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Julius Meier-Graefe
(1867-1935)
Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
Des Burschen Gut
Ein Bursche wandert wohlgemut
Hinab ins grüne Thal;
Er hat nicht Hab’, er hat nicht Gut,
Doch auch nicht Schmerz und Qual.
Nie sah er, wie im Überfluß
Der Reiche schwelgend lebt,
Dem nur der Ehrgeiz und Genuß
Das kalte Herz durchbebt.
Nicht jagt er nach dem eitlen Gold,
Nicht sucht er Ehr’ und Ruhm:
Ein Ziel nur kennt er, traut und hold,
Der Liebe Heiligtum.
So wandert er mit leichtem Mut
Der nahen Hütte zu;
Der Trauten Herz ist all sein Gut,
Bei ihr die schönste Ruh.
(S. 5-6)
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Scheiden
Ein Glück, wenn uns das Scheiden
Recht trüb und traurig macht:
So hab’ in stillen Stunden
Oftmals ich still gedacht.
Denn könnten kalten Herzens
Wir von den Lieben gehn,
Wie könnten wir uns später
Frohlockend wiedersehn!
(S. 10)
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Zwiefach früher Tod
Es stand ein Röschen schmuck und fein
Dort an des Gartens Zaun;
Ein lieblich Mägdlein pflegte sein
Schon früh beim Morgengrau’n.
Das Röslein, dankbar, wie es war,
Hat würz’gen Duft entfacht
Und stand mit jedem neuen Jahr
In reichster Blütenpracht.
Doch einst, es war zur Sommerzeit,
Nicht kam das Mägdlein mehr;
Das Röslein drob, voll Gram und Leid
Es seufzte, ach, so schwer.
Und eh’ der Sommer noch entschwand,
Da ward es welk und matt;
Ach, auf des Gartens trocknen Sand
Fiel nunmehr Blatt auf Blatt.
Das Röschen sprach: "Ich weiß, warum
So früh den Tod ich seh’;
Das Mägdlein ruht im Grabe stumm,
Kann stillen nicht mein Weh.
Wär’ auf ihr Grab verpflanzt ich doch
Auf stillem Friedhof dort,
So grünt’ ich, ach, und blühte noch
Alljährlich fort und fort!"
(S. 11)
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Gebet
O Geist der Liebe, steig’ hernieder
Aus deinem blauen Himmelszelt,
Zertritt der Lüge mächt’ge Hyder,
Befrei von ihr die weite Welt!
Ihr Pesthauch trifft der Menschen Seelen,
Und keiner ruft ein donnernd "Halt!"
O steig’ hernieder, uns zu stählen,
Daß sie erliege der Gewalt!
Frohlockend wird sie sonst umschlingen
Die Welt mit ihrem Riesenleib,
Und mit Verzweiflung werden ringen
Die Menschen, Mann und Kind und Weib.
O laß den Herkules erstehen,
Der sie zermalmt mit wucht’gem Schlag,
Auf daß wir bald die Wahrheit sehen.
Des Geistes hohen Siegestag!
O Geist der Liebe, steig’ hernieder
Aus Deinem blauen Himmelszelt,
Zertritt der Lüge mächt’ge Hyder,
Dann singt Dir Dank die weite Welt!
(S. 12)
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Wo mag ich sie finden?
Wo mag ich sie finden,
Die mir der Himmel erkor?
Vielleicht in der Heimat,
Wo finstere Tannen stehn?
Oder drüben, weit über dem Meer,
In der Zone des ewigen Sommers,
Wo Palmen stehn und Bananen?
Vielleicht im Gewühle der Menschen?
Im Hause des Armen?
Oder beim Klirren der Gläser
Im Palaste des Reichen?
Im Arm der liebenden Mutter,
Oder im Garne des Frevlers?
O sage mir, leuchtende Sonne:
Wo mag ich sie finden,
Die mir der Himmel erkor!
(S. 15)
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Erste Liebe
Am Himmel meiner Liebe
Als Sonne strahlst du mir;
Die Wolken flohen vorüber.
Ich kniee betend vor dir.
Und aus dem Garten der Liebe
Schallt Nachtigallengesang;
Feuernelken und Rosen
Blühn Weg und Steg entlang.
In süßes Träumen versunken,
Erblick’ ich ein Paradies.
O, Wonne der ersten Liebe,
Bleib’ mir, wenn mich alles verließ'!
(S. 15-16)
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In dunkeln Winternächten
Ich habe deiner oft gedacht
In dunkeln Winternächten;
Ich schloß ins Zimmer still mich ein,
Wenn Andre lärmend zechten.
Da dacht' ich traut an jenes Wort,
Das du mir einst gegeben —
Es gilt mir mehr als Becherklang, —
Als Braus und wildes Leben.
(S. 18)
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Du hast der Schmerzen viele . . .
Du hast der Schmerzen viele,
Du weinest bitterlich,
Doch aber strahlt die Sonne
Der Liebe mild auf dich.
Dem weichen Sonnenregen
Gleicht deine Thränenflut:
Es trocknet deine Wimper
Der Liebessonne Glut.
(S. 21)
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Aus: Gedichte von
Julius Graefe
Dritte veränderte Auflage
Leipzig Ed. Wartig's Verlag (Ernst Hoppe) 1885
Biographie:
http://de.wikipedia.org/wiki/Julius_Meier-Graefe
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