Johann Burkhard Mencke (1674-1732) - Liebesgedichte

 


Johann Burkhard Mencke
(Ps. Philander von der Linde)
(1674-1732)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 






Die Violen in der Chloris Busen
Sherburne's Engl. Poems p. 106

Wie glücklich seyd ihr doch, ihr niedrigen Violen,
Die ihr im Frühling schon die harten Felder schmückt,
Jetzt aber da ihr euch der Chloris Brust befohlen,
So schätzet jedermann euch noch weit mehr beglückt.
Doch arme Blumen ihr, ihr seyd dennoch betrogen,
Weil euer Sitz vertauscht, doch nicht verbessert ist;
Was hilfft es, daß ihr euch habt Wind und Frost entzogen,
Wenn ihr, sowol als ich, bey Flammen sterben müst?
(S. 40)
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Uber ein Blumen-Bouquet
Pieces galantes de la Comt. de la Suze p. 423

Ihr holden Blumen ihr, indem euch meine Hand
Das Leben rauben will, das euch der Himmel gönnet,
So murret darum nicht, und glaubet. daß das Band,
Das euch am Stocke hält, mit Vortheil wird getrennet.
Florindens Schoß ist euch zum Grabe zuerkant,
Den man den Inbegriff von aller Schönheit nennet;
Ein jeder neidet euch, und preiset euren Stand,
Indem ihr, da ihr sterbt, nie besser sterben könnet.
Mir deucht, ihr zittert noch; der Anmuths volle Schein
Und was euch lieblich macht, geht schon für Wehmuth ein:
Wie aber grauet euch dermaßen für das Sterben?
Es würden ihrer viel sich gern darzu verstehen,
An eurer stat behertzt auch in den Tod zu gehn,
Ach könten sie sich nur dergleichen Grab erwerben!
(S. 40)
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Eine redende Viole
Auch aus dem Franz.

Von allem Ehrgeitz frey und schlecht an Farb und Wesen
Hatt ich mir einen Sitz bey niedern Graß erlesen;
Doch wo mich Chlorens Hand der hohen Brust verpflicht,
So weicht mein Ubermuth auch Keyser, Cronen nicht.
(S. 41)
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Die Liebeswürdige Urania
Oeuvres de Voiture T. II. p. 35
Sonnet

Mich heist Urania in stummer Glut verbrennen,
Zeit und Entäusserung hemmt meine Schmertzen nicht,
Ich fühle gar zu sehr, was ihre Hand verricht,
Und weiß die Mittel nicht, die mich erretten können.

Ich muß mich lange Zeit schon ihren Sclaven nennen;
Doch wenn mein Auge sich auf ihre Schönheit richt,
So scheint es, daß mein Hertz mich darum glücklich spricht,
Daß mir Urania will diesen Dienst vergönnen.

Zwar manchmal redet mir auch die Vernunfft wol ein,
Und sucht mich allgemach zum Aufruhr anzutreiben,
Ob wolte sie dabey mir schon verbindlich bleiben;

Wenn ihre Regeln nun mir meist von nöthen seyn,
Erhebet sie darauf Uranien bald wieder,
Und leget mich für sie mehr, als die Sinne, nieder.
(S. 41)
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Er sendet einem geliebten Frauenzimmer
seine poetische übersetzung des Hiobs
Poes. de Benserade P. I. p. 115
Sonnet

Wenn Hiob an dem Kummer naget,
So zeigt er selbst sein Unglück an,
So daß er offt darüber klaget,
Und nicht den Schmertzen bergen kan.

Er zeiget deutlich, was ihn plaget,
Und seuffzet auf der Dornen-Bahn,
Indem er zu den Freunden saget:
Das hat des HErren Hand gethan.

So durfft er freylich nicht verzagen;
Doch scheint es, daß es im ertragen
Ihm noch wol andre fürgethan.

Er trug gantz ungemeine Plagen,
Und konte sich dabey beklagen;
Ach andre sind noch schlimmer dran.
(S. 42)
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Der eingebildete Spatziergang mit der Clælia

Als nechst ich ohngefehr bey stiller Abend-Ruh
In der Gelassenheit zum Thor hinaus spatzierte,
Da sprach die Clælia mir durch das Fenster zu,
Und fragte mich, wohin mich meine Reise führte?
Nun war sie erst gesinnt, zugleich mit mir zu gehn,
Dafern mich das Gelück nicht dazumahl geneidet,
Denn endlich konte sie sich nicht darzu verstehn;
Warum? sie hatte sich bereits gantz ausgekleidet.
Doch gieng ich höchst vergnügt aus ihren Augen hin,
Und ließ mich allgemach Verstand und Sinne leiten:
Es gab die Phantasie mir auch bald in den Sinn,
Als dürfft ich Claælien noch ausser Thor begleiten.
Ich dachte bey mir selbst: Wie glücklich ist die Hand,
So dieses holde Kind darf an der Seite führen!
Und wenn ich hier und dar vergnügte Paare fand,
So ließ ich bey mir selbst auch viel Vergnügung spühren.
Ich legte deinem Ruhm die höchsten Farben bey:
Wie manche Schönheit kam mir dazumahl entgegen?
Ich aber schätzte sie nur gegen dir für Spreu:
Denn was ich schönes fand, das schienst du auch zu hegen.
Die Zunge regte sich und fieng wie stammlend an:
Die Felder lachen dir, ach Clælia, für Freuden;
Der Himmel öffnet uns itzt die gewünschte Bahn,
So laß mich nun an dir Hertz, Sinn und Auge weiden.
Bald preist ich einen Schoß, der dich gezeuget hat:
Bald diese Gegend, die dein Antlitz durffte schauen:
Bald das verachte Graß, darauf die Ferse trat,
Und nennte dich ein Bild der angenehmen Auen.
Die Rosen, welche noch kein Garten liefern kan,
Die rühmt ich schon an dir als völlig aufgeblühet,
Ich schaute dich im Geist als solche Rosen an,
Die ein erfahrner Arm auch sonder Dorn entziehet,
Narcissen sah ich dort in schöner Blüthe stehn:
Die Cronen waren drauf von der Natur vergüldet.
Du schienest, wie mich dünckt, auch diesen gleich zu gehn,
Denn deine Tugend hat uns Cronen abgebildet.
Nicht ferne zeigte sich der blaue Hyacinth;
Die Bienen hatten hier ihr Lager aufgeschlagen.
Ach! dachte ich, Clælia, das angenehmste Kind,
Kan mehr als Honigseim mir auf die Lippen tragen.
Die Tulpen sah man nie so wunderschön gemahlt,
Es hatte deine Pracht sie dennoch übertroffen;
Denn deine Liebligkeit, so aus den Augen strahlt,
Ließ mich nur reiffe Frucht, nicht leere Blumen hoffen.
Ich warff die Augen noch auf den gebückten Klee.
Der must ein Ebenbild von meiner Demuth zeigen.
Denn deine Güte hebt dieselben in die Höh,
Die, Clælia, für dir sich zu der Erde neigen.
Drum ärgert dich ein Wort, das hier geschrieben steht,
So glaube nur, es ist durch deine Huld erzwungen.
Wer einen Schritt erlangt, und niemals weiter geht,
Der dencke sich es selbst, wofern ihm nichts gelungen.
Poeten nehmen sich offt eine Freyheit aus,
Die nicht ein ieder darf nach scharffer Elle messen;
Wer eine Sieben gibt, dem nehmen sie das Tauß;
Bitt man sie zum Gespräch, so bleiben sie zum Essen.
Zu dem, so sag ich es doch alles dir allein:
Ich gehe, wo mir recht, annoch an deiner Seite;
Laß dir ein eintzig Wort nicht gantz zuwider seyn,
Und denck, ich schertze noch, indem ich dich begleite.
Ein Wort im Schertz geredt, wird nicht so leicht bedacht.
Mich deucht, ich rede noch, und weiß nicht, daß ich schreibe.
Wird meine Rede nun nicht gantz von dir veracht,
So wisse, daß ich auch im Schreiben dein verbleibe.
(S. 43-44)
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Strephon an seine Blaße
Oeuvres de Mr. Sarasin p. 433

Ach könten wir auf deinen Wangen
Des Frühlings zarte Rosen sehn!
Doch nein, ach nein, was wir verlangen,
Kan nicht zu dieser Zeit geschehn:
Der Winter träget keine Blume,
Da muß die Rose selbst vergehn;
Soll aber ja zu deinem Ruhme
Was rothes auf den Wangen stehn,
So sind fünff Worte kaum von nöthen,
Sprich: Strephon soll mein Liebster seyn,
Ich weiß, da wirst du dich erröthen,
Und nicht gantz sonder Rosen seyn.
(S. 45)
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Der flüchtige Cupido
oder Ερως δραπετες
Aus des Mr. Longuepierre Idylles de Moschus p. 115
Madrigal

Ich weiß, o Venus wol,
Daß dein Cupido sich
Aus deinem Schoße hat verlohren.
Das kräncket dich,
Und darum hast du auch geschworen,
Daß, wer ihn dir entdecken wird,
Soll einen Kuß von dir zu Lohn empfangen.
Wolan ich weiß, wohin der kleine Gast
Sich hat vergangen.
Drum mache dir nur keine Sorgen,
Und halte mir, was du versprochen hast:
In meinem Hertzen hat er sich verborgen.
(S. 45-46)
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Der betrogne Cupido
Aus dem Maror Siehe Man. de bien penser p. 190

Als nechst der Venus Sohn die schöne Chloris sah,
Die lauter Lieb und Huld und Freundligkeit umgeben,
Da sprach er gantz erfreut: Find ich die Mutter da?
Ach Venus sey gegrüst, mein alles und mein Leben:
Indem so merckt er gleich, daß er betrogen war:
Man schaute, wie das Blut ihm zu Gesicht gestiegen.
Doch nein, Cupido, nein, hier ist nichts wunderbar;
Weil die, so schärffer sehn, sich eben so betrügen.
(S. 46)
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Sylvia liebt in der Stille

Ach edle Sylvia, verhöle mir nur nicht,
Daß auch ein Wort von mir dir Hertz und Sinne bricht.
Im Hertzen sprichst du ja und mit dem Munde nein,
So wilt du zwar verliebt, doch auch verschwiegen seyn.
Du weist, ich liebe dich, und dis gesteh ich dir,
Ich weiß, du liebst mich auch, und läugnest es für mir.
Du siehst mich öffters nur halb von der Seiten an,
Da mir die treue Brust schon alles kund gethan,
Denn ein verstohlner Winck, das Drücken deiner Hand,
Die machen mir noch mehr dis, was ich weiß, bekant;
Ich weiß, du liebest mich, und ob dein Mund noch schweigt,
So sagt dein holder Blick, wie sehr du mir geneigt.
Es scheinet, dein Gesicht ist wie ein zartes Buch,
Darinnen steht für mir ein ungefälschter Spruch:
Die Augen trügen nicht, sie sind ein Ebendbild
Von dem, was, Sylvia, aus deinem Hertzen quilt.
Drum wo sich deine Gunst nur für der Welt verstelt,
Weil auf ein frommes Kind offt böser Argwohn fält,
Wolan so fahre fort; verändre dein Gesicht:
Indessen ändre sich nur deine Neigung nicht.
(S. 46-47)
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Die Liebes-Instrumenten
Anacreon Od. 1.

Ich wolte nechst Atrei Stamm besingen,
Und das, was sonst ein Cadmus hat gethan;
Allein das ließ die Laute sich nicht zwingen,
Sie stimmte nichts als Liebes-Oden an.
Ich änderte drauf Instrument und Seyten,
Und wolte nun Alcidens grossem Sohn
Durch Laut und Schall ein schönes Lob bereiten,
Doch hörte man nur einen Liebes-Thon.
Gehabt euch wol, ihr wolversuchten Helden,
Um euch verdirbt mir sicher alle Kunst;
Ein ander mag stat meiner von euch melden,
Mein Seitenspiel spielt nur von Lieb und Gunst.
(S. 47)
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Die flüchtige Schönheit
Aus des Aristaeneti Griechischen Episteln

Du stoltze Sylvia,
Bedencke doch die Zeit,
Und deiner Jahre Flüchtigkeit.
Die Früchte fallen endlich ab,
Wo man sie nicht zu rechter Zeit gebrochen.
Der Wiesen Pracht geht mit den Blumen ein,
Und wird zu lauter Koth und Schlamme;
Die Rose selber, deren Schein
Erst alle Blumen weggestochen,
Erblast zuletzt und stirbt an ihrem Stamme,
Drum laß doch, Schönste, deinen Sinn
Durch so bewehrten Grund erweichen,
Und mache, daß mit Wangen, Mund und Kinn
Dein Hertz sich möge gleichen.
(S. 47-48)
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Schönheit und Liebe
Auch aus dem Aristaeneto

Wie? kan es möglich seyn?
So fesselt denn Cupido auch die Schönen,
Und lässet sich sein abgesagter Haß
Durch freundlich Ansehn nicht versöhnen?
Ach! freylich nein.
Denn unsre Flavia
Hat mir es nechst durch Minen selbst gestanden.
Cupido hat ihr wol zu viel gethan.
Allein wer klaget ihn drum an?
Die Mutter selber war nicht frey von seinen Banden.
(S. 48)
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Die Unempfindliche

I.
Strenge Chloris, laß dem Diener
Der dich liebet, etwas zu,
Eh er dir nur desto kühner
Allerhand Verdruß anthu.

Spare deine scharffen Pfeile,
Welche mich zum Fall gesetzt,
Daß man nicht einst eine Zeile
Noch für dich zu kostbar schätzt.

II.
So verliebt ich mich auch stelle,
Da du mich mit nein erschreckt,
Wenn ich mich an deine Schwelle
Höchst demüthigst hingestreckt;
So gefährlich seynd hingegen
Meine Waffen anzusehn,
Wenn mir über mein Vermögen
Irgendwo Gewalt geschehn.

III.
Bleibt der Himmel ewig trübe?
Fällt nicht endlich Schnee und Eiß?
Ach! wie daß nicht auch die Liebe
Deine Brust zu beugen weiß?
Denn du bleibst noch unempfindlich,
Und sprichst ewig, ewig: nein.
Also muß ich dir verbindlich,
Aber nie verbunden seyn.

IV.
Willst du immer widerstreben?
Bist du nur vor dich gemacht?
Nein, wer einsam denckt zu leben,
Der wird billig ausgelacht.
Die schon alles übrig haben,
Brauchen wenig vor das Hauß.
Hast du nun auch grosse Gaben,
Ey so theile reichlich aus.

V.
Schliesse mich in deine Hände,
Wie ich dich in meine Brust,
Und vergönne vor dem Ende
Mir noch eine kurtze Lust.
Stelle dich mir nur gewogen,
Ob dein Hertz es anders meint,
Daß der Mund, der mich betrogen,
Mir alsdenn recht heßlich scheint.

VI.
Doch du weist noch nicht zu trügen;
Denn die Liebe kennst du nicht.
Also hast du dein Vergnügen
Nur auf Zorn und Haß gericht.
Andern zeigst du Sonnen-Stralen,
Aber mir will dein Gesicht
Lauter Blitz und Donner zahlen,
So durch Marck und Adern bricht.

VII.
Sage nur, in welchem Stücke
Thu ich wenig oder viel.
Denn ich acht es vor ein Glücke,
Wann mich jemand meistern will.
Alles laß ich dir zu Liebe
Willig über mich ergehn;
Darf ich nur in meinem Triebe
Nicht so gar zurücke stehn.

VIII.
Wilst du mir nun Rettung senden,
Oder hältst du mich nicht werth,
Daß mir noch von deinen Händen
Eine Gutthat wiederfährt?

Ey so must du doch verbleiben,
Weist du was? mein schönstes Licht,
Denn ich ende zwar dis Schreiben,
Doch mein Lieben end ich nicht.
(S. 48-51)
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Das willige Frauenzimmer
Aus der Mrs. Behn Engl. Poems p. 44

I.
Nechst führte Thyrsis mich auf ein beblühmtes Feld,
Die Bäume rund umher ertheilten ihren Schatten
Und wolten, wie es schien, der Sonne nichts verstatten,
Ja was uns diesen Ort am schönsten fürgestellt,
War Einsamkeit allein; es konte niemand hören,
Was Worte zwischen uns damals gefallen sind,
Und nichts als ohngefehr ein sanffter Westen-Wind,
Der in die Blätter strich, konnt unsre Ruhe stören.

II.
Da satzten wir uns bald zusammen auf den Mooß,
Und fiengen unter uns allmählich an zu spielen.
Wir hatten tausend Schertz, und sassen in dem Kühlen
Zwar einsam, doch vergnügt einander in dem Schoß.
Wie kont ich Thyrsen doch so manchen Kuß vergönnen,
Und wie viel nahm er nicht auch wieder von mir an?
So daß ich allgemach im Wercke dargethan,
Wie lieb mir, was ich doch mir nicht getraut zu nennen.

