Melchior Meyr (1810-1871) - Liebesgedichte

Melchior Meyr



Melchior Meyr
(1810-1871)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 






Liebesglück

O ich erfuhr so hohe Lust
Und darf es niemand sagen;
Und ach, die wonnebange Brust
Kann es allein nicht tragen!

Ich schlich mich heimlich in ihr Haus,
Es war im Abendscheine,
Die andern saßen froh beim Schmaus,
Sie harrt' auf mich alleine.

Ich herzte sie, sie herzte mich,
Sie ruht' an mir so feste!
So zärtlich und so inniglich
Liebkoste mich die Beste!

Und weil es heimlich nur geschah,
War doppelt unsre Freude.
Doch ach, die Trennung war so nah',
Die Lust so nah dem Leide! -

Wie gern entleert' ich nun mein Herz!
Doch darf es Keiner wissen;
Denn hier versteht ja niemand Scherz,
Zu tadeln nur beflissen.

Was wäre das für ein Geschrei,
Wie müßten wir's entgelten!
Ist gleich ein jeder auch so frei,
Die Andern will er schelten.

O Muse, du erbarme dich
Und nimm die Last vom Herzen!
Nimm, Hohe, sonst erdrücken mich
Die süßen Liebesschmerzen!

Aus: Gedichte von Melchior Meyr
Berlin Verlag von Julius Springer 1857 (S. 3-4)

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Auf dem See

In dem buntbewimpelten Nachen,
Auf dem silbernhauchenden See,
An der Seite des holden Mädchens
Ward mir so wohl und so weh.

In der Mittagsschwüle da rauschten
Die Wellen so wohligfrisch,
Weitab zum fernen Lande
Mit bläulich duft'gem Gebüsch.

Wie süß war das zu fühlen!
Doch konnt' ich's nicht lange sehn.
Saß neben mir nicht das Mädchen
So liebeglühend und schön?

Ich senkte die sehnenden Blicke
Auf die Augen so innig und gut,
Auf die schönen, rosigen Wangen,
Auf den Mund voll küßlicher Glut.

Und als ich geküßt und gekoset,
Schaut' ich wieder hinaus auf den See,
Schaut' ich wieder auf das Mädchen,
Da ward mir so wohl und so weh.

Wo soll, wo soll ich denn weilen?
Ueberall so frisch und so schön!
Es zieht mich hinüber, herüber -
Ich kann mein Herz nicht verstehn!

Da hört' ich den Sang der Nymphen,
Sie sangen ihn leis und fern:
"Was verlangst du, sehnender Jüngling,
Sag' an, was hättest du gern?

Du verlangst in die junge Seele
Die ewig lebendige Lust?
Sieh die Wellen, sie wogen und rauschen
An der Erde liebender Brust.

Die weichen, wogenden Wellen
Sind die Wonne der Natur,
Und die Wonne des menschlichen Herzens
Ist ewiges Wogen nur."


Aus: Gedichte von Melchior Meyr
Berlin Verlag von Julius Springer 1857 (S. 4-5)

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Erkanntes Glück

Ich liebte mein Mädchen wohl lange Zeit,
Sie hatte mir Sinn und Herz erfreut,
Allein bei all der Liebeslust
War mir ihr Werth doch wenig bewußt.

Wohl war es mir süß und gar so schön,
Zum Liebchen wieder und wieder zu gehn.
Doch meint' ich zuletzt, es müßt' so sein,
Und liebte nur so in den Tag hinein.

Da hört ich einmal in fremdem Kreis
Viel rühmen und reden zu ihrem Preis.
Wie hoch sie wurde von Andern verehrt,
Vernahm ich daselbst, und wie herzlich begehrt.

Mir ward es wie ein Tag um's Angesicht,
Sie stand vor mir in goldnem Licht.
"Der Jeder ergeben in diesem Verein,
Die Allgefeierte, die ist dein?"

Nie sehnt' ich so innig nach ihr mich zurück,
So herrlich fühlt' ich nie mein Glück.
Doch wob sich mir alles zu Räthsel und Traum:
Daß mein die Theure, das glaubt' ich kaum!

Ich eilte zurück in das trauliche Haus,
Es sah mir Alles so festlich aus!
Und als sie mich faßte so schmeichelnd warm,
War's mir, eine Himmlische hielt' ich im Arm!


Aus: Gedichte von Melchior Meyr
Berlin Verlag von Julius Springer 1857 (S. 6)

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Regentag

Vom schwärzlichen Himmel in schauerndem Wind,
Da regnet's in prasselndem Takt,
Es stehen die Häuser so düster und blind,
Die Steine gewaschen und nackt.

Und traurige Stille bei leiserem Wehn
Die Räume der Straßen erfüllt!
Nur einzelne dunkle Gestalten sie gehn
Dort unten vermummt und verhüllt.

Wie fühlt' ich mich hier in dem öden Revier
So bang' und so schaurig allein,
Wie drängte mich Sehnen und Schmerzensbegier
Im abendlich düsteren Schein -

Wüßt' ich nicht ein Stübchen, vertraulich und hold,
In zierlicher Weise geschmückt,
Wo nächtlicher Lampe verklärendes Gold
Wie Zauber die Augen erquickt.

Und ach in dem Stübchen so hell und so licht
Ein Mädchen, die froh mich begrüßt
Und lächelnd mit lieblichem Rosengesicht
Mir selig den Abend versüßt.


Aus: Gedichte von Melchior Meyr
Berlin Verlag von Julius Springer 1857 (S. 7)

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Der Gekränkte

Die Menschen lassen eisigkalt
Durch ihre Reih'n mich wandeln,
Für sich nur sorget Jung und Alt
In eigensücht'gem Handeln.

Und nur zu bitterm Zank und Streit
Die Andern sich bemühen.
Der Liebe wird Gehässigkeit
Und Eisesfrost dem Glühen.

Geliebte, die du mir allein
In Liebe dich gegeben -
O bleibe mein, o bleibe mein
In diesem öden Leben!


Aus: Gedichte von Melchior Meyr
Berlin Verlag von Julius Springer 1857 (S. 7-8)

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Fernestehend

Er sitzt bei meiner Liebsten dort
In unbefangnem Scherz,
Die Worte fließen munter fort
Und ruhig schlägt sein Herz.

Ich weile still alleine hier,
Von ferne seh' ich hin,
Und ach die süßeste Begier
Durchbebt mir Herz und Sinn.

Allein ich wagte mich nicht nah
Um alles Erdengut,
Wie angezaubert steh' ich da
Bei aller Sehnensglut.

Doch ward dem Unbefangnen drum
Ein schöner, höher Glück,
Weil er, indem ich fern und stumm,
Sich sonnt in ihrem Blick?

Er sitzt so ruhig da, so matt,
In ihrer Augen Licht!
Ach was er an der Theuren hat,
Er weiß und fühlt es nicht.

Wie eine Heilige, verklärt,
Strahlt sie von ferne mir,
Und ihr unendlich holder Werth
Lebt ganz im Herzen hier.

