Sophie Mereau (1770-1806) - Liebesgedichte

Sophie Mereau

 

Sophie Mereau
(1770-1806)

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:






An ein Abendlüftchen

Sey mir gegrüsst aus deinen reinen Höhen
du Himmelsluft!
o! säume nicht mich liebend anzuwehen
mit süssem Duft!

Es lauscht in dir der hingeflohnen Zeiten
geliebtes Bild,
Des Herzens Tausch, die Welt voll Seligkeiten
wie du so mild!

Die goldnen Ähren sanken schweigend nieder
beym Sichelschall,
da gingen wir und sangen frohe Lieder
durch Feld und Thal.

Du säuseltest aus blauem Äther nieder
sanft zu uns hin,
und küsstest uns; - wir küssten froh dich wieder
mit leichtem Sinn.

Uns war so wohl, von deinem Hauch durchdrungen,
wie du so leicht,
und in der Ahndung süssen Traum verschlungen
dem keiner gleicht.

Du kehrst zurück zu deiner fernen Quelle -
woher? wohin?
wer weiss es? - So bewegt der Zeiten Welle
den leichten Sinn.

Ach! fern, ach fern, wie deine Ätherschwingen,
entfloh das Glück,
und deine leichten stillen Flügel bringen
es nie zurück!

Statt jener Ruhe, die dein Hauch mir sandte,
verglimmt das Herz,
das einst in reger Lebensgluth entbrannte,
in stillem Schmerz.

Du kehrst zurück mit himmlischen Gefieder
im Abendschein,
und küssest mich mit süssem Athem wieder;
doch ach! allein!
(S. 16-18)
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Der Hirtin Nachtlied
Nach: Jägers Nachtlied

Des Tages süsser Schein verbleicht
in leichten Nebelflor,
und aus den stillen Schatten steigt
dein liebes Bild hervor.

Du wandelst rasch durch Berg und Thal,
voll Unruh in der Brust,
und bist der Liebe süssen Qual
wohl nimmer dir bewusst.

Indess mit leichter Sehnsucht Schmerz,
fern in der Einsamkeit,
ein treues tiefbewegtes Herz
sich dir voll Liebe weiht.

Es steigt der Mond, das ferne Thal
glänzt mild in seinem Licht.
Ach! säh' ich, wie des Mondes Strahl,
dein süsses Angesicht!
(S. 22-23)
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Frühling

Wie die Zweige sich wölben!
Blüthen und Blumen sich drängen,
Rosen den Äther umwallen!
Mutter Natur, wie schön bist du!

Wie die Vögelein schwärmen!
Käfer mich fröhlich umsummen!
Fische im Abendglanz spielen!
Holde Freyheit, wie süss bist du!

Wie die Täubelein girren!
Schwalben ihr Nestchen sich bauen,
kleine Würmchen sich suchen!
Liebe, Liebe, ich ahnde dich!
(S. 24)
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Schwärmerey der Liebe

Wo über Gräbern die Zypresse trauert,
weilt oft, von trauriger Beruhigung
und unbekannten Ahndungen durchschauert,
mit nassem Auge die Erinnerung.

Und auf der Hoffnung sanft verklärten Wegen
wallt der Verlassne in den Ätherhain
der bessern Welt dem fernen Freund entgegen,
und findet ihn in heil'gem Dämmerschein.

Wie glücklich der, dem jenes Auferstehens
geweihte Hoffnung durch die Seele dringt!
Wie glücklich, wenn der Traum des Wiedersehens
um ihn den lichten Seraphsfittig schwingt!

Uns wird es nicht, jetzt da wir bebend scheiden,
Geliebter, dieser schönen Hoffnung Glück.
Uns zwang Vernunft, den holden Wahn zu meiden,
und schüchtern floh er ihren Strahlenblick.