III.
Sein schönes Augenpaar belehrte mich geschwind,
Wie man durch Blicke kan, als wie mit Worten, reden;
Und also konte sich dieselbe leicht entblöden,
Die schon ein Strahl davon vorlängst hatt angezündt.
Er küßte mich zwar nur und hieng mir um die Brüste,
Doch jene machten mir mehr die Gedancken kund;
Inzwischen warf er mich voll Anmuth auf den Grund,
Errathet weiter nun die uns bekanten Lüste.
(S. 51-52)
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Die Clælia ladet ihn zur Visite ein

Du machest, Clælia, mir deine Neigung kund,
Nachdem mein Hertze sich hat offt nach dir gesehnet.
Ich ehre dich annoch und kenne deinen Mund,
Der von den Rosen selbst die Farbe hat entlehnet.
Ich schmecke noch den Kuß, den ich das letzte mal
Von deinen Lippen nahm, und den du mir gegeben.
Ich fühle deine Krafft. Denn deiner Augen Strahl
Durchdringet, glaube mir, auch Seele, Leib und Leben.
Ich schwöre, schönstes Kind, daß meine treue Brust
Nicht einmal hie bevor hat größre Glut getragen,
Als da ich dich geschaut, und zwischen Lieb und Lust
Bey deiner Zärtlichkeit ein etwas durffte wagen;
Als ich, ich sage mehr, die völlig schöne Hand,
Die Wangen und den Mund vermochte zu berühren,
Und als ich neben dir so viel Vergnügen fand,
Daß ich der Freyheit Schatz mir willigst ließ entführen.
Es drunge mir ein Trieb zu allen Gliedern ein,
Der mich in deine Schoß gefangen hingeleget:
Es wird, ich weiß gewiß, dir selbst noch wissend seyn,
Wie hoch ich dich verehrt, wie schön du mich geheget.
Wir liebten uns vergnügt in stiller Einsamkeit,
Und liessen ingeheim die Seelen sich besprechen,
Wenn der vergnügte Mund durch einen süssen Streit
Die Schalen unsrer Gunst sich mühte zu erbrechen.
Bald schickt ich einen Blick, bald schlug die kühne Hand,
Wie grüner Epheu, sich um deine zarte Hüfften:
Kurtz, beyder Hand und Mund die wolten gantz entbrannt
Durch ihre Redner-Kunst ein festes Bündnis stifften.
Und warlich hätte nicht die Liebe solchen Grund,
Wir nehrten jetzo nicht so süsses Angedencken,
Ich wüste nichts von dem, wie ein vergnügter Mund
Bey fremden Lippen auch weiß Nectar einzuschencken:
Wie man die Hände frey an Kinn und Wangen führt,
Mit Augen aber auch kan wie mit Feuer spielen:
Wie sich der Liebe Schaum in allen Adern rührt,
Und wie wir tausend Lust in eitlen Küssen fühlen.
Ein mehrers sag uns ja kein loser Spötter nach:
Wir überschritten nicht der Erbarkeit Gesetze,
Und dachten, wenn das Fleisch dem Geiste widersprach,
Daß man die Jungferschafft, wie Spiegel, leicht verletze.
Nun eben dieses soll der steiffe Fürsatz seyn,
Wenn ich dich wiederum, mein Engel, werde sprechen;
Da wollen wir vergnügt in unsrer süssen Pein
Der Liebe zarte Frucht berühren, doch nicht brechen.
(S. 52-53)
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Der theure Schwur
Sherburne's Poems p. 102

I.
Corinna lachet mein zur Lust.
Wenn ich bey meinem Leben schwöre
Bey meinen Augen, bey der Brust,
Daß ich sie gantz allein verehre;
So spricht sie: was bereits ist mein,
Kan nun nicht mehr verpfändet seyn.

II.
Wolan so schwör ich bey der Qvahl,
Die deine Blicke mir gebehren:
Bey meinen Seuffzern allzumahl:
Bey den umsonst vergoßnen Zähren;
Nun kanst du recht versichert seyn,
Denn die sind leider! leider! mein.
(S. 53-54)
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Die schwangere Schöne
Benserade Oeuvres p. 92

Die Plagen, die dein Leib erträget,
Sind schwer, doch müssen sie vergehn,
Die aber in mir selbst entstehn,
Die deiner Augen Glantz erreget,
Entzünden bey mir ein Verlangen,
Das grausam und unendlich ist;
Es sey denn, daß mein Schmertz sich schließt,
Wo deiner sich hat angefangen.
(S. 54)
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Ein Gespräche zwischen Thyrsis und Phyllis
Nach des Theocriti Idyll. 28

Thyrsis
Beliebte Schäferin, so find ich dich allhier;
Kein Mensch ist warlich nicht, wie ich, beglückt zu nennen,
Doch nimmst du, Phyllis, auch den treuen Kuß von mir,
So glaube, werd ich mich den Göttern gleich erkennen.
Der Schäfer Paris hat die Helenam geraubt,
Ich aber muß dich noch weit über jene setzen.
Und kan es möglich seyn, mein Kind, ist es erlaubt,
Daß ich mich nebenst dir darff, wie ich will, ergötzen;

Phyllis
Was küssen? was erlaubt? du stöhrest meine Ruh,
Ich bin von niedern Stand, von schlechter Art und Wesen:
Es läst mir die Natur nicht die Gedancken zu,
Zu meiner Lust was mehr, als Schafe, zu erlesen.
Was aber bittest du um einen eiteln Kuß?
Ich küsse manchesmal die Schäfgen auf der Weyde,
Allein ich achte es traun für lauter Uberdruß,
Bey Männern aber meist nur für verbotne Freude.

Thyrsis
So wilt du allezeit bey deiner Heerde seyn,
Und denckest, weil du lebst, niemals verliebt zu werden?
Ach last doch, Schäferin, die heissen Flammen ein,
Ein treuer Hirte gilt viel mehr als tausend Heerden.
Nicht widerstrebe dem, was Venus uns gebeut,
Und lerne, wie in uns sich Geist und Leben rühren,
Wie uns die Liebe selbst nur lauter Rosen streut,
Und wie wir lauter Lust bey unsern Banden spühren.
Ein mehrers saget dir die blöde Zungen nicht,
Doch laß das übrige dir in den Wercken zeigen.

Phyllis
Wie artig hat dich doch die Venus abgericht?
Es heist die rothe Scham zwar deine Zunge schweigen,
Und dennoch redest du mich noch mit Küssen an.
Nein, nein, ich wische sie von den befleckten Lippen,
Wo du zum Feuer wilst, so findst du hier die Bahn,
Wo du zu scheitern denckst, so hast du hier die Klippen.
Drum wage nicht zu viel, dieweil die Freundschafft noch
Bey mir Gewogenheit doch ohne Lieb erreget;
Laß mich, und grabe dir nicht selber Grub und Loch,
Und tilge selbst die Glut, die deine Brust noch träget.

Thyrsis
Ach schönste Schäferin, vergönne noch ein Wort,
Ja zürne nicht zu früh, und überleg es eben;
Wie bald streicht auch bey dir der Jugend Frühling fort?
So schaue nun auf dich und auf dein junges Leben.

Phyllis
Der Winter raubet mir die edle Tugend nicht;
Die welcke Rose reucht, die Traube giebt Rosinen,
Und meinst du, daß man gleich im Frühling Früchte bricht,
Und daß der Acker trägt, der jetzt beginnt zu grünen?

Thyrsis
Gantz recht; doch gehen leicht die morschen Aepffel ein,
Die nicht, wie sichs gebührt, zu rechter Zeit gebrochen:
Die Wiese, wo anietzt die schönsten Blumen seyn,
Verliehret ihren Glantz, und stirbt in wenig Wochen.
Drum laß doch, was du hast, nicht lang unangerührt,
Und dencke, daß es nicht für dich allein gerathen.
Wem sparst du, Schäferin, den Garten, der dich ziert,
Die Rosen, den Jasmin, die Lilien, die Granaten?
Es bildet die Natur dich nicht darum so schön,
Daß jedes Hertze soll vergebens um dich brennen.

Phyllis
Soll ich mit Willen denn in Garn und Netze gehn,
Und meinen Untergang mir selber zuerkennen?

Thyrsis
Getreue Liebe siegt auch sonder Hinterlist.
Nicht fürchte Netz und Garn da, wo kein falsch zu finden,
Und glaube, daß dein Knecht ein Feind der Geilheit ist.
Selbst Zucht und Treue soll das edle Band verbinden.
Sprich nur ein frohes Ja.

Phyllis
Nein, nein, mein Hertz spricht nein:
Der Ehestand ist voll von Jammer und Beschwerden.

Thyrsis
Kein Jammer, kein Verdruß, kein Trauren, keine Pein.
Die Ehe soll uns gar zu einem Himmel werden.

Phyllis
Man sagt, ein Weibesbild fürcht allzeit ihren Mann,
So soll ich an ein Joch?

Thyrsis
Ihr könnet uns besiegen,
Ihr Weiber insgesamt, ihr nehmt die Herrschafft an,
So bald wir euch gesehn; und wenn wir oben liegen,
So ist es nur darum, dieweil es euch beliebt;
Ein Blick von euch kan uns zu euren Sclaven machen.

Phyllis
Was Schmertzen aber auch uns das Gebehren giebt,
Ist Weibern wohl bekant.

Thyrsis
Ich muß nur dessen lachen.

Phyllis
Und also gienge mir ja Farb und Leben ein.

Thyrsis
Ein angenehmes Kind weiß alles einzubringen;
Dann wirst du gantz erfreut und aus dir selber seyn,
Wenn deine Wärterin wird ein Poppeia singen.

Phyllis
Ich weiß nicht, wie in mir sich alles rückwerts kehrt.
Vor war ein eintzig Wort von Liebe mir zuwider,
Nun aber hab ich dich zu fleißig angehört,
Und ein zu süsses Gifft dringt mir durch alle Glieder:
Vor haßt ich einen Mund, der nur, ich liebe, sprach,
Jetzt aber küß ich ihn.

Thyrsis
Mein Engel und mein Leben,
So giebst du endlich noch der treuen Liebe nach?

Phyllis
Du solst mein eigen seyn, ich bleibe dir ergeben.

Thyrsis
Wolan so nimm von mir, was dir die Liebe schenckt,
Laß den beperlten Kuß auf meine Lippen fliessen.
Und wo dein Hertze mich recht zu vergnügen denckt,
So laß die unverwehrt in Schoß und Arme schliessen.
Komm, komm, dort betten uns die Wiesen und der Wald:
Die Vögel singen schon die schönsten Hochzeit Lieder:
Komm, auserlesner Schatz, mein schönster Auffenthalt,
Und laß dich neben mir bey jenem Schatten nieder.

Phyllis
Der Himmel trauet uns, ich folge dir, mein Licht;
Ihr aber, die ihr könnt auf stiller Weide gehen,
Ihr Schafe, weidet nur, ich werde ferner nicht,
Wie ich bißher gethan, euch an der Seiten stehen.

Thyrsis
Du Heerde, welche dort auf Graß und Blumen trit,
Du kanst der süssen Ruh so, wie du wilt, geniessen;
Spar aller Blumen nicht, und fülle dich darmit,
Es wachsen doch genug bey meiner Phyllis Füssen.
(S. 54-58)
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Die versäumte Gelegenheit

I.
Wie lange noch, beklemtes Hertz,
Wie lange wilt du annoch schweigen?
Eröffne den verborgnen Schmertz,
Und laß die herbe Qvahl sich zeigen,
Ich weiß es selbst nicht, wo ich bin;
Die Augen, ja Hertz, Muth und Sinn,
Die werden schon an mir zur Leichen:
Die Zunge wird mir eine Last:
Die Hände selber starren fast,
Und Mund und Wange muß erbleichen.

II.
Allein woher rührt meine Noth?
Was ist der Ursprung von dem Leiden?
Nichts anders, als dis ist mein Tod,
Daß ich von Sylvien soll scheiden.
Mein Hertze trennet sich von mir,
Es lieget, Sylvia, bey dir,
Und will nicht weichen und nicht wancken.
Mein Leib allein läst diesen Ort,
Man trägt nur Fleisch und Beine fort,
Bey dir sind Sinnen und Gedancken.

III.
Ich muß der Liebe dienstbar seyn.
Wiewol ichs niemals nicht gestanden:
Und dis verdoppelt noch die Pein,
Daß ich von meinen harten Banden
Dir, Sylvia, noch nichts entdeckt.
Ein Blick von dir hat mich geschreckt,
Und auch zugleich mich mehr entflammet.
Was Wunder, daß die stumme Glut
In der entbrannten Brust nicht ruht,
Und mich zu Schmach und Grab verdammet.

IV.
Dein blöde seyn, betrogner Sinn,
Raubt mir mein Glück und mein Vergnügen.
Ach! die Gelegenheit ist hin,
Die mir den Vortheil wieß zu siegen.
Der Tag stellt sich nicht wieder ein,
Da wir alleine konten seyn,
Der frohe Tag kömmt niemals wieder:
Der Abend, die gelegne Zeit,
Da wir - -  doch was? die Blödigkeit
Riß allzeit meinen Fürsatz nieder.

V.
Sechs Jahre sind nun fast vorbey,
Daß ich in deinen Diensten lebe,
Und doch indes für Schaam und Scheu
Dir keine Nachricht davon gebe.
Mein Hertze bleibt auf dich gericht,
Allein die Glieder merckens nicht;
Der Mund weiß nichts davon zu sagen,
Und kaum erkühn ich manchesmal
Der Liebe Schmertzen, Wuth und Qvahl
Dir durch die Augen noch zu klagen.

VI.
Wie manchmal hat die Einsamkeit
Mir die gewünschte Bahn gebrochen?
Wie manchmal hat Spiel, Ort und Zeit
Für meine Liebe schon gesprochen?
Wie gabst du selber öffters mir
Ein klares Merckmal der Begier,
Und lehrtest, wie du zu gewinnen:
Jedoch mein Hertz war nie behertzt:
Ich war betrübt, wenn du geschertzt,
Und ward mein Glücke langsam innen.

VII.
So trifft die Schuld alleine mich.
Denn grausam kan ich dich nicht nennen.
Die holde Freundligkeit ließ dich
Zum öfftern gegen mich erkennen;
Und schien gleich dein recht schöner Mund,
Der theils vergnügt, und auch verwundt,
Bisweilen einem Kuß zu weichen,
So war er dir doch angenehm;
Ich aber scheute mich nachdem,
Und hielt es für ein schlimmes Zeichen.

VIII.
Und dieses ist es auch allein,
Was, Sylvia, dich kan bereden,
Daß ich dir müsse dienstbar seyn.
Wie darf ein Diener sich entblöden?
Wer setzet dir zu eifrig zu,
Und denckt nicht mehr an deine Ruh?
Selbst die Vernunft hieß mich erwegen,
Daß gleichwol die verschwiegne Treu
Im Lieben weit beglückter sey,
Als Zorn und Ungeduld erregen.

IX.
Allein, wie spielst du noch, mein Sinn,
Und nehrest dich durch eitle Träume?
Ich werffe Schrifft und Feder hin;
Was helffen mir die späten Reime?
Zu späte, wenn das schöne Kind
Jetzt gleich Erbarmen für mich find,
Zu späte, da wir scheiden müssen,
Doch geht, ihr kurtzen Zeilen, geht,
Ihr wisset, wie es um mich steht,
Thuts auch der Sylvien zu wissen.
(S. 58-61)
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Die schlaffende Cynthia
Propert. L. I. Eleg. 3

Wie Ariadne sonst entkräfftet hat gelegen,
Da Theseus in der Eil mit ihr zu Schiffe kam:
So wie Andromeda schlief, sonder sich zu regen,
Als ihre bange Noth ein frohes Ende nahm:
Ja wie Edonis einst in Laub und Gras gefallen,
Nachdem ein muntrer Tantz sie allzusehr vergnügt;
So schien mir Cynthia, als ihrer Brüste Ballen
Ein sanffter Athem nechst durchstrichen und gewiegt:
Als sie den zarten Arm ihr selbst zur Stützen machte,
Und allgemach gantz matt in tieffen Schlaff versanck,
Indem ich unterdes bey späten Abend wachte,
Und taumelnd manches Glaß auf ihr Vergnügen tranck.
Inzwischen hatt ich noch nicht Sinn und Muth verlohren;
Die zarte Regung zog mich ihrem Bette nach.
Es hatten Lieb und Wein sie selber mir erkohren,
Und machten mich behertzt, wenn alles widersprach.
Ich wolt ihr unbemerckt die Armen unterlegen,
Und küssen insgeheim den halb geschloßnen Mund.
Ich wolte mit der Hand die matten Glieder hegen,
Dieweil mir, wie es schien, hier alles offen stund.
Allein ich traute nicht, der schönsten Ruh zu stören;
Ich dachte bey mir selbst an ihre Grausamkeit,
Und wolte sie allein in den Gedancken ehren;
So siegten dazumal Furcht und Bescheidenheit.
Jedennoch schaut ich sie mit unverwandten Augen,
Wie Argus Jupiters geliebte Jo an.
Denn was kan ausser dem mehr zur Vergnügung taugen,
Als wenn man, was man liebt, mit Lust beschauen kan?
Bald legt ich meinen Crantz auf ihre Scheitel nieder;
Und wenn ihr schönes Haar sich ohngefehr zertrannt,
Bekam es, wie zuvor, von mir die Zierde wieder:
Bald legt ich eine Frucht ihr in die hole Hand.
Ihr sanffter Schlaf, der zwar nur lauter Undanck heget,
Nahm manchen Apffel ietzt unwissend von mir an;
Den meine treue Hand ihr auf den Schoß geleget,
Wiewol ihr hangend Schoß ihn nicht erhalten kan.
So oft ich sie gesehn die tieffen Seuffzer holen,
So war ich gleich erstaunt, und meinte, daß vielleicht
Ein Freveler im Traum ihr einen Kuß gestohlen,
Und irgend ein Gesicht sie ohngefehr gescheucht.
Biß endlich allgemach, dem Schlafe wie zum Possen,
Ein heller Mondenschein durch alle Fenster brach.
Da wurden ihr gemach die Augen aufgeschlossen,
Ich hörte, wie sie drauf zu mir voll Unmuth sprach
Wie, hältst du länger dich nicht mehr für mich verborgen,
Und hat dein neuer Schatz dich weiter nicht bedacht?
Denn ey, wo hast du wol biß an den lichten Morgen
Die Nacht, die mir gehört, vergnüglich zugebracht?
Ist keine Regung hier welch süsses Nacht-Gefechte
Verschaffet, daß dein Hertz ietzt meiner gantz vergißt?
Untreuer, hättest du doch lauter solche Nächte,
Wie meine Nächte sind, wenn du nicht bey mir bist.
Ich muste kurtz zuvor den Rahm für dich umfassen,
Bald schlug ich das Clavier; doch fand ich nirgends Ruh.
Denn heimlich dacht ich stets: wie bist du doch verlassen?
Gilt fremde Liebe denn noch immer mehr als du?
Indem so hatte mich ein Schlummern eingenommen,
Ich legte mich hieher; wiewol bey später Nacht.
So bin ich allgemach um meine Sorgen kommen,
Und meine Müdigkeit hat mich beglückt gemacht.
(S. 61-63)
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Die Natur theilt ihre Gaben aus
Anacreon Od. 2