Und schenkt mir einmal günst'ge Zeit
Ein lieb, vertraulich Wort,
Wie eines Kleinods Herrlichkeit
Lebt's ewig in mir fort.


Aus: Gedichte von Melchior Meyr
Berlin Verlag von Julius Springer 1857 (S. 8-9)

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Volksliedchen

Wollt's Lieben wohl lassen,
Wollt' küssen nit mehr,
Wenn's nur nit von allem
Das Schönste grad wär.
_

Könntst du nur mein Schätzel
Ein einzigsmal sehn,
Du thätst nix mehr sagen
Und ließest mi gehn.
_

Laß reden und sagen,
Laß schwatzen die Leut',
Sind wir bei einander
Doch einzig erfreut.
_

In der Fremd' und zu Haus
Hab' i allerhand g'sehn,
Uebers Lieben und Küssen
Will mir allweil nix gehn.
_

Sieht einer den Mund
Und die Aeuglein so hell,
Der bleibt dabei stehen,
Kann nit von der Stell'.
_

Ist's Lieben so sündli,
So bin i verloren,
I kanns nimmer lassen,
Und hätt' i's verschworen.
_

Mein Schatz hat zwei Aeuglein,
Die freuen mich sehr,
Auch hat sie zwei Wänglein,
Die sind mein Begehr.

Zwei Wänglein, zwei Aeuglein,
Die freuen mich sehr,
Doch hat sie ein Herzlein,
Das lieb' ich noch mehr.

Aus: Gedichte von Melchior Meyr
Berlin Verlag von Julius Springer 1857 (S. 9-10)

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An die Entfernte

1.
(Variation eines Goethe'schen Liedes)
Wenn nach hellem, frohen Tage
Dämmerung im Stübchen fließt,
Da geschieht es, daß auf einmal
Sich ein Schmerz in mich ergießt.

Und ich fühle, wie das Bangen
Immer mächtiger sich regt,
Und ich kann es nicht begreifen,
Was auf einmal mich bewegt.

Endlich muß ich mir gestehen:
Solche holde Dämmernacht
Hast du, ach, in schönern Zeiten
Ganz wo anders zugebracht!
(S. 17)


2.
Wenn in festlich buntem Kreise
Jeder froh der Liebsten glüht,
Wonnetrunken - leise, leise
Werd' ich traurig im Gemüth.

Doch in diesen stillen Schmerzen
Tönt es freundlich und gelind:
Hegt dich nicht in ihrem Herzen
Auch ein holdes, liebes Kind?

Und ich fühle deine Nähe,
Und mir ist, als ob ich dich
Engelgütig nicken sähe
Zu dem Worte minniglich.

Da bewegen Freudentriebe
Wundermilde Herz und Sinn,
Und ich blick' in heitrer Liebe
Auf die frohen Paare hin.
(S. 17-18)


3.
Welche reine Freudenquelle
Ward auf einmal mir beschieden!
Meines Herzens trübe Welle
Strömt dahin in klarem Frieden.

Wie vermochte nur der Schwärmer
So geschwinde zu genesen?
Näher bist du mir und wärmer
Als du je dem Freund gewesen.

In der wunderbarsten Weise
Leuchten deine Rosenwangen,
Und die Augen blicken leise
Süßerglühendes Verlangen.

Welche Macht der Liebesgluten!
Zaubern her die einst Gegönnte,
Daß man mit der Schönen, Guten
Kosen fast und herzen könnte.

Holde Seelenaugenweide,
Wonnebilder, himmlisch heiter,
Lächelt länger Trost im Leide,
Flattert nicht so bald mir weiter!

Aus: Gedichte von Melchior Meyr
Berlin Verlag von Julius Springer 1857 (S. 18-19)

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Anklage

Daß lieblich du erheiterst meine Tage,
Ich muß es dir, mein artig Mädchen, lassen.
Du streuest reich auf meine Lebensstrassen
Die schönsten Blümchen - was ich redlich sage.

Doch Eines treibt mich stets zu neuer Klage:
Daß du mich abhältst, Großes anzufassen
Und aufzubaun ein Werk, das wie die Massen
Des deutschen Münsters in die Wolken rage.

Wie hegt' ich nicht Gewaltiges im Sinne!
Schon sah ich stehn die Bilder ohne Gleichen
Zu aller Welt Erweckung und Gewinne.

Nun kann kein einziges den Tag erreichen
Vor tändelnden Geschäften unsrer Minne,
Vor Blick und Kuß und andern Kinderstreichen.

Aus: Gedichte von Melchior Meyr
Berlin Verlag von Julius Springer 1857 (S. 21)

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Lieder der Liebe

Die schöne, süße Liebeslust
Ist gleich dem schönen Traum,
Zerronnen oft in Dunkelheit,
Nachdem gewonnen kaum.

Doch diese, die der Dichter singt,
Wie flüchtig, ach, sie war,
Sie war so rein und blüthenzart,
Sie war so himmlisch klar!

Sie glich dem Traum in Morgenzeit,
Wo sich die Sonn' erhebt
Und hold in Seelenbilder auch
Die gold'nen Strahlen webt.

1.
An dem ersten Maientage
Sog ich neben dir wie Wein,
Selig Alles rings vergessend,
Deine Schönheit in mich ein.

Und am andern zog ich weiter,
Ueber Hügel, durch die Flur,
Lebte mit das Duften, Brausen
Lebenströmender Natur.

Welcher war von beiden schöner?
Denn am andern, holdbereit,
Zog im Geist mit mir dein Antlitz
In verklärter Lieblichkeit.
(S. 33-34)


2.
Auf schönbeblümter Wiese,
Da hab' ich Rast gemacht,
Ich sah das stille Dörfchen
In heller Morgenpracht.

Es floß zu meiner Seite
Das Bächlein träumend sacht,
Es drang ein kühles Lüftchen
Aus grüner Waldesnacht.

Wie schlug es mir im Herzen
Mit ungestümer Macht! -
Auf schönbeblümter Wiese,
Da hab' ich dein gedacht!
(S. 34)


3.
An dem Thale ging ich stille
Mit der Führerin, der Kleinen,
Sie mit kindlich klaren Augen
Blickte freundlich in die meinen.

Wie von alten Zeiten plaudernd
Murmelte die Felsenquelle,
In den Lüften, auf den Bäumen
Sangen Vögel silberhelle.

Dächtest du, daß in dem Thale,
Das so wohl dem Freunde wollte,
Meine stillbeglückte Seele
Lieberes noch hören sollte?

Sie, die Kleine, deren Augen
Mir so traut entgegenkamen,
Fragt' ich freundlich, wie sie heiße -
Und sie nannte deinen Namen.
(S. 34-35)


4.
Nichts Schöneres kann es geben,
Als hier im Morgenduft
Mit seiner Lieben zu steigen
Hinauf in Bergesluft.

Der goldbeglänzte Gipfel
Winkt licht und zauberfern.
Der Jüngling führt die Holde,
Die Holde sieht es gern.

Und unter Klimmen und Schreiten,
Da fließt manch trautes Wort,
So geht's im Schlangenwege
Zusammen fort und fort.

