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Albert Möser
(1835-1900)
Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
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Sie kniet vor ihm, umfaßt ihn
heiß und bang (Amor und Psyche)
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O Menschenherz, du bist der
Schöpfung Krone! (Das Herz)
-
Des Menschen Aug'
durchschweift des Weltalls Räume
-
Verwittert steht und kahl und
morsch und grau
-
Ich kann jedwedes Ungemach
ertragen
-
Der Liebe Werth schätzt nur,
wer viel gelitten
-
Das ist des Frühlings Gruß,
der wunderholde
-
Gar lieblich ist's, o wohl!
und süße Pflicht (Liebesahnung)
-
Sie sitzen jahrlang zimperlich
am Theetisch (Blitz der Liebe)
-
Ich sah dich stehn an steilem
Bergeshange
-
Vor deinen Zauberblicken
müssen weichen
-
Sei nicht so schön! - Mich
lockt's mit Macht, zu schauen
-
Dir hat ein Gott der
Schönheit Maß gespendet
-
Du liebst mich nicht, doch
strahlt in Schönheitspracht
-
Hat stumm das Grab, was lieb
dir war, verschlungen
-
Wer leichten Muths, weil, was
sein Herz erlesen
-
Wohl dünkt mich's leicht,
allmächtig zu erglühen (Selbstlose Liebe)
-
Enttäuscht mußt' ich vom
Heißgeliebten scheiden (Interregnum)
-
Oftmals durch röm'scher
Gassen bunte Zahl
-
Das ist der Lenznacht
duftreich-laues Weben
-
Ich grüße dich, o
Mitternacht: wie lange (Neue Liebe)
-
Nicht lieb' ich dich, weil
hold du bist zu schaun
-
Wohl schweif' ich gern im
schattig-grünen Hain
-
O komm, von meinem Arm laß
dich umschließen (Der Kuß)
-
Hernieder schaut' ich von des
Berges Rand
-
Wie harrt' ich sonst dem
holden Lenz entgegen
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O groß bedünkt der Mann mich,
der's verstände
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Wer hätt's vermocht, die
Mächte zu bezwingen
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Das Dampfroß keucht, durch
graue Wolkenmassen
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Gedenke mein, wenn mich der
Tod bezwang
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Ob sonn'ger Schein die Erde
verklärt, ob Lenz (Liebe)
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Ich wußt' es längst: was
immer sich liebt, nicht heut
-
Dir galt als Liebe nimmer das
eitle Spiel (An eine edle Liebende)
-
Gewalt'ges Leid ist's: unter
der Menschenschar
-
Ich sah dich lang' nicht,
aber es steigt dein Bild
-
So oft mich Liebe täuschte,
vereist und todt
-
Das war des Lebens
wunderreichste Stunde (Verhängniß)
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Es schaut vom Bergesrande
(Wallfahrt)
-
In diesen herbstlich klaren
Tagen (Wunsch)
-
Der Herbst brach an,
tiefernste Weltentrauer (Winterliebe)
-
Allein einst saß ich an
Bergesrand (Am Meere 1. - 2.)
-
Es geht ein Rufen durch die
Nacht (Nachtlieder 1. - 3.)
-
Im tiefsten Seelenschreine
(Abschied 1. - 3.)
-
Es kniet der Schwarm in
Tempeln und bittet um (Mein Gebet)
-
Dich schuf Natur und brach
die Form in Stücke (Helena Sonette 1. - 18.)
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Mein armes Herz, ich höre
bang dich klagen (An mein Herz)
Sonette
1.
Amor und Psyche
Relief von
Thorwaldsen
Sie kniet vor ihm, umfaßt ihn heiß und bang,
Mir ist's, als hört ich trüb die Arme klagen:
"O rette mich, sonst muß ich schier verzagen,
Verschmachten ganz im wirren Lebensgang.
Nach goldnen Glück empfind' ich heißen Drang,
Und kann doch nie der Sehnsucht Ziel erjagen,
Verlassen bin ich, elend und zerschlagen,
Gieb du das Heil, darnach umsonst ich rang!"
Er aber faßt voll Huld ihr schweres Haupt:
"Ich weiß: umsonst ist alles Erdenhoffen,
Ich bin's allein, der Ruh' und Trost verleiht.
Drum wohl dir, daß du treu an mich geglaubt
Getrost! Ich zeige dir den Himmel offen
Und schenke dir der Götter Seligkeit."
Aus: Gedichte von
Albert Moeser
Erste Sammlung
Dritte sehr veränderte und vermehrte Auflage
Hamburg Verlagsanstalt und Druckerei Actien-Gesellschaft
1890 (S. 3)
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2.
Das Herz
O Menschenherz, du bist der Schöpfung Krone!
Was ist wie du so tief und unergründlich?
Dich faßt kein Sinn - Lust, Leid, sie wechseln stündlich,
Gleich Wettern in des Aethers luft'ger Zone.
Bald bebst du bang, bald - einer Welt zum Hohne -
Der Schönheit Sklav, erglühst du leicht entzündlich,
Jetzt grollst du tief, doch rasch dünkt Groll dich stündlich,
Schon liebst du neu, ob sich's auch nie dir lohne.
Und Wonnen, drin entzückt die Seele badet,
Und Leiden, die des Busens Mark verzehren,
Nur du, o Herz, nur du kannst sie bescheeren;
Wen du durchglühst, er dünkt mich gottbegnadet;
Wer dein enträth, ob Wissensqualm ihn fülle,
Er bleibt ein Nichts in eines Menschen Hülle.
Aus: Gedichte von
Albert Moeser
Erste Sammlung
Dritte sehr veränderte und vermehrte Auflage
Hamburg Verlagsanstalt und Druckerei Actien-Gesellschaft
1890 (S. 4)
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3.
Des Menschen Aug' durchschweift des Weltalls Räume,
Des Busens bangen Sehnsuchtsdrang zu heilen,
Von Klippenrändern schaut's hinab, von steilen,
Und starrt entzückt in wilder Brandung Schäume.
Es schwelgt mit Lust im Grün der Waldesbäume,
Wenn sonn'ge Strahlen licht die Laubnacht theilen,
In Himmelsweiten mag es gerne weilen,
Wenn rings die Welt sich wiegt im Bann der Träume.
Doch auch vom Schönsten scheidet's bald verdrossen,
Und Ruhe, Ruhe findet nie das irre,
Bis sich sein Strahl in andres Aug' ergossen:
Das war's, was es gesucht im Weltgewirre,
Dann hält es Rast, die Sehnsucht ist zerronnen,
Und leuchtend spiegelt's trunkner Liebe Wonnen.
Aus: Gedichte von
Albert Moeser
Erste Sammlung
Dritte sehr veränderte und vermehrte Auflage
Hamburg Verlagsanstalt und Druckerei Actien-Gesellschaft
1890 (S. 4-5)
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4.
Verwittert steht und kahl und morsch und grau
Die Memnonssäule fern am Wüstenrande,
Doch goldne Klänge schickt sie durch die Lande,
Hebt sich der Sonnenball in's Aetherblau.
Der Wundersäule gleicht mein Herz genau:
Gezwängt in lärmender Erstarrung Bande
Schweigt's stumm und todt, versteint vom Alltagstande,
Und schätzt der Wüste gleich den Weltenbau.
Doch wenn entzückend gleich dem jungen Tage
Empor sich hebt aus meines Lebens Nacht
Ein Sonnenbild, geschmückt mit Morgenschöne:
Dann bebt, durchzuckt von seinem Zauberschlage,
Mein starres Herz und dehnt sich und erwacht,
Und in ihm klingen tausend Himmelstöne.
Aus: Gedichte von
Albert Moeser
Erste Sammlung
Dritte sehr veränderte und vermehrte Auflage
Hamburg Verlagsanstalt und Druckerei Actien-Gesellschaft
1890 (S. 5)
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5.
Ich kann jedwedes Ungemach ertragen,
Gerüstet bin ich wider Schicksalstücken,
Nie wird ein Leid mich ganz zu Boden drücken,
Im tiefsten Kern mich treffen nie und schlagen.
Nur Eines zähl' ich zu den höchsten Plagen:
Durch Liebe nicht beglückt sein und beglücken;
Will solches Glück das Schicksal mir entrücken,
Dann fehlet Sinn und Inhalt meinen Tagen.
Wie Duft der Blume, Licht entströmt der Sonne,
So spend' ich Lieb' in schwindelnder Ekstase,
Geliebt zu werden ist mir höchste Wonne:
Kann ich nicht Liebe bieten und gewinnen,
Dann mag mein Leben gleich der Seifenblase,
So hohl und leer wie sie, in nichts zerrinnen.
Aus: Gedichte von
Albert Moeser
Erste Sammlung
Dritte sehr veränderte und vermehrte Auflage
Hamburg Verlagsanstalt und Druckerei Actien-Gesellschaft
1890 (S. 5-6)
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6.
Der Liebe Werth schätzt nur, wer viel gelitten,
Wem neues Leid schuf jegliches Erwachen,
Wer stets durch Nacht und Sturm den Lebensnachen
Gezwängt und doch sich Frieden nie erstritten.
Wer stets durchs Leben ging mit leichten Schritten,
Wer froh genoß des Glückes Siebensachen,
Des Herz erstirbt in mählichem Verflachen,
Ihn locken nicht der Liebe zart're Sitten.
Vom Glanz bestrickt, tiefinnigem Bedürfen
Entfremdet, fröhnt er thörichtem Beginnen,
Und nie wird holdes Sehnen ihm geboren.
Der Arme nur, der alles gab verloren,
Kann in der Liebe alles neu gewinnen
Und Götterlust in vollen Zügen schlürfen.
Aus: Gedichte von
Albert Moeser
Erste Sammlung
Dritte sehr veränderte und vermehrte Auflage
Hamburg Verlagsanstalt und Druckerei Actien-Gesellschaft
1890 (S. 6-7)
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7.
Das ist des Frühlings Gruß, der wunderholde,
Sanft kost der Wind mit Fluthen, spiegelglatten,
Die Welt wird hell, es grünen neu die Matten,
Es sproßt am Strauch die junge Blüthendolde.