Es hatte die Natur, die Mutter dieser Erden,
Dem Rind ein doppelt Horn; die Hufe denen Pferden,
Den Fischen in der See zum Schwimmen einen Zug:
Den Vögeln in der Lufft den wunderschnellen Flug:
Dem Löwen das Gebiß, zu rauben und zu rasen,
Und die Geschwindigkeit den unbewehrten Hasen,
Zum Schutz und auch zur Flucht: Den Männern der Verstand,
Dem zarten Frauen-Volck die Schönheut zuerkant.
Die dienet dem Geschlecht so wol zu Schild als Waffen,
Verliebten zu der Ruh; Verächter zu bestraffen.
Denn die, so schöne heist, bricht Eisen leicht entzwey,
Und zeigt, daß Feuer auch gantz sonder Würckung sey.
(S. 63-64)
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Cupido ein Tyranne
Anacreon Od. 14

Ich will, ich will mich gern verlieben.
Cupido trug mirs neulich an;
Da war ich so verstockt geblieben,
Und hatte nicht darnach gethan.
Drum griff er eiligst nach dem Bogen,
Nahm Pfeil und Köcher auch zur Hand,
Und sprach: wofern ich dich betrogen.
So werd es im Duell erkant.
Darauf ergriff ich eine Lantze,
Wie ehemals Achilles trug,
Die Ochsen-Haut war meine Schantze,
So ich um beyde Schultern schlug.
Der Streit ward also fest beschlossen,
Er schoß, ich aber lief in Eil;
Und als er sich schon gantz verschossen,
Da ward er selber als ein Pfeil.
Voll Unmuths zielt er nach dem Hertzen,
Und drung sich mitten durch die Brust,
So daß ich unter tausend Schmertzen
Von nichts als Lieb und Angst gewust;
Er fieng tyrannisch an zu haussen,
Vergebens trug ich Schwerdt und Schild.
Denn was erwehrt man sich von aussen,
Wo man den Krieg im Hertzen fühlt?
(S. 64-65)
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Er wünschet verwandelt zu seyn
Anacreon Od. 20

Die Tochter Tantali ward ehemals zum Stein,
Und die des Pandions gewann aus Unmuth Flügel:
Ach gienge die Natur mit mir den Wechsel ein,
So wüntsch ich, mache sie mich ietzt zu einem Spiegel,
Damit du iederzeit mich für den Augen hast!
Ach wolte die Natur so gütig mit mir handeln,
Und mich dem Wesen nach in einen Rock verwandeln,
So würd ich dir vielleicht nicht eine schwere Last!
Ach könt ich dir zu Dienst dem Wasser ähnlich seyn,
Das deinen zarten Leib bemüht ist abzuwaschen!
Wär ich dem Balsam gleich in deinen Purpur-Flaschen,
Ich dringte dir gewiß in alle Glieder ein!
Ach wär ich doch ein Flor, der deine Brüste deckt,
Die Perlen, die den Hals, wie Marmolstein umschliessen,
Ein Schuch, darein dein Fuß sich nach Gefallen streckt,
So wär ich höchst vergnügt; auch unter deinen Füssen.
(S. 65)
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Die kurtze Vergnügung
Catullus Epigr. V.

I.
Last uns leben! last uns lieben!
Lesbia, mein ander Ich:
Last die Alten sich betrüben,
Die sind nicht für mich und dich.
Was sie uns zur Schande dichten,
Schlagen wir leicht in den Wind,
Weil doch diese, die uns richten,
So wie wir gewesen sind.

II.
Selbst die Sonne wird verborgen,
Und vollendet ihren Lauf,
Aber mit dem andern Morgen
Geht sie desto heller auf.
Doch wenn endlich unsre Freude
Mit dem Leben ausgetagt,
So ist dieses Welt-Gebäude
Uns auf Ewigkeit versagt.

III.
Nun so gieb mir hundert Küsse:
Tausend Küsse sonder Ziel:
Tausend, die noch eins so süsse,
Und noch hundert mal so viel:
Noch ein tausend, noch ein hundert,
Biß wir also dargethan,
Daß, wer sich darum verwundert,
Doch nicht alle zehlen kan.
(S. 65-66)
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Gedancken über die Susanna

Wenn bey der Mittags-Zeit die reinliche Susanne,
Der Eltern Freud und Ruhm, die Zierde für dem Manne,
In stiller Einsamkeit in ihren Garten ging,
So ließ sie bey dem Qvell sich nach Gewohnheit nieder,
Indem verbargen sich zwey graue Venus-Brüder,
Bey denen noch das Hertz verdammte Flammen fing.
Sie schauten voller Brunst auf die schneeweissen Brüste,
Auf den Corallnen Mund, das Ziel der geilen Lüfte,
Und sogen einen Gifft aus reinen Augen ein:
Es ward die rothe Scham auf ihren zarten Wangen
Ein Reitzen zur Begier und lüsternem Verlangen,
Und selbst die Unschuld ward zur Mutter ihrer Pein.
Was aber konten sie vor einen Rath ersinnen?
Ein ieder wolte gern den Preiß allein gewinnen.
Und gieng der Einsamkeit mit leisen Schritten nach,
Biß sie, nachdem sie selbst einander offt verrathen,
In einen schnöden Rath zuletzt zusammen traten,
Und sich das freche Paar von seiner Gluth besprach.
Es hatte Geilheit nun sich wider Scham verschworen,
Und schätzte, wie es schien, dieselbe für verlohren,
Man griff die milde Brust mit harter Drohung an;
Allein Susanna ließ sich nicht deswegen schrecken,
Ihr Hertz blieb, wie der Leib, befreyt von faulen Flecken,
Zu zeigen, daß die Zucht sich schützen kan.
Und ach! was ist die Welt? der schnöden Unzucht Hecke,
Ein Stall voll lüsterner und ungezähmter Böcke,
Wo Tugend offt beschämt nach ihrem Bade geht,
Wo man der Frömmigkeit verdeckte Schlingen leget,
Wo man im Hertzen Gifft, im Munde Zucker träget,
Wo Sodoms leere Frucht in güldnen Schalen steht.
Da muß Susanna sich für Scham und Zucht erröthen,
Da ist Beständigkeit und tapffrer Muth von nöthen,
Ein unerschrocken Hertz läst seinen Feind nicht ein:
Es muß die Unschuld noch die weisse Fahne schwingen,
Ein tugendhaffter Blick durch frechen Fürsatz dringen,
Und reine Keuschheit selbst stat Wehr und Waffen seyn.
(S. 66-67)
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Liebe ohne Liebe

Ich liebe Clælien, doch lieb ich sie nicht recht;
Das macht, sie ist wol gut, iedoch vor mich zu schlecht:
Sie ist wol hübsch genug, doch auch nicht extra fein:
Sie liebet mich zwar wol, und doch nicht mich allein:
Sie ist zwar wol nicht dumm, doch nicht vor andern klug:
Zwar frey von Heucheley, jedoch nicht von Betrug;
Sie ist vor sich geschickt, doch plump in Compagnie:
Ich liebe sie nicht recht, und dennoch lieb ich sie.
(S. 67-68)
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Fast dergleichen
Aus dem Catullo Epigr. 76

Kein Mägdgen konte mich vergnügen,
Als, Lesbia, nur du allein,
Kein Bündniß war so hoch gestiegen,
Die Liebe nahm uns noch mehr ein.
Nun aber ist durch dein Verstehen
Mein Hertz entwendet und verkehrt;
Ich selbst weiß nicht wie mir geschehen,
Weil es dich halb veracht, halb ehrt,
Daß würdest du die Schalckheit lassen,
Ich dennoch dir nicht gut seyn kan,
Und gleichwol auch dich nicht kan hassen,
Thu mir gleich noch was ärgers an.
(S. 68)
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Auf eine unbekannte Schöne, die sich
bald wieder unsichtbar machte

Laß dich doch wieder sehn, edelste Schöne,
Gönne mir noch mals dein himmlisch Gesicht,
Laß dich doch hören, du schönste Sirene,
Laß dich - - doch, Schönste, du hörest mich nicht.
Dir geb ich beydes Gedancken und Sinne,
Was sich nur reget und lebet an mir,
Dir muß es eigen seyn, was ich beginne,
Was ich kan reden, ist alles von dir.
Um dich zerfließ ich in thränende Fluthen,
Um dich erfüll ich die Felder mit ach!
Täglich und stündlich und alle Minuten
Schau ich, und such ich, und forsch ich dir nach.
Komm doch, ach! komm mir noch einmal entgegen,
Vielleicht verschwindet auf einmal die Qvahl,
Die du mir kontest auf einmal erregen,
Zeige dich mir noch ein eintziges mal.
Doch was begehrst du das wieder zu schauen,
Brennendes Hertze, was dich hat verletzt?
Wilt du dich nochmals den Augen vertrauen,
Die dich schon einmal in Feuer gesetzt?
Schönste, dir will ich zu Liebe verderben,
Brenne, nur brenne, doch laß dich auch sehn:
Seh ich dich wieder, so wil ich gern sterben,
Doch ach! was wüntsch ich? es kan nicht geschehn.
(S. 68-69)
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Auf eben dieselbe

Wie? stellt das Glücke mir die Schönheit selber dar?
Und Himmel! ach! wo wird sie wiederum gefunden?
Ich zweifle nicht daran, daß es ein Engel war;
Denn sonsten wäre sie nicht so geschwind verschwunden.
(S. 69)
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Auf ein Mägdgen

I.
Das Mägdgen, das ich kenne,
Ist auserlesen schön,
Und wenn ich sie nur nenne,
So wird man mirs gestehn.
Drum laß ich ihr zu Ehren
Offt solche Worte hören:
Mein Mägdgen ist recht schön.

II.
Das Mägdgen, das ich liebe,
Ist unvergleichlich fein,
Wofern ich mich betrübe,
Geschichts um sie allein,
Und wenn ich mich erfreue,
Gedenck ich stets aufs neue,
Mein Mägdgen ist recht fein.

III.
Das Mägdgen, dem ich diene,
Ist allerdings galant;
Und wo ich mich erkühne,
Die wollenweiche Hand
In Demuth zu umfangen,
So sprech ich voll Verlangen:
Mein Mägdgen ist galant.

IV.
Das Mägdgen, das ich hege,
Ist artig und geschickt;
Sie macht das Leben rege,
Sie macht das Hertz beglückt,
Und ihr beliebtes Wesen
Heist mich die Worte lesen:
Mein Mägdgen ist geschickt.

V.
Das Mägdgen, das ich küsse,
Ist noch was mehrers werth:
Und wo sie, da ich schliesse,
Mir gönnet und begehrt,
Daß ich darf etwas wagen,
So werd ich künfftig sagen:
Mein Mägdgen ist es werth.
(S. 69-70)
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Frost und Liebe
Fast aus des Grotii Eleg. L. I. p. 146

Es bleibt der Venus Sohn im Winter unverdrossen:
Was Frost und Kälte heist, hemmt seine Kräffte nicht:
Was uns versaget ist, bleibt nicht für ihm verschlossen,
Dieweil er seinen Sinn auf Blitz und Strahlen richt.
Er weiß im Winter auch die Hertzen zu bekriegen,
Die sonst die Frühlings-Lust ihm aus den Händen führt.
Verliebte lassen sich am leichtesten besiegen,
Wenn die erhitzte Brust Eiß, Schnee und Kälte spührt.
Dem Bacho will der Herbst zu seiner Lust belieben:
Des Sommers Fruchtbarkeit dient Cereri zum Ruhm:
Die schöne Frühlings-Lust hat Flora sich verschrieben:
Und was sich Liebe nennt, hat Frost zum Eigenthum.
Wird unter kalten Schnee nicht grüne Saat ernehret,
Und kan man nicht im Eiß offt lichte Flammen sehn?
So wird die Liebe selbst durch keinen Frost gestöhret,
Und ihre Würckung kan bey Reiff und Eiß geschehn.
So bald das Sonnen-Licht vom Horizonte weichet,
So lagert sich sein Strahl in unsre Glieder ein,
Und wenn ein rauher Wind schon hin und wieder streichet,
Muß dennoch diese Glut nur desto stärcker seyn.
Es glimmen in uns selbst die heissen Liebes-Kertzen,
Die hegen unsern Geist und ändern die Gestalt.
Die halb erlöschte Glut entfliehet zu dem Hertzen,
Und suchet hier für sich den besten Auffenthalt.
Ja mit der Kälte wächst zugleich die Liebes Flamme,
Die kein entstandner Sturm so gar verlöschen kan;
Und findet sich jemand, der Lieb und Lust verdamme,
Der sehe sich nur selbst in kalten Tagen an.
(S. 71)
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Die Qvalitäten der Verliebten
Oeuvres de M. Sarasin p. 414
Nach dem Genere, wie im Französischen

I.
Der meiste Theil
Der ietzigen Verliebten
Trägt seine Schmertzen feil:
Das Weinen, Seuffzen, Klagen,
Und von Verzweiflung sagen,
Ist ihnen allgemein,
Und soll für ihre Flammen
Ein wolbewehrtes Mittel seyn,
Dadurch sie sich doch selbst verdammen.
Denn Amuretten sind ja Knaben,
Die wollen was zu lachen haben.

II.
Wer klüglich liebt,
Der darf nicht gar verstummen,
Wo man ihm Anlaß giebt,
Er muß bey seinen Schmertzen
Noch lachen, plaudern, schertzen,
Sonst find er kein Gehör;
Und giebt es was zu reimen,
So darff ein lustiger humeur
Mit frohen Liedern sich nicht säumen.
Denn Amuretten sind ja Knaben,
Die wollen was zu singen haben.

III.
Ein jeder Kuß
Muß hoch vergolten werden,
Sonst giebt es nur Verdruß.
Doch wer sich will beqvemen,
Und geben mehr, als nehmen,
Hat bald den Zweck erreicht.
Wein, Obst und Confectüren,
Die können sonder Zweiffel leicht
Der Frauenzimmer Hertzen rühren.
Denn Amuretten sind ja Knaben,
Die wollen was zu naschen haben.
(S. 72-73)
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Das Monstrum
Boissard Epigr. p. 362

Nun glaub ich, daß der Wald verstellte Faunen heget,
Der Himmel Drachen zeugt, das Meer Sirenen trägt,
Es müssen gantz gewis dergleichen Wunder seyn;
Denn Lea sagte nechst, sie wäre gantz allein,
Und hatte doch, als sie sich recht betrachten liesse,
Ein doppelt Hintertheil, zwey Leiber und vier Füße.
(S. 73)
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Chloris läst sich zwingen
Th. Mori Ep. gr. p. 78

Die Chloris fand sich nechst  in stiller Einsamkeit,
Als Strephon sich ihr mit leisen Schritten nahte,
Und bald in heisser Brunst bey der Gelegenheit
Um einen süssen Kuß und noch ein mehrers bathe;
Sie aber stellte sich gantz ungemein ergrimmt,
Und da er mit Gewalt sie dachte zu bezwingen,
So sprach sie: packe dich, wer mir mein Kleinod nimmt,
Der wird durch strenges Recht sich um sein Leben bringen.
Allein die geile Glut wuchs immer mehr und mehr,
Er bath, er drohete; doch dräuen, bitten, sehnen
War alles ohne Frucht, sie brauchte Gegenwehr,
Sie rung mit Hand und Fuß, und fochte mit den Zähnen.
Zuletzt brach Strephon noch in vollem Eyfer aus:
So schwör ich bey mir selbst und meinem blancken Degen,
Und hiermit zog er auch zugleich den Degen raus,
Wo Chloris sich nicht läst zur Gegengunst bewegen,
So geh ich zornig fort; das war ein Donner-Wort.
Drum sprach sie gantz entzückt: ach deine Chloris liebet,
Bleib, edler Strephon, bleib, und fahre weiter fort,
Doch thust du mit Gewalt, was dir zu thun beliebet.
(S. 73-74)
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An Ambretten