Nun liegt das Land zu Füßen
In wunderbarem Licht.
Sie sehn entzückt hinunter,
Sie sehn sich ins Gesicht.

Sie sehn nach allen Seiten
Und sehn sich ganz allein -
Sie ruhen Herz an Herzen
In seligem Verein.

Dies Liedchen hat im Frühling
Ein armer Junge gemacht.
Er hat es nicht erfahren,
Er hat es nur gedacht.
(S. 35-36)


5.
Des Morgens geh' ich still allein
Und möcht' ein Liedchen singen,
Es sollte mir ein Perlchen fein
Zu Liebchen's Schmuck gelingen.

Die Bilder flirren hin und her
Vor meinen Sehnsuchtsblicken,
Es liegt auf meiner Brust so schwer,
Als wollt' es mich ersticken.

Ich treib's ein Viertelstündchen lang
In Sehnen und in Wähnen,
Und endlich löst sich aller Drang
In einen Strom von Thränen.
(S. 36)


6.
Daß du mir im Herzen zürnest,
Du mein holdes Angesicht,
Weil ich warm und weil ich liebend
Dir genaht, ich glaub' es nicht.

Freuen muß dich deiner Schöne,
Deiner Güte Zauberkraft,
Die in mir die Glut entzündet
Dieser tiefen Leidenschaft!

Wie, und giebt es denn ein reiner
Glück auf dieser Erde hier,
Als verehrt zu sein so innig,
Wie verehrt du bist von mir?
(S. 36-37)


7.
Am ersten Morgengolde,
Da denk' ich liebeswund:
Ach sähest du die Holde,
So würdest du gesund!

Und trink' ich dann die Süße,
Die himmlisch dir entquillt,
Es haben Blick und Grüße
Das Sehnen nie gestillt.

Es schwinden all' die Schmerzen
Nur dann, nur dann allein,
Schwörst du mir einst am Herzen:
Ich bin und bleibe dein!
(S. 37)


8.
Ich fuhr mit meinem Liebchen
Bei frischer Lüfte Wehn
Durch reiche, reiche Thäler -
Was hab' ich da gesehn!

Ich sah zwei holde Wänglein
Und einen rothen Mund,
Und zweier hellen Aeuglein
Erglänzend feuchten Grund.

Und eine klare Stirne
In schimmernd heiterm Licht -
In liebevollem Lächeln
Das himmlische Gesicht.
(S. 37-38)


9.
Ich saß im offnen Saale,
Erhellt von Kerzenschein,
Gerade gegenüber,
Da saß die Liebste mein.

Es saßen viele Frauen
Und Herren rings umher.
Mir schien's, sie würden munter
Und muntrer immer mehr.

Sie thäten frohen Muthes
Zusammen gar vertraut,
Und flüsterten und schwatzten
Und Andre lachten laut.

Und Einer, wie mich dünkte,
Ging in die Nacht hinaus
Und brannte Rosenfeuer
Zu hellem Freudebraus.

Doch könnt' ich nicht beschwören,
Daß alles so geschehn:
Sie hat in meine Augen
Und ich in ihre gesehn.
(S. 38-39)


10.
Burgruine, die du traurig
Sonst nur starrest in die Luft,
Wie erscheinst du mir so freundlich
Heut im klaren Morgenduft?

Büsche, die den Fuß bekränzen,
Stehn getaucht in frischen Thau,
Wundergrün bei weißer Straße,
Die sich windet durch die Au.

Und du selber siehst herunter,
Wie ein Greis im Silberhaar
Frohgesinnt und milde schauet
Auf die muntre Knabenschaar.

Seh' ich dich vielleicht so heiter,
Weil im ersten Morgenwehn
Heute du mein holdes Liebchen
Hast vorüberfahren sehn?
(S. 39)


11.
Wir saßen froh beisammen
Beim ländlichen Gelag,
Ich und mein trautes Liebchen
Am heitern Vormittag.

Rechts dehnte sich die Straße
Und links ein schönes Thal.
Da schlug die schwere Stunde,
Da blieb uns keine Wahl!

Dahin nun mit den Ihren
Fuhr sie ins ferne Land.
Des Staubes Wirbel flogen,
Bis jede Spur verschwand.

Ich ging im Wiesenthale
Verlassen ganz und gar -
Ein Jeder wird begreifen,
Wie mir zu Muthe war.
(S. 39-40)


12.
Ein frisch begrünter Anger
Erglänzt im Sonnenschein,
Der Anger ist umsäumet
Von Gärten groß und klein.

Am schönsten Garten stehet
Ein stattlich Lindenpaar,
Darunter jauchzt im Spiele
Die frohe Knabenschaar.

Und mitten rinnt erquicklich
Des Baches reine Flut,
Dort schöpfen muntre Mädchen
Sich Wasser wohlgemuth.

Sie treten zu der Bleiche,
Gewandt, mit leichtem Schritt,
Die Linnen unter Singen
Begießen sie damit.

Und wären Zweie glücklich,
O welch ein trauter Ort! -
Vorüber, du Verlaßner,
Du Armer, wandre fort!
(S. 40-41)


13.
Der du die Flur durchrauschest,
O Fluß, ich gleiche dir!
Es zieht wie deine Wellen
Des Sehnens Strom in mir.

Und aus dem Strom des Sehnens
Manch holdes Lied sich schwingt,
Wie aus den grünen Fluten
Manch Silberfischchen springt.
(S. 41)


14.
Im goldnen Schein des Tages,
Des Nachts im Sternenlicht,
Da seh' ich nur dein klares,
Liebholdes Angesicht.

Ich gehe durch die Straßen
Mit unbewußtem Sinn,
In Bangen und Verlangen
Schmilzt meine Seele hin.

Und kann es sein, daß ferne
Dich nicht ein Hauch berührt,
Daß von den Gluten allen
Dein Herz kein Fünkchen spürt?
(S. 41-42)


15.
Du bist nicht Schuld, Betrübter,
Daß ferne weilt dein Leben.
Du mußt es eben dulden
Und dich darein ergeben.

So rühre nun die Hände
Neu mit dem alten Muthe,
Und schaffe still und heiter
Das Wackere, das Gute.

In liebem Angedenken
Da darfst du schon erweichen:
Es darf auch eine Thräne
Die Wange herunterschleichen.
(S. 42)

Aus: Gedichte von Melchior Meyr
Berlin Verlag von Julius Springer 1857
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In Deiner Macht

Die Gute, Zarte hängt an dir,
Du siehst die glänzend Frohe
Und deine Sinne drängt's zu ihr
In heller Liebeslohe.

Doch innig liebt die Gute dich:
Sie welkt in stillem Grame,
Verdunkelt ganz verliert sie sich
Vor siegumstrahlter Dame.

Erkennst du noch der Seele Schatz
Und giebst in edeln Gluten
An deinem Herzen ihr den Platz,
Der ihr gebührt, der Guten:

Dann wird sie blühn in Seligkeit
Und ganz ein Engel werden,
Verschwinden wird in Dunkelheit
Vor ihr der Reiz der Erden.

Doch könnte dich das stolze Weib
Der Lieben ganz entziehen,
Für immer wird aus bleichem Leib
Die zarte Seele fliehen.