Wenn um das hohe, starkgefühlte Leben,
das Göttliche, das uns im Innern glüht,
sich einst auch neue, schön're Formen weben,
ein andres Sein aus diesen Trümmern blüht;

Was ist dem Geist, zu neuem Seyn geboren,
dann, was hienieden ihn zum Gott entzückt?
Mit jedem Sinn ging eine Welt verloren,
und seine schönsten Blüthen sind zerknickt.

Zertrümmert ist, in seinen feinsten Tiefen,
das holde Saitenspiel in unsrer Brust,
wo aller Lebensfreuden Keime schliefen;
wir blieben keiner, keiner uns bewusst!

In welches Labyrinth bin ich verschlungen?
Hat eine traurige Nothwendigkeit
mir dieses Leben furchtbar aufgedrungen?
O, Liebe! löse du den bangen Streit!

Ja, ich empfand, als ich mit süssem Beben
der Liebe Gluth aus deinen Blicken sog,
und heiliges, noch nie empfundnes Leben,
mit Götterkraft durch meine Seele flog.

Als sich zuerst mit schwindelndem Entzücken
mein trunkner Geist um deine Seele schlang,
dass, namenlos durch dich mich zu beglücken,
der Liebe Allmacht mich ins Leben zwang.

Getrennt von dir - was kann die Welt mir geben,
das meiner Seele heisses Sehnen stillt?
Was soll mir jetzt das liebeleere Leben,
wo nirgends Ruh für meine Sehnsucht quillt?

Wo unentfaltet der Empfindung Blüthe,
von Harmonie nicht mehr geweckt, verdirbt,
und was mit Ätherglut den Geist durchglühte,
von deinem Geist verlassen, fruchtlos stirbt;

Wo sich der Freude zarte Rosen bleichen,
der Baum der Hoffnung keine Blüthen treibt,
die Phantasieen traurig von mir weichen,
und, ach! entseelt die Wirklichkeit mir bleibt.

Und doch - das Lüftchen, das mich kühlet, küsste
vielleicht den Seufzer von der Lippe dir;
und jenen Stern, der still mir winkt, begrüsste
vielleicht ein liebefeuchter Blick von dir.

Ich flöh' die Welt, verlernte dich zu lieben?
dein süsses Bild entwich' auf ewig mir?
und so entsagt' ich meinen bessern Trieben,
und würde treulos meiner Gluth und dir?

Nein! böt' ein Gott, mit freundlichem Erbarmen,
aus Lethe's Fluthen eine Schale mir,
ich nähm' die Schale nicht aus seinen Armen,
und lebte ewig meinem Schmerz und dir.

Ach! wirst auch du, wenn mit dem letzten Sterne
der Nähe süsse Nahrung uns versiegt,
und dann aus tiefer, hoffnungsloser Ferne
im öden Raum der trunkne Blick verfliegt.

Wenn nun die Zeit, von Hoffnung nicht erheitert,
der Freundin Bild mit Nebelflor behängt,
und jeder Augenblick die Kluft erweitert,
die grausend zwischen Geist und Geist sich drängt:

Wirst du auch dann die süssen Qualen theilen?
von zarten Phantasieen eingewiegt
in stillen Träumen liebend zu mir eilen,
wenn zwischen uns, ach! Raum und Zeit nun liegt?

Wird dann das Glück von unsern schönern Tagen
dein höchstes Ideal auf ewig seyn? -
Ich ahne, Selmar, deine sanften Klagen:
durch eignen Schmerz begreif' ich deine Pein.

Nein, klage nicht! - Wenn neue Freuden winken,
wenn dir die Hoffnung frische Kränze flicht,
so lass mein Bild in stillen Schlummer sinken:
- auch solche Opfer scheut die Liebe nicht!

Ich will - der Liebe Götterhoheit sieget -
dein Herz von fremden Trieben glühen sehn,
und, wie ein Strahl, der in der Luft verflieget,
in deiner Seele ewig untergehn.

Doch, Selmar, nein! - Kann Liebe untergehen?
ward die Natur sich selbst je ungetreu?
Kann Harmonie wie Frühlingshauch verwehen?
und wird dein Ideal dir wieder neu?