Ambrette, schönstes Kind, verzeihe diesen Zeilen,
So dir mit schwartz und weiß ietzt unter Augen gehn.
Denn wo auf gleicher Art sich Furcht und Hoffnung theilen,
Da muß die blöde Schrifft aus schwartz und weiß bestehn.
Sie fließt aus treuer Brust und von ergebnen Händen:
Die Hände sind erstarrt, kaum regt sich noch die Brust;
Und will ich Hertz und Sinn auf meine Frechheit wenden,
So bin ich mir nicht mehr, gleichwie vorhin, bewust.
Ich schreib und weiß nicht was; wofern ich dich betrübe,
So zeige, daß dein Sinn doch mich erfreuen kan.
 Nicht zürne vor der Zeit, ich hasse nicht, ich liebe;
Doch greifft kein geiler Trieb mir die Gedancken an.
Ich fürchte billig noch; denn deine keusche Strahlen
Sind auch durch reine Glut noch niemals angezündt.
Soll ich die kühne That durch meinen Schimpf bezahlen,
Wolan so weiß die Welt was meinen Fürsatz gründt.
In dir ists, nicht in mir, was mich zu dir entzücket:
Es ist der erste Zug, und soll der letzte seyn.
Wo nun dein Auge noch auf einen Sclaven blicket,
So laß den schlechten Brief in deine Gräntzen ein.
Ach nimm das Opffer an, das ich in Demuth bringe;
Mein Eisen eilt zu dir, als zum Magnete hin.
Es scheint die gantze Welt mir gegen dir geringe,
Nicht anders, als ich selbst in deinen Augen bin.
Genug ists, wenn du weist, was Witz und Schönheit können,
Die dir der Himmel selbst von oben her erkiest,
Und darf ich ohne Scheu dich meinen Himmel nennen,
So wisse, daß von dir mein gantzes Leben sprießt.
Ach dürfft ich doch allhier der Liebe nicht gedencken!
Ich darf wol freylich nicht für dir, jedoch ich muß.
Ja wilt du deinen Sinn auf meine Wüntsche lencken,
So höre, was ich will; nichts mehr als einen Kuß.
Dein gütig Auge heist mich schweigen und auch hoffen:
Du läst die Bittenden nie fruchtloß und betrübt;
Steht nun dein Gnaden-Reich auch schlechten Bettlern offen,
So bleib ich auch vielleicht von dir nicht ungeliebt.
Zwar Sinnen und Vernunfft die setzen hier entgegen,
Daß schön und heßlich seyn sich nicht zusammen schickt,
Es scheint, mein Ansehn will mein Lieben widerlegen,
Wann auch ein Weibes-Bild nur nach den Wangen blickt.
Doch Glantz und Farben sind nur für gemeine Seelen,
Die offt vor Diamant ein falscher Guß vergnügt.
Ambrette, soltest du nur leere Schaalen wehlen?
Nein, nein, du wilt den Kern, der noch verborgen liegt.
Ein schlechter Kröpel schleppt bekümmert seine Tasche,
Der dem Gemüthe nach die reichsten Schätze hegt;
Und schein ich äusserlich dir gleich nur Staub und Asche,
So glaube, daß mein Hertz doch reiche Schätze trägt.
Mein Engel, schaue nicht auf meine schlechte Sitten:
Sieh nicht mein leichtes Kleid und mein Vermögen an;
Dies was du nicht kanst sehn, liegt bey mir in der Mitten,
Und bleibt dir ingeheim, doch treulich, zugethan.
Wie mancher Praler weiß sich nicht genug zu brüsten,
Und denckt, Ambrette muß ihm wol zu Dienste stehn;
Doch dieses Hertze folgt gewiß nicht geilen Lüsten,
Sonst würd ich ietzt beschämt von dir zurücke gehn:
Ich weiß, du stürtzest selbst dergleichen stoltze Knechte,
Den tieffgebückten Klee hebt deine Hand empor;
Wer dir getreulich dient, den schützet deine Rechte,
Und zieht ihn allgemach aus seinem Staube vor.
Wornach die Jungfern sonst am allermeisten trachten,
Das achtet deine Brust durchaus vor kein Gelück;
Geschencke pflegst du nur, wie leichten Spreu, zu achten,
Und manchem Freiher schickst du sein Præsent zurück.
Denn freylich kan dich wol kein fremder Schmuck vergnügen,
Nachdem dich die Natur selbst herrlich ausgeziert:
Wo die Corallen nechst bey denen Perlen liegen,
Da wird der Perlen Werth fast nicht einmal verspürt.
Dein güldnes Sonnen-Licht kennt keine finstre Flecken;
Dein Zierath aber muß den Wolcken gleiche gehn,
Die deiner Strahlen Glantz für unsern Augen decken,
Und deinem ächten Schein nur in dem Wege stehn.
Wer deine Glieder sieht, der muß dich billig lieben;
Die Lippen zeigen hier ein Kunststück der Natur,
Wo Scham und Sittsamkeit Rubinen ausgetrieben;
Auf deinen Wangen ist der Liebe schönste Spur:
Die Augen spielen dir, wie Sternen, im Gesichte:
Die Unterkehle scheint ein Fallbret meiner Hand:
Dein zart polierter Hals macht Marmol selbst zunichte;
Und alles, was du thust, das heist mit Recht galant.
Verlangst du nun von mir, dich besser abzumahlen,
So zeige sonder Trug mir alles was du hast.
Denn deine Brüste sind wie zwey verdeckte Schalen,
Die keine fremde Hand bißher hat angetast.
Dein tieffgesenckter Schoß, der Eingang zu dem Leben:
Des Himmels Unterpfand: der Liebe Vorgemach:
Die feste Citadell, die sich noch nie ergeben:
Der Seelen Angelstern: der Sinnen Allmanach:
Der heisse Feuer-Heerd, wo hundert Hertzen brennen:
Der Venus schönstes Ziel: Cupidens Sammelplatz:
Die unerstiegne Fahrt, und wie sie mehr zu nennen,
Ist warlich für der Welt nur ein verborgner Schatz.
Ich bin ietzt ausser mir, mein alles sinckt darnieder:
Die Schönheit, die du hast, brennt, plagt und foltert mich:
Mein Blut eilt ietzt zu dir: mir starren alle Glieder,
Und sterb ich endlich gar, so schrey ich über dich.
Dann soll in deiner Brust noch meine Seele leben,
Ach! Schönste, nimm sie doch in deinen Himmel ein.
Mein Schatten wird alsdenn an deiner Seite kleben,
Und gleichwie meine Glut, gantz unzertrennlich seyn.
Doch nein, die Seele hat sich längst von mir entrissen;
Du hast sie allbereit mir in geheim entführt:
Mein Athem lebt in dir, du wirst es selber wissen;
Es ist der theure Zoll, so dir allein gebürt.
Genug, die Liebe heist mich ietzt dies Schreiben enden;
Denn wer zu künstlich schreibt, gewiß der liebet nicht.
Dis schlechte Blat eilt nun zu dir aus meinen Händen:
Ach schaffe, daß dein Knecht auch bald ein Siegel bricht.
(S. 74-77)
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Er liebet und sie weiß es nicht
Rime di Menagio p. 14
Madrigal

O Wunder über Wunder!
Wer gläubt es wol?
Ich hab es, Phyllis, dir alleine nur geklagt;
Ich hab es dir alleine nur geschrieben,
Daß dich mein Hertz muß lieben:
Den andern hab ich nichts davon gesagt,
Und gleichwol wissen sies ietzunder;
Du aber, du, mein schönstes Licht,
Du weist es nur alleine nicht.
(S. 78)
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Die krancke Sylvia

Nechst lag die Sylvia entkräfftet auf dem Bette,
Ließ zu der zarten Brust Verdruß und Sorgen ein,
Und klagte, daß bereits die harte Glieder-Pein
Ihr Farben und Gestalt fast gar entrissen hätte.
Doch, Sylvia, halt ein, du must dich überwinden,
Der Neid hat selber hier nicht Fehler ausgesetzt,
Und wilt du, daß man dich recht liebenswürdig schätzt,
So laß dich öffters noch auf deinem Bette finden.
(S. 78)
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Als die Sylvia wieder genesen
Chanson

I.
Komm wieder Sonne, komm freudiges Wesen,
Betrübte Gedancken, verlasset das Hertz:
Sylvia, Sylvia ist nun genesen;
So fliehet das Leiden, so weichet der Schmertz.
Sylvia, Sylvia ist nicht mehr kranck,
Dem Himmel sey Danck.

II.
Schau ich dich wieder in völliger Blüthe,
Preißwürdigste Schöne, vollkommenes Bild,
Irrdischer Engel an Leib und Gemüthe,
Mit Tugend gezieret, mit Klugheit erfüllt?
Sylvia, Sylvia ist nicht mehr kranck,
Dem Himmel sey Danck.

III.
Lebe noch, lebe noch lange mein Leben!
Es rühre die zartesten Glieder kein Schmertz!
Sylvia ist uns nun wieder gegeben;
Betrübte Gedancken, verlasset das Hertz.
Sylvia, Sylvia ist nicht mehr kranck,
Dem Himmel sey Danck.
(S. 78-79)
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Die schöne Warsagerin
Aus des Mr. Chevreau Oeuvres Melees p. 362

Du wilst mir, Phyllis, aus der Hand
Mein Glück und mein Verhengnis sagen.
Doch wilst du nur dein Hertze fragen,
So hast du alles leicht erkannt;
Bleibt dis geneigt, so kan ich glücklich seyn,
Wo nicht, so geht mir Glück und Hoffnung ein.
(S. 79)
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An seine Reime
Auch aus Chevreau Loc. cit.

Was unternehmet ihr, ihr Reime, haltet ein,
Und waget euch nur nicht für meiner Phyllis Augen?
Denn wollet ihr für sie als recht vollkommen taugen,
So müst ihr so beliebt, wie Phyllis selber seyn.
(S. 79)
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An die erzürnte Sylvia

Ja zürne nur und gieb mir kein Gehör,
Und stelle dich, als ob du mir zuwider;
Dein stoltzer Blick entzündet mich nur mehr:
Dein Freundlich seyn schlägt meine Flammen nieder.
Ich liebe dich und bin gar ausser mir,
So offt du mir hast andre fürgezogen;
Doch kömmst du mir geneigt und willig für,
So bin ich dir nicht bald so sehr gewogen.
So zürne denn, ich liebe deinen Zorn;
Mein Lieben wächst, wenn sich dein Haß vermehret.
Die Rose selbst wird schöner durch den Dorn:
Die Sonne brennt, und wird dennoch verehret.
(S. 80)
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Der verhaßte Liebhaber
Aus dem Catullo E. 70

Nicht wundre dich, daß sich kein Mägdgen zu dir legt,
Daß ihre Gunst kein Kleid, so schön es ist, erregt,
Und keine dein Geschenck und deine Gaben acht;
Es geht ein böser Ruff, der dich verhaßt gemacht.
Du bist ein Stänckerbock; so nennet man dich hier.
Wie aber schlieffe nun ein Mägdgen gern bey dir?
Drum tilge nur zuvor der Nasen arge Pest;
Wer weiß, ob sich hernach nicht eine fangen läst?
(S. 80)
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Die verhaßte Liebhaberin
Aus Mr. le Pays Amours & c. P. I. p. 131

I.
Du zeigest, Phyllis, Lieb und Lust,
Und öffnest mir die zarte Brust;
Das möchte sich verlohnen.
Jedoch das Ding hat einen Hang,
Drum sag ich für die Gnade Danck:
Amyntas mag nicht gern bey Reben-Buhlern wohnen.

II.
Zwar, Phyllis, ich gesteh es dir,
Daß offt dein Diener voll Begier
Hier suchte zu qvartieren;
Doch weil er fremde Gäste scheut,
So sucht er ietzt nur Einsamkeit,
Und liebt den Gasthof nicht, wo allzu viel logiren.
(S. 80-81)
_____



Der Wett-Streit der Sinnen

Es stellte Venus nechst den grossen Reichs-Tag an,
Und ließ nun nach der Hand der Liebe Streitigkeiten,
Und was sonst irgend mehr darauf wird abgethan,
Durch den versuchten Sohn zu frohen Schlusse leiten;
Indem erschienen auch die Sinnen insgesamt,
Die waren unter sich in einen Streit gerathen,
So daß sie, weil es doch der Venus hohes Amt,
Sie höchlich allerseits um einen Ausspruch bathen.
Nun hatte Venus längst mit Schmertzen angemerckt,
Das Zwist und Eifersucht bey ihren Cammer Damen,
Die man die Sinne nennt, sich nach und nach gestärckt,
So daß sie ietzo gar zu freyer Klage kamen.
Als ihnen Venus nun zu reden Urlaub gab,
Da bathen sie alsbald, sie möchte sich erklären,
Und wie es bräuchlich ist, bey ihrem Richter-Stab.
Und bey der Liebe Glut bezeugen und beschwören:
Welch Sinn von allen ihr am angenehmsten sey,
Und am geschicktesten, die Liebe zu erreichen.
Denn weil ihr Amt und Dienst nicht eben einerley,
So könten sie sich nicht um ihren Rang vergleichen.

Erst führte das Gesicht sein edles Fürrecht an,
Und ließ die Augen selbst mit Nachdruck für sich sprechen:
Wie daß ihr Glantz allein die Lieb entzünden kan,
Ihr heisser Strahl so gar kan durch die Seelen brechen,
Und daß sie, wie man meint, die schlauen Führer seyn,
Dadurch wir allgemach im Lieben uns versteigen:
Ob machten ferner sie der Venus gantz allein
Die Menschen insgesamt zu Sclaven und Leibeigen:
Ob würde nur durch sie ein schönes Kind bekant:
Ob wären sie allein die Werber in der Liebe,
Und daß auch endlich selbst nicht Stahl und Diamant
Für ihrem Feuer hart und unbeweglich bliebe.

Die Ohren brachen drauf in vollem Eyfer aus,
Und suchten das Gehör, wie folget, zu vertreten:
Nachdem wir, Venus, uns erst gleichsam zum voraus
Ein gnädiges Gehör von dero Huld erbeten;
So stellen wir hiermit zu deren Urtheil dar,
Ob Augen allezeit so viel verrichten können,
Und ob es gegentheils vielmehr nicht Sonnen-klar,
Daß man uns beyde muß der Liebe Führer nennen.
Man höret allerzeit von dem, was nach der Zeit
Zu schauen ist erlaubt und endlich auch zu lieben:
Durch uns ergründet man die gröste Heimlichkeit,
Dis was den Augen noch verborgen ist geblieben,
Was eine Dame ziert und recht vollkommen macht,
Wie wenig offtermals der Schönheit sey zu trauen,
Und wie, wer eine Frau für Liebende würdig acht,
Muß nach dem Hertzen mehr, als nach den Wangen schauen.

Drauf wolte der Geruch auch nicht der letzte seyn,
Und weil die Nase nun sein ausgestecktes Zeichen,
So brach sie alsobald mit diesen Worten ein:
Sind Jungfern, wie man sagt, den Rosen zu vergleichen,
Geht auch ihr Athem noch Ziebeth und Ambra vor,
Kan Alexanderns Schweiß Thalestrens Hertze rauben,
Und heben meinen Ruhm die Götter selbst empor,
So muß die Liebe mir noch einen Rang erlauben.
Denn ferner ist bekandt, daß Weiber insgemein
Der Männer Witz und Krafft nach ihrer Nase schätzen.

Ha!  wandten alsbald hier die stoltzen Lippen ein:
Ihr seyd uns allerseits annoch weit nachzusetzen;
Die Nase gleichet sich mit unserm Purpur nicht,
Die Ohren müssen uns den schönsten Platz enträumen,
Und wenn die dunckle Nacht der Augen Strahlen bricht,
Kan unser Muscheln-Paar den besten Nectar schäumen.
Hier herrscht der Geschmack und ein gehäuffter Kuß
Verzuckert, wie ihr wißt, Angst, Traurigkeit und Schmertzen.
Wir sind mit einem Wort der Wollust Uberfluß,
Der Liebe Tummel-Platz, der Eingang zu dem Hertzen.

Nach diesem trat zuletzt das Fühlen auch herfür,
(Das war dem Ansehn nach der schönster Sinn von allen,)
Und fieng entrüstet an: Ihr könnet ohne mir,
Ihr Sinnen insgesammt, den wenigsten gefallen.
Ein Wort verbindet nichts, ein Blick ist ohne Krafft,
Wenn meine Gottheit nicht durch Marck und Adern dringet,
Wenn die Begier durch mich nicht lauter Wunder schafft,
Und nur ein Griff von mir die härtsten Hertzen zwinget.
Die Lieb ist ohne mir ein rechtes Schatten-Spiel,
Ich sage noch weit mehr, der Hoffnung falsche Schrancken,
Der Jugend Selbst-Betrug, ein Rennen ohne Ziel,
Die Geissel der Vernunfft, die Folter der Gedancken.
Kein Thau der süssen Lust, kein Kuß triefft auf den Mund,
Der nicht von mir zuvor den Ursprung hat genommen;
Die Liebe giebet sich durch mich alleine kund,
Durch mich wird allererst ihr schönstes Werck vollkommen.
Da nun der Fürzug mir mit allem Recht gebührt,
Die andern aber noch aus Frevel mich verhöhnen;
Ob würde Fleisch und Blut durch sie weit mehr gerührt,
Und müst ich meine Krafft von ihnen nur entlehnen;
Als bitte gantz verpflicht, es wolle Venus nun
Den Sinnen insgesamt selbst Maaß und Gräntze setzen,
Und öffentlich der Welt hiermit zu wissen thun,
Wer in der Liebe sey am mächtigsten zu schätzen.

Was hatte Venus nun vor einen Rath erdacht?
Ich höre, sprach sie drauf, ihr mächtigen Göttinnen,
Daß euch der übermuth hat in den Harnisch bracht,
Und lauter Neid und Haß aus euren Worten rinnen.
Da nun von allen mir nicht eine mißgefällt,
Und manchen Dienst von euch noch wüntsche zu erleben,
Als hab ich folgentlich es dismahl fest gestellt;
Ich will in eurem Streit euch einen Paris geben.
Es hat mein heisser Brand ein junges Hertz erregt,
Der treue Damon folgt anietzo meinem Triebe:
Durch den wird euer Streit am besten beygelegt.
Drum machet euch bereit und dienet seiner Liebe.
Stellt euch, so gut ihr könt, in seinen Gliedern dar,
Ich weiß, er wird alsdenn in Wort und Wercken zeigen,
Welch Sinn von fünffen wol am meisten wunderbar,
Und meinen Götter-Thron sey würdig zu ersteigen.

Der neue Paris saß indessen gantz vergnügt
Bey der erwehlten Braut, als gleich ihm zu bedienen,
Es Lieb und Regung noch ihn gantz und gar besiegt,
Die Sinnen in der Eil, doch unbemerckt, erschienen.
Das muntere Gesicht nahm gleich die Augen ein:
Ein jeder Sinn bewieß ietzt seine gröste Stärcke:
Sie wolten insgesamt bey ihm die nechsten seyn,
Und thaten, wie es schien, fast lauter Wunder-Wercke.

Man sagt, weil Liebe doch nur Nacht und Schatten liebt,
Und wahre Neigung so, wie Gold und Edelsteine,
Im Finstern mehrentheils sich zu erkennen giebt,
Da selbst der Venus-Stern nicht wol am Tage scheine,
Daß er noch diese Nacht der Sinne neuen Streit
Zu schlichten fest gestellt. Nun Morgen könt ihr fragen,
Ihr Gäste, die ihr ietzt annoch in Zweiffel seyd,
Welch Sinn von allen hat den Preiß davon getragen.
(S. 81-85)
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Der Wett-Streit zwischen der
Pallas und Venus

Es stritte Venus nechst mit Pallas um die Ehre,
Ob Pallas oder sie die gröste Göttin wäre;
Auf beyden Seiten ward hier alles aufgebracht,
Was ihre Majestät beliebt und herrlich macht.