Zu Wolken auf, umsäumt vom Sonnengolde,
Blick' ich im Traum, mich lockt's in Waldesschatten
Im Herzen fühl' ich seliges Ermatten
Und neuen Drang nach süßem Minnesolde.
Und wieder seufz' ich nach dem hehren Bilde,
Das luftig gaukelnd mir gewinkt seit Jahren,
Und das sich stets entzog dem heißen Sehnen:
Wo bist du? sprich! - mein Herz vergeht, das wilde
Mich drängt's unendlich, Mund mit Mund zu paaren
Und stumm mein Haupt an deine Brust zu lehnen.
Aus: Gedichte von
Albert Moeser
Erste Sammlung
Dritte sehr veränderte und vermehrte Auflage
Hamburg Verlagsanstalt und Druckerei Actien-Gesellschaft
1890 (S. 7)
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8.
Liebesahnung
Gar lieblich ist's, o
wohl! und süße Pflicht,
Erprobten Bund unwandelbar zu pflegen,
Erkornem hold treufesten Sinn zu hegen,
Bis todumflort erlischt des Auges Licht.
Doch schöner ist es - wer erfuhr es nicht -,
Will junge Neigung sich im Herzen regen,
Wenn zart und rein, halb muthig, halb verlegen,
Aus feuchtem Aug' zuerst die Liebe bricht.
Das ist ein Zittern in des Herzens Gründen,
Ein süßes Zucken, liebliches Erbeben,
Ein Glühn und Wogen, das kein Mensch ermißt:
Ob Leid dir wird, ob Glück, wer kann's ergründen?
Doch ist es gleich, du kannst nicht widerstreben
Und fühlst nur Eines: daß du selig bist.
Aus: Gedichte von
Albert Moeser
Erste Sammlung
Dritte sehr veränderte und vermehrte Auflage
Hamburg Verlagsanstalt und Druckerei Actien-Gesellschaft
1890 (S. 7-8)
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9.
Blitz der Liebe
Sie sitzen jahrlang
zimperlich am Theetisch,
Und mählich wird ein matt Gefühl geboren,
Ein zücht'ger Kuß - es wird der Bund beschworen,
Und ihren Segen giebt Mama pathetisch.
Ich fass' es nicht: ich weiß, mich zieht's magnetisch,
Find' ich das Weib, vom Schicksal mir erkoren,
Beim ersten Schaun hab' ich mich selbst verloren,
Die ist's, die ist's! so mahnt's in mir prophetisch.
Uralt Erinnern dämmert plötzlich auf,
Es grüßt sich das von Ewigkeit Verwandte,
Wie jähen Blitz fühl' ich's im Busen flammen;
Es ruht gehemmt der irren Sehnsucht Lauf,
Ein Glück erahn' ich, wie ich's nimmer kannte,
Und unverweilt schmilzt Herz mit Herz zusammen.
Aus: Gedichte von
Albert Moeser
Erste Sammlung
Dritte sehr veränderte und vermehrte Auflage
Hamburg Verlagsanstalt und Druckerei Actien-Gesellschaft
1890 (S. 8)
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10.
Ich sah dich stehn an steilem Bergeshange,
Der Wald verstreute weiße Blüthenflocken,
Vielstimmig scholl der Vögel trautes Locken,
Die Sonne neigte sich zum Niedergange.
Der Windhauch küßte neckisch deine Wange
Und spielte sanft in deinen dunklen Locken,
Du aber lauschtest fernen Abendglocken
Und froher Wandrer lieblichem Gesange.
Wie schön warst du! Die Sonne sah verdrossen
Sich schier verdunkelt von so holden Mienen
Und barg sich hastig hinter Bergesrücken:
Und jener Schein, den Scham um sie ergossen,
Er mußte noch dich zu verklären dienen
Und dir mit Purpurgluth die Wange schmücken.
Aus: Gedichte von
Albert Moeser
Erste Sammlung
Dritte sehr veränderte und vermehrte Auflage
Hamburg Verlagsanstalt und Druckerei Actien-Gesellschaft
1890 (S. 9)
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11.
Vor deinen Zauberblicken müssen weichen
Im Kreis der Fraun die strahlenden Gesichter,
Gleichwie des Himmels kleine Sternenlichter
Im Feuerglanz der Sonnengluth erbleichen.
Ein jeder Zug an dir ist ohnegleichen,
Kein Lob, das dich nicht schmückt, ersinnt der Dichter,
Mit Preis zu übertreffen dich verzicht' er!
Genug, kann er im Lied dich ganz erreichen.
Und wie mein Sang auch rühmend dich erhebt,
Verschwend'risch aller Ehren Preis dir leiht
Und stets nach neuen Lobesweisen spürt:
Er beut dir doch, so sehr er ringt und strebt,
Den Abglanz nur der eignen Herrlichkeit
Und bringt dir einzig dar, was dir gebührt.
Aus: Gedichte von
Albert Moeser
Erste Sammlung
Dritte sehr veränderte und vermehrte Auflage
Hamburg Verlagsanstalt und Druckerei Actien-Gesellschaft
1890 (S. 9-10)
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12.
Sei nicht so schön! - Mich lockt's mit Macht, zu schauen
Des Leibes Maß, den Schmelz des Angesichts,
Mein Aug' spürt Glanz wie Glanz des ew'gen Lichts,
Und doch - der Anblick giebt mir Angst und Grauen.
Zu hoch stehst du ob uns, du Zier der Frauen,
Mir ist's, als hört ich Worte des Gerichts:
"Ihr andern all' seid glanzlos, schal, ein Nichts!"
Und jäh entschwindet Muth mir und Vertrauen.
Dahin ist all der Seele dreistes Wagen,
Dahin der Trotz, sonst keck zum Himmel strebend,
Dahin der Stolz auf hehre Geistesflüge:
Mein Blick sucht nur mit Bängniß deine Züge,
Dem Knaben gleich steh' ich vor dir erbebend,
Und wage kaum "ich liebe dich" zu sagen.
Aus: Gedichte von
Albert Moeser
Erste Sammlung
Dritte sehr veränderte und vermehrte Auflage
Hamburg Verlagsanstalt und Druckerei Actien-Gesellschaft
1890 (S. 10)
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13.
Dir hat ein Gott der Schönheit Maß gespendet,
Wer zeigt mir Züge, also hold erblühte?
Wo wär' ein Aug', das Gluth wie deines sprühte,
Ein weißer Leib, des Glanz wie deiner blendet?
Mich aber treibt's, dem Ew'gen zugewendet,
Im Geist zu hegen höchster Schönheit Blüthe,
Mir winkt als Ziel, um das ich stets mich mühte,
Im Seelengrund wie du zu sein: vollendet.
Des Leibes Pracht, des Geistes höchstes Ringen -
Das fügt sich gut, es sucht mein Ich das Deine,
O komm, zum Bund woll'n wir uns traut gesellen,
Um, was dem Einzeln kaum je mag gelingen,
Reizvoll und hold in lieblichem Vereine
Vollkommner Menschheit Ganzes darzustellen.
Aus: Gedichte von
Albert Moeser
Erste Sammlung
Dritte sehr veränderte und vermehrte Auflage
Hamburg Verlagsanstalt und Druckerei Actien-Gesellschaft
1890 (S. 10-11)
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14.
Du liebst mich nicht, doch strahlt in Schönheitspracht
Dein goldnes Bild, des Glanz mein Herz berückt;
Wie auch dein Stolz mich maßlos quält und drückt,
Doch beug' ich stets mich deiner Zaubermacht.
Stets denk' ich: Was Natur mit Gunst bedacht,
Genug, wenn's hold uns durch sich selbst entzückt!
Nur dem, was glanzlos lebt und ungeschmückt,
Sei Huldgewährung stets zur Pflicht gemacht.
Drum sieh, was ist's, wehrst du mir Liebessold?
Dir jauchzt mein Sinn, weil du vollendet bist -
So spricht mein Geist und täuscht sich selbst durch List.
Doch ach, mein Herz spricht klopfend: "Nein, o nein!"
Verschmäht von dir fühlt's Gram und grimmste Pein
Und seufzt: "Wärst du mir dennoch, dennoch hold!"
Aus: Gedichte von
Albert Moeser
Erste Sammlung
Dritte sehr veränderte und vermehrte Auflage
Hamburg Verlagsanstalt und Druckerei Actien-Gesellschaft
1890 (S. 11-12)
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15.
Hat stumm das Grab, was lieb dir war, verschlungen,
Doch hast du Trost: Erinn'rung sel'ger Zeit,
Dir strahlt verklärt vom Glanz der Ewigkeit
Des Todten Bild durch ird'sche Dämmerungen.
Doch wenn dein Herz, von Liebe ganz bezwungen,
Sich anderm Ich zu eigen hat geweiht,
Doch für sein Bestes laue Nüchternheit,
Für Gluth nur Kälte stets sich hat errungen,
Das ist ein Schmerz, den ach kein Trost je mildert,
Für den kein Gott, kein Mensch dir Balsam schafft,
Kalt, weihelos, von Worten nicht geschildert;
Du fliehst verstört, ob fern dein Herz gesunde;
Doch was du liebst, folgt dir gespensterhaft,
Und niemals heilt, die blutend klafft, die Wunde.
Aus: Gedichte von
Albert Moeser
Erste Sammlung
Dritte sehr veränderte und vermehrte Auflage
Hamburg Verlagsanstalt und Druckerei Actien-Gesellschaft
1890 (S. 12)
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16.
Wer leichten Muths, weil, was sein Herz erlesen,
Nur Kaltsinn kennt, ihm lächelnd kann entsagen
Und heiter gehn wie in vergangnen Tagen,
Glaubt nicht, daß er begriff der Liebe Wesen.
Was enden kann, ist Liebe nie gewesen,
Ein Joch ist sie, für ew'ge Zeit zu tragen,
Sie bannt dich fest an ihren Siegeswagen
Und läßt zur Freiheit niemals dich genesen.