Die Lieb' ist ewig! Ihren Harmonieen
folgt treu die ganze bildende Natur;
und werd' auch ich in neuen Formen glühen,
so folg' ich ewig ihrer Rosenspur.

Nie wird der hohe Einklang untergehen,
der uns vereint. - Ich will, an dich gebannt,
mich als Planet um deine Sonne drehen,
den Lichtstrahl saugen von dir hergesandt;

Im Wetterstrahl mich dir entgegen stürzen,
als Blume dir die Gattenblume seyn,
im Blüthenduft mit dir die Lüfte würzen,
und gaukelnd mich mit dir als Vogel freun.

Im Schöpfungskreis stets von dir angezogen,
vermählt uns ewig heil'ge Sympathie!
Im Sternentanz und im Gesang der Wogen
weht uns Ein Geist, der Liebe Harmonie!
(S. 25-31)
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Klage

Im sonnigen Schimmer,
So freundlich und warm,
da ging ich süss träumend
mit Liebchen am Arm.

Wie Athem der Liebe,
umfing mich die Luft;
es weh'te mir Freude
im blüthigen Duft.

Rings tönte in Lüften
der Jubelgesang;
des Bächleins Gemurmel
ward flötender Klang.

Wie liebt' ich die Blumen,
die er mir gepflückt!
Wohl hab' ich verstohlen
an's Herz sie gedrückt!

Wir scherzten und hüpften
im sprossenden Hain,
wie Blümchen der Wiese
unschuldig und rein.

Nun weinet die Quelle,
nun seufzet der West,
nun sterben die Blumen,
da er mich verlässt!
(S. 35-36)
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Die letzte Nacht

Sie sinkt, die Nacht! sie sinkt auf Mohn und Flieder,
im Grabgewand, von Leichenduft umschwebt;
ein kalter Schauder bebt mir durch die Glieder,
indes der freie Geist sich zu entfesseln strebt.

Verhallt auf ewig sind der Hoffnung Lieder,
verrauscht der Freude goldnes Saitenspiel!
Kein Gott facht die verloschne Flamme wieder
im öden Busen an - ich bin am Ziel!

Ich hör' im Sturme, der die hohe Eiche
mit allmachtsvollem Arm zur Erde beugt,
im Schilfgeflüster, das am öden Teiche
sich traurig hin und her im Winde neigt

Wie aus gebleichten Schädeln, hohl und düster,
der Abgeschiednen Stimme: folge mir!
und Schattenbilder wehn mit Grabgeflüster
zu mir heran, und hauchen: folge mir!

Ich folg' euch gern! Ach, an Unmöglichkeiten
verlosch des Lebens einst so schönes Licht! -
Wer zürnt dem Kranken, dem's im Kampf mit seinen Leiden
zuletzt an Muth und inn'rer Kraft gebricht?

Vernimm, du Wesen, das ich ewig liebe:
dies Herz erträgt den bittern Kampf nicht mehr!
Vergebens rang es mit Vernunft und Liebe;
ihr Widerspruch wird seiner Kraft zu schwer!

Was soll, Geliebte! ohne dich das Leben,
dies bange Traumgebild, was soll es mir?
wo eines lacht, wenn tausend andre beben;
was kann ich lieben, wünschen - ausser dir?

Ich eil' hinaus ins schaudervolle Öde,
Verändrung ist für mich Verbesserung.
Und schimmert jenseits keine Morgenröthe:
im Schooss des Grabes blüht Beruhigung!

Ich lechze auf nach hellern Lebensblicken!
Gewissheit blüht aus der Verwesung Staub!
Dort will ich mir die Ätherblume pflücken -
zu lange war ich hier des Wahnes Raub!