Aus: Gedichte von Melchior Meyr
Berlin Verlag von Julius Springer 1857 (S. 83-84)

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Die Verlassene

Fahr hin, fahr hin, du falscher Mann,
Und eile fort zur Lust
In einen andern Liebesbann
An eine andre Brust!

Getäuscht, betrogen hast du mich,
Die Mühe war nicht groß; -
Ich glaubte, was so wonniglich
Dem schönen Mund entfloß!

Betrogen hast die Treue du,
Gebrochen ihr das Herz,
Genommen Glück und Seelenruh,
Gelassen nur den Schmerz.

Fahr hin mit heiterm Angesicht
Und laß mich nur allein!
Die Freude kann dir süßer nicht
Als mir das Sterben sein.

O holde Ruh, wenn ich dahin
Von allem Leid genas,
Von aller Welt vergessen bin,
Still unterm grünen Gras!


Aus: Gedichte von Melchior Meyr
Berlin Verlag von Julius Springer 1857 (S. 84)

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Zwei Geschicke

Er liebt von Herzen, liebt so wahr,
Wie Mund und Augen sprechen.
Sie spielt und tändelt, immerdar
Bereit mit ihm zu brechen.

Er fühlt sich ohne Ruh und Rast
Zu seinem Stern getrieben;
Der Leichtgesinnten wird zur Last
Ein allzutreues Lieben.

Sie sucht sich einen Buhlen neu,
Und heimliches Vergehen
Entdeckt sich endlich ohne Scheu,
Der Arme muß es sehen.

Des Herzens Reichthum, Liebesdrang,
Die Quellen seiner Lieder,
Sie werden leidenschwer und bang
Und beugen ihn darnieder.

Und was ihn sonst erquickt, genährt
Gleich süßem Himmelsbrote,
Wird nun zu Gift ihm; er verzehrt
Und härmet sich zu Tode.

Die Leichte flattert, liebt und lacht
Und äugelt nie vergebens,
Sie fühlt in Siegen ihre Macht
Und freut sich ihres Lebens.

Aus: Gedichte von Melchior Meyr
Berlin Verlag von Julius Springer 1857 (S. 85)

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Im Herzen

Du siehst das schönste Leben
Und fühlst unendlich tief
Den Reiz den Er gegeben,
Der es zum Lichte rief.

Bewegt von deinem Muthe,
Gerührt von deinem Glück,
Antwortet dir die Gute
Mit gleichem Liebesblick.

Doch des Geschickes Wogen,
Sie fragen nicht nach dir,
Sie sind herbeigezogen
Und reißen dich von ihr.

Und seelenlose Pflichten
Gebieten kalt und hart
Entsagen und Verzichten,
Es herrscht die Gegenwart.

Mit allen Himmelsgaben
Ist deines Lebens Zier
Begraben; doch begraben
Im Herzen, tief in dir!

Ein Strahl erweckt sie wieder
Mit zündender Gewalt,
Und liebend schaut sie nieder
Die herrliche Gestalt.

Vergangne Wonnen gähren,
Bewältigen dein Herz,
Vom Auge rinnen Zähren
In Seligkeit und Schmerz.

"Und solltest für das Leben
Du nicht die Meine sein,
Du bist mir doch gegeben -
In ewiger Liebe mein!"

Aus: Gedichte von Melchior Meyr
Berlin Verlag von Julius Springer 1857 (S. 89-90)

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Ein schöner Sommer

1.
Wie flossen meine Tage hin,
Von sanftem Licht erhellt!
Mit klarem Geist und frohem Sinn
Beherrscht' ich meine Welt.

Aus meinem Haupt, aus meiner Brust,
Da schuf ich kühn und frei,
Hing am Gewordenen mit Lust
Und fand, daß gut es sei.

Da sah mein Aug' das schöne Bild
In heller Freude Glanz, -
Und Sehnen füllt' mich bang und wild,
Verwandelt bin ich ganz.

Von glühend heißer Leidenschaft
Ist Seel' und Sinn regiert,
Dahin ist alle klare Kraft,
Verwirrung triumphirt.

Sie liebend sehen Tag um Tag,
Zu senden Gruß um Gruß,
Das ist's allein, was ich vermag,
Was ich gewaltig muß. -

Und wolltest du, das alte Glück
Es würde wieder dein?
Sehnst du zur Freiheit dich zurück? -
O nein, o nein, o nein!
(S. 93-94)


2.
Wenn sie so hingegossen ruht,
Das Köpfchen leicht geneigt,
In einem Lächeln hold und gut
Des Herzens Freude zeigt.

Und wenn das liebliche Gesicht
Und blaues Augenpaar
In ihres heitern Sinnes Licht
Mir leuchten doppelt klar.

Wenn mit dem Grübchen, zierlich, klein,
Die Wange zart erglüht,
Das ganze Bild, so jung und fein,
In Lust des Lebens blüht.

Wenn Sehnsucht in den Augen quillt,
Die zärtlich übergehn,
Und Lieb' mit Liebe sie vergilt:
Wie könnt' ich widerstehn?
(S. 94-95)


3.
Verliebte müssen wagen
Und ihr Geschick ertragen.
Je mehr du für die Liebe
Hinopferst ohne Klagen,
Je theurer wird sie selber
In wonnevollen Tagen.
Wenn du dich ihr ergeben,
Dann weg mit jedem Zagen!
Durch alle Gegensätze
Mußt du hindurch dich schlagen,
Um eines Hauptes Länge
Den größten überragen.
(S. 95)


4.
Wenn man dich hocherhebt und preist
Und wenn man dich verklagt,
Wenn man dir Freude, Glück, verheißt,
Vorher dir Leiden sagt:
Stets regt sich innig tief in mir
Ein sehnendes Verlangen,
Stets richtet sich mein Blick nach dir
Und hängt an dir gefangen.

Triumphgefühl und Freudigkeit,
Erbangen, Sorge, Schmerz,
Sie alle führen allezeit
Zu dir mich, liebes Herz.
In trübem wie in heiterm Schein,
In Wonnen und in Leiden
Ist gleich dein Zauber: ich bin dein,
Nichts kann von dir mich scheiden!
(S. 95-96)


5.
Wie oft du geweilt bei der Süssen, Schönen,
Stets klopfenden Herzens zu ihr dich sehnen.
Wie oft dein Aug' an ihr gehangen,
Stets glühend wieder nach ihr verlangen.
Wie oft du sie küssend durftest umwinden,
Stets tiefere Leidenschaft empfinden!
Wenn dir's versagt ist, sie zu sehen,
In innigem Herzeleid vergehen,
Und jede Sekunde verloren achten,
Wo ihre Augen dir nicht lachten!
Im Glücke selbst ein Sehnen fühlen,
Durch keine holde Gunst zu kühlen,
Und Herz an Herz, im höchsten Entzücken,
In ihr noch ein fernes Gut erblicken,
Ein Ideal, der Sonne vergleichbar,
Stets unerreicht und unerreichbar - -
Das, das ist Liebe, die Krone des Strebens,
Die höchste Wonne des Erdelebens!
(S. 96-97)


6.
Der Dichter soll die Liebe,
Die warme Herzen hegen,
Die mannigfachen Triebe,
Die mächtig sie bewegen -
Er soll die Freude schildern
Und tiefen Leids Entbrennen,
Damit in seinen Bildern
Die Menschen sich erkennen.