So herrscht sie starr, ein himmlisches Verhängniß,
Und läßt dich nicht, ob Huld dir lohnt dein Werben,
Ob, was du liebst, der Gluth stets bar geblieben:
Wohl klopft das Herz, das Gunst nicht fand, in Bängniß,
Zertreten zuckt's und wünscht sich bald zu sterben,
Und sieh! es bricht, doch hört's nicht auf zu lieben.
Aus: Gedichte von
Albert Moeser
Erste Sammlung
Dritte sehr veränderte und vermehrte Auflage
Hamburg Verlagsanstalt und Druckerei Actien-Gesellschaft
1890 (S. 12-13)
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17.
Selbstlose Liebe
Wohl dünkt mich's
leicht, allmächtig zu erglühen,
Wenn dich dein Lieb mit Inbrunst hält umschlungen,
Wenn sie dich herzt, von eigner Gluth durchdrungen,
Und dunkle Augen feur'ge Blitze sprühen.
Ich aber hab' umsonst mit heißem Mühen
Bei kaltem Sinn, wie oft! um Gunst gerungen,
Von Leibespracht und Wangenschmelz bezwungen,
Von goldnem Haar und schwell'nder Lippen Blühen.
Da lernt' ich, für des Herzens reichste Spenden
Ein Lächeln kaum, ein frost'ges, zu gewinnen
Und dennoch nie der Werbung Dienst zu enden,
Gequält, verschmäht mit nichten je zu wanken,
Und schmerzdurchwühlt mit stillergebnen Sinnen
Sogar für Hohn mit Liebe nur zu danken.
Aus: Gedichte von
Albert Moeser
Erste Sammlung
Dritte sehr veränderte und vermehrte Auflage
Hamburg Verlagsanstalt und Druckerei Actien-Gesellschaft
1890(S. 13)
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18.
Interregnum
Enttäuscht mußt' ich
vom Heißgeliebten scheiden,
Und stumm nun pocht mein Herz in mattern Schlägen,
Es naht kein Sturm, die Brust mir zu bewegen,
Doch wähnet nicht, mein Los sei zu beneiden.
Entsetzlich dünkt mich's: dauernd Liebe meiden,
Drum groll' ich dieser Rast, der schläfrig-trägen,
Längst wünscht' ich: Möchte Gluth aufs neu sich regen!
Nach Liebe seufz' ich, müßt' ich neu auch leiden.
Ob, was mich bannt, auch Liebeshuld mir wehre,
Ob nie sich lohne mein entbranntes Werben
Und nie mir winke schmeichelndes Gekose:
Ich trag' es gern, nur nicht dies liebelose,
Graufarb'ge Nichts, dies dämmrig-dumpfe Sterben,
Nur nicht des Herzens grauenvolle Leere!
Aus: Gedichte von
Albert Moeser
Erste Sammlung
Dritte sehr veränderte und vermehrte Auflage
Hamburg Verlagsanstalt und Druckerei Actien-Gesellschaft
1890 (S. 14)
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19.
Oftmals durch röm'scher Gassen bunte Zahl
Schritt Rafael, ein schönstes Bild zu schauen,
O Glück! er fand die holdeste der Frauen,
Umleuchtet ganz von ew'ger Schönheit Strahl.
So lockt auch mich ein goldnes Ideal,
Mein liebesehnend Herz dran zu erbauen,
Ich sucht's entbrannt in manchen Landes Gauen,
Wie einst der Ritter Schar den heil'gen Gral.
Schon schaut' ich manch ein Bild mit goldnen Zügen
Und jauchzt' ihm trunken im Vergött'rungsdrange,
Doch mußt' ich bald das Götzenbild zertrümmern;
Und längst schon will mich bange Furcht bekümmern,
Daß meiner Sehnsucht Riesenüberschwange
Ein endlich Wesen nimmer wird genügen.
Aus: Gedichte von
Albert Moeser
Erste Sammlung
Dritte sehr veränderte und vermehrte Auflage
Hamburg Verlagsanstalt und Druckerei Actien-Gesellschaft
1890 (S. 14-15)
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20.
Das ist der Lenznacht duftreich-laues Weben,
Es kühlt ihr Hauch, die heiß mir glühn, die Wangen,
Einsames Weh hält starr mein Herz befangen,
Zu Sternen auf muß ich den Blick erheben.
Ob wohl auch dort sich regt beseeltes Leben?
Ob sie auch dort gleich uns nach Glück verlangen,
Nach Liebe seufzen, herb enttäuscht erbangen
Und sterbensmüd' zuletzt ins Nichts verschweben?
Vielleicht, indes ich schmerzgepreßt hier klage,
Weint stumm auch dort ein Herz der Sehnsucht Thränen
Und fragt, wo doch so lang das Glück ihm säume;
Vereint wohl säh'n wir holderfüllte Tage,
Doch ach, wer überbrückt, die klaffend gähnen,
Des weiten Weltalls unermess'ne Räume?
Aus: Gedichte von
Albert Moeser
Erste Sammlung
Dritte sehr veränderte und vermehrte Auflage
Hamburg Verlagsanstalt und Druckerei Actien-Gesellschaft
1890 (S. 15)
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21.
Neue Liebe
Ich grüße dich, o
Mitternacht: wie lange
Hab' ich ins dunkle Aug' dir nicht gesehen!
Ich schlief: es zwingt nur Schlaf des Busens Wehen,
Ich schlief: denn ach, mein Herz war stumm und bange.
Doch nun aufs neu geschwellt von süßem Drange,
Fühl' ich es klopfend auf und nieder gehen,
Ein Hauch durchbebt mich lind wie Frühlingswehen,
Und trunken folg' ich selgem Schwärmerhange.
Nun wach' ich, sinn' ich, träum' ich, ach so gerne,
Erlausche still der Nacht geheime Töne
Und blick' ins Blau, wo goldne Globen schwanken:
Denn lichter als der lichteste der Sterne
Zog mir ins Herz ein Bild von ew'ger Schöne
Und füllt es ganz mit zärtlichen Gedanken.
Aus: Gedichte von
Albert Moeser
Erste Sammlung
Dritte sehr veränderte und vermehrte Auflage
Hamburg Verlagsanstalt und Druckerei Actien-Gesellschaft
1890 (S. 15-16)
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22.
Nicht lieb' ich dich, weil hold du bist zu schaun,
Weil deines Leibes Formen zart sich ründen,
Nicht, weil in deiner Seele ros'gen Gründen
Anmuth und Scherz gern eine Statt sich baun:
Was Liebe weckt, es ist nichts Einzles, traun,
Matt ist Gefühl, das kalt sich läßt begründen;
Nur da kann höchste Liebe sich entzünden,
Wo Grundlos-Ew'ges sich berührt mit Graun.
Das ist's! Von deines Wesens Urbestand,
Von deines Ichs geheimstem Sein und Kerne
Fühlt bang erschauernd sich mein Herz gebannt:
Auch traute Seelen trennt noch starre Ferne,
Doch du bist mir von Ewigkeit verwandt,
Wir grüßten uns vordem auf besserm Sterne.
Aus: Gedichte von
Albert Moeser
Erste Sammlung
Dritte sehr veränderte und vermehrte Auflage
Hamburg Verlagsanstalt und Druckerei Actien-Gesellschaft
1890 (S. 16-17)
_____
23.
Wohl schweif' ich gern im schattig-grünen Hain,
Doch nur, wenn du auch wandelst durchs Gezweig;
Mein Aug' mißt gern der Himmelsbahn Bereich,
Doch nur, sucht dein Blick auch der Sterne Reihn.
Ich träume gern im Abenddämmerschein,
Doch nur, theilst du, was ich empfinde, gleich;
Und in des Geists und hehrer Schönheit Reich
Freut mich allein, was mir mit dir gemein.
Wo du mir fehlst, fehlt alles meinem Sinn,
Mit dir erst lieb' ich, was ich liebe, ganz,
Ohn' dich läßt kalt mich, was mir sonst gefällt:
Mit dir vereint nur bin ich, was ich bin,
Gewöhnliches auch strahlt in höherm Glanz,
Ohn' dich bin ich mir nichts und nichts die Welt.
Aus: Gedichte von
Albert Moeser
Erste Sammlung
Dritte sehr veränderte und vermehrte Auflage
Hamburg Verlagsanstalt und Druckerei Actien-Gesellschaft
1890 (S. 17)
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24.
Der Kuß
O komm, von meinem
Arm laß dich umschließen,
Dein Lippenpaar woll' mir zum Kuß nicht wehren,
Mir gilts, in heil'gem Dienst den Gott zu ehren,
Durch den allein uns höchstes Glück kann sprießen.
Mir ist der Kuß nicht flüchtiges Genießen,
Zum Spiel ward er mir nie, zum kindisch-leeren,
Ich möcht' im Kuß mit brünstigem Begehren
Die Seele mein in deine ganz ergießen.
Was liebt, es möcht' im Tiefsten sich verbünden,
Drum tauscht es Blick um Blick und süße Worte,
Doch stillt sich nie der Seele glühndes Streben;
Im Kuß nur steigt sie aus des Busens Gründen
Und eint, entschlüpfend durch der Lippen Pforte,
Der Schwester sich mit süßem Wonneleben.
Aus: Gedichte von
Albert Moeser
Erste Sammlung
Dritte sehr veränderte und vermehrte Auflage
Hamburg Verlagsanstalt und Druckerei Actien-Gesellschaft
1890 (S. 17-18)
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25.
Hernieder schaut' ich von des Berges Rand,
Tiefunten lag die Stadt im duft'gen Thal,
Der Dächer Meer erglomm im Abendstrahl,
Indes der Fluß sich durch die Fluren wand.
Hernieder schaut' ich starr und unverwandt,
Denn drunten aus den Häusern sonder Zahl
Sucht' ich nur eins, ganz winzig, eng und schmal,
Und froh aufjauchzt' ich, als mein Aug' es fand.
Die Welt ist groß, des Menschen Welt ist klein,
Im weiten All sucht er den Ort allein,
Wo traut ihm winkt holdsel'ger Augen Schein;
Nehmt diesen ihm, was bleibt? ein öder Raum,
Erfüllt mit Körpern wesenlos wie Schaum,
Und all sein Dasein ist ein wüster Traum.