Schon seh' ich Thau aus jener Wolke sinken;
schon fühl' ich mich vom Morgenhauch umbebt.
Wenn dieses Sternes letzte Strahlen blinken,
dann hat dein treuer Jüngling ausgelebt.
(S. 37-39)
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Andenken

Athmet von Lüftchen bewegt, die Linde mit stillem Gesäusel:
wähn' ich, es athme darin leise dein zärtlicher Laut.
Seh' ich von fern ein Gewand, an Farbe ähnlich dem deinen:
zuckt mir ein lieblicher Schreck schauernd durch Mark und Gebein.
Zeichnet mit Rosengewölk der Tag die beginnende Laufbahn,
strahlet der Äther so blau: denk' ich: es wäre wohl schön,
heut' in der freyen Natur, in himmlisch blühenden Lauben
fröhlich beysammen zu seyn, ach, mit dem lieblichen Freund!
Dämmert der Abend so mild, und wandelt durch duftige Wolken,
ihren Geliebten zu sehn, Luna, mit thauigem Blick;
schimmern die Sterne herab, in schweigender, ewiger Klarheit:
tauch' ich mich, einsam und still, gern in die Kühlung der Nacht,
denke deiner, bewegt, und seufze mit liebender Sehnsucht:
Wehet, ihr Lüfte, o weht seine Gedanken mir zu
Sieh', es umringet mich so dein Bild in lieblichen Träumen,
bist du dem Auge gleich fern, ewig dem Herzen doch nah.
Seliger Ahnung getreu, liebt dich die Freundin in Allem,
wie sie, in schönerer Zeit Alles einst liebte in dir.
(S. 42-43)
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Frühling

Düfte wallen - tausend frohe Stimmen
jauchzen in den Lüften um mich her;
die verjüngten trunknen Wesen schwimmen
aufgelös't in einem Wonnemeer.

Welche Klarheit, welches Licht entfliesset
lebensvoll der glühenden Natur!
Festlich glänzt der Äther, und umschliesset,
wie die Braut der Bräutigam, die Flur.

Leben rauscht von allen Blüthenzweigen,
regt sich einsam unter Sumpf und Moor,
quillt, so hoch die öden Gipfel steigen,
emsig zwischen Fels und Sand hervor.

Welch ein zarter wunderbarer Schimmer
überstrahlt den jungen Blüthenhain!
Und auf Bergen, um verfallne Trümmer,
buhlt und lächelt milder Sonnenschein.

Dort auf schlanken silberweissen Füssen
weht und wogt der Birken zartes Grün,
und die leichten hellen Zweige fliessen
freudig durch den lauen Luftstrom hin.

In ein Meer von süsser Lust versenket,
wallt die Seele staunend auf und ab,
stürzt, von frohen Ahndungen getränket,
sich im Taumel des Gefühls hinab.

Liebe hat die Wesen neu gestaltet;
ihre Gottheit überstrahlt auch mich,
und ein neuer üpp'ger Lenz entfaltet
ahndungsvoll in meiner Seele sich.

Lass an deine Mutterbrust mich sinken,
heil'ge Erde, meine Schöpferin!
Deines Lebens Fülle lass mich trinken,
jauchzen, dass ich dein Erzeugter bin!

Was sich regt auf diesem grossen Balle,
diese Bäume, dieser Schmuck der Flur:
Einer Mutter Kinder sind wir alle,
Kinder einer ewigen Natur.

Sind wir nicht aus Einem Stoff gewoben?
Hat der Geist, der mächtig sie durchdrang,
nicht auch mir das Herz empor gehoben?
tönt er nicht in meiner Leier Klang?

Was mich so an ihre Freuden bindet,
dass mit wundervoller Harmonie,
meine Brust ihr Leben mitempfindet,
ist, ich fühl' es, heil'ge Sympathie!

Schwelge, schwelge, eh' ein kalt Besinnen
diesen schönen Einklang unterbricht,
ganz in Lust und Liebe zu zerrinnen,
trunknes Herz, und widerstrebe nicht.
(S. 44-47)
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Der Liebende

Lieblich, wie der Hoffnung Zaubertöne,
flötet dort im Blüthenbusch versteckt
Philomele, während sich der schöne
Abendhimmel leicht mit Rosen deckt.