Soll ihm dies recht gelingen,
Muß Alles er erleben:
Drum wird vor allen Dingen
Die Sehnsucht ihm gegeben,
Die ihn in süßen Gluten
Zu Wonn' und Wehe führet,
Daß er in Lebensfluten
Zu innerst wird gerühret.

Wenn hochbegabte Geister
In heitern Regionen,
Erwählten Stoffes Meister
Erhaben, selig wohnen,
So scheint der weiche Dichter
Am Sinnentand zu kleben -
Und holt doch nur die Lichter,
Die alle Welt beleben.
(S. 97-98)


7.
Du sehnest dich, es bebt dein Herz
Im Innersten getroffen,
Und höllenab und himmelwärts
Reißt Fürchten dich und Hoffen.

Gewinnst du nur die kleinste Gunst,
So jubelst du im Glücke,
Doch wandelt Zweifel sie in Dunst,
Geht alles Heil in Stücke.

Du krümmst dich und du windest dich
Bang zwischen Stolz und Liebe;
Wohin du gehst, du findest dich
Ein Raub erglühter Triebe.

Gedanken wirr, ein ganzes Heer,
Sind deines Wegs Begleiter,
Der Sorgen unerschöpftes Meer
Wogt unablässig weiter.

Da hast du's nun, du hoher Geist,
Der du so stark dich fühltest,
In fröhlich leichtem Spiele dreist
Den stolzen Muth dir kühltest!

Daß du in männlichfreiem Gang
Durch's Leben gingst seit Jahren,
Das konnte vor dem höchsten Zwang
Mit nichten dich bewahren.
(S. 98-99)


8.
Ich soll von ihr mich trennen?
Hör' ich die liebe Stimme nur
In ihrer reizenden Natur,
Fühl' ich das Herz entbrennen.

Ihr bin ich wieder eigen!
Was ich gewollt, es ist dahin,
Und Sehnen herrscht in jedem Sinn,
Mich liebend ihr zu neigen.

Kann ich mich nicht verschanzen
Vor einer einz'gen Eigenschaft,
Wie hielt' ich Stand wohl vor der Kraft
Des reizerfüllten Ganzen?
(S. 99)


9.
Krank war Liebchen, sie lag im Fieber,
Blaß und leidend aufgeregt.
Hatte sie gleich um so viel lieber,
Küßte die Stirn ihr innig bewegt.

Und sie erkannte mein Herz im Erbangen,
Athmend hob sich und wogte die Brust,
Rosenroth flog über die Wangen
Und die Schmerzen wichen der Lust.

Schweigend ergriff sie die Hand mir und drückte
Sie so zärtlich, lächelnd dabei,
Und ihr thauendes Auge blickte
Herzlichen Dank für Lieb' und Treu.

Nie, so lange wir uns verbunden,
Sah ich die Gute so schön und hold!
Niemals hab' ich so selig empfunden
Inniger Lieber himmlischen Sold.
(S. 99-100)


10.
Was gehen mich die hohen
Geistvollen Schönen an!
Sie mögen unbelästigt
Fortwandeln ihre Bahn.

Von ihnen glüht ja keine
Für mich in holdem Brand!
Sie sind mir Schattenbilder
Hingleitend an der Wand.

Nur die Gestalt, die Liebe
Herführt zum Wonnekuß,
Sie lebt mir und es lächelt
Aus ihr ein Genius!
(S. 100)


11.
Sie muß ja wohl bedeutend sein,
Da Einen, der so viel vermißt,
Dem selten zu genügen ist,
Sie ganz genommen ein!

Sie muß ja wohl bedeutend sein,
Da mich, der unterm Firmament
An Kraft und Geist das Größte kennt,
Zu ihr es zieht allein!
(S. 101)


12.
Sie hat ihre Huld mir gestanden,
Erhört mein dringendes Flehn;
Momente des Glückes verschwanden,
Zu lieblich, um zu bestehn.

Doch sie sind wiedergekommen
Und kehren mir ferner zurück;
In sehnenden Herzen entglommen
Muß Wahrheit werden das Glück.

Und bis sie wieder erschienen,
Könnt' es zu viel mir sein,
Zu dulden, zu harren, zu dienen
In Lebens- und Liebespein?
(S. 101)


13.
Trag immer Leid und Bangen,
Der bösen Geister Saat.
Ist Alles doch vergangen,
Wenn sie dir wieder naht!

Wenn sie mit süßer Kehle
Dir haucht, daß du geliebt,
Und ihre ganze Seele
Dir innig sich ergiebt.

Wenn, ach, die Herzen pochen,
Von höchster Lust verzehrt! -
Ein Augenblick ist Wochen
Des Leids, der Sorge werth.
(S. 102)


14.
Die düstern Bilder kommen nur,
Wenn's in der Seele Nacht ist:
Das ist die Stunde, die für sie
Und ihren Spuk gemacht ist!

Doch geht die Sonne wieder auf
Der Liebe, ziehn sie weiter,
Und Alles wird dann wieder traut,
Und Alles wieder heiter.
(S. 102)


15.
Als ich nicht mein Schätzchen kannte
Und nur das in ihr erblickte,
Was mein sehnend Herz erquickte,
Fand der blind in Lieb' Entbrannte
Ueber Alles lieblich sie.

Klarheit brachten die Geschicke,
Und ich kann in ihrem Wesen
Wie in einem Buche lesen.
Anders nun erscheint dem Blicke,
Anders, ach - noch holder sie!
(S. 103)


16.
Du thust, o Freund, mir weise dar,
Wie manches ihr gebricht,
Und machst es siegend offenbar -
Du kennst die Liebe nicht.

Erschiene mir die Zauberin
Gar ohne Fehl und Schuld,
Wo sollt' ich mit der Fülle hin
Von Lieb' und Liebeshuld?

Vermöcht' ich von der schönsten Hand
Zu nehmen Glück um Glück
Und holder Neigung Pfand um Pfand
Und gäb' ihr nichts zurück?

Süß ists dem Edeln, dankbewußt
Der Lieben zu verzeihn.
Nur dies kann übervoller Brust
Beruhigung verleihn.
(S. 103-104)


17.
Laßt mich leben und bewußt sein,
Kraft und Muth in meiner Brust sein!
Laßt mich volle Lust empfinden,
Glühendes Genügen finden.
Laßt mit Freude Leid mich fühlen,
Schmerzen in dem Herzen wühlen.
Laßt im Kampfe Stärke quellen,
Hoffnung das Gemüth erhellen -
Und erhöht in jedem Sinn
Laßt mich fühlen, daß ich bin!
(S. 104)


18.
Ja, für Vieles raubt die Liebe
Mir die Sympathie,
Was ich emsig wohl betriebe
Ohne sie.

Was der Tag in tollem Schreien
Preist und hebt empor,
Ihm vermag ich nicht zu leihen
Herz und Ohr.