Aus: Gedichte von
Albert Moeser
Erste Sammlung
Dritte sehr veränderte und vermehrte Auflage
Hamburg Verlagsanstalt und Druckerei Actien-Gesellschaft
1890 (S. 18)
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26.
Wie harrt' ich sonst dem holden Lenz entgegen,
Wie grüßt' ich froh des Sonnenlichtes Helle,
Das linde Wehn, die muntre Plauderquelle
Und erstes Grün in Feldern und Gehegen!
Nun wieder liegt der Frost auf allen Wegen -
Ich aber wünsche: Blieb' erstarrt die Welle!
O rückte nie die Zeit doch von der Stelle,
Und möchte nie doch milde Luft sich regen!
Denn wenn der Lenz mit frohen Schwalbenzügen,
Mit Klang sich naht und Duft und Blüthenprangen,
Dann ziehst du fort, läßt mich allein, allein!
Der Welt beschert er himmlisches Genügen,
Mich aber zieht zu dir ein heiß Verlangen,
Und einsam trauernd wandl' ich durch den Hain.
Aus: Gedichte von
Albert Moeser
Erste Sammlung
Dritte sehr veränderte und vermehrte Auflage
Hamburg Verlagsanstalt und Druckerei Actien-Gesellschaft
1890 (S. 19)
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27.
O groß bedünkt der Mann mich, der's verstände,
Sich zu erfreu'n an des Geschickes Gaben,
Doch kalt jedwede Lust auch zu begraben
Und nicht zu trauern, ob sie jählings schwände.
Denn seht! noch gönnt das Glück uns manche Spende:
Manch Bild noch blüht entzückend und erhaben,
Der Liebe Blick darf manchmal noch uns laben,
Noch manchmal wärmt ein Druck uns treuer Hände.
Doch ach! auch Holdes muß sich rasch verzehren,
Wer hätt's vollbracht, Verrauschendes zu bannen?
Wie süß es sei, es kommt ein letzter Tag;
Und draus wir schöpften köstliches Gemach,
Es dient allein, schwebt es im Flug von dannen,
In schwerer Brust des Trübsinns Nacht zu mehren.
Aus: Gedichte von
Albert Moeser
Erste Sammlung
Dritte sehr veränderte und vermehrte Auflage
Hamburg Verlagsanstalt und Druckerei Actien-Gesellschaft
1890 (S. 19-20)
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28.
Wer hätt's vermocht, die Mächte zu bezwingen,
Die mitleidlos ins Alltagsjoch uns schmieden!
Des Herzens Regung ist verpönt hienieden,
Sein Recht zu wahren wird ihm nie gelingen.
Wie stark und fest auch Seelen sich verschlingen,
Das Schicksal spricht gebietend: Seid geschieden!
Kein Sträuben gilt, ob Glück entweicht und Frieden,
Ob gramzernagt zwei Herzen drob zerspringen.
Ich wußt' es längst, doch konnt' ich's nimmer fassen,
Warum? warum? frag' ich in bittrem Harme,
So oft sich naht der Trennung grauser Tag:
Und gleich dem Kind, muß es sein Spielzeug lassen
Streck' ich zur Ferne sehnsuchtsvoll die Arme
Und weine bang dem Heißgeliebten nach.
Aus: Gedichte von
Albert Moeser
Erste Sammlung
Dritte sehr veränderte und vermehrte Auflage
Hamburg Verlagsanstalt und Druckerei Actien-Gesellschaft
1890 (S. 20)
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29.
Das Dampfroß keucht, durch graue Wolkenmassen
Bricht falb der Mond, stumm graut die Mitternacht,
Vorbei fliegt Berg und Thal in wilder Jagd: -
So will's zum Hader meiner Seele passen.
Im Weltenlärm, dem ewig gilt mein Hassen,
Hat mir dein Bild als einz'ger Trost gelacht,
Nun trennt uns, weh! des Alltagszwanges Macht,
Und wieder bin ich grenzenlos verlassen.
Wer zählt die Thränen, die ich jammernd weine?
Im Busen fühl' ich grimmen Leides Hämmern,
Die Zukunft gleicht dem Nebeltag, dem fahlen;
Und wieder leb' ich jener Stunden eine,
Wo mir ins Nichts ein schattenhaft Verdämmern
Als einz'ge Rast winkt von der Seele Qualen.
Aus: Gedichte von
Albert Moeser
Erste Sammlung
Dritte sehr veränderte und vermehrte Auflage
Hamburg Verlagsanstalt und Druckerei Actien-Gesellschaft
1890 (S. 21)
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30.
Gedenke mein, wenn mich der Tod bezwang,
Des Busens Gluth wird mich - wie bald - verzehren,
Nicht unbeweint möcht' ich verschwebend kehren
Zur alten Nacht, der ich vordem entsprang.
Gedenke mein, ich fühl' es ahnungsbang:
Dir wird ein Gott des Glücks noch viel bescheren
Und gnäd'gen Sinns noch lang der Parze wehren,
Wenn mich schon längst die dunkle Gruft verschlang.
Kein irdisch Bild hab' ich gleich dir geliebt,
Die Seele mein hab' ich an dich verloren,
Mir selbst entschwebt wohnt sie in dir allein;
Verstoß sie nicht, auch wenn mein Leib zerstiebt,
Dein Herz sei ihr zum Grabmal auserkoren,
O hör' mich flehn: Sei treu, gedenke mein!
Aus: Gedichte von
Albert Moeser
Erste Sammlung
Dritte sehr veränderte und vermehrte Auflage
Hamburg Verlagsanstalt und Druckerei Actien-Gesellschaft
1890 (S. 21-22)
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Liebe
Ob sonn'ger Schein die Erde verklärt, ob Lenz
Mit Grün sie schmückt, ob wogender Meeresbraus
Uns hehr umtost, ob Sternenglanz in
Laulichen Nächten den Raum durchleuchtet:
Chaotisch-wüst doch starret die Welt uns an,
Wenn Liebe fehlt: von Menschen und Dingen nur
Ein bunt Gewirr, zwecklos und friedlos,
Scheint sie dem Auge des Ungeliebten.
Erst wenn das Wort, das heilige, große Wort:
"Ich liebe dich" von lieblichen Lippen schallt,
Dann fliehn, die schwermuthreich vordem die
Dinge verhüllten, die nächt'gen Schatten.
Es tagt, es tagt! und über die öde Welt
Läuft blitzgleich rings holdseliger Glanz, wie einst,
Als machtvoll-hehr: "Es werde Licht!" der
Ruf von den Lippen des Schöpfers tönte.
Vor klarem Blick dann, lieblichen Einklangs voll,
Liegt schön-verklärt die prangende Welt, und leicht
Erahnt das Herz, den heiß wir suchen,
Ueber der Erde den ew'gen Frieden.
Aus: Gedichte von
Albert Moeser
Erste Sammlung
Dritte sehr veränderte und vermehrte Auflage
Hamburg Verlagsanstalt und Druckerei Actien-Gesellschaft
1890 (S. 29)
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Ich wußt' es längst: was immer sich liebt, nicht heut,
Nicht gestern fand sich's; Ewig-Verwandtes nur
Grüßt sich aufs neu im Liebesbund und
Feiert beseligtes Wiederfinden.
Vereint von Anfang spielten die Seelen einst
An weltentrückten seligen Küsten, bis
Ein grimmer Zwang die eng-verschlungnen
Scheidend verwob in der Dinge Hader.
Wenn nun sie neu sich finden, o Götterlust!
Es sagt der Blick: "Wo säumtest du gar so lang'?
Indes ich, ach, jahrtausendlang dich
Ewig vergebens im Weltall suchte."
Und glückberauscht erneu'n sie den alten Bund:
"Mein andres Ich!" so flüstert es innig-traut,
"Du liebe Hälfte mein!" und sehnend
Streben sie wieder zur alten Einheit.
Mit Inbrunst drängt sich Eins an des Andern Brust,
Es geht von Aug' zu Augen der Liebe Strom,
Zum Lippenrand aufsteigend fließet
Seele mit Seele im Kuß zusammen.
Aus: Gedichte von
Albert Moeser
Erste Sammlung
Dritte sehr veränderte und vermehrte Auflage
Hamburg Verlagsanstalt und Druckerei Actien-Gesellschaft
1890 (S. 30)
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An eine edle Liebende
Dir galt als Liebe nimmer das eitle Spiel,
Wie's Alltagskinder üben, es rührte dich
Des Knaben Pfeil nicht, der im Ballsaal
Schwärmende Herzen, ein Schalk, verwundet.
Dich weihte Eros, er, der gewalt'ge Gott,
Der Weltenschöpfer, welcher im Anfang war,
Der Weltdurchdringer, der der Menschen
Seelen durchfluthend mit Allmacht heimsucht,
Daß sie beklemmt aufstöhnen in Sehnsuchtsqual,
Im glühnden Aug' verrathend des Gottes Zwang,
Die Träumerstirn schwermüthig-ernst um-
lagert von nächtigen Wolkenschatten.
So du: den Kratertiefen der Brust entsteigt
Urkräft'ge Gluth; dich drängt es mit Opfermuth,
Dein selbst nicht und der Welt nicht achtend,
Seelenvermählenden Bund zu pflegen.
Doch solchen Drang, ach, faßt der Erkorne nicht;
Zu klein für maßlos-quellender Liebe Tausch
Vergeht er, überströmt vom Braus der
Mächtig-entfesselten Liebesfluthen.
Wie du auch ringst und bebend um Liebe wirbst,
Es ist doch Wegwurf, nimmer erhöhst du ihn
Zu dir, verschmäht stets muß dein Herz, dein
Heißes, dem Armen Verachtung zollen.
Und du erkennst: hochherziger Seelen Los
Ist: bang vergehn - so will es die Welt - es stirbt
Des höchsten Lebens heil'ge Regung,
Schnöd' vom Gemeinen im Staub zertreten.