O! in Allem, was die Säng'rin flötet,
lausch' ich deiner Stimme rein und mild,
und der Schimmer, der den Himmel röthet,
mahlt in Lichtgestalten nur dein Bild!

Dort, wo leichte graue Nebel schleichen,
an des fernen Horizontes Rand,
wo umher die hellen Blicke reichen,
seh' ich dich, seh' Himmel nicht und Land.

Ha! ist's Liebe, die den Zauberschleier
schimmernd über Erd' und Himmel webt,
dass allüberall in Frühlingsfeier
mir dein holdes Bild entgegen schwebt?

Du, du liebest! in der Linde Säuseln
find' ich dieses leisen Rufes Spur,
und des Baches leicht verworr'nes Kräuseln
tönt mir murmelnd Liebe, Liebe nur.

Und es bebt, wie über Blüthenauen
Zephyrn athmen, durch die Seele mir
das Geständniss. Soll ich's dir vertrauen?
berg' ich lieber es auf ewig dir?

Nimm es hin! - Wie süsse Blumendüfte
durch die Sommernächte wallend ziehn,
send' es auf dem leichten Weh'n der Lüfte
dir der Genius der Liebe hin!
(S. 56-57)
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Das Lieblingsörtchen

Wohl wölbet sich lieblich am kühligen Bach
manch duftend Gewinde zum blühenden Dach;
wohl hat sich schon mancher, von Sehnsucht gequält,
ein heimliches Plätzchen zum Freunde gewählt.

Doch kennt' ich sie alle, die Stellen der Ruh:
es machte von allen mir keine, wie du,
du Dörfchen im stillen bescheidenen Grund,
die freyheitdürstende Seele gesund.

Wie, innigst an liebende Arme gewöhnt,
nach kurzer Entfernung das Liebchen sich sehnt,
so wallet, wenn Tage der Trennung vergehn,
mein liebender Busen, dich wieder zu sehn.

Von Blüthen umdüftet, von Lüftchen geküsst,
von lieblichen Sängern auf Zweigen begrüsst,
enteilt mir der Stunden geflügelter Zug,
und nimmer hemmt Unmuth den rosigen Flug.

Im Häuschen so reinlich, so niedlich und klein,
nist't traulich das friedliche Täubchen sich ein;
drin wohnen zwey Menschen, bescheiden und hold
wie Blumen der Wiese, und lauter wie Gold.

Vom ländlichen Paar, das im Hüttchen sich lebt,
dem Unschuld und Ruhe den Lebenstraum webt,
zum Käfer, der summend die Blüthen durchstrich,
freut alles der Liebenden Gegenwart sich.

Es zieret, gewartet von sorgsamer Hand,
des Geisblatts Gewinde die reinliche Wand,
streckt brünstig die Arme zum Fenster hinauf,
und sendet mir süsse Gerüche herauf.

Und wall' ich, wenn freundlich der Abendstern glänzt,
auf duftender Wiese, von Büschen umkränzt,
da wanket auf Lüftchen mit rosigem Schein
manch fröhliches Bild in die Seele hinein.

Auch zieht sich dort heimlich vom Hügel ins Thal
ein Wäldchen; drin wohnet manch fröhlicher Schall:
da winkt mir, umflossen von täuschendem Licht,
aus einem der Büsche ein Schattengesicht.

Erinnerung wob es aus magischem Duft;
da steht es nun ewig in schweigender Luft.
Ich setze mich einsam zum fliehenden Bach,
und sinne dem flüchtigen Schattenbild nach.

Es rauschen die Wellchen bedeutend und schnell,
und reissen manch Blümchen vom Strand in den Quell.
So drängt auch von dir einst, du lieblicher Ort,
die Welle des Schicksals mich Liebende fort.

