Alwine Morich (1835-?) - Liebesgedichte

 

 

Alwine Morich
(1835-?)


Lehrer und Schülerin

Sie war meine liebe Schülerin,
Ich lehrte sie mancherlei;
Botanik im duftigen Waldesgrün
Bei des Kuckucks hellem Geschrei.

Wir haben am rauschenden Meeresstrand
Die Lichtreflexe erschaut;
Und wenn die Abendröte entschwand,
Uns mit den Sternen vertraut.

Doch als ich in duftiger Waldesnacht
Ihr Blume auf Blume erklärt,
Da hat ihrer rosigen Wangen Pracht
Die schönste mich kennen gelehrt.

Und bei des Lichtes blendendem Strahl,
An kühlender Wasserflut,
Da lernt ich empfinden zum erstenmal
Des Herzens innre Glut.

Und wenn sie beim friedlichen Sternenschein
So still meinen Worten gelauscht,
Da hab ich an ihrem Wesen und Sein
Mich unaussprechlich berauscht.

In mancher Sprache machte ich sie
Mit des Dichters Worten bekannt;
Und als verkörperte Poesie
Sie selbst dann vor mir stand.

Wie brachte das Lehren so reiches Glück,
Wie war das Lernen so schön!
Wie lernten wir emsig in Worten und Blick
Die Sprache des Herzens versteh'n!

Und ob sie wieder und wieder begehrt
Die Lehren aus meinem Mund -
Das Schönste von allem hat sie mich gelehrt:
Das Lieben von Herzensgrund!
_____
 

Gedicht aus: Unsere Frauen in einer Auswahl aus ihren Dichtungen
Poesie-Album zeitgenössischer Dichterinnen
Von Karl Schrattenthal
Mit zwölf Porträts in Lichtdruck
Stuttgart 1888 (S. 328-329)


Biographie:

Morich, Alwine, geboren den 2. Januar 1835 zu Braunschweig als Tochter eines dortigen Oberlehrers am Gymnasium, ist Dichterin.

aus: Lexikon deutscher Frauen der Feder.
Eine Zusammenstellung der seit dem Jahre 1840 erschienene Werke weiblicher Autoren, nebst Biographieen der lebenden und einem Verzeichnis der Pseudonyme. Hrsg. von Sophie Pataky
Berlin 1898
 

 

 


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