Aus: Gedichte von
Albert Moeser
Erste Sammlung
Dritte sehr veränderte und vermehrte Auflage
Hamburg Verlagsanstalt und Druckerei Actien-Gesellschaft
1890 (S. 31-32)
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Gewalt'ges Leid ist's: unter der Menschenschar
Verlassen wandeln, nimmer ein goldnes Bild
Erschaun, das im Vollendungsglanze
Strahlend im Busen der Liebe Blitz weckt.
Unsel'ger noch: gefesselt im Zauberbann
Maßlose Gluth ausströmen an kalter Brust,
Wenn heißes Liebesflehn ein halbes
Herz nur und laue Gewährung findet.
Denn angezogen ewig und ewig rauh
Zurückgescheucht erzittert in Qual das Herz,
Nicht lassen kann's vom Heißgeliebten,
Aber sein ewiges Theil ist Schwermuth.
Solch herbes Los schon Mancher erfuhr es, ach,
Denn selten nur geschieht es, daß Wesen zwei
In gleicher Gluth entbrennend Seel' um
Seele und Liebe um Liebe tauschen.
Denn solches Glück, es wäre zu groß, zu groß;
Wär's uns gegönnt, wo bliebe der Götter Recht?
Drum hat ihr Neid so hehrer Wonnen
Himmlische Süße für sich behalten.
Uns blieb nur Eins: ans Theure verloren ganz
Ein reiches Herz verschwenden, als wär' es nichts,
Durch Geben selig, nichts verlangend,
Lächelnd die Liebe der Engel üben.
Aus: Gedichte von
Albert Moeser
Erste Sammlung
Dritte sehr veränderte und vermehrte Auflage
Hamburg Verlagsanstalt und Druckerei Actien-Gesellschaft
1890 (S. 33)
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Ich sah dich lang' nicht, aber es steigt dein Bild
Gar oft im Geist mir leuchtend empor, und oft
Spielt schwelgend Phantasie um deines
Leibes vollendete, reiche Formen.
Und ewig weckt erneuete Sehnsucht mir
Dein Angedenken: brünstigen Dranges küßt
Mein Mund die Luft oft, doch es wird ihn
Nimmer der deine begegnend grüßen,
Der deine, ach, der stummen Verlangens voll
Sich wölbend brannte, anderem Lippenpaar
Vertraut gesellt vielsüßen Tausches
Seliggenießendes Spiel zu üben.
Es schwamm dein Auge schmachtend in feuchtem Glanz,
Wie Tizian es malt, nach entbrannter Lust,
Nach ichvergessner, opfersel'ger
Liebe verzehrendes Trachten kündend.
Von deinem Arm umfangen, die weiße Brust
Mit glühnden Lippen pressend, berauschten Sinns
Der weichen Glieder üpp'ge Pracht mit
Trunkenem Finger entzückt empfindend:
So hätt' ich Glück wohl, dünkt mich, gefunden noch,
Das nun mich flieht: ja, leidigste Schickung ist's,
Daß mir dein Bild entwich, denn nirgends
Lacht mir noch fürder des Friedens Hoffnung.
Aus: Gedichte von
Albert Moeser
Erste Sammlung
Dritte sehr veränderte und vermehrte Auflage
Hamburg Verlagsanstalt und Druckerei Actien-Gesellschaft
1890 (S. 35)
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So oft mich Liebe täuschte, vereist und todt
Wähnt' ich mein Herz gleich, fluchte der Leidenschaft,
Der Freiheit froh und sturmlos-milder
Ruhe, die lind mir im Busen einzog.
O eitler Wahn! es schlummert das Herz, doch nie
Erstirbt's; noch weckt mir heiligen Schauer stets
Ein schmachtend Frauenaug', der Schultern
Blendende Pracht und ein Schwanenbusen.
Und jedes hold-erblühenden Jünglings Bild
Weckt mir nach Freundschaft sehnenden, weichen Drang
Es bebt mein Herz und zittert - Wo doch
Bleibt mir der Frieden, der nie erjagte?
Aufs neu erwacht im Busen der alte Traum,
Der Traum des Glücks; aufjauchz' ich und trachte heiß,
An theure Lippen festgebannt, ein
Lieblich-beseligtes Sein zu leben.
Und ich erkenn's und glaube: die Leidenschaft
Ist Leben einzig, todt ist ein leeres Herz,
Und auch der Liebe herbster Schmerz dünkt
Seliger mich als des Kaltsinns Frieden.
Drum sei der Liebe Lust und der Liebe Leid
Mein Los, mir schweige nie der Gefühle Sturm:
Wann je des Herzens reger Schlag stockt,
Götter, ich flehe, dann laßt mich sterben!
Aus: Gedichte von
Albert Moeser
Erste Sammlung
Dritte sehr veränderte und vermehrte Auflage
Hamburg Verlagsanstalt und Druckerei Actien-Gesellschaft
1890 (S. 37)
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Verhängniß
Das war des Lebens wunderreichste Stunde,
Als ich dich fand,
Als Schönheitspracht mit Anmuthreiz im Bunde
Dem Blick erstand.
Das war kein mähl'ges Herz-zu-Herz-gewöhnen
Im Alltagstrott,
Was Liebe heißt mattherz'gen Erdensöhnen
Zum Hohn dem Gott.
Ein Finden war's, ein seliges Erkennen
Am Schicksalstag,
Ein rasches Lodern, plötzliches Entbrennen,
Ein Blitz, ein Schlag!
Einst spielten wir in sel'ger Weltenferne,
Im Tiefsten eins,
Bis grimmer Zwang uns trug zum Erdensterne,
Zur Welt des Scheins.
Im ird'schen Streit wir mußten fremd uns meiden,
Wir suchten lang'
Nun fand ich dich, und nie mehr soll uns scheiden
Des Schicksals Zwang.
Nichts stillt, was auch das Dasein hold uns schmücke,
Der Seele Leid;
Schaut dich mein Aug', fehlt nichts zu meinem Glücke
In Ewigkeit.
Ein Paradies, drin du nicht zu entdecken,
Ist Wüste mir,
Mit dir blüht Glück selbst auf des Nordpols Strecken,
Ich folge dir.
Wo du mir winkst, darf sich die Seele sonnen
Im Glanz des Lichts,
Ohn' dich ist mir die Welt mit ihren Wonnen
Ein schales Nichts.
Aus: Gedichte von
Albert Moeser
Erste Sammlung
Dritte sehr veränderte und vermehrte Auflage
Hamburg Verlagsanstalt und Druckerei Actien-Gesellschaft
1890
(S. 41-42)
_____
Wallfahrt
Es schaut vom Bergesrande
Die öde Kapelle zu Thal,
Zu ihr aus fernstem Lande
Sonst zogen die Menschen zumal.
Sie nahten, andächtig zu wallen
Zum thronenden Heiligenbild;
Wen schlimmes Gebresten befallen,
Des Weh ward hier gestillt.
Doch jetzt herrscht drinnen Schweigen,
Längst schwand der fromme Sinn,
Die Wolken in wirbelndem Reigen
Jagen darüber hin. -
Zum Berg aus Thalesgrunde
Klimmen wir früh am Tag,
Mein Herz trägt schlimme Wunde
Von manchem Schicksalsschlag.
Mein Herz, so herb zerschlagen,
Bei dir nur findet's Ruh';
Zu scheuchen des Lebens Plagen,
Das Wunder vollbringst nur du.
Um dich wie Tempelhallen
Wölbt sich des Himmels Azur,
So lasse mich niederfallen
Vor dir in der heil'gen Natur.
Laß huldreich auf mir weilen
Dein Aug', so sanft und mild:
O wolle das Herz mir heilen,
Du süßes Heiligenbild!
Aus: Gedichte von
Albert Moeser
Erste Sammlung
Dritte sehr veränderte und vermehrte Auflage
Hamburg Verlagsanstalt und Druckerei Actien-Gesellschaft
1890 (S. 43-44)
_____
Wunsch
In diesen herbstlich klaren Tagen,
Wo Schwalb' und Star nach Süden fliehn,
Möcht' ich - vom Dampfroß fortgetragen -
Mit dir zu meiner Heimath ziehn.
Eh' Wald und Flur sich sterbend neigen,
Bedeckt von weißem Flockentanz,
Möcht' ich die theuren gern dir zeigen
Im letzten Sommersonnenglanz.
Im stillen Waldthal möcht' ich schreiten
Mit dir, wo Blatt um Blatt verweht,
Wo sanfte Bäche murmelnd gleiten
Und sonder Rast das Mühlrad geht.
Vom Waldrand möcht' ich niederschauen,
Wo braun des Nutzbaums Frucht uns winkt,
Indes im Thal auf Flur und Auen
Der Glanz der Sommerfäden blinkt.
Durch Fluren, wo des Feuers Flammen
Verzehren dürres Stoppelkraut,
Hinschritten rüstig wir zusammen
Zur Stadt, die traut aus Linden schaut.
Den Lindengang auf hohem Walle
Führt' ich dich, wo ich Jahr um Jahr
Im Lenz gelauscht des Finken Schalle
Und scheiden sah der Störche Schar.
Die Kirche auch ließ' ich dich schauen,
Wo ich vordem in heil'ger Nacht
Mitsang, durchbebt von süßem Grauen:
"Das ist der Tag, den Gott gemacht."
Wir säh'n die Stätten all', die alten,
Wo ich zum Spiel der Knaben flog,
Nicht ahnend, daß des Himmels Walten
Mir fern ein Weib wie dich erzog.
Mit dir naht' ich den Häusern wieder,
Wo hinter Blumen, schön und mild,
Mich lehrend erste scheue Lieder,
Einst saß manch süßes Mädchenbild.
Und beichtend würd' ich froh dir sagen,
Daß warm, bis einst mein Leib zerstiebt,
Nur dir fortan mein Herz wird schlagen,
Daß ich kein Weib wie dich geliebt.