Dann sehnt sich, wenn Tage der Trennung vergehn,
vergebens mein Busen, dich wiederzusehn,
fühlt liebende Sehnsucht, und athmet so schwer,
und findet das Plätzchen der Ruhe nicht mehr!
(S. 81-84)
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Des Lieblingsörtchens Wiedersehen

Was wallst du, Luft, so liebend mir entgegen?
was rührt mein Innerstes mit zarter Hand,
und führt den Geist auf unbekannten Wegen
in der Erinn'rung stilles Schattenland?

Ich folge still dem Pfad, der sich gewunden
durch dichte Büsche drängt, dem Wäldchen zu.
Bald ist das Dörfchen hinter mir verschwunden,
und alles athmet Einsamkeit und Ruh.

Hier, wo umscherzt vom fröhlichen Gefieder
das Bächlein tanzt, sich froh die Buche hebt,
hier sink' ich still auf weichen Rasen nieder,
von Bildern der Vergangenheit umschwebt.

Wer schaut sie jetzt mit Lust, die grüne Fülle,
wer leiht dem fröhlichen Gesang sein Ohr?
Einsam entfaltet sich der Blume zarte Hülle,
und unbemerkt verhallt der Vögel Chor.

Verlassen murmelt sanft die Wiesenquelle,
kein fühlend Herz lauscht ihr mit zartem Sinn;
und ungesehen taucht sich die Libelle
mit leisem Flug durch grüne Dämm'rung hin.

Hier war es, wo einst in holden Träumen
der Hore Flug mit sanfterm Hauch zerrann;
wo sich die Phantasie in fernen Räumen
ein goldnes Zauberland mit Lust ersann.

Da wehte um das neue, frische Leben
der Zauberduft der Unerfahrenheit:
ich sah die Gegenwart mir hold entschweben,
und in der Ferne lauter Seligkeit.

Verloren ist die Blüthe der Gefühle,
der Täuschung buntes Zauberland verblich;
der Menschheit schönes Bild floh im Gewühle,
und ach! die Götter selbst entfernten sich.

Erfahrung schuf mir neue Lust und Schmerzen;
auf ihr Geheiss floh der geliebte Wahn.
Nur du, Natur - an dem verlass'nen Herzen
klang rein dein schöner Ton, wie vormals, an.

Wohl mir, dass in des Lebens bunten Scenen
nicht diese zarte Harmonie entwich!
Noch quillt für dich ein wenig reges Sehnen,
und mein Gefühl bleibt ewig jugendlich!

Du bist das Band, das bessre Seelen leitet,
die zartbesaiteten; wenn sich das Glück,
wenn Phantasie und Lust von ihnen scheidet,
rufst du den Frieden in ihr Herz zurück.
(S. 88-90)
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Psyche an Amor

Wo schwand er hin, der seligste der Träume,
das höchste Ziel der innigsten Begier?
Die Sehnsucht schwingt sich in des Äthers Räume;
doch, ach! verbannt, gefesselt schmacht' ich hier!

Es wär' auf ewig mir dahin geschwunden
das Land der Himmlischen, der Ätherhain
der Harmonie? Hienieden festgebunden,
blieb' eine Ewigkeit dies Herz allein?

Einst, als ich unter Blumen hier erwachte,
umleuchtet von der Hoffnung mildem Stern,
bewegt der neuen Welt entgegen lachte,
schien Amor, der Geliebte, mir nicht fern.

Du athmetest in milden Frühlingslüften;
dein Auge sprach im Sternenglanz zu mir,
und jeder süsse Ton in Thal und Lüften
war mir ein holder Liebeslaut von dir.

Bald schwand der schöne Wahn, wie Nebelsterne
in dunkeln Nächten, und mein Herz blieb leer,
und brennend flog die Sehnsucht in die Ferne,
und ahndete dich über Berg und Meer.

Da trat ein holdes Wesen mir entgegen,
voll Himmels-Ahndung; eine neue Lust
durchflog mein Herz mit ungewohnten Schlägen,
und süsses Weh durchschauerte die Brust.