Die Pallas rühmete den Sitz der hohen Sinnen,
Und wie die durch Verstand die stärcksten kan gewinnen:
Wie sie in der Vernunfft sich als im Spiegel zeigt:
Wie man durch ihre Kunst biß an die Sterne steigt,
Und daß ein kluges Buch die Seelen kan vergnügen,
Im Lieben aber sich nur geile Leiber wiegen.
Zudem so lehrte sie, daß auch die Policey
Und jedes Reich der Welt durch sie gegründet sey:
Daß man selbst die Natur, die Würckung der Gesetze,
Und aller Kräuter Krafft nach ihren Regeln schätze:
Wie man durch sie allein zum Menschen werden kan,
Und welche Wunder sie schon ehemahls gethan.
So fehlt es ferner ihr auch niemahls an Gewinste,
Denn hierauf nennte sie die sieben freyen Künste,
Und zeigte, wie ein Mensch durch sie kan glücklich seyn,
Geht in der Vorder-Welt mit den Gedancken ein,
Und wie wir, haben wir den Geist schon aufgegeben,
Durch unsre Schrifften noch im Tode können leben.

Allein die Venus gab nicht diesem Fürwurff nach,
So daß sie gantz erhitzt in solche Worte brach:
Nicht rühme gar zu sehr die Stücke, die dich zieren;
Du würdest ohne mir ein schlechtes Scepter führen,
Du suchst aus meiner Macht dir einen stoltzen Ruhm,
Und alles, was du thust ist nur mein Eigenthum.
Wem kein geliebtes Kind kan in den Armen liegen,
Dem ist die Wissenschafft gewiß ein falsch Vergnügen.
Umsonst wird alle Welt mit Büchern angefüllt,
Weil doch ein Erbe mehr als tausend Blätter gilt.
Und meinst du, daß ein Mann nur durch gelehrte Schrifften
Ihm bey der Nachwelt kan ein ewig Denckmahl stifften?
Versichert ohne mir ist selbst das Leben todt,
Und wer vor Liebe flieht, dem folgen Angst und Noth.
Es können sonder dir die grösten Länder grünen;
Mir aber müssen auch die Barbern selber dienen.
Mich kennet Scynthien und selbst der Mohren Land;
Dich hat kaum in der Welt der dritte Theil erkant.
Gesetzt, du hättest gleich den Sitz der hohen Sinnen,
So hab ich, wie bekant, die Hertzen selber innen:
Gesetzt auch, daß durch dich Verstand und Witz regiert,
Durch einen Winck von mir wird beydes mehr gerührt.
Wer weiß nicht, daß mein Stral durch Marck und Adern dringet,
Daß dem Verstande selbst nichts ohne mich gelinget,
Und daß mein heisser Trieb zwar wol in Fleisch und Blut,
Am meisten aber auch in den Gedancken ruht?
Denn Witz und Klugheit sind der Zunder meiner Flammen.
Getreue Liebe hält die gantze Welt zusammen,
Ja iede Republic geht ohne mich bald ein,
Und muß, du weist es selbst, der Feinde Lust-Spiel seyn.
Wie könten endlich sich mir sieben Künste gleichen,
Dis alles, was du rühmst, muß meinem Cesto weichen.
Man nennet Kunst und Glück die Wercke meiner Hand;
Und selbst Ovidius hat dis bereits erkant,
Als er nicht ohne Kunst die rechte Kunst zu lieben
In dreyen Büchern hat erkläret und beschrieben,
Dabey die gantze Welt vernünfftig schliessen kan,
Ob Pallas oder auch die Venus mehr gethan.
Jedoch was weiter noch im Lieben sey zu wagen,
Hab ich mit eigner Hand in diese Schrifft getragen.

Hiermit so zohe sie ein güldnes Buch heraus,
Und las nur oben hin die kurtzen Titel draus:
Daß wahre Liebe sich nach keiner Schmincke reisse:
Daß die Verwegenheit im Lieben Tugend heisse:
Ob Liebe stärcker sey als Ehr und Renommée?
Daß hier ein Kuß der Hand das erste ABC:
Wodurch man Treu und Gunst am besten kan verschulden?
Daß in der Liebe nicht Diphthongi seyn zu dulden:
Wie man mit Händen redt, mit Augen buchstabirt,
Die Feder aber auch selbst in dem Munde führt?
Daß offt ein eitler Kuß die kältsten Lippen labe:
Die Repetition den besten Nachdruck habe:
Und daß kein Feuer nicht in solchen Männern steckt,
Wo mattes Alter schon das Haupt mit Eiß bedeckt:
Wie grüner Epheu sich um schlancke Reben schlinge,
Und Jugend ohne Zwang die schönsten Früchte bringe?
Was treue Neigung sey, was sclavisch oder frey?
Daß faule Liebe nicht allzeit beständig sey.

Hier brach die Pallas ein: was deine Bücher lehren,
Kanst du bey mir vielmehr aus den Exempeln hören,
Komm siehe nur mit mir den edlen Bandus an,
An dem hat deine Hand gewiß noch nichts gethan.
Die Schüler, die er lehrt, die können es bezeugen,
Daß Wissenschafft allein kan alles übersteigen:
So blühet er durch mich, und weist durch meine Krafft,
Daß nur Gelehrsamkeit der Erde Nutzen schafft.

Ha! wiedersetzte hier die Venus gantz verwegen:
Du solst, wie weit ich dir an Kräfften überlegen:
In kurtzer Zeit gestehn. Stell alles Rühmen ein;
Dein Bandus soll auch bald in meinen Banden seyn.
Ich weiß ein liebes Kind, das mir an Schönheit gleichet,
Dir aber, Pallas, selbst nicht an Verstande weichet,
Junonens Augen hat, der Thetis Füsse trägt,
Und jedes Hertze leicht durch einen Blick erlegt;
Das soll, indem er wird auf die Catheder gehen,
Eh es innen wird, ihm für den Augen stehen;
Ich weiß, er hebt alsdenn sie heimlich in die Höh,
Und liest auf jedem Blat das Wort: Albanie.

Recht, grosse Venus, recht, du hast nun überwunden,
Doch so, daß Pallas sich mit dir zugleich verbunden.
Denn unser Bandus läst den schönen Schluß ergehn,
Daß Fleiß und Liebe wol beysammen können stehn.
So wird sich Nacht und Tag in gleiche Theile scheiden;
Er darff die Pallas nicht mehr als die Venus meiden,
Das heist; Er spricht des Tags im Pallas Zimmern ein;
Die Nacht hingegen soll der Venus eigen seyn.
Wiewohl bey beyden doch ist leichtlich zu errathen,
Was ihn ietzt mehr vergnügt; nicht der Minerven Thaten,
Nein Venus, die bereits in seinen Armen liegt,
Ist wol der gröste Theil von dem, was ihn vergnügt.
Wolan, so lebet wol und liebet um die Wette!
Spielt einen neuen Kampff in eurem Hochzeit-Bette!
Denn wird die Liebe hier ein rechter Wett-Streit seyn,
So stellt sich bald davon ein lebhafft Zeugniß ein.
(S. 85-88)
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Falschheit des Frauenzimmers
Aus dem Catull. Ep. 71

Mein Mägdgen spricht: sie liebt mich und sonst keinen nicht,
Und wolte Jupiter sich selbst mit ihr beweiben.
Sie sagts: doch was ein Weib zu ihrem Buhler spricht,
Das muß man auf den Wind und in das Wasser schreiben.
(S. 89)
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Angenehme Verstellung
Auch aus dem Catull. Ep. 93

Es stellte sich Lesbia, als wäre sie mir feind;
Jedoch ich weiß gewiß, daß sie es nicht so meint:
Dieweil ich eben auch ihr offt zuwider scheine,
Und dennoch weiß sie wol, daß ich es nicht so meine.
(S. 89)
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Die Küsse
Catull. Ep. 7

Du fragest, Lesbia, wie viel von deinen Küssen
Für mich genung und recht zur Gnüge seyn?
So viel als Körner Sand am Meer und an den Flüssen,
Als Sterne stehn bey hellem Mondenschein;
So viele Küsse muß
Catullus
Von deinen Lippen brechen;
Die nicht zu zehlen seyn, und keiner kan besprechen.
(S. 89)
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Er nimmt Abschied
Catull. Ep. 8

I.
Catulle, wirst du gar zum Thoren?
Wo treibt dich deine Regung hin?
Die du schon einmal hast verlohren,
Die laß auch gäntzlich aus dem Sinn.
Der Himmel lachte zwar vor diesen
Dich mit beliebten Blicken an;
Als sie dir manche Gunst erwiesen,
Und du ihr manchen Dienst gethan;
Indem sie öffters in dem Grünen
Auch nur auf einen Winck erschienen.

II.
Da schertzte man bey vollem Glücke,
Was du gewolt, schlug sie nicht aus:
Der Himmel zahlte seine Blicke
Für dich allein und für dein Hauß.
Nun aber ist sie dir zuwieder;
Ey so entbrich dich gleichfals ihr,
Verfolge nicht die falschen Glieder;
Sie bleiben dennoch nicht bey dir,
Und mache dir durch Leid und Trauer
Das kurtze Leben selbst nicht sauer.

III.
Ertrag es nur mit harten Sinnen,
Verachte selbst, was dich veracht.
Catullus läst sich nicht gewinnen;
Du falsches Mägdgen gute Nacht!
Er soll dich weiter nicht mehr suchen,
Und bitten, weil du selbst nicht wilt.
Du aber wirst dich bald verfluchen,
Wenn deine Schönheit nichts mehr gilt,
Und wenn an dir Wort und Geberden
Nicht mehr, wie vor, verehret werden.

IV.
Wie wirst du nun in Wollust leben?
Wer preiset dich nun mehr für schön?
Wer wird dir nun Visiren geben?
Wer wird bey dir in Gnaden stehn?
Wem wirst du den verlegnen Kuß
Mit rechten Nachdruck opffern können,
Und wem verpflichtet sich dein Gruß?
Du aber bleib auf deinen Sinnen,
Catulle; laß dich nicht gewinnen.
(S. 90-91)
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An die Sylvia

Laß, Sylvia, dir doch die kurtze Schrifft gefallen,
Und nimm sie günstiger als ihren Dichter an;
Laß doch ein frohes Ja bey meinem Ach erschallen,
Und zeige, daß dein Hertz auch wieder lieben kan.
Wie lange wilst du denn mich, Sylvia, noch hassen?
Wie lange hast du noch an meinem Jammer Lust?
Ich weiß nicht, wie es ist, nachdem ich dich verlassen,
So fühl ich allererst die Schmertzen meiner Brust.
Es dringt ein heisser Brand durch alle meine Glieder,
Ich bin nicht so behertzt, wie ich gewesen bin.
Denn Liebe leget mich zu deinen Füssen nieder,
Und holde Schönheit reist mir Muth und Hertze hin.
Soll aber denn dein Knecht gantz sonder Hoffnung bleiben?
Bestehet denn dein Sinn auf einem harten Nein?
Vertreibe doch den Haß, und laß mein treues Schreiben
Als Zeugen meiner Quahl dir nicht zuwieder seyn.
Da ich das erste mal der süssen Pein geniesse,
Und schon ein blosser Blick mich gantz vergnügt gemacht,
So stöst ein Engel mich aus einem Paradiesse,
Und meine Schöne spricht: du bist von mir veracht.
Ach wär ich doch nur hier in meinen Schrancken blieben,
Und hätte nicht einmahl die Sylvia gesehn!
Gewiß, ich werde nun wol schwerlich wieder lieben,
Da mir zum ersten mal dermassen weh geschehn.
Geliebte Sylvia, nicht meyne, daß ich schertze,
Da wo die Liebe herrscht, bleibt Lust und Schertz verbannt;
Ich sag ja frey heraus, du hast mein gantzes Hertze,
Geliebte Sylvia, allein in deiner Hand.
Dasselbe will von dir nicht wancken und nicht weichen,
Und schätzet diesen Ort vor ein erwünschtes Glück.
Drum wilt du mir dafür nicht auch dein Hertze reichen,
So gieb zum wenigsten mein Hertze mir zurück.
(S. 91-92)
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Die entzückte Sappho
Sappho Od. II. und Catull. Epigr. 52

I.
Der scheinet mir den Göttern gleich geehrt,
Dem neben dir zu sitzen ist vergönnet,
Wer dir zur nechst den Schall voll Anmuth hört,
Und deinen Mund, dein freundlich Lächeln kennet.
Dis ist es, was mir Blut und Adern regt,
Und auch das Hertze selbst zu deinen Dienst bewegt.

II.
So bald ich dich zum ersten mal gesehn,
So bin ich gleich gantz ausser mir geblieben.
Es schien, es war um Sprach und Laut geschehn,
Die Zunge ward vergebens umgetrieben;
Die zarte Glut, die bitter-süsse Pein
Nam gleich den matten Leib und alle Sinnen ein.

III.
Da seh ich nun mit beyden Augen nicht:
Ein Sausen ist mir für die Ohren kommen:
Ich mercke, wie der kalte Schweiß ausbricht,
Wie gantz und gar mich Schrecken eingenommen.
Ich werde blaß, wie ein ersterbend Kraut,
Und wenig fehlt, daß man mich gar entseelet schaut.
(S. 92-93)
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Die Flavia will ihn begleiten

Wie? soltest du mir das Geleite geben?
Nein, Flavia, gewiß es kan nicht seyn.
Jedoch du sprichst: Bedencke dies allein,
Daß wer mich liebt, mir nicht darf wiederstreben;
Ach Flavia, ietzt geb ich gerne nach;
Begleite mich auch in mein Schlaf-Gemach.
(S. 93)
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Als ihm die Hand zu küssen
erlaubt war

Du lässest, Flavia, mir deine Hände küssen,
Und zuckest du dabey, so ist es nur zum Schein.
Ach gönne, daß dein Mund darf auch so viel geniessen,
Denn dieser kan dafür allein erkenntlich seyn.
(S. 93)
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Die kostbare Chloris
Flecknoe Engl. Poems p. 80

I.
Die Chloris weint; die Augen, die so schön
Wie Diamant sich kurtz zuvor bewegen,
Als deren Preiß nichts würdig fürzugehn,
Zerfliessen nun in einen Perlen-Regen.

II.
Die Chloris lacht und heißt der Augen Schein
Nun wiederum zu Diamanten werden,
Die nach dem Thau gewiß weit heller seyn,
Als nach dem Sturm das Auge dieser Erden.

III.
Fragt jemand nun: wie aber kömmt es doch,
Daß Diamant und Perlen leichtlich steigen?
Ihr Preiß geht gleich so niedrig und so hoch,
Nachdem sie sich in Chloris Augen zeigen.
(S. 94)
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Sie gleichet der Aurora
Oeuvres de Sarasin. p. 408

Aurora steckt die Rosen für,
Du aber wilt dich ihr nicht gleichen,
Wir sehen allgemach an dir
Die Wangen und den Mund erbleichen.
So hast du also in der That
Allein den Rahmen von Auroren?
Dein hartes Schicksal aber hat
Dir einen alten Mann erkohren.
Wilst du nun wie Aurora seyn,
So muß dich Cephalus vergnügen,
Erwehle wen du wilt; doch nein,
Du wilt bey deinem Manne liegen.
(S. 94-95)
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Was mächtiger sey, als die Liebe?
Guarini Pastor Fido Act. III. Sc. IX.