Aus: Gedichte von
Albert Moeser
Erste Sammlung
Dritte sehr veränderte und vermehrte Auflage
Hamburg Verlagsanstalt und Druckerei Actien-Gesellschaft
1890 (S. 46-47)
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Winterliebe
Der Herbst brach an, tiefernste Weltentrauer
Sinkt auf die Flur, der grimme Nordwind tost,
Durchs bange Herz ziehn ahnungsvolle Schauer:
Du bist mein Trost.
Das Laub sinkt hin vor argen Sturms Gewüthe,
Am Boden tanzen Blätter wirr und wild,
Was thut's? Mir lacht die schönste Menschenblüthe,
Dein liebes Bild.
Kein Lied mehr schallt aus kleiner Sänger Kehle,
Sie fliehn den Reif, der Wald und Flur umgraut,
Doch mir tönt hold wie Sang der Philomele
Dein süßer Laut.
Des Himmels Blau verhüllen Nebelschleier,
Es dräut Gewölk, das schwarz die Flur umflicht,
In mir ist's hell, dort lacht's wie Frühlingsfeier,
Die Lieb' ist Licht.
Mag kalter Tod auch starr die Welt umweben
Und ringsum einziehn öde Grabesruh',
In meiner Brust quillt übermächt'ges Leben,
Und das weckst du.
Sonst mit dem Lenz naht Lust den ird'schen Fluren,
Mir ließ er nichts als Sehnsuchtspein zurück,
Doch nun auf schnöden Winters eis'gen Spuren
Naht mir das Glück.
Aus: Gedichte von
Albert Moeser
Erste Sammlung
Dritte sehr veränderte und vermehrte Auflage
Hamburg Verlagsanstalt und Druckerei Actien-Gesellschaft
1890
(S. 48-49)
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Am Meere
1.
Allein einst saß ich an Bergesrand
Auf der Furka ragenden Höhn,
Heraufwärts scholl von der Maienwand
Der Herdenglocken Getön.
Des Finsteraahorns Felsenkoloß
Stieg in den Aether empor,
Tief unten im Thale die Rhone schoß
Aus dem Riesengletscher hervor.
Und Gletscherwasser in jähem Lauf
Stürzten hernieder mit Macht,
Ueber des Gotthards Schroffen herauf
Quoll Duft von Italiens Pracht.
Doch ach! was frommt mir die schönste Natur,
Ist nicht die Liebe nah;
Mein Sehnen schweifte zur Heimathsflur,
Ich seufzte: Ach wärest du da! -
Nun sitz' ich am nordischen Klippenrand
Und blicke hernieder aufs Meer,
Es wiegt sich über dem blühenden Land
Von Lerchen ein schmetterndes Heer.
Arconas felsige Burg hält fern
An Deutschlands Grenzen Wacht,
Am Abendhimmel der Liebe Stern
Leuchtet in goldiger Pracht.
Und wieder wird mir die Seele so bang,
Weiß nicht, wie mir geschah,
Und wieder seufz' ich in Sehnsuchtsdrang:
Geliebte, ach wärest du da!
Wohl füllt mich das Meer und der Firnen Schein
Mit ewig-neuer Lust,
Doch der Seele Heimweh stirbt allein
An warmer Menschenbrust.
2.
Nun will der Tag sich neigen,
Die Meerfluth murmelt sacht,
Mit goldenem Sternenreigen
Aufdämmert die Sommernacht,
Leuchtkäfer schwirren in zitternder Luft,
Jasmin versendet berauschenden Duft,
Indes des Nachtwinds Schauer
Sich regt in Buchenpracht.
Beim Murmeln der Wellen, der schwanken,
Hier sitz' ich am Meeresstrand,
Es eilen die stillen Gedanken
Zu dir weit über Land,
Und meine Seele säumt bei dir,
Und meine Seele träumt von dir,
O du, die mir zur Wonne
Ein güt'ger Gott gesandt.
Nun sinkst du auf schwellende Pfühle,
Vom scheidenden Lichte umloht,
Schweifender Sehnsucht Gefühle
Entstiegen dem Abendroth,
Auf Mondesstrahlen pfeilgeschwind
Eilt zu mir her mein süßes Kind,
Und unsre Seelen küssen
Sich hoch ob ird'scher Noth.
Aus: Gedichte von
Albert Moeser
Erste Sammlung
Dritte sehr veränderte und vermehrte Auflage
Hamburg Verlagsanstalt und Druckerei Actien-Gesellschaft
1890 (S. 50-52)
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Nachtlieder
1.
Es geht ein Rufen durch die Nacht,
Verklingend in den stillen Fernen,
Der Wälder Meer rauscht heimlich-sacht,
Bestrahlt von tausend goldnen Sternen;
Rings Nacht und Einsamkeit!
Leis flüstert's in den stillen Gründen,
Nun will sich weit und breit
Der Nacht geheimes Liebesfest entzünden.
Hernieder von des Berges Rand
Send' ich den Blick in Thalestiefen,
Der Nachtwind geht durchs stille Land,
Mir ist, ob fern mich Stimmen riefen;
Du holdes Mädchen mein,
Nun steig herauf aus Thalesmatten,
Laß uns im Sternenschein
Still wandeln durch die grünen Waldesschatten.
Ich schmieg' um deinen Leib den Arm,
Wir plaudern süß in leisem Flüstern,
Ich halte still dich, fest und warm,
Wenn schwarz der Wald sich will verdüstern:
O Liebe hold und traut,
Wenn tönend uns umkreist der Sterne Reigen,
Wenn, tief von Nacht umgraut,
Wie träumend rings die grünen Wälder schweigen.
(S. 53-54)
2.
Geliebte, nun komm herab,
Der Mond bescheint die Runde,
Gewitter ziehn fernab,
Es leuchtet im Waldesgrunde:
Im Aether die Sterne schwimmen:
Hörst du die lockenden Stimmen
Durchklingen die Sommernacht?
Das ist die Liebesstunde,
Bevor der Tag erwacht.
Laß wandeln uns im Verein
Hier unter blühenden Bäumen,
Stillselig ganz allein
Aufschaun zu den Wolkensäumen;
Die Sterne will ich dir deuten:
Hörst du das Glöcklein läuten
Durch die duftige Sommernacht?
Geliebte, nun laß uns träumen,
Bevor der Tag erwacht.
Ich will dir's künden laut,
Wie dir mein Herz ergeben,
Dich, meiner Seele Braut,
Will ich umschlingen mit Beben,
Laß Wort und Kuß uns tauschen:
Hörst du die Quellen rauschen
Durch die duftige Sommernacht?
O komm, laß uns lieben und leben,
Bevor der Tag erwacht.
(S. 54-55)
3.
Es schweigt die Nacht, die Sterne schreiten
Mit goldnem Fuß auf blauer Bahn,
Des Flieders Duft durchhaucht die Weiten,
Und kühle Lüfte fächelnd nahn,
Der stillen Wälder Rauschen
Lockt süß zum Liebetauschen,
Das tiefe Thal entlang
Schallt laut der Nacht'gall Sang:
's ist Zeit, 's ist Zeit,
Was lieben will, sei jetzt bereit.
Nun klingt und singt die Welt, die weite,
Drum nah' auch ich nun deinem Haus,
Die Laute trag' ich an der Seite,
Mein Lied tönt in die Nacht hinaus:
O komm herab zu lauschen
Der Ströme fernem Rauschen,
Das tiefe Thal entlang
Schallt laut der Nacht'gall Sang:
's ist Zeit, 's ist Zeit,
Was lieben will, sei jetzt bereit.
O komm! Laß Eines mit dem Andern
Uns still in seligem Verein
Durch schattig-grüne Dämmrung wandern
Bei Nachtgesang und Sternenschein;
Wo fern die Wälder rauschen,
Da woll'n wir Liebe tauschen,
Indes das Thal entlang
Hinwogt der Nacht'gall Sang:
's ist Zeit, 's ist Zeit,
Was lieben will, sei jetzt bereit.
Aus: Gedichte von
Albert Moeser
Erste Sammlung
Dritte sehr veränderte und vermehrte Auflage
Hamburg Verlagsanstalt und Druckerei Actien-Gesellschaft
1890 (S. 55-56)
_____
Abschied
1.
Im tiefsten Seelenschreine
Will ich dein Bildniß hegen,
Dort will ich's im Vereine
Zu allem Heil'gen legen;
Du gingst mir lang zur Seite,
Mein Herz ward gut und stille,
Nun führt dich in die Weite
Des argen Schicksals Wille.
Nun bald, dich mir entraffend,
Schweifst du auf fremden Wegen,
Und zwischen uns wird klaffend
Endloser Raum sich legen;
Es zuckt mein Herz zerschlagen,
Erfaßt von bangem Wehe,
Und ewig geht mein Fragen:
Ob ich dich wiedersehe?
An Bächen werd' ich schweifen
Und träumend dein gedenken,
Wenn blasse Mondesstreifen
Auf Wald und Flur sich senken;
Du wirst, ein lieber Schatten,
Im Weltlärm mich umschweben
Und wirst den Lebensmatten
Mit sanftem Trost erheben.
So schaff' ich mir Genüge,
Will niemals ganz verzagen,
So lang der Sehnsucht Flüge
Mich noch zur Ferne tragen,
So lang noch Herz zum Herzen
Hinschweift auf Geisterstegen,
Ob auch der Trennung Schmerzen
Mir herb die Brust bewegen.
So mag die Zeit verrinnen,
Mein Leid will ich verhehlen;
Doch scheid' ich einst von hinnen,
Darf mir dein Bild nicht fehlen,
Noch einmal will ich lange
Recht tief ins Aug' dir sehen
Und frei von ird'schem Drange
Dann ewig schlafen gehen.
(S. 62-63)
2.