Doch was edle Geister schufen
Und erhöht in Glanz,
Vor die Seele kann ichs rufen
Klar und ganz.

Tausend schöne, neue Lichter
Gehn mir auf darin,
Und ich fasse meiner Dichter
Höchsten Sinn.

Tausend neue Lieder klingen
Mir im Herzen dann,
Daß ich ihrer werth zu singen
Hoffen kann.
(S. 104-105)


19.
Das Wunder Jugendblüte,
Das Wunder Leibeszier,
Das Wunder Liebesgüte,
Sie alle siehst du hier!
Siehst sie in Sonnenklarheit,
Beseligt Zug um Zug
In tiefster Lebenswahrheit - -
Genug, o Herz, genug!
(S. 105)


20.
Immer wieder dienen müssen
Und von vorn beginnen,
Um, was früher man besessen,
Wieder zu gewinnen,
Ob es auch auf kurze Zeit nur
Wieder uns verbliebe:
Häßlich ist es sonst im Leben,
Reizend in der Liebe.

Warst du Herr des ganzen Landes
In beglückten Zeiten,
Köstlich ist es doch, ein Fleckchen
Wieder zu erstreiten.
Mochte dich der Kuß der Holden
Himmelwärts entführen,
Lieblich ists, den Saum des Kleides
Streifend zu berühren.
(S. 105-106)


21.
Denkt euch Augen, glänzendblaue,
Die mich liebevoll betrachten,
Frische, rothe, schöngeformte
Lippen, die nach Küssen schmachten.

Denkt euch Arme, weiß wie Lilien,
Die mich zärtlich fest umschlingen
Und dem lieblichen Verlangen
Alsogleich Erfüllung bringen.

Denkt ein Herz euch, engelgültig,
Das in himmlischem Entzücken
Jubelt; wenn es ihm gelungen,
Den Geliebten zu beglücken.

Denkt euch einen Muth, entschlossen,
Nur auf mich allein zu hören,
Und von Allem wegzusehen,
Was im Glück uns könnte stören! -

Denkt ihr das so recht lebendig,
Daß ihr es mit Augen sehet,
Kann ichs euch nicht übernehmen,
Wenn vor Neid ihr fast vergehet!
(S. 106-107)


22.
Mögt von den Fraun ihr denken,
Wie es für euch sich schickt! -
Wenn ihre Huld sie schenken,
Ihr Auge Güte blickt -

Wenn sich des Gebens Wonne
Durch ihre Brust ergießt
Und leuchtend wie die Sonne
Das Antlitz überfließt:

Dann sind sie lichte Engel,
Vollkommen ganz und gar,
In diese Welt der Mängel
Gesendet wunderbar.

Des Himmels höchste Sphären
Eröffnen sie uns dann,
Und knieend sie zu ehren
Drängt es den edeln Mann.
(S. 107)


23.
Wenn tiefbegnügt du lächelst,
Weil süß in Liebeslust
Sich die Gedanken wiegen,
Lebendig und bewußt.

Wenn dein Gesicht ein Himmel,
An dem zu dieser Frist
Auch das geringste Wölkchen
Nicht zu gewahren ist.

Und wenn das Auge leuchtet
Von innerm Sonnenlicht,
Das ewig sich erneuernd
Aus deiner Seele bricht:

Dann fühl' ich nicht Entzücken
In tiefsten Herzen nur -
Ich schau in sel'gem Bilde
Die Zukunft der Natur!

Was lebt, muß dahin kommen,
Wo du, o Liebste mein!
Das kann allein der Himmel,
Das Ziel der Schöpfung sein.
(S. 108)


24.
Der Anfang unsrer Liebe
War frühem Lenze gleich,
Wo Sonnenschein und Regen
Sich streiten um das Reich.

Doch wie die Sonne steigend
Zuletzt den Sieg erringt
Und der beglückten Erde
Den Wonnemonat bringt -

So bracht' uns treue Liebe
Frohwachsend mit der Zeit
Ein wunderbares Leben
Voll klarer Seligkeit.

Nun gleicht ein Tag dem andern,
Doch jede Stunde giebt,
Was unser Herz begehret,
Was unsre Seele liebt.

Und scheint an jedem Tage
Das Gleiche zu geschehn,
Nicht kann in holder Stille
Das Leben stille stehn.

Wie Maienzeit der Erde
Die reichste Zier gewährt,
So sehn wir überschwänglich
Der Seele Schlag gemehrt.
(S. 108-109)

Aus: Gedichte von Melchior Meyr
Berlin Verlag von Julius Springer 1857
_____



Wahre Liebe

Wer innig liebend wird geliebt
Und Wonn' empfängt, indem er Wonne giebt,
Nur der erkennt die Lieb' in ihrem Grunde,
Und ihm nur wird von ihren Wundern Kunde.
In ihm regiert die Lieb' allein und rein
Und zeigt als Siegerin im Glorienschein,
Wie sie die Flamme höchster Lust entfacht,
Wie sie der höchsten Güte fähig macht.

Wenn deinem Aug' ein Frauenbild erscheint,
Die, was dein Herz sich wünscht, in sich vereint;
Wenn dich ein Sehnen schmerzlich süß ergreift
Und zauberschnell zu tiefer Neigung reift:
Dann mühst du dich mit allen deinen Sinnen,
Wie du die Huld der Schönsten magst gewinnen.

Die Fliehende, du suchst sie zu erreichen,
Das spröde Herz, du suchst es zu erweichen.
Die Liebe treibt dich und sie lebt in dir,
Doch auch der Sorge bang Gefühl mit ihr.
Der Liebe Kraft verzehrt sich im Begehren
Und nur die Hoffnung labt dich im Entbehren.

Und wenn sie grausam dann zurückestößt
Die Leidenschaft, die sie dir entgeflößt,
Wie soll das tieferregte, weiche Herz
Bewältigen so namenlosen Schmerz?
Die Sehnsucht und die Liebe glüht in ihm,
Ein traurig Glück mit ihnen blüht in ihm.
Allein die Pein, die grimmig es gefaßt,
Sie wird ihm eine allzuschwere Last!
In stolzen Augenblicken brennt die Scham,
Und unaufhörlich leise nagt der Gram.
Fort lebt die Liebe; doch sie wankt am Stabe
Und sehnt sich leidensmüde nach dem Grabe.

Hat die Natur dir heldenhaftes Mark
Und edeln Schwung verliehn, so wirst du stark
Die Qual und Trauer, dich verschmäht zu sehn,
Tief in dir selbst bekämpfen und bestehn.
Doch bleibt in deinem Herzen noch die Liebe,
Dann ist sie nicht der höchste mehr der Triebe:
Gewaltiger als sie wird das Bewußtsein
Der Tugend, die du übst, in deiner Brust sein.
Die Liebliche, die deinem Herzen theuer,
Du weihst ihr nur ein sanftes, mildes Feuer.
Und magst du edelmüthig sie erheben -
Du fühlst dich größer: denn du hast vergeben!