Wie groß und herrlich ist, o Liebe, deine Macht!
Du bist ein Wunderwerck selbst der Natur zu nennen.
Die Erde, die dich hier schon längst vor göttlich acht,
Muß dir die Majestät, so wie der Himmel gönnen.
Welch rauh und wildes Volck, welch ungepflügtes Land
Weiß deiner Pfeile sich mit Fuge zu erwehren?
Allein welch schlauer Sinn, welch trefflicher Verstand
Begreiffet dich genug, und kan dich recht erklären?
Wer deinen geilen Brand, die ungestüme Glut,
Die nur von dir entspringt, wird eigentlich betrachten,
Wird sagen, daß dein Geist in Fleisch und Blute ruht,
Und dich für sterblich, mehr als unsre Leiber, achten:
Wer aber auch erkennt, wie ein verliebter Sinn
So wenig Tugend kan, als das geliebte, hassen,
Und wie man, fället nur die schnöde Wollust hin,
Bey seinem Feuer offt muß zittern und erblassen,
Der wird, ich weiß gewiß, dir willig zugestehn,
Unsterblich edler Geist, du wohnest in der Seelen.
Hier kanst du, als ein Held, den Lüsten übergehen,
Und iede Glieder dir zu schlechten Sclaven wehlen.
O seltnes Wunder-Werck von mensch- und göttlich seyn,
Die Regung, die du giebst, ermüdet und erfrischet:
Du schauest und bist blind: dein Würcken ist ein Schein
Von Sinnen und Verstand, Begierd und Furcht vermischet.
So muß dir, wie es scheint, der Sternen edles Feld,
Und dis, was Erde heist, zu deinen Füssen liegen;
Jedoch, verzeihe mir, es heget noch die Welt
Ein Wunder, welches dich ist mächtig zu besiegen;
Das uns erstaunen macht, das alles übertrifft,
Und ohne dem du must auf falschem Sande bauen.
Denn alles, was dein Brand hier wunderwürdigs stifft,
Geschicht bloß durch die Krafft von einer schönen Frauen.
Erlesenes Geschlecht, des Himmels Unterpfand,
Ja dessen, der vielmehr als Schöpffer eurer beyde
Dich mehr, als jenen, hat vollkommen schön erkant;
Was hast du, daß dich nicht vom Himmel unterscheide?
Er führet an der Stirn, die lauter Unglück dräut,
Wie der Cyclopen Volck, ein ungeheures Auge,
Und zeiget, daß ein Strahl von seiner Heiterkeit
Uns zu verblenden eh, als zu erleuchten tauge.
Die Seuffzer, die er schickt, die Wörter, die er spricht,
Die gleichen, wie mich dünckt, dem Brüllen wilder Leuen,
Wenn Blitz und Donner offt aus schwartzen Klüfften bricht,
Und iede Wolcke will, wie Ætna, Feuer speyen.
Du aber zeigest gar an deinem Firmament
Uns zur Befriedigung zwey sichtbarliche Sonnen.
Wer diese recht betracht, der fühlt wol, daß er brennt,
Jedennoch hat er auch noch mehr darbey gewonnen.
Denn nur ein Blick von dir stellt Seel und Hertz zur Ruh.
Schreckt jener Himmel uns mit Finsternis und Winden,
So richt dein Angesicht uns einen Himmel zu,
Wo Schall, Bewegung, Licht und Schönheit sich verbinden.
Ja dieses stoltze Thier, so man den Mann genennet,
Und dem, was sterblich ist, schon längsten untergeben,
Weicht billig, wenn er dich und deinen Ursprung kennt,
Und muß in Demuth dir zu treuen Diensten leben.
Doch herrscht er über dich, so ist es nicht darum,
Ob wüste deine Hand den Reich-Stab nicht zu führen,
Ob wäre diese nur der Männer Eigenthum,
Und könten Weiber nicht so wol, als sie regieren.
Es dienet dir zu Ruhm, o edelstes Geschlecht,
Daß dir die Sieger selbst zu deinen Füssen liegen.
Denn also spricht ja selbst auch die Vernunfft für Recht:
Je schöner ist der Preiß, ie grösser, die da kriegen.
(S. 95-97)
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Vergleichung der Sylvia

So wie die Rosen sind, die noch nicht aufgeblüht:
Wie Reben, da man kaum die zarten Behren sieht:
Wie Stauden, die noch nicht recht offen in der Mitten:
Wie ein beblümtes Feld, das noch kein Pflug beschritten:
Wie Perlen, die annoch mit Muscheln sind bedeckt:
Wie Atlas, welchen noch kein grober Griff befleckt:
Wie wenn Diana sich in duncklen Wäldern zeiget,
Und Venus allererst aus ihrem Bade steiget:
Wie Purpur-Schnecken roth, wie Wolle zart und weiß:
Die Augen voller Gluth, jedoch die Brust voll Eiß:
Mit Großmuth ausgeziert, in Unschuld eingekleidet,
Ist Sylvia, um die mein blödes Hertze leidet.
(S. 97)
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Auf ihr schön gewürcktes Bette

Es mahlt selbst die Natur die Blumen nicht so schön,
Als meine Sylvia mit der geschickten Nadel;
Ja die Minerva muß es billig selbst gestehn;
Der Grund ist angenehm, die Zeichnung ohne Tadel.
Nicht rühme Persien der Decken Kostbarkeit,
So eitle Heucheley dem König unterleget;
Dis was die Sylvia mit Händen zubereit,
Ist werth, daß ein Adon die Venus darauf heget.
Doch wo du dieses liest, so dencke darum nicht,
Als ob an Sylvien allein die Hände taugen.
Zwey Dinge sind, dadurch sie noch weit mehr verricht:
Ein Wort aus ihrem Mund, ein Blick aus ihren Augen.
(S. 97-98)
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Sylvia und ihre Schwester

So weit ein falscher Fluß den Diamanten weicht:
Wie ein gemeiner Mohn für Rosen muß erblassen;
Ein wilder Apffel nicht an die Granaten reicht:
Das Bley dem Silber muß den edlen Fürzug lassen,
Der Seide grober Zwirn, das Druck- dem Post-Papier;
So weit geht Sylvia der ältern Schwester für.
(S. 98)
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Auf die Mouchen der Sylvia

Ach Sylvia, wirff alle Mouchen hin.
Dein Angesicht verträget keine Flecken;
Was schimpffest du die Wangen, Mund und Kinn,
Und wilt, was doch nicht Mängel hat, bedecken?
Steckt weiter nicht die schnöden Zeichen aus,
Und schände nicht den Tempel deiner Ehren,
Man hengt sie nur für ein gemeines Hauß,
Wo iederman vergönnt ist einzukehren.
(S. 98)
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Ein anders

Versichert Sylvia ist gantz der Sonnen gleich,
Die schönen Augen sind an Gluth und Strahlen reich:
Wo sie sich sehen läst, gebührt sie Freud und Leben,
Und wenn sie wieder weicht, folgt eine dunckle Nacht.
Doch weil sie die Natur mit Flecken nicht bedacht,
Dergleichen jenes Licht mehr wunderwürdig macht,
So hat ihr Venus drum die Mouchen übergeben.
(S. 98)
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Noch ein anders
Madrigal

Wie komt es, daß mein Licht,
Die Sylvia, so fleißig ist bemüht,
Ihr angenehmes Angesicht,
Mit schwartzen Mouchen zu bedecken?
Jedoch;
Was wundre ich mich noch?
Wo Sonnen sind, da sind auch schwartze Flecken.
(S. 99)
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Die Unempfindlichkeit der Sylvia

Ich drücke, Sylvia, dir deine zarte Hand.
Allein sie bleibet Eiß, indem ich bin entbrant,
Ich küsse die so roth und rundgewölbten Lippen,
Die aber seynd dafür mehr hart als harte Klippen,
Ich rede manchesmal dich mit den Augen an,
Doch deine haben mir noch nie Bescheid gethan;
Die Augen, welche traun selbst Juno würde neiden,
Wenn sie in Liebe sich recht wüsten einzukleiden.
Verneine ferner nicht dis, was dein Knecht begehrt,
Ein Kuß, ein treuer Kuß, ist eines Kusses werth.
Und wenn sich meine Hand mit deiner wil verbinden,
So zeig in meinem Zug dein seltzames Empfinden.
Der Marmel selber weicht auch Tropffen, wie bekandt,
Die Perle fliest in Wein, im Blute Diamant,
Wolan hier ist ein Brunn, hier wachsen zarte Reben,
Hier ist mein eigen Blut; was kan ich anders geben?
(S. 99)
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Die heimliche Liebe
Oeuvres de Sarasin. p. 407

Beliebte Schäfferin,
Mein Seuffzer, meine Thränen
Bezeugen, wie sich Hertz und Sinn
Nach dir allein sehnen:
Allein die Schaam verbeut es scharf,
Daß ich mich nicht erklären darf.
Welch Schmertzen ist sich zu verstellen?
Und ach, was sind das herbe Plagen,
Zu lieben und es nicht zu sagen?
(S. 100)
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Treuherzige Ermahnung an die Phyllis
E. of Rochester's Engl. Poems. p. 31

I.
Verzieht denn Phyllis noch, eh daß sie sich bezwingt,
Und nach der trüben Nacht denckt wieder zu erfreuen?
Wenn Schönheit und Gestalt schon mit dem Tode ringt,
Da ist es hohe Zeit den Frevel zu bereuen.

II.
Dies Schicksal haben euch die Götter auferlegt,
Die heissen vor der Zeit euch alten Weibern gleichen.
So zeitig ihr beginnt die Freuden, die ihr hegt,
So könt ihr sie gewiß doch nie zu bald erreichen.

III.
Bedenck es eben recht, wie übel sind die dran,
An denen das Gelück zum Trotze wil bezeugen,
Daß, wo im Lieben kaum der Morgen erst bricht an,
Die welcke Schönheit schon sich muß zum Abend neigen.

IV.
Doch wilt du deinem Fall mit Fleiß entgegen gehn,
Und dir durch Eigensinn ein Ehren-Denckmal setzen,
So magst du nimmermehr, was Wollust heist, verstehn,
Und in der Einsamkeit dich mit dir selber letzen.
(S. 100-101)
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Liebe und Eifersucht
Rochester p. 61

I.
Mein liebstes Kind, Dorinda, hat ein Hertze,
So wie an ihr die holden Blicke seyn;
Sie legt damit im Ernst und auch im Schertze
Mich offtermahls in süsse Fessel ein,
Wenn sie sich stelt, als ob sie wiederstünde,
Und mir dabey doch manchen Vortheil zeigt.
Allein was ich am hefftigsten empfinde,
Ist daß sie so zum wechseln ist geneigt,
Daß, solt ich sie nur einen Tag nicht sprechen,
Für Eifersucht mein Hertz mir würde brechen.

II.
Es reget sich um ihr nur lauter Freude:
Vergnügungen und Segen gehn ihr nach:
Ihr Augenpaar prangt mit der Liebe Kleide:
Die Lippen sind der Küsse Rüst-Gemach,
Und wenn sie redt, so hören auch die Engel;
Sie ist mein Hertz, ein Wunder dieser Welt.
Inzwischen bleibt sie doch nicht sonder Mängel,
Der Wechsel ist, der sie annoch verstellt,
Drum würde mir mein eifernd Hertze brechen,
Solt ich sie nur, nur einen Tag nicht sprechen.
(S. 101)
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Die Liebes-Schule
Rochester p. 40

Phyllis zeige mir die Kunst Liebe zu erwecken an,
Oder lerne du von mir, wie man treulich lieben kan.
(S. 102)
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Die Biene
Le Pays Amours p. 274

Nicht zürne, Sylvia, und laß es ungerochen,
Daß eine Biene dich hat an den Mund gestochen,
Verdamme nicht, was nur aus Irrthum ist geschehn;
Sie hat den rothen Mund vor Rosen angesehn.
(S. 102)
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Cupido hat seine Pfeile verlohren
Marullus Epigr. I. 1. p. 19

Es sah die Venus nechst recht mit Verwundrung an,
Daß Sylvia noch nicht der Liebe zugethan,
Und gab dem Sohn Befehl: Laß deine Pfeile fliegen;
Da sprach er gantz betrübt: Die Pfeile hat sie mir
Schon in geheim entführt, die dienen ietzund ihr,
Daß nur vor sie allein muß iedes Hertz erliegen.
(S. 102)
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Wasser, Lufft und Feuer
Angerian. Erotopægnion p. 232

Es schäumt das weite Meer mit seinen Wasserwogen:
Der Wind stürmt durch die Lufft; ja selbsten die Natur
Hat Flammen hier und dar in Bergen auferzogen.
Ich aber heg allein zugleich drey Ungeheuer:
Die Augen thränen mir, mein Athem seuffzet nur,
Und ach! mein Hertze selbst liegt leyder voller Feuer.
(S. 102)
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Eisen, Stein und Diamant
Angerian. p. 104

Fur heissen Flammen muß ein hartes Eisen weichen:
Durch leichte Tropffen wird der Kieselstein gezähmt,
Und selbst der Diamant durch schlechtes Blut gelähmt.
Allein die Clælia ist diesen nicht zu gleichen:
Mein Feuer ist umsonst, die Thränen taugen nicht,
Und durch mein eigen Blut wird wenig ausgericht.
(S. 103)
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Er lässet die Solimene

I.
Adjeu, du falsche Solimene,
Dein Lieben ist nur Gleißnerey,
Du opfferst andern deine Schöne,
Mir aber giebst du leeren Spreu:
Myrtillo dienen deine Glieder,
Mich speisest du mit Worten ab,
Drum liefre mir mein Hertze wieder,
Das ich dir ehmahls übergab.

II.
Nicht wundre dich, daß ich ietzt scheide,
Da mich hier nichts zurücke hält,
Daß ich die stoltze Gegend meide,
Wo man verdeckte Netze stellt.
Du spielest nur mit meinen Banden,
Und läst nicht fremde Flaggen ein,
Denn wer bey dir gedenckt zu landen,
Muß so wie dein Myrtillo seyn.

III.
Myrtillo, dein verstelltes Wesen,
Dein falscher Mund, dein schlauer Sinn,
Die hatten mich zum Fall erlesen
Und legten meine Freyheit hin;
Du nehrtest mich mit eitlen Hoffen,
Mein Lieben diente dir zum Glück.
So hast du zwar dein Ziel getroffen,
Ich aber bleibe noch zurück.

IV.
Adjeu, ihr zwey verliebten Seelen;
Ich wage mich nicht mehr aufs Eiß.
Ihr dürfft mir ferner nicht verhöhlen,
Was ich mit meinem Schaden weiß.
Denn euer Wuntsch war nur betrügen;
Ich ward durch euch zum Possenspiel;
Adjeu, du falsch gehofft Vergnügen,
Celinde bleibt anietzt mein Ziel.
(S. 103-104)
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Er beklaget sich, daß er keine
Antwort bekömmt

I.
Wie? wird mein Schreiben denn von dir gehöhnet?
Muß dir ein schlechtes Blat zuwider seyn?
Wird dein verborgner Haß durch nichts versöhnet,
Und dringt ein treuer Gruß nicht bey dir ein?
So treibt ein Engel mich aus Adams Garten;
Der Lippen zartes Thor fällt für mir zu.
Vergebens muß ich stets auf Antwort warten;
Ach! Schönste, stelle doch mein Hertz zur Ruh.

II.
Gedenckst du, daß ich mich von dir kan trennen,
Daß mich ein herber Blick dich hassen heist.
Du must, wilt du schon nicht, dennoch vergönnen,
Daß sich mein Hertze noch mit Hoffnung speist;
Daß ich dich küssen darff, doch in Gedancken,
Daß Sinn und Auge dich für schön erkennt,
Die Liebe, die hier ligt, weiß nicht zu wancken,
Dieweil sie sich dein Kind, dich Mutter nennt.

III.
Drum, Schönste, laß dies Blat dich noch erweichen,
Laß mich nicht völlig seyn von dir verbannt;
Du siehst von meiner Glut ein helles Zeichen.
Denn was das Hertze fühlt, schreibt dir die Hand.
Ja bin ich endlich dir so gar zuwider?
Hast du ein grausam Nein für mich bereit?
So schlägt mich doch dies Wort nicht gantz darnieder;
Ich liebe selbst an dir die Grausamkeit.
(S. 104-105)
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Die verachten Liebhaber
Recueil des Airs p. 158

Umsonst bemüht ihr euch, ihr Buhler, mich zu höhnen,
Und eure Seuffzer sind verlohren bey Climenen:
Nicht, als ob keiner sonst ihr lieber sey als ich;
Ihr Hertze, glaubt es mir, liebt weder euch noch mich.
(S. 105)
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An die Blumen der Chloris
Recueil & c. p. 164

Wie hoch verehrt man nicht, ihr Blumen, eure Pracht?
Ihr könt der schönsten Gunst mit leichter Müh erwerben;
Es hat der Floren Schoß euch auf die Welt gebracht,
Jetzt könnet ihr vergnügt in Chloris Schosse sterben.
(S. 105)
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Das Dilemma
Sherburne's Engl. Poems p. 109

Wo Sylvia mir nicht erlaubt,
Daß dieser Mund ein Küßgen raubt,
So muß ich für Verzweiffelung verderben,
Und küß ich ihn auch gar,
So setzt der Augen heisser Blitz,
Mich in die äusserste Gefahr,
Das weiß ich, ich muß sterben.
(S. 106)
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Vor seiner Geliebten Gebet-Buch
Poesies de Malherbe p. 181

So lange noch dein Hertz hegt Groll und Haß,
So bete Chloris, Tag und Nacht,
Du wirst doch keine Gnade finden:
Nicht meine drum, daß GOtt an deine Sünden
Nicht schon gedacht.
Doch dencke nur, wie kanst du das begehren,
So du doch selbst wilst keinem nicht gewehren?
(S. 106)
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Dergleichen
Auch aus dem Malherbe

Nicht bitte GOtt, daß er dir gnädig sey.
So lang ich muß dein Zorn-Gericht ermpfinden,
So scheint gewiß dein Bitten Heucheley;
Nimm mich nur gnädig an, so wirst du Gnade finden.
(S. 106)
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Auch dergleichen
Recueil de Pelisson & c. p. 168

Indem ich etwas soll in dein Gebet-Buch schreiben,
So seufftzt das blöde Hertz, und mein verschnittner Kiel
Bebt in der schwachen Hand: Nun rathe, was ich will;
Ich kan es dieser Schrifft nicht füglich einverleiben.
(S. 107)
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An die Sylvia

I.
Ist Sylvia darum gebohren,
Daß ich aus Unmuth sterben muß?
Ja, ja es ist mit mir verlohren,
Ich lebe mir zum Uberdruß;
Denn sie gebührt durch ihrer Augen Schein
Nur Schmertz und Pein.

II.
Ein ieder Strahl von ihren Sternen,
Ein iedes Wort aus ihrem Mund
Heist mich mein Ungelücke lernen,
Und thut mir mein Verderben kund.
Mein Weh und Ach, mein Schmertze, meine Qvahl
Sind ohne Zahl.

III.
Die Schönheit ist an ihr voll Flammen,
Jedoch die Brust hegt lauter Eiß,
Wie schickt sich kalt und warm zusammen,
Das Hertz ist kalt, der Mund ist heiß,
Ach Sylvia verwandle Hertz und Mund;
Ich bin verwundet.

