Wenn es für dich in Leiden bricht.

Ich glaube dir - ich las vor Zeiten
Von Menschen, die bei Sturmesweh'n
Den Freund in's sich're Boot geleiten,
Und dann - glückselig untergeh'n.
(S. 127-128)
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Du schönes Kind mit bleicher Wange

Du schönes Kind mit bleicher Wange,
Daß du mich liebst, ist mir bewußt;
Du folgst dabei dem dunklen Drange,
Dem räthselhaften deiner Brust.

Dein Aug', in feuchtem Blau entglommen,
Es hat so tief mich angeschaut,
Als still aufhorchend du vernommen
Hast meiner Stimme ersten Laut.

Ja! als mich diese Blicke grüßten,
Begrüßt dieß rothe Lippenpaar:
Daß wir uns was zu sagen wüßten,
Das war auch mir mit Einem klar.

Und doch - nicht mocht' ich um dich werben; -
Ich zog vorbei mit Segensgruß;
Nicht bleicher noch möcht' ich dich färben
Durch meinen sengend heißen Kuß.
(S. 129-130)
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Lieder eines Ungeliebten

1.
Ich hab' von meinem heißen Lieben
Dir niemals noch ein Wort gesagt,
Ich weiß nicht, wo mein Muth geblieben,
Ich hab' zu thun es nicht gewagt.

Mir war's genug, in sel'gem Traume
Zu blicken in dein Angesicht,
Mit dir zu sein im selben Raume,
Mir war's genug; - mehr wollt' ich nicht.

Ich dachte, wenn ein Wort gesprochen,
Und müßt' ich trostlos von dir geh'n,
Und wenn mir dann das Herz gebrochen,
Ich könnte dich nicht wiederseh'n.

Ich bin zu stolz; ich könnte nimmer
Um deinen Blick, ein Bettler, fleh'n,
Es würde dieses Auges Schimmer
Für mich auf ewig untergeh'n.

Wohl fühlst du's, daß ich dir zu eigen,
In Tod und Leben unterthan,
Doch du verstehst und ehrst mein Schweigen
Und wandelst ruhig deine Bahn.

Du willst mein Träumerglück nicht stören, -
Kühn geht der Mondbefangne fort
Und sänk', würd' er ein Wort nur hören,
Zerschmettert von der Höhe dort.
(S. 141-142)


2.
Als ich zum Zimmer trat hinein,
Da saß er dir zu Füßen:
Wie deine Augen licht und rein
Ihn lieb und freundlich grüßen!

Er durfte ohne Widerstand
In seligem Entzücken
Viel tausend Mal die weiße Hand
An seine Lippen drücken.

Ihr habt mich beide nicht geschaut,
Wie ich hineingekommen;
Ihr waret Bräutigam und Braut,
In Seligkeit verschwommen.

Doch ich blieb in der Thüre steh'n,
Hab' stumm und wild und düster
Auf eure Gruppe hingeseh'n,
Gehorcht eurem Geflüster.

Doch als er seine Arme schlang
Um deinen Leib, den schlanken,
Da überkam's mich weh und bang,
Daß ich hinaus mußt' wanken.

Nun gute Nacht! nun muß ich geh'n,
Mir will's hier nicht mehr taugen;
Ich hab' zu lang' in's Licht geseh'n,
Mich schmerzen meine Augen.
(S. 143-144)


3.
Wir saßen zusammen beim goldenen Wein,
Er sprach von dir und ich dachte dein.

Er sprach von dir mit liebender Glut:
Mir schoß in die Wange das siedende Blut.

Er sprach: sie liebt mich so echt und wahr,
Und wird mich lieben bis zu der Bahr'.

Da überkam's mich wie Fiebergewalt,
Ich habe zornig die Faust geballt.

Er sprach: sie küßt so glühend heiß:
Da wurde mein Antlitz wie Schnee so weiß.

Er sprach: sie hält so warm und fest:
Da hab' ich das Glas zu Scherben gepreßt.

Mein Auge flammt und ich athme schwer
Und blicke wild drohend nach Waffen umher. -

Er sprach: wenn ich todt und begraben wär',
Sie würde weinen, gar sehr, gar sehr.

Da war mein Zorn mit Einem verraucht,
Ich hab' meine Hand in die seine getaucht,

Und hab' sie gedrückt, und stürzte hinaus
In die stürmische Nacht und weinte mich aus.
(S. 145-146)
______


Aus: Gedichte von Eduard Mautner
Leipzig Georg Wigand's Verlag 1847

 


Biographie:

https://de.wikipedia.org/wiki/Eduard_Mautner

 


 

 


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