Wenn aber sie, für die dein Herz empfindet,
Dich selber holdentglommen sucht und findet;
Wenn ihre Tugenden, der Liebe Strahlen,
Sich wunderbar in deine Seele malen;
Wenn du der Liebe ganze Herrlichkeit
In ihr erblickst, und durch die Huld geweiht
Der Edeln reinste Zauber sich enthüllen:
Kann andre Regung deine Brust erfüllen?
Nur Liebe kann vor solchem Licht bestehn,
Und Alles muß in ihrem Strom vergehn.

Und nun, was du bewundernd siehst in ihr,
Sie sieht es mit Bewunderung in dir.
Und was unmöglich schien, in solchem Schauen
Noch holder wird die holdeste der Frauen.
Da suchen sich die beiden Liebesflammen,
Da streben sie, da leuchten sie zusammen!
Sie wachsen hoch empor und nähren sich,
Sie läutern sich und sie verklären sich.
Und das vollkommne Glück, zu lieben rein
Und rein geliebt zu werden, es ist dein!
Des Suchens Lust, die Freude des Erlangens,
Die Seligkeit des Gebens und Empfangens.
Und wenn du Liebe nur um Liebe giebst,
Und wenn du nur die hochverdiente liebst,
Dir ihrer Gegenliebe tief bewußt,
Mit Recht durchdringt ein stolz Gefühl die Brust.
Denn zu der Liebe stellt die Ehre sich,
Mit ihrem Glanz sie schmückend königlich.

Und wo nur Preis dir möglich, nicht Verzeihn,
Da wirst du ihr dich ohne Rückhalt weihn.
Wirst sie mit Demuth über dich erheben,
Mit lobentzückter Huldigung umgeben.
Die Gute reizt dich zu erhöhter Güte,
Sie steigert jede Kraft dir im Gemüthe,
Und deine Brust, von Himmelslust umweht,
Muß überströmen in ein Dankgebet.
Nie, was die Zärtlichkeit ihr auch gewährt,
Nie wird die Liebende zu hoch geehrt!
Giebst du ihr Alles was du kannst an Glück,
Sie giebt dir Alles tausendfach zurück.
Und immer fühlst du dich in ihrer Schuld,
Denn nie erhebst du dich zu ihrer Huld.

O überschwänglich reiche Wunderwelt,
Von seliger Tugend, heiligem Glück erhellt!
Wo wär' ein Griffel, der dich ganz umschriebe? -
Nur wer geliebet liebt, der kennt die Liebe!


Aus: Gedichte von Melchior Meyr
Berlin Verlag von Julius Springer 1857 (S. 323-326)

_____




Du zogst, mein Lieb, von hinnen
Und ließest mich zurück.
Du hast mit dir genommen
All meiner Tage Glück.

Vor stillgewordner Seele
Durch Leid und Liebe klar,
Da schwebt und glänzt dein Bildniß
In Schönheit wunderbar.

O süße, süße Blume!
O zaubervoller Stern!
So licht, so rein, so himmlisch, -
Und ach, so fern, so fern!


Aus: Melchior Meyr Biographisches. Briefe. Gedichte
Aus seinem Nachlasse aus der Erinnerung
herausgegeben von Max Graf von Bothmer und Moriz Carriere
Leipzig F. A. Brockhaus 1874 (S. 302-303)

_____



Sie steht von meinem Lobe
Demüthig und beglückt!
Sie steht von Lob und Liebe
Durchschauert und entzückt!

Wie glänzt in süßem Glauben
Das rosige Gesicht!
Wie dringt aus feuchtem Auge
Gerührten Dankes Licht!

Welch holder Drang, zu tilgen
Die süßempfundne Schuld! -
O nichts ist schön auf Erden
Als Lieb' und Liebeshuld!


Aus: Melchior Meyr Biographisches. Briefe. Gedichte
Aus seinem Nachlasse aus der Erinnerung
herausgegeben von Max Graf von Bothmer und Moriz Carriere
Leipzig F. A. Brockhaus 1874 (S. 308)

_____



Ist nicht dein Leib, anmuthumflossen,
Die Blüte schaffender Magie?
Hat sich nicht rein in ihn ergossen
Der ew'gen Kräfte Harmonie?

Ist dein Gesicht, das schönheitreiche,
Nicht deiner Seele Lustgefild?
Ist nicht die Brust, die schwanengleiche,
Der Herzensfülle Wunderbild?

Glänzt des Gemüthes tiefste Regung
Nicht in des Auges holdem Blick?
Tönt nicht die Grazie der Bewegung
Den Abglanz innerster Musik?

Ist's nicht der Liebe Geist, der wonnig
Durch Herz und Adern sich ergießt
Und mit Verklärungslichte sonnig
Die herrliche Gestalt umfließt?

Du bist ein Ganzes ohne Fehle,
Ganz lieb' ich dich, geliebtes Weib:
Die holde, süße, reine Seele,
Den holden, süßen, reinen Leib.

Aus: Melchior Meyr Biographisches. Briefe. Gedichte
Aus seinem Nachlasse aus der Erinnerung
herausgegeben von Max Graf von Bothmer und Moriz Carriere
Leipzig F. A. Brockhaus 1874 (S. 310-311)

_____



Du hast kein liebend Ja für mich
Und leben soll ich ohne dich -
Lebwohl!
Du wählst ein anderes Geschick,
Doch Mitleid glänzt in deinem Blick,
Lebwohl! Lebwohl!
So jugendschön und friedeklar,
An Leib und Seele wunderbar,
Lebwohl!
Du warst der Augen Wonneschau,
Du warst die Ros' im Morgenthau,
Lebwohl! Lebwohl!
Das höchste Glück, es stand vor mir,
Ergriffen hatt' ich's schon in dir,
Lebwohl!

Die Lieb', ach, in den Augen dein
War nur der eignen Liebe Schein -
Lebwohl!
Mein Seelenziel, mein Licht, mein Hort -
Mein ganzes Glück zieht mit dir fort,
Lebwohl!
Sei, Holde, glücklich ohne mich -
Und Gott im Himmel segne dich,
Lebwohl! Lebwohl!

Aus: Melchior Meyr Biographisches. Briefe. Gedichte
Aus seinem Nachlasse aus der Erinnerung
herausgegeben von Max Graf von Bothmer und Moriz Carriere
Leipzig F. A. Brockhaus 1874 (S. 311-312)

_____



Holdsel'ger als die Blüte
Der lieblichen Gestalt
Und schöner ist die Güte,
Die dir im Herzen wallt.

Die Güte deiner Liebe,
Die fröhlich gibt und schenkt,
Mit immer wachem Triebe
Nur meiner Freude denkt.

Die meine Tage schmückend
Sich Lust um Lust gewährt
Und adelnd und beglückend
Dein ganzes Sein verklärt.

Aus: Melchior Meyr Biographisches. Briefe. Gedichte
Aus seinem Nachlasse aus der Erinnerung
herausgegeben von Max Graf von Bothmer und Moriz Carriere
Leipzig F. A. Brockhaus 1874 (S. 312)

_____



Der Wechsel, ja, beglückt das Herz;
Nicht nur gemein mit Vielen,
Du kannst in wechselfrohstem Scherz
Rein mit der Einen spielen.