IV.
Jtzt fall ich dir gebückt zu Füßen,
Laß, Sylvia, laß deinen Knecht
Noch einen Gnaden-Blick geniessen,
Und dencke selbst, es ist gerecht,
Daß man die Huld bezahlt mit Gegenhuld,
Und Schuld mit Schuld.
(S. 107-108)
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Die unbeständige Sylvia

Es kehret Sylvia sich wie das Wetter um,
Und wechseln bleibet wohl ihr bestes Eigenthum:
Bald hat sie sich in Flor und schlechten Zeug verhüllt,
Bald ist ihr stoltzes Haupt mit Perlen angefüllt,
Bald scheint sie dick und fett, bald dünn und eingeschniert,
Und da bald roth, bald weiß die zarten Wangen ziert,
So hab ich offtermahls mir zweiffelnd fürgestellt,
Ob auch die Sylvia im Lieben Farbe hält.
(S. 108)
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Auf sein verlohren Hertze
Memoir. de Prodez. p. 179

O überhäuffte Noth! o schwerer Unglücks-Fall!
Wo ist mein Hertze hin? ich such es überall.
Ach Sylvia, du hast gewiß den Raub gethan,
Ich seh es eigentlich dir an den Augen an.
(S. 108)
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Liebe und Eyfersucht bey unbekanten

Als ich der Venus nechst vermessen fürgestellt,
Daß Glantz und Schönheit nicht mein steinern Hertze rührte,
Und daß sie nur umsonst die Engel dieser Welt
Und tausend Helenen mir für die Augen führte;
Da sprach sie, spotte nur, Verwegner, meiner Macht,
Du solst das, was du liebst, nicht sehen und nicht kennen,
Nicht wissen, wer darum die Werbung angebracht,
Und doch von Eyfersucht, und auch von Liebe brennen.
(S. 108-109)
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Als sie sich einbildete, er wäre verliebt
Rondeau

Ich muß es nur gestehn, ihr Frauenzimmer seyd
Nichts anders als ein Bild der schnöden Eitelkeit;
Ihr dencket bey euch selbst, wofern wir euch flattiren,
Als liessen wir uns gleich Hertz, Muth und Sinn entführen,
Und darum machet ihr euch noch einmal so breit.
Da düncket ihr euch selbst ein Wunder dieser Zeit,
Und höhnt uns noch darzu bey unsrer Höflichkeit:
Da seyd ihr abgericht, uns heimlich zu vexiren;
Ich muß es nur gestehn.
Doch unter uns geredt, ihr fehlet allzuweit;
Wir sind nicht eben gleich zum Lieben so bereit,
Und wolt ihr, wenn wir euch, und euer Lob berühren,
Deswegen über uns so listig triumphiren,
So glaubet, daß ihr mir noch viel zu heßlich seyd;
Ich muß es nur gestehn.
(S. 109)
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Liebe in der Ferne

I.
Manilia, versteh mich wol,
Ich mag dich nicht zum Weibe,
Doch wo ich dich ja lieben soll,
So bleibe mir vom Leibe,
Und komm mir künfftig nicht zu nah,

II.
Manilia, ich hasse dich,
Seh ich dich in der Nähe,
Doch lieb ich dich recht inniglich,
Wenn ich dich nur nicht sehe.
Drum komm mir künfftig nicht zu nah.
Manilia.
(S. 109-110)
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Dreye auf einmal
Sarasin. p. 436

Drey Mägdgen lieben mich,
Und sind bemüht mir zu gefallen.
Wer ist nun so geplagt als ich?
Ich kan bey ihnen allen
Nicht wol auf einmal liegen,
Und sie zugleich vergnügen.
Doch laß ich auch nicht eine gern im Stich.
(S. 110)
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Sylvia in Vergleichung mit
andern Frauenzimmer

Weicht, weicht, ihr Sterne weicht, die Sonne läst sich sehen,
Die schöne Sylvia die übergeht euch weit,
Nicht daß ich darum euch will höhnen und verschmähen,
Ihr bleibet gleichwol schön, wenn ihr alleine seyd.
Doch mühet euch mit Fleiß, die Sylvia zu meiden,
Ihr Schönen dieser Stadt: sie bringet nur Gefahr.
Es muß schon iederman um ihrentwegen leiden,
Und iedes Hertze baut ihr Tempel und Altar.

Bedencket den Verlust; die so euch ehmals ehrten,
Verachten euch ietzund, und lachen euer nur:
Und die, so euch vor dem alleine zugehörten,
Verbinden sich nunmehr auch wider die Natur.
Vergebens dencket ihr noch Hertzen zu gewinnen;
Legt immer euren Pracht und schönsten Reichthum raus:
Ambriret iedes Wort, und spielet mit den Sinnen,
Und freuet überall Jesmin und Rosen aus,
Ich schwöre, zeiget sich nur Sylvia von fernen,
Daß euer schönster Glantz gleich fliehet und verbleicht.
Sie ist der Sonnen gleich, ihr gleichet keinen Sternen;
Die Sonne läst sich sehn, weicht, ihr Sterne weicht.
(S. 110-111)
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Auf ihre Scharffsichtigkeit

Du rühmest, Sylvia, daß nicht ein jederman
So eigentlich, wie du, kan in die Ferne schauen.
Ich kan, verzeihe mir, nicht deinen Worten trauen.
Warum? ich liebe dich und siehst mirs doch nicht an.
(S. 111)
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Als sie im Fenster lag

Beglückte Fenster-Rahm, der du den zarten Mund
Der stoltzen Sylvia so offte kanst berühren,
Du schaffest, daß ich stets muß die Gedancken führen:
Ach wär an deiner statt mir auch so viel vergunt.
(S. 111)
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Als sie hinter dem Fenster stand

Das grosse Brenn-Glaß schmeltzt Metall zu Staub und Erden;
Allein ich weiß ein Glaß, das beßre Proben hält.
Denn wo die Sylvia sich hinters Fenster stellt,
Muß jede Scheibe gleich zu einem Brenn-Glaß werden.
(S. 111)
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Das Portrait der Flavia

Beglückter Pythias, wofern diß kleine Blat,
Das reine Treu und nicht die Kunst erzeuget hat,
Bey deiner Freude sich befugt ist einzufinden,
Ja wo du bey der Lust kanst so viel Zeit erschwinden,
Und, da du allzeit sonst auf deine Liebste siehst,
Die dir dein überfluß, dein Reich, dein alles ist,
Die Augen annoch darffst auf schlechte Zeilen wenden;
So nimm ietzt, treuer Freund, von treuen Freundes Händen
Der Liebsten Ebendbild, so fern ein schwacher Kiel,
Der mehr als zwanzig mal mir auffs Papier hinfiel,
Die Schönheit, die sie ziert, ist tüchtig zu erreichen,
Und zürne nicht, wofern ihr dieses nicht wird gleichen,
Wo iede Tugend nicht hier wird besonders stehn.
Nicht wird ein iedes Lob in Purpurs-Silben gehn,
Und wenn, weil ohnedem mein Phœbus mir entgegen,
Nicht iede Zeile wird Zibeth und Ambra hegen.
Allein wo fang ich an? Der Schönheit überfluß,
Die deine Liebste hegt, belehret dich ein Kuß.
Der wie ein Perlen-Thau von ihren Lippen fliesset,
Wenn sich der Mund für ihr, wie deine Brust entschliesset,
Wenn du gantz ausser dir in holden Armen ruhst,
Und deinen Wüntschen nun ein voll Genüge thust.
Mehr aber kan dir auch dein Hertze selbst erklären,
Das ihre Sonnen fast verbrennen und verzehren,
Die Augen, die an ihr, wie der geliebte Mund,
Ein rechtes Wunder seyn, voll Anmuth, zart und rund,
Und die die Juno selbst so schöne nicht getragen,
Wenn sie der Venus hat den Vorrang abgeschlagen,
Du schöne Flavia; darff ich noch weiter gehn?
So wenig du es selbst vor andern wilt gestehn,
Dein Halß ist Helffenbein, dein Mund ist von Corallen,
Die Wangen Rosen gleich, die Augen von Christallen.
Inzwischen siehst du so, wie deines Vaters Hauß,
Von aussen schön, iedoch von innen schöner aus.
Denn was ist die Gestalt wol ohne Witz zu nennen?
Ein Mahl-Werck ohne Licht, ein Schimmern ohne brennen.
Verständge Flavia, es übersteigt dein Sinn
Dein edeles Geschlecht, und dringet frey durch hin:
Dir ist kein eintzig Wort nie zu geschwind entflogen,
Das du, wie kostbar Gold, nicht fleißig abgewogen:
Du gehest andern stets mit deinen Wercken für,
Und selbst der bleiche Neid find keinen Fehl an dir:
Der Geist, der in dir wohnt, kan auch den Pierinnen,
So klug sie immer seyn, an Klugheit abgewinnen:
Ja wer dich sonst nicht kennt, dem bist du doch bekannt
An Fertigkeit, an Tugend und Verstand.
Denn dies bezeigest du durch die beliebten Mienen,
Die andern insgemein zu einer Regul dienen.
Galante Flavia, was deines gleichen nur
Durch Kunst politer macht, thut bey dir die Natur:
Dir misgeziemet nichts; dein dancken und dein grüssen,
Ein Winck von deiner Hand, ein Schritt von deinen Füssen,
Ein Wort aus deinem Mund ist alles so ambrirt,
Das keiner wiissen kan, was sich am meisten ziert;
Und daß, ie mehr ich mich dich mühe zu beschreiben,
Die Tugenden an dir nur mehr verschwiegen bleiben.
Und endlich hast du viel, davon du schätzbar bist,
Geschickte Flavia, und dir kaum wissend ist,
Wenn lerntest du nicht gleich, was man dir kaum gewiesen?
Wenn thatst du einen Tantz, daß man dich nicht gepriesen?
Doch dieses scheinet dir nur lauter Kinder-Spiel,
Du weist mit solchem Prunck, wie andre, dir nicht viel,
Und wenn ein Schmeichler dich nur darum wolt erheben,
Dem würdest du mit Recht ein scheles Auge geben.
Bescheidne Flavia, es ist doch ohne dem
Ein grosser Lob-Spruch dir durchaus nicht angenehm;
Du überhebst dich nicht, und meinst, daß Ruhm und Ehre
Für andre Damen wol, doch nicht vor dich gehöre.
Allein ie weiter du denckst jenen nach zu gehn,
Je williger sie dir den Vorrang zugestehn,
Daß, da die wenig hier an hohen Stande gleichen,
Dir alle williglich an Witz und Tugend weichen.
So wenig aber dir dein eigner Ruhm gefällt,
So wenig achtest du den Schertz der geilen Welt,
Und meinest, daß dich auch ihr Athem kan beflecken,
Die Wörter, welche nur nach Edens-Aepfeln schmecken,
Und wo man Schlangen-Gifft auf güldne Schaalen setzt,
Die werden stracks von dir der Höllen werth geschätzt.
Dir ist ein lüstern Wort, wie Crocodil, zu wider,
Und nur ein Blick von dir schlägt allen Fürsatz nieder;
Du reine Flavia. Denn freylich bist du rein,
Da die Gedancken so wie deine Glieder seyn,
Und hast, was Liebe heist, nicht hiebevor gehöret,
Eh' es dein Pythias im ersten Kuß erkläret.
Verliebte Pythia, (verzeihe, daß ich dich,
Jetzt anders nenne muß) dein Wesen ändert sich:
Du bist ietzund nicht mehr, was du zuvor gewesen:
Es hat die Liebe dich zu einer Braut erlesen:
Dein Hertze regt sich nun: du bist nicht mehr von Eiß:
Das Feuer, welches sich nicht mehr zu bergen weiß,
Trit dir, du zarte Braut, erröthet ins Gesichte.
Wir mercken schon an dir der treuen Liebe Früchte,
Getreue Pythia, du mißt bey Lieb und Treu
Die wol mehr Wissenschafft, doch nicht mehr Freyheit bey.
Du liebst nichts ausser dem, der dir dein Hertz ergeben,
Der sich dein eigen nennt, und dich sein halbes Leben.
Wolan, vergnügte Braut, vergnügter Bräutigam,
Verdoppelt eure Glut, damit der edle Stamm
Mag wie die Aloe in einem Abend schiessen,
Und da ich diesen Reim muß wider Willen schliessen,
So gönn euch, kurtz gesagt, der Höchste lauter Ruh,
Und schliesse nie für euch den Garten Eden zu!
(S. 112-115)
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Wornach man die Schönheit urtheilen kan

Zwey Jungfern ziehen mich in ihren Rath mit ein,
Und wollen, daß ich soll frey öffentlich bekennen,
Welch unter beyden wol die schönste sey zu nennen,
Die will durch einen Kuß hernach erkenntlich seyn.
So schwer gieng traun die Wahl dem Paris selbst nicht ein,
Der konte Venus leicht vor andern schön erkennen;
Ich aber muß gewiß euch beyde Venus nennen,
Und welche wird davon nun wohl die schönste seyn?
Indessen fordert ihr von mir das Urtheil ein.
Allein wodurch kan ich den Unterscheid erkennen?
Wofern mein Ausspruch ja die Schönste noch soll nennen,
So küsset mich zuerst, drauf soll er fertig seyn.
(S. 115)
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Gute Gedancken

I.
Ach Liebe bleibe noch aus meiner Brust verbannt,
Und überhebe mich von deinem kalten Brand.
Denn wer sein Glück auf Hoffnung baut,
Dem wird die Liebste schon zu rechter Zeit vertraut.

II.
Ich kenne ja mein Hertz, es ist von Fleisch und Blut,
So daß ein holder Blick mir leichtlich wehe thut,
Dies Feuer brennt mich eben auch,
Doch es verschwindet bald in einen leichten Rauch.

III.
Drum will ich hinfort gantz der Liebe müßig gehn,
Und nichts von ihrer Lust und ihrem Weh verstehn:
Fahr immer hin, du schnöde Brunst,
Es stöhret noch zur Zeit mich weder Haß noch Gunst.

IV.
Inzwischen wart ich hier auf mein bescheiden Theil,
Und meine Losung bleibt: Ich liebe sonder Eil.
Denn wer sein Glück erwarten kan,
Wird wol vergnüht, und trifft es nie zu langsam an.
(S. 115-116)
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An seine Schöne
A. Corn. Gallus. p. 341

Wofern ich ohngefehr dir früh begegnen muß,
So gleichst du, wie es scheint, dem edlen Morgensterne,
Und seh ich wiederum dich abends nur von ferne,
So scheinst du mir, mein Licht, so schön als Hesperus.
(S. 116)
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Der unrechtmäßige Zorn
Le Pays Amours p. 270

Du bist den Thoren gleich, gantz unverschämt, verwegen,
An der Vernunfft gelähmt, und von Esprit verlegen,
Du, dessen bestes Werck nur allen mißgefällt,
Unwürdig mich zu sehn, und werth, daß man dich prellt:
So wustest du den Cram verhaster Ehren-Titteln,
Erzürnte Sylvia, auf mich nechst auszuschütteln.
Wie daß denn Sylvia so greulich auf mich kiff?
Bloß, weil ich ohngefehr ihr an den Busen griff.
Das heist zu hart gestrafft, sol ich mich recht erklären,
So sind wir, Sylvia, von wiedrigen Humeuren,
Ich treibe Schertz mit dir, und du erregest Schmertz;
Ich greiff an deine Brust, du aber an mein Hertz.
(S. 116-117)
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Der Kuß wird wieder abgefordert

Du zürnest Sylvia, daß ich dich nur geküst,
Warum giebt die Natur dir denn so schöne Glieder,
Wenn keiner würdig gnug sie zu berühren ist?
Doch ärgert dich ein Kuß, so gib mir ihn nur wieder.
(S. 117)
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Schön und grausam
Anger. p. 242

Wer deine Wangen schaut, der spricht, es gehe dir
Kein Frauenzimmer nicht an holder Schönheit für;
Allein wer dein Gemüth von weiten wil erkennen,
Der wird dich freylich auch für andern grausam nennen.
(S. 117)
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Eine Variation, so die Frantzosen Virelay nennen
Le Pays. pag. 82

Seit dem ich die Uranie recht liebe,
So acht ich sonst kein Frauenzimmer nicht.
Mein Hertze weicht für keinem fremden Triebe,
Seitdem ich die Uranie recht liebe.
Ich der ich mich sonst täglich wo verpflicht,
Seit dem ich die Uranie recht liebe,
So acht ich sonst kein Frauenzimmer nicht.
(S. 117-118)
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Als er die Sylvia zum ersten mal sahe

Nicht scheue dich, mein Hertz, du must erkentlich seyn;
Schließ itzt durch Danckbarkeit und Demuth angetrieben
Dich selbst, so gut du kanst, in treue Zeilen ein,
Indem dir anders nichts zu liefern übrig blieben.
Wer schätzt dich nicht beglückt? wer rühmt nicht deinen Stand?
Ich weiß, wie dieses Hertz sich in ihm selbst erfreuet.
Mich deucht, ich trage nun den Himmel auf der Hand,
Und schaue, wie das Glück mir lauter Rosen streuet.
Trotz, daß der König sich in grössern Ehren sieht:
Es mögen andere sich noch so sehr ergötzen;
Ich bin weit mehr erfreut, da meine Hoffnung blüht,
Und glaube, daß an Glück mir keiner gleich zu schätzen.
Wiewol wo ist mein Hertz? ein holdes Angesicht
Das mir zum ersten mal zu schauen ist erlaubet,
Verschaffet, daß bereits mein schwaches Hertze bricht,
Und eine zarte Hand hat mir es gar geraubet.
Ach edle Sylvia, ich bin itzt ausser mir,
Ein eintzig Wort von dir wirfft mich zu deinen Füssen.
Ja nur ein kurtzer Blick, ach Sylvia, von dir
Macht, daß dir Mund und Hertz beständig dienen müssen.
Doch in dem dienen ist bey mir ein Unterscheid.
Viel andre sind betrübt, und zittern in den Stricken,
Ich aber freue mich in meiner Dienstbarkeit,
Und küsse noch darzu die Bande, die mich drücken.
Nein, nein, ich scheue mich vor deinen Fesseln nicht,
Ich preise selbst den Schmertz, den ich dabey empfinde.
Ach daß doch, da mein Sinn mir lauter Glück verspricht,
Uns beyderseits dereinst ein festes Band verbinde!
Hast du das erste mal, da ich dich nur gesehn,
Mein Hertze dir so gar verbunden und verkehret,
Was würde, Sylvia, nicht erst alsdenn geschehn,
Wenn deine Gütigkeit mir noch was mehr gewehret.
Ein blosser Kuß der Hand war alles, was mein Mund
Zu opffern mächtig war, und that sich meine Liebe
Dir durch die Augen schon zuweilen etwas kund,
So weist du, daß der Mund dennoch verschwiegen bliebe.
Inzwischen bild ich mir bey dir dergleichen ein,
Wofern ein holder Strahl aus deinen Augen blicket;
Da denck ich: Sylvia muß mir gewogen seyn,
Und schätze mich dabey den Göttern gleich beglücket.
Geliebte Sylvia, ich weiß, von nichts als Lust,
Und wären Schmertzen da, so müssen sie verschwinden.
Dermassen trag ich dich mit Freuden in der Brust,
Ach laß hin wiederum mich auch in deiner finden.
(S. 118-119)
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Gespräch zwischen Strephon und Daphne
E. of Rochester's Poems p. 1

Strephon
Du gutes Kind, gib dich zufrieden,
Wie könt ich denn hier länger stehn,
Da sich mein Hertz bereits geschieden?
Die Liebe heist mich weiter gehn.