Sonst stieg kein Tag vom Himmel nieder
Und keiner entschwand in die Fluthen wieder,
An dem nicht versunken und tief und traut
Mein Aug' mit Entzücken in deins geschaut:
O sieh! das soll nun anders sein,
Du scheidest hinweg, das schafft mir Pein,
Dein liebes Bild wird mir versinken,
Und Freude wird nirgends, ach nirgends mir winken:
Allein werd' ich schweifen durch knospende Buchen,
In Träume versenkt und des Waldes Leben,
Doch plötzlich werd' ich den Blick erheben
Und sehnend dein liebes Antlitz suchen,
Als ob du wie eh in des Frühlings Wehn
Mir lächelnd müßtest zur Seite gehn,
Doch werd' ich in leere Luft nur starren,
Dich rufend umsonst auf Antwort harren -
So werden die Tage sich bunt verweben
Aus Morgen und Abend und flüchtig entschweben,
Der Lenz mit Klängen und hauchenden Düften
Wird weichen den eisigen Winterlüften,
Der Wald wird grünen und neu sich entfärben,
Es werden die Menschen entstehen und sterben,
Das Leben wird gehn so heute wie morgen
Im ewigen Gleis mit Seufzen und Sorgen,
Du aber weilst fern und mich bannt die Pflicht:
Wie ich's tragen werde, das weiß ich nicht.
(S. 63-64)
3.
Ich fuhr aus süßem Schlaf empor,
Der Finken Sang scholl mir ins Ohr,
Durchs Fenster ein drang linde Luft
Und sonn'ges Licht und Blüthenduft;
Rings Freudenschall und Frühlingsschein -
Mein Herz auch wollte fröhlich sein;
Da plötzlich stockte schmerzgelähmt sein Schlag:
O Qual! Das ist, der dich mir raubt, der Tag.
Aus: Gedichte von
Albert Moeser
Erste Sammlung
Dritte sehr veränderte und vermehrte Auflage
Hamburg Verlagsanstalt und Druckerei Actien-Gesellschaft
1890 (S. 64)
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Mein Gebet
Es kniet der Schwarm in Tempeln und bittet um
Gedeihlich-langes Leben und Wohlergehn,
Um täglich Brot und Sättigung und
Gnade des Himmels in Fährlichkeiten.
Ich aber flehe: Gebet, o Götter, mir
Schönheit der Seele, leihet mir reichen Geist,
Schenkt heil'gen Sinn, mein Innres läßt's dem
Ew'gen und Schönen ein rein Gefäß sein.
Nachzitternd lausche gerne die Seele mir
Den Götterstimmen, welche der Welt Tumult
In Ton und Bild und Lied und Waldgrün
Holder Beseligung voll durchklingen.
Und Eins noch: Stillet, Götter, des Herzens Drang,
Gebt Menschen, Menschen mir, die ich lieben kann;
Ein Possenspiel, ein sinnlos-leeres,
Scheint mir das Leben, dem Liebe fehlet.
Nicht Liebe zollen kann ich dem Alltagsschwarm,
Den Menschen, die des Namens mit nichten werth,
Die, treu der Nüchternheit, seellosen
Blickes des Endlichen Pfade wandeln.
Nur schlechter Abfall sind sie der Menschenart,
Die Tausendlinge, die aus der Urkraft Born
Natur muthwill'gen Sinns emporschnellt,
Gleich wie des sprudelnden Springsquells Tropfen.
Gebt Menschen mir, groß, edel und hellen Geists,
Die nicht der Traum des Irdischen ganz befängt,
Aus deren Aug' mich rührend anspricht
Götterverwandtschaft und Erdenfremdheit.
An ihrer Brust laßt ruhen mich still und gut,
Dem Ird'schen fern laßt denken und lieben mich:
Des Geistes voll und heil'ger Liebe
Reif' ich vollendetem Sein entgegen.
Aus: Gedichte von
Albert Moeser
Erste Sammlung
Dritte sehr veränderte und vermehrte Auflage
Hamburg Verlagsanstalt und Druckerei Actien-Gesellschaft
1890 (S. 161-162)
_____
Sonette
Helena
1.
Dich schuf Natur und brach die Form in Stücke,
Um weiße Schultern spielen goldne Lichter,
Vor dir beugt trunknen Muths sein Knie der Dichter,
Kein andres Glück gleicht deines Anblicks Glücke.
Auf das dein Bild jedwedes Herz berücke,
Gab dir Natur das schönste der Gesichter,
Welch Haupt umwallt der Locke Fülle dichter?
Dein Mund scheint mir zu höchster Lust die Brücke.
In deine Brust goß sie die Feuerseele
Und süßen Scherz, necklustig-anmuthreichen,
Und edlen Sinn, der Falsch nicht kennt noch Tücke!
So stehst du da, gottgleich und sonder Fehle,
Kein andres Weib wird jemals noch dir gleichen:
Dich schuf Natur und brach die Form in Stücke.
(S. 171)
2.
Es gaukelt mir dein Bild vor trunknen Sinnen,
Ich sah dich gehn in griechischem Gewande,
Des Auges Strahl glomm auf in stolzem Brande,
Umspielt vom Liebreiz aller Huldgöttinnen.
Die Locken sah ich fluthend niederrinnen
Von deiner Stirn erhabnem Marmorlande,
Des Armes Rund umschmiegten goldne Bande,
Der Schultern Pracht stieg auf aus weißem Linnen.
Des Leibes Formen sah ich göttlich schwellen,
Sie scheinen leuchtend durch des Kleides Falten,
Und Schönheit schaut' ich, wie ich nie noch sah.
Und wie der Greise Schaar auf Troja's Wällen,
Jauchzt' ich entzückt der hehrsten der Gestalten,
Und stumm bewundernd haucht' ich: Helena!
(S. 172)
3.
Oft träumt mein Herz: in deinen Armen liegen,
In Formen schwelgen, die sich üppig ründen,
Es wär' ein Glück mit Worten nicht zu künden -
So träumt mein Herz, und meine Pulse fliegen.
Doch lernt' ich längst mein wildes Blut besiegen,
Dein Reiz wird nie mir heißren Drang entzünden;
Und nie entsteigt der Wunsch des Busens Gründen,
Mich trunknen Muths an deine Brust zu schmiegen.
Mir ist's genug: mit Augen, ewig-wachen,
Im Wonnemeer der Schönheit mich berauschen
Und durstigen Sinns an goldnen Zügen hangen,
Der Grazien Spiel erspähn auf rosgen Wangen,
Des Mundes süßen Zauberlaut erlauschen
Und dein berückend-übermüthges Lachen.
(S. 173)
4.
Mein Herz verlangt nach dir, wie nach dem Lichte
Der Sclave seufzt am düstren Marterorte,
Wie an der Gottheit heilgem Gnadenhorte
Der Beter hängt mit stummem Angesichte.
Des Daseins Last drückt mich mit Bleigewichte,
Du thust mir auf des Paradieses Pforte;
In Qual vergeht mein Herz, das gramverdorrte,
Vor deinem Blick wird jedes Leid zu nichte.
Wenn ich dich habe, jauchz' ich zaubertrunken,
Mein Geist erstarkt, des Erdballs Nebel schwindet,
Und ätherwärts streb' ich mit kühner Schwinge.
Wenn du mir fehlst, ist all mein Glück versunken,
Mein Herz verzagt und bäumt sich und empfindet
Trostlos die schaale Nichtigkeit der Dinge.
(S. 174)
5.
Hörst du des Walzers lockende Sirenen?
Laut tobt die Lust im Saal, im lichterhellen,
Die Augen glühn und weiße Busen schwellen,
Daß lustberauscht sich alle Pulse dehnen.
Nun woll' dein Haupt an meine Schulter lehnen,
Laß sich zum Reigen Hand mit Hand gesellen,
Indeß, durchwogt von süßen Toneswellen,
Die Brust sich hebt in wildgewaltgem Sehnen.
Wenn Geigen tönen, schmetternd Hörner blasen,
Dann will ich jauchzend an die Brust dich pressen
Und wilde Kunde leis in's Ohr dir flüstern,
Daß längst mein Mund nach deinem Munde lüstern,
Und daß mich's lockt, entbrannt und weltvergessen
Mit dir so in die Ewigkeit zu rasen.
(S. 175)
6.
Wie oft rief ich den Tod schon an mit Beben,
Mich zu befrein aus dieses Daseins Banden,
Wenn öd' und leer die Tage mir entschwanden
Und fruchtlos blieb des Busens bestes Streben.
Doch nun preis' ich auf's Neu die Lust, zu leben,
Seit dich entzückt die durstgen Blicke fanden,
Und schlimmre Pein nicht gäb's in irdschen Landen,
Als: sterbend jetzt in's Reich der Nacht entschweben.
Dein Reiz knüpft mich an's Sein mit tausend Ketten,
Und Glück heißt mir: in all der Zukunft Tagen
Mich stumm zu deinen Füßen hinzubetten,
Dich anzuschaun mit seligem Behagen
Und trunknen Sinns in klingenden Sonetten
Dir huldgend stets, wie schön du bist, zu sagen.
(S. 176)
7.
Der Heimath fern kreis' ich im Lebensreigen,
Dein Herz sei fortan Heimath mir hienieden,
Stets hab' ich fremd den Menschenschwarm gemieden,
Dir einzig gab mein Sinn sich ganz zu eigen.
Der Mutter Bild deckt längst des Grabes Schweigen,
Schaff du mir neu der Kindheit goldnen Frieden,
Nie war mir Trost aus Schwestermund beschieden,
Woll du dich hold und schwesterlich mir neigen.
Jedweder Freund schwand mir im Weltgetriebe,
Steh du als Freundin schützend mir zur Seite,
Wenn mich umtost der Streit des Erdenballes;
Der Sehnsucht höchstes Ziel heißt: Liebe, Liebe,
Nimm hin die Seele, die sich ganz dir weihte,
Sei du mein Hort, mein Glück, mein Gott, mein Alles.
(S. 177)
8.
Ich liebe dich mit jener keuschen Glut,
Wie Sehnsucht und Enthaltsamkeit sie schüren;
Wenn Götter mir dein Bild entgegenführen,
Pocht laut mein Herz, das allzu lang geruht.
Es wallt und siedet wilderregt mein Blut,
Wenn deines Kleides Falten mich berühren;
Im Busen glaub' ich Lavaglut zu spüren,
Wenn fessellos mich streift der Locken Flut.