Die Eine, Freund, ist immer neu,
Wenn Lieb' und Treu' sich einen,
Und immer, hegst du Lieb' und Treu',
Wird sie dir neu erscheinen.


Aus: Melchior Meyr Biographisches. Briefe. Gedichte
Aus seinem Nachlasse aus der Erinnerung
herausgegeben von Max Graf von Bothmer und Moriz Carriere
Leipzig F. A. Brockhaus 1874 (S. 313)

_____



Wer innig liebt und weise,
Der hält die Lieb' geheim,
Sie bleibt in reinem Kreise
Und süß wie Honigseim.

Doch ob sie schön verhüllt ist,
Es drängt dich zum Gestehn;
Denn wo das Herz erfüllt ist,
Der Mund will übergeh.

Es drängt dich - und du zauderst!
Du siehst die Welt bereit,
Das Schönste, wenn du plauderst,
Zu schmähn in Häßlichkeit.

O Rettungsengel, Dichtung!
Wenn du die Liebe singst,
Mit göttlicher Vernichtung
Die Nacht in Licht verschlingst:

Dann lauschen sie mit Staunen,
Mit froher Sympathie,
Dann lächeln sie den Launen,
Dann loben, lieben sie!

Das Glück in süßen Reimen
Ein Träumen ist's und wahr;
Hold bleibt es im Geheimen
Und hold ist's offenbar.

Das ist der Liebe Wirkung!
Was sie mit sich erhellt,
In heiliger Umzirkung
Schön glänzt es aller Welt.

Die Lieb' in tiefster Wahrheit,
In himmlischer Magie,
In wonnevoller Klarheit,
Das ist die Poesie!

Aus: Melchior Meyr Biographisches. Briefe. Gedichte
Aus seinem Nachlasse aus der Erinnerung
herausgegeben von Max Graf von Bothmer und Moriz Carriere
Leipzig F. A. Brockhaus 1874 (S. 313-314)

_____



Ein Wunder ist die Rose!
Tieflabend Herz und Sinn,
Das Bild der Lieb' und Freude,
Glanzfrohe Königin.

Die Lilie steht daneben
In edlem Weiß und Gold,
Ein Engel, rein und selig,
Ein Engel, rein und hold.

Wo gibt es ihres Gleichen?
Doch sieh, die Liebste mein,
Die hat die Zaubergabe,
Sie beide mir zu sein.

Die Lilie himmlisch heiter,
Die Rose liebewarm.
Die Lilie vor den Andern,
Die Ros' in meinem Arm.


Aus: Melchior Meyr Biographisches. Briefe. Gedichte
Aus seinem Nachlasse aus der Erinnerung
herausgegeben von Max Graf von Bothmer und Moriz Carriere
Leipzig F. A. Brockhaus 1874 (S. 315)

_____



Die Liebe, die mit Himmelslust
Aus ew'gem Borne fließt,
Sie macht, daß immer wunderneu
Der Sehnsucht Blüte sprießt.

Glänzt dir nach allem Glück ein Aug'
Von Liebe süß bethaut,
So hast du's nicht nur nie so schön,
Du hast es nie geschaut.

Du staunst entzückt, es webt vor dir
Ein unbegreiflich Glück!
Und, wie du's fassest, immer bleibt
Unendliches zurück.


Aus: Melchior Meyr Biographisches. Briefe. Gedichte
Aus seinem Nachlasse aus der Erinnerung
herausgegeben von Max Graf von Bothmer und Moriz Carriere
Leipzig F. A. Brockhaus 1874 (S. 316)

_____



An ***

Einmal in ernster Stunde,
Da konnt' ich glücklich sein.
Ein Ja von deinem Munde,
Und Alles nannt' ich mein.

Ein Wort aus deinem Herzen,
Das liebentschlossen war,
Zu theilen Freud' und Schmerzen,
Zu trotzen der Gefahr.

Den Lebensbund zu wagen
Mit liebentschlossnem Mann,
Der stark in Kampfestagen
Der Ehre Kranz gewann.

Du sahst von Finsternissen
Den Erdenpfad bedeckt,
Und vor dem Ungewissen
Da wich dein Herz erschreckt.

Du hast nicht an die Sonne,
Die siegende, geglaubt,
Und Ehre mir und Wonne,
Und Wonne dir geraubt.

Was mir an deiner Seite
Der Liebe Muth verhieß,
Das floh mit dir in's Weite,
Die mich alleine ließ.

Ich bin allein geblieben,
Und mein ist halbe Lust,
Ein ungeliebtes Lieben
Und Seufzer in der Brust.

Aus: Melchior Meyr Biographisches. Briefe. Gedichte
Aus seinem Nachlasse aus der Erinnerung
herausgegeben von Max Graf von Bothmer und Moriz Carriere
Leipzig F. A. Brockhaus 1874 (S. 337-338)

_____



An Cara

Du liebes Bild, das mir erschienen!
So kindlich heiter und so fein,
Mit lichten, seelenholden Mienen!
Welch' eine Lust war's, dir zu dienen
In deiner Augen süßem Schein!

Das Schicksal hat dich mir entrissen -
Die Sonne schwand. Ich bin umwebt
Von öden, bangen Finsternissen,
Daß mir in Sehnen und in Missen
Das leiderfüllte Herz erbebt.

Ist es die Nacht in Trennungs-Wehen,
Die Licht mir in die Seele gibt? -
Ich sehe dich in Glorie stehen -
Und hab' dich nie wie jetzt gesehen,
Und hab' dich nie wie jetzt geliebt!

Dein Auge strahlt zu mir hernieder
Und glänzt in's tiefste Herz hinein.
Das Traumgebilde meiner Lieder,
Du bist's, du bist's! Ich seh' dich wieder!
Du mußt, du wirst die Meine sein!

Aus: Melchior Meyr Biographisches. Briefe. Gedichte
Aus seinem Nachlasse aus der Erinnerung
herausgegeben von Max Graf von Bothmer und Moriz Carriere
Leipzig F. A. Brockhaus 1874 (S. 338-339)

_____



Nachruf

Du hast mir vieles Leid gebracht,
Das Glück, ich mußt' es büßen.
Doch Leiden zu versüßen
Hat das erlebte Glück die Macht.

Du hast mir heitres Licht gebracht
In dieses düstre Leben,
Und, warst du recht im Geben,
Mich unaussprechlich froh gemacht.

Die Liebe, sie verstummte sacht
Und floh zuletzt in's Weite.
Ich träumte dich zur Seite -
Wie süß - und bin allein erwacht.

Du, Flatternde, hast nicht gedacht
An meines Herzens Qualen! -
Du wirst mir immer strahlen
Der liebste Stern in dunkler Nacht.

Aus: Melchior Meyr Biographisches. Briefe. Gedichte
Aus seinem Nachlasse aus der Erinnerung
herausgegeben von Max Graf von Bothmer und Moriz Carriere
Leipzig F. A. Brockhaus 1874 (S. 339)

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Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Melchior_Meyr




 

 


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