Daphne
Ich kenne dein verstelltes Wesen,
Du ungetreuer Schäfer du.
Du hast mich dir zum Spott erlesen,
Und spielest nur mit meiner Ruh.

Strephon
Der Weiber Hertz ist voller Freuden,
Wenn es erdichtet und betrügt;
Wir aber müssen heimlich leiden,
Und stellen uns dabey vergnügt.
Wiewol wozu dient mein Verstellen,
Da ich dich doch nicht lieben kan?
Wie? solt ich mich zu dir gestellen?
Mein Hertz zeigt gantz ein anders an.

Daphne
Flieht denn die ungewisse Liebe
Nur allezeit von Hertz zu Hertz?
Warum erregen ihre Triebe
Bald eine Welt voll Lust, bald Schmertz?
Baut auch ein Vogel wol deswegen
Sein Nest so embsig in der Still,
Daß er, so gut es auch gelegen,
Es wieder bald verlassen will?

Strephon
Die Lieb ist Kindern zu vergleichen.
Die Hertzen sind ihr Poppen-Spiel,
Die suchet man erst zu erreichen,
Und achtet sie zuletzt nicht viel.

Daphne
Die Liebe muß an Bein und Flügeln
Halb lahm und halb verschnitten seyn.
Wer ihr die Thüren will verriegeln,
Dem, dem flattiret sie allein.
Doch den verläst sie, der sie kröhnet;
Ihr Dienen ist nur Heucheley.
Sie lachet, schmeichelt und verhöhnet,
Und leistet weder Danck noch Treu.
Im Lieben Freude zu erjagen,
Ist wie ein Traum, der bald verschwindt,
Da doch ihr Weh und ihre Plagen
Recht grausam und unendlich sind.

Strephon
Ach Daphne, laß dein stoltzes Schelten,
Das nur auf lauter Unrecht zielt.
Soll es die Liebe drum entgelten,
Wenn es das Schicksal so befiehlt?
Sie muß ja der Natur Gesetzen,
So wol als wir, gehorsam seyn.
Man kan hier nichts beständig schätzen,
Auch selbst die Welt geht endlich ein.
So wie ein unvermuthet Blitzen
Den schwartzen Horizont durcheilt,
Wenn drauf der Donner auf die Spitzen
Der hohen Cedern sich zertheilt,
Und endlich ein gelinder Regen
Von oben alles wieder stillt;
So ists im Lieben, ihrentwegen
Wird man mit Flammen erst erfüllt;
Die brechen mählich in ein Klopfen,
Wie Wetter, die beysammen stehn,
Und dann verschäumen sie wie Tropfen,
Und müssen endlich gar vergehn.

Daphne
Wolan! so magst du denn erfüllen,
Was deiner Liebe wohl gefällt;
Du folgst dem Schicksal, nicht dem Willen;
Dem Himmel sey es heimgestellt.

Strephon
Mein Hertze kan dich nicht mehr lieben,
Ja, ja, es ist nur all zu wahr,
Die Lust, so ich mit dir getrieben,
Stellt mir ietzt einen Eckel dar;
Drum nimm an mir nur ein Exempel,
Gebrauche bey der Treue List,
Und geh in der Vergnügung Tempel,
So offt es dir gefällig ist.

Daphne
Mein Strephon, ach du bist betrogen,
So hab ichs längst zuvor gemacht;
Ich stellte mich dir nur gewogen,
Und wenn mein Hertze dich verlacht,
So kont ich es mit Thränen decken,
Die nehrten deine Sicherheit.
Verliebte Thoren zu erwecken,
Ist besser, als Beständigkeit.
(S. 119-122)
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Liebe und Argwohn
Aus der Griechischen Anthologie

Es sagen mir zuvor Gedancken, Hertz und Sinn,
Man dürffe nicht zu viel auf Psychens Blicke trauen,
(Denn holde Blicke sind die Netze falscher Frauen)
Und dennoch lieben sie noch eben wie vorhin.
(S. 122)
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Als ihm die Nase blutete, und die
Stammholdin ihm ihr Schnupftuch lehnte

Beprießne Mannholdin; so nenn ich dich ietzund,
Nachdem dein schöner Mund mir neulich noch erlaubte,
Daß ich, indem das Blut mir für der Nasen stund,
Dein weisses Schnupftuch dir von deiner Seiten raubte;
Drum preiß ich billig nun an dir den holden Sinn,
Und nenn an Stammholds statt dich eine Mannholdin.
(S. 122-123)
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Als er auf dem Eise geglitten
Madrigal

Arbinde lacht,
Daß ich auf freyer Gasse
Den Fuß ein wenig gleiten lasse.
Jedoch Arbinde,
Was ists nun mehr, daß ich geglitten bin?
Nimm du dich nur in acht,
Daß du nicht gar einmal zu Falle kömmst;
Das gleiten geht noch hin.
(S. 123)
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Die Taube
Aus dem IXten Ode des Anacreons

I.
Du Ausbund aller Tauben,
Woher? wo kömmst du her?
Wohin geht ohngefehr
Dein angenehmes Schnauben,
Das keiner Anmuth weicht,
Und am Geruche fast Zibeth und Ambra gleicht?

II.
Wer stöhret meinen Willen?
Mich schickt Anacreon,
Mein Herr und mein Patron,
Zur artigen Bathyllen,
Die ietzt durch ihre Pracht
Die Welt und was in ihr sich unterthänig macht.

III.
Die Venus ließ mich fahren
Um ein verliebt Gedicht;
Nun fordert meine Pflicht,
Daß ich die Müh zu sparen,
Nicht faul und träge bin,
Und trage diesen Brieff zu der Bathyllen hin.

IV.
Nun hab ich zwar vernommen,
Als solt ich wieder frey
Aus dieser Sclaverey
Zu meinen Freunden kommen,
Und wenn es gleich geschicht,
So laß ich meinen Freund Anacreon doch nicht.

V.
Denn ach, was kan uns nützen,
Auf Bergen, über Meer,
Zu fliegen hin und her,
Und auf dem Ast zu sitzen?
Das Graß ist sonder Krafft,
Das uns im Felde doch die beste Nahrung schafft.

VI.
Jetzt eß ich gute Bissen
Aus meines Herren Hand;
Ich preisse meinen Stand,
Und kan den Wein geniessen,
Der die Poeten tränckt,
Und den Anacreon mir aus dem Munde schenkt.

VII.
Da hüpff ich um den Alten,
Und deckt ihn in der Ruh
Mit meinen Flügeln zu.
Ich weiß die Zeit zu halten,
Und bin ich müd und matt,
So wird die Laute mir zu einer Lagerstatt.

VIII.
Dies nenn ich mein Vergnügen;
Jetzt aber reiß ich fort,
An den beliebten Ort,
Geh hin, und laß mich fliegen,
Du hast genug vollbracht,
Und mich viel schwätziger als eine Kräh gemacht.
(S. 123-125)
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Als Chloris seine Reime verbrannte
Rime del Marino P. III. p. 78

So hat die Chloris nicht mein Hertz allein verbrannt?
Sie hat das Feuer auch den Reimen zuerkannt,
Die sich um ihre Gunst, so wol als ich, bewerben.
Verachte Poesie, es ist um dich gethan;
Im Feuer fingest du zuerst zu leben an,
Im Feuer must du auch nach Chloris Willen sterben.
(S. 125)
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Die geschminckte Clælia
Poes. de Brebeuf. T. II. p. 282

Wie daß man Clælien so sehr verändert schaut?
Bald scheinet sie sehr zart, bald wieder grob von Haut:
Man irret nicht, wo man die Clælia der Nacht
Der Clælia des Tags zur Große-Mutter macht.
(S. 125)
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Auf die geschminckte Wirthin

Die Schmincke, die du hast, ist nicht von einer Sorte;
Du schminckest deinen Mund, du schminckest deine Worte,
Du schminckest deine Tracht, du schminckest deinen Wein;
So muß gewiß dein Hertz auch voller Schmincke seyn.
(S. 125-126)
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Die Valiere an Ludewig, als er zu Felde gieng
Recueil des Airs p. 158

So muß die Liebe nun der Ehre weichen?
Hält denn nichts deinen Fürsatz auf?
Kan meine Glut an deinen Ruhm nicht reichen?
Ja du verläst der Liebe Lauf,
Und bist zum siegen viel geschwinder.
So macht der Krieg dich mehr zum Uberwinder,
Als die erhitzte Glut
Der Valiere thut,
Wenn Ludewig in ihren Armen ruht?
(S, 126)
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Das rechtmäßige Mißtrauen
Le Pays Amours p. 137
Madrigal

Es führte Thyrsis dich
Nechst gantz allein bey der Nacht.
Doch hast du mir nicht Argwohn beygebracht;
Ich weiß, daß deine Keuschheit sich
Nicht in der Liebe Cabinet
Durch ein geheim Gespräche trenne.
Doch unter uns geredt;
Gedenckst du nicht in deinem Sinn,
Da ich dich für so klug erkenne,
Daß ich ein Narre bin?
(S. 126)
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An einen guten Mann
Ovid. Amor. L. III. El. 4. Dure vir &

O allzustrenger Mann, was nützet dein verschliessen,
Und daß du deine Frau so scharf verwahret hast?
Du wirst ihr ihren Sinn doch endlich lassen müssen;
Der bleibet, wenn er will, auch wol unangetast.
Die ungezwungen lebt, kan leicht getreu verbleiben;
Es wird ihr nicht so sehr von andren nachgestelt.
Die aber ihre Zeit zu Hause muß vertreiben,
Die wüntschet sich weit mehr die Wollust dieser Welt.
Was ihr verbothen ist, das kan sie nicht wol lassen,
Das Frauenzimmer ist durchgehends solcher Art;
Denn was es lieben muß, das pfleget es zu hassen,
Und durch die Freyheit wird manch böses Werck erspart.
Drum laß dein zartes Weib nur ungehindert gehen,
Und reitze selbsten sie nicht durch ein streng Verboth,
So bleibet sie gewis in ihren Schrancken stehen;
Eröfne nur dein Hauß, so hat es keine Noth.
Pflegt doch ein muntres Pferd auch wol zu galouppiren,
Wenn man mit aller Krafft den Zügel an sich hält,
Jedoch so bald es kan die Freyheit wieder spühren;
So hat es unvermerckt sein rennen eingestellt.
Die schöne Danais ward doch durch Huld bezwungen,
Vergebens hat man sie  verschlossen und bewacht,
Dieweil das starcke Gold die Wächter weggedrungen,
Und heisse Liebes-Glut die Schlösser auffgemacht.
Doch muß Penelope in ihrer Freyheit siegen,
Weil Freyheit sich schon selbst durch ihren Schild beschützt.
Was wohl befestigt ist, das pflegt man zu bekriegen,
Bey starcken Schlössern wird ein Dieb nur mehr erhitzt.
Das muß ein Thore seyn, den Eyfersucht entzündet,
Wofern das schöne Weib bisweilen exta geht;
Er kennt die Weise nicht, die man in Städten findet,
Und denckt nicht, daß sein Hut recht alamodisch steht.
Die Furcht bey einer Frau vermehrt den Werth des Leibes,
Nur die gefällt uns recht, die spricht: ich fürchte mich;
Dies ist das rechte Wort, die Losung deines Weibes,
Drum zürne nicht so sehr, sie fürchtet sich vor dich.
Hast du noch etwas Witz, so laß der Frau den Willen,
Verwandle deinen Grimm in Sanfftmuth und Geduld,
So wird sie deinen Wuntsch viel williger erfüllen,
Sonst aber bist du selbst an deinem Unglück schuld,
Du hast dir allerdings ein schönes Kind erlesen,
Und gleichwol soll es auch die Keuschheit selber seyn.
Doch wo ist beydes wohl iemahls verknüpfft gewesen?
Drum gib dich auch, mein Freund, nur fein geduldig drein.
Nimm die mit Freuden auf, die deine Frau verehren,
Gedencke, daß du nun viel nahe Freunde hast,
Die dir dein Hauß und Hof mit lauter Glück vermehren,
Und mache dich dabey auf einen Spaß gefast.
Wilt du hinführo stets in vollem Sause leben,
So frage nicht darnach, was deine Frau gethan;
Es wird das junge Volck dir willigst alles geben,
Was nur dein lüstern Hertz ihm selber wünschen kan.
(S. 127-128)
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Das thörichte Lieben

I.
Die Liebe macht recht wunderliche Possen,
Wenn ihre Hand dem jungen Volcke winckt;
Der wird in Eil mit Hasen-Schrot geschossen,
Wer sich zuvor mehr als zu klug bedünckt.
Denn ihre falsche List ist traun gar unergründlich,
Und ihre starcke Macht um so viel mehr empfindlich.

II.
Ihr stoltzer Sinn denckt alles zu verderben;
Den leget sie aufs Krancken-Bette hin,
Und jener will durchaus für Liebe sterben.
Sie qvält den Leib, und foltert Hertz und Sinn.
Da werden ihrer viel zum Schatten und zum Schemen,
Und Narren müssen sie mit sich zu Grabe nehmen.

III.
Zwar zeigen sich auch offt bewehrte Mittel,
Wenn das Recept aus Fleisch und Bein besteht.
Da dencket man an keinen Sterbe-Kittel,
Wenn man die Bahn zu diesem Leben geht;
Das heist, man findet hier den Himmel auf der Erden,
Und ein geliebter Schatz soll unser Leitstern werden.

IV.
Da rühmet man die Göttin süsser Liebe:
Da zeiget sich vergnügter überfluß:
Man folget frey dem angenehmen Triebe;
Die Losung heist ein treu gemeinter Kuß,
So, daß der süsse Thau, der von den Lippen fließt,
Wie Ambra bey Zibeth, gedoppelt kräfftig ist.

V.
Bald aber will man wieder gar verzweiffeln,
Wenn man beschämt den Korb am Halse trägt;
Da redet man von lauter tausend Teuffeln,
Und klaget, daß kein Donner auff uns schlägt.
So muß die Klugheit selbst aus ihren Circkeln weichen,
Und iede Liebe muß sich einer Thorheit gleichen.
(S. 128-129)
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Als er etwas zu lange aussen bleiben muste

Laß, schönster Engel, dir doch nicht zuwider seyn,
Daß dieses kleine Blat an meiner statt erscheinet,
Ja bilde dir dabey nur keine Falschheit ein,
Und glaube, daß mein Hertz es treulich mit dir meinet.
Ich schwöre, daß ich dir durchaus ergeben bin,
Seit dem ich dich gesehn, seit dem ich dich gesprochen.
Du bist mein gantzes Ich, und die ergebne Treu
Wird nicht durch Zeit Verzug und Warten unterbrochen.
Nach kurtzen Zögern gehn wir in ein Paradieß.
Vielleicht darff ich mich dir in kurtzen offenbahren;
Inzwischen wird mir doch, seit dem ich dich verließ,
Fast ieder Augenblick zu gantzen Tag und Jahren.
(S. 130)
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Auf schöne Augen

I.
Schönste Augen, schönste Lichter,
Euch verehret alle Welt,
Ja ihr schaffet, daß der Richter
Für euch zitternd nieder fällt,
Wenn er über euer Brennen
In den Rechten soll erkennen.

II.
Wie die Sonne mit den Sternen
Den gewölbten Himmel ziert,
Und ihr trauriges Entfernen
Eine düstre Nacht gebiert,
Also zeigen Aug und Blicke
Ein veränderliches Glücke.

III.
Traget Pech und Spreu zusammen,
Zündet Saat und Wälder an.
Dennoch glaub ich, daß die Flammen,
Die ein Blick entzünden kan,
Die sich in den Augen zeigen,
Allerdings weit höher steigen.

IV.
Schönste Augen, euer Prangen
Thut uns euren Fürzug kund;
Drum erröthet euch ihr Wangen,
Werde blaß, du rother Mund,
Euer Glantz kan wenig taugen;
Denn der Preiß gehört den Augen.
(S. 130-131)
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Auf ihr Pater noster
Aus dem Engl. MS.

I.
Ach wirff dein Pater noster hin,
Und dencke nicht in deinem Sinn,
Du werdest Huld erlangen.
Wer selber kein Erbarmen hat,
Der kan vor seine Missethat
Auch keine Gnad empfangen.

II.
Dein Hertz hegt lauter Ubermuth;
Du hältst es für dein höchstes Gut,
Wenn andre deinetwegen
Mit tausend Weh zu trümmern gehn;
So dencke ja nicht zu bestehn,
Und hoffe keinen Seegen.

III.
Doch wilst du rechte Busse thun;
Verlangst du deine Seele nun
Nebst meiner zu erretten;
So liebe, was dir wolgefällt,
Und drohe nicht der halben Welt
Mit lauter Band und Ketten.

IV.
Ja nimm des Himmels Schluß in acht,
Der dich vor andern schön gemacht,
Und zeig auf holden Wangen
Erbarmnis und getreue Brunst,
Daß wir durch tausend Freud und Gunst
Ein Paradieß erlangen.
(S. 131-132)
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Aus: Philanders von der Linde
Galante Gedichte
Darinnen
So wol eigene verliebte Erfindungen,
als allerhand auswärtiger Poeten übersetzte
Liebes-Gedichte, wie auch insonderheit
des berühmten
Grafen von BUSSY-RABUTIN
Liebes-Maximen
enthalten
Die andere Auflage so mit Fleiß corrigiret
Verlegt in Leipzig
Johann Friedrich Gleditsch und Sohn
Im Jahre Christi 1710

siehe auch Teil 1





 

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