Ein Blick von dir beglückt mich unermessen,
Dein Händedruck durchbebt zu tiefst die Brust,
Ein süßes Wort stillt all der Seele Wehen;
Und dürfte jemals Mund auf Mund sich pressen,
Mich dünkt, nicht trüg' ich solche Götterlust,
Und stumm in deinem Kuß würd' ich vergehen.
(S. 178)
9.
Gieb deine Seele mir! o hör mich flehen,
Und nimm die meine ganz dafür zu eigen,
Inbrünstigen Drangs laß Brust an Brust sich neigen,
Und weich laß deinen Athem mich umwehen.
Laß tief, ganz tief mich dir in's Auge sehen,
Gebrochen sei der Scheuheit feiges Schweigen,
Das Herz laß auf zum Lippenrande steigen
Und trautes Wort von Mund zu Munde gehen.
Laß lesen mich in deiner Seele Gründen,
Mein tiefstes Sein laß ganz mich dir erschließen
Und heiß um süßes Einverständniß werben;
Wie Ströme zwei selbstlos in Eines münden,
Laß Seel' in Seele still hinüberfließen,
Und lustverzehrt der Zweiheit Qual ersterben.
(S. 179)
10.
Genieß' mit mir, was Künstlerhände schufen,
Was Dichtern lieh der gütgen Musen Gnade;
Versink' mit mir im Melodieenbade
Und klimm empor des Schönheitstempels Stufen.
Wo weiche Stimmen in den Lüften rufen,
Im Alpenthal zieh' mit mir stille Pfade;
Laß weilen uns, wo laut an's Felsgestade
Die Meerfluth braust aus nie erschöpften Kufen.
Was uns Natur an Wonnen kann bescheeren,
Was Kunst uns beut in edlem Schöpfertriebe,
Gemeinsam stets laß uns das Süße theilen;
Was göttlich ist, laß heißentbrannt uns ehren
Und eins, ganz eins im Geist und in der Liebe
Des Busens große Sehnsuchtswunde heilen.
(S. 180)
11.
Es gleicht mein Herz dem schlummernden Vulcane,
Tief in sich birgt es dumpfverhaltne Glut;
Wenn lang' mein Blick auf deinen Zügen ruht,
Dann glüh' ich heiß, ob's auch dein Sinn nicht ahne.
Ich hab' entsagt jedwedem Thorenwahne,
Kein irdisch Ziel erregt mir Muth und Bluth;
Gefaßt seh' ich des Schwarmes gierge Wuth,
Zu tiefst verzehrt von bittren Unmuths Zahne.
Und wollt' ich reden, würd' ich frei dir sagen:
Die arge Welt dünkt schlechter mich als Koth,
Und schreckhaft ist's, des Lebens Last zu tragen.
Die Liebe nur nenn' ich des Lebens Brod,
Dein Bild ist Leitstern meinen Erdentagen,
Doch ohne dich ist Eins nur gut: Der Tod.
(S. 181)
12.
Laß still mich dir zu Füßen ruhn und wende
Dein Aug' mir zu, das große, schmachtend-feuchte,
Daß sonnenhaft ob mir dein Antlitz leuchte,
Und gönne mir zum Spiel die weißen Hände.
Mit sanftem Hall aus süßem Mund entsende
Der Worte Strom, der stets Musik mich däuchte;
Mein Herz, das keiner Menschenmacht sich beugte,
Dir dient es froh und lauscht dir sonder Ende.
Wie bist du schön in stolz-beredtem Grimme,
Wie ziert es dich, wenn kühn die Lippen scherzen,
Wie tönt so mild der Wehmuth sanfte Klage;
Und Eins nur fehlt: daß diese Zauberstimme,
Die magisch längst mir widerklang im Herzen,
Ein einzges Mal "Ich liebe dich" mir sagt.
(S. 182)
13.
Mein Herz erbebt in langem, bangem Ach,
Es ist geschehn: dein Bild ist mir entschwunden;
Es krankt die Brust an unheilbaren Wunden,
Und glückberaubt vertraur' ich Tag um Tag.
Es schweift mein Blick den luftgen Wolken nach
Dorthin, wo starrer Zwang dich hält gebunden;
Dein Glanz umflirrt mein Aug' zu allen Stunden,
Und jeden Reiz ruf' ich im Geist mir wach.
Abthu' ich stumpfen Sinns des Tags Geschäfte,
Auf's Lager sink' ich matt am Abend hin
Und weine bebend heißer Sehnsucht Zähren;
Das grimmste Weh lähmt meines Geistes Kräfte,
Und Eines nur eracht' ich als Gewinn:
Der Liebe Leid im Liede zu verklären.
(S. 183)
14.
Ich sonnte mich in deiner Schönheit Scheine,
Nun irr' ich einsam durch die öden Gassen;
Daß fern du bist, noch kann's mein Sinn nicht fassen,
Auf weiter Welt winkt Tröstung keine, keine.
Ob auch mein Herz in banger Sehnsucht weine,
Im alten Gleis dreht sich die Welt gelassen,
Rings drängen sich des blöden Volkes Massen,
Doch nirgends schau' ich dich, die Einzge, Eine.
Dort ragt das Haus, wo Aug' in Aug' wir ruhten,
Die Pforte schau' ich, drein du oft verschwunden,
Das sind, die oft dein Fuß betrat, die Stufen:
Mich bannt der Ort, und stets will mich's gemuthen,
Als ob dein Mund wie eh' in süßen Stunden
Melodisch meinen Namen müßte rufen.
(S. 184)
15.
Es träumte mir von Küssen, endlos-langen,
Hingebend hing dein Mund an meinem Munde,
Es las mein Aug' in deines Auges Grunde,
Und fest hielt ich dein süßes Bild umfangen.
Ich wachte auf, es war der Traum zergangen,
Es graute schon des Morgens erste Stunde,
Im Busen spürt' ich neu des Abschieds Wunde,
Und heiße Glut lag mir auf Stirn und Wangen.
Mein Herz, auf's neu in stolzem Groll sich bäumend,
Schalt laut sein Loos, das schmerzenreiche, schnöde,
Und bebte bang, vom einstgem Glücke träumend:
Die Menge lärmte drunten schon, die blöde,
Das Licht ging auf, den Horizont umsäumend:
Mir schien es nicht, die Welt war öde, öde.
(S. 185)
16.
Ob auch der Zeit grausamer Wechselgang
Im Geist mir tilge deines Bildes Züge,
Ob traut auch nie mehr Hand in Hand sich füge,
Eins lebt mir ewig: deiner Stimme Klang.
Seitdem zuerst ihr Zauber mich bezwang,
Beherrscht sie magisch meines Geistes Flüge;
Ob ich den Fuß zum Rand des Erdballs trüge,
Es folgt ihr Laut mir wie Sirenensang.
Vielleicht vergess' ich auf des Lebens Bahnen,
Daß kühn mein Arm einst einen Leib umspannt,
Desgleichen nicht auf Erden wird gefunden;
Doch stets wird deiner Stimme Klang mich mahnen,
Daß du von je im Tiefsten mir verwandt,
Und daß mit dir mein schönstes Glück entschwunden.
(S. 186)
17.
Wenn starr mich einst umfängt des Grabes Hafen,
Ich weiß: kein Herz wird liebend mein gedenken,
Kein Aug' wird trüb auf meine Gruft sich senken;
Der Nacht gehört, wen Todespfeile trafen.
Die Menschen sind des Augenblickes Sclaven,
Und kurze Gunst nur pflegt die Welt zu schenken,
So war's von je und wenig soll mich's kränken,
Mir ist's genug, läßt sie mich schlafen, schlafen.
Ich trag' es leicht, daß alle mich vergessen,
Wenn ein Herz nur zu rühren mir gelungen,
Wenn eine Brust mein Bild noch hegt: die deine.
Gern ruh' ich unter säuselnden Cypressen,
Wenn einst dein Aug', von sanftem Leid bezwungen,
Nur eine Thräne still mir weiht, nur eine.
(S. 187)
18.
Gedenke mein! dein werd' ich stets gedenken,
Wenn mich das Meer umtost mit Donnerklängen,
Wenn niederwärts von schroffen Alpenhängen
In's blumge Thal sich meine Blicke senken,
Wenn staunend an des Genius Geschenken
Im Marmorsaal die durstgen Sinne hängen,
Wenn süße Töne sich an's Herz mir drängen
Und auf in's Lichtreich die Gedanken lenken.
So oft, entrückt des niedren Schwarms Gelüsten,
Mein Geist der Schönheit Feier wird begehen,
Wird auch dein Bild mir nahn in goldnem Scheine:
Dann kost' ich Höchstes mit dir im Vereine,
Und ahnungsreich wird mich ein Hauch umwehen,
Als ob von fern sich unsre Seelen küßten.
Aus: Nacht und Sterne
Neue Gedichte von Albert Möser
Halle Verlag von G. Emil Barthel 1872 (S. 188)
_____
An mein Herz
Mein armes Herz, ich höre bang dich klagen,
Daß Lieb' und Glück dem Zeitenflug erliegen;
Doch glaub: der Schönheit Born kann nicht versiegen,
Und Holdes blüht auch in der Zukunft Tagen.
Glanzvoll wird manch ein Frauenbild noch ragen,
Noch manch ein Leib in Ebenmaß sich wiegen,
Der Anmuth Reiz wird dich noch oft besiegen
Und lichtumstrahlt dich ganz in Fesseln schlagen.
Und mag auch nie ein Weib sich traut dir gatten,
Magst nie du ruhn in brünstigem Vereine,
Mein Herz, laß nimmer Gram dich drob verzehren!
Enttäuschung folgt der Liebe stets als Schatten,
Und Weisheit ist's: beglückt vom schönen Scheine
Das Holde schaun und niemals es begehren.
Aus: Nacht und Sterne
Neue Gedichte von Albert Möser
Halle Verlag von G. Emil Barthel 1872 (S. 189)
_____
Biographie:
Aus: Hermann Arthur Lier: Möser, Georg Friedrich Albert. In:
Biographisches Jahrbuch und Deutscher Nekrolog. 5. Band. 1900 (1903). S.
329–330
http://www.archive.org/stream/biographischesj02wolfgoog#page/n403/mode/2up
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