Ich fühlte unsrer Liebe Seligkeiten,
wie Himmelslüfte, freundlich um mich wehn;
verloren in der Ahndung Trunkenheiten,
vermeint' ich dich, mein Ideal, zu sehn.

Der Welt entrückt, im seligsten Entzücken,
vermisst' ich deinen Himmel selbst nicht mehr;
Verklärung strahlte aus des Lieblings Blicken,
und Ätherrosen blühten um mich her.

Doch, ach! der Unbestand der Menschenherzen
erträgt es nicht, das allzuhohe Glück!
Zur Asche brannten die geweihten Kerzen:
die Liebe wich; die Sehnsucht blieb zurück.

Und wiederum für neue Qual geboren,
die Freude hassend, mit mir selbst entzweit,
durchflog die Welt mein Wunsch - was ich verloren,
ersetzte keine Erdenseligkeit.

Du warst es, du, dem beym Genuss des Schönen,
im innigsten Zusammenklang,
bey jeder Kunst, gelehrt von Göttersöhnen,
sich meine Seele froh entgegen schwang.

Dem in des Mitgefühles leisen Wogen,
in Freundesblick voll zarter Sympathie,
die reinen Triebe frey entgegenflogen;
doch ganz befriedigt ward die Sehnsucht nie.

Und nimmer schweigt das liebende Verlangen,
dich wiederum in der Vollkommenheit
unwandelbarem Schimmer zu umfangen,
wie einst in jenem Traum voll Seligkeit.

Du, Himmlischer! den keine Worte nennen,
der Ahndung zarten Sinnen nur bekannt!
soll ewig ungestillt die Sehnsucht brennen?
bleibt stets von dir die Liebende verbannt?

Wer naht mir hier? von mildem Sternenglanze
- ein überirdisch Wesen - sanft erfüllt,
die Fackel still gesenkt, und im Zypressenkranze
die göttlich reine Stirn halb eingehüllt.

Es winkt mir hin nach jenen dunkeln Gründen,
ein wunderbarer Schauer fasst mich - ach!
ich folge - soll ich dort die Ruhe finden? -
vertrauungsvoll dem stillen Engel nach!

Doch leise regt er jetzt die düstern Schwingen,
und rings aus ihnen sprosst ein milder Glanz
wie Morgenroth, und Ätherrosen dringen
aus dem erheiterten Zypressenkranz.

Er ist es, Er, der Göttliche! auf immer
nun wieder mein! und neue Wonne füllt
das Herz! - So wird beym letzten Lebensschimmer
die Sehnsucht, die unendliche, gestillt?

Wir schweben auf in reinere Gefilde;
der Erd' entrückt, von keinem Wunsch getrübt,
umfängt mich jenes Äthers Frühlingsmilde,
und ich bin ewig liebend und geliebt!
(S. 125-129)
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Der Verliebte

Wo schwand er hin, der seligste der Träume,
begehrend haucht die Blume sanften Duft,
ein süsses Weh seufzt in der Buche Säuseln,
und Ahndung weht in der bewegten Luft.

Hier, wo umrankt von leichten Blättergittern,
umschirmt von lieblich blühendem Gefild,
mir Freudentöne durch die Seele zittern,
erscheint mir ein geliebtes holdes Bild.

Es wiegt das Herz sich auf der Ahndung Wogen,
und taucht sich fröhlich in beglückten Wahn:
so schwimmt, vom Frühlingshauch sanft angezogen,
der Vogel in der Lüfte Ocean.

Von der Natur zur Liebe eingeladen,
lockt mich ins Leben ein geweihter Schein.
O, lasst in eurem Ätherglanz mich baden,
ihr Himmlischen! und lasst mich glücklich seyn!

Und wenn sich dann in euern Seligkeiten
am Überirdischen berauscht der Sinn,
so nehmt, eh' die geliebten Träume scheiden,
das leere Leben mit der Liebe hin!
(S. 147-148)
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Gedichte aus: Gedichte von Sophie Mereau
Erstes Bändchen Berlin 1800


Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Sophie_Mereau

 

 

 


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