Julius Mosen (1803-1867) - Liebesgedichte

Julius Mosen



Julius Mosen
(1803-1867)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 



Da drüben!

Da drüben über'm Walde,
Da singt ein Vogel schön,
Da drüben an dem Bache
Seh' ich ein Rehlein gehn,
Da drüben!

Und wo der Vogel singet
Und wo das Rehlein geht,
Da drüben bei den Tannen
Der Liebsten Hütte steht,
Da drüben!

Möcht' mit dem Vogel singen
Und zu dem Rehlein geh'n,
Da drüben heimlich lauschend
Durch's kleine Fenster seh'n,
Da drüben!
(S. 90)
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Die Nixe

Mit dem grünen, kleinen Hute,
Mit der Pfauenfeder d'rauf,
Saß sie da vor mir im Kahne,
Sah so listig zu mir auf.

In den Händen beide Ruder
Theilte kräftig sie die Fluth,
Daß ihr seid'nes Mieder bebte,
In die Wangen stieg das Blut.

Und sie sang mit voller Stimme
Mir ein altes Wunderlied:
Wie den Knaben zu bethören
Wär' die Nixe nimmer müd'.

Ruhig lauscht' ich solchen Worten,
Sah sie an wol unverwandt,
Bis sie lachend mit dem Kahne
Wieder stieß an's feste Land.
(S. 91)
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Der Mond und Sie

Wie ist so ruhig, klar und rein
Dein liebes Angesicht,
So wie im Lenz der Mondenschein
Ein träumerisches Licht!

Ich gehe Nächtens nie allein,
Dein holdes Bild geht mit,
Und selbst der Mond in hellem Schein
Hält mit mir Tritt und Schritt.

Doch geh' ich in mein Kämmerlein
Und drück' die Augen zu,
So schwindet zwar der Mondenschein,
Doch, Liebchen, niemals du.
(S. 93)
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Der Nußbaum

Es grünet ein Nußbaum vor dem Haus,
Duftig,
Luftig
Breitet er blättrig die Aeste aus.

Viel liebliche Blüthen stehen d'ran;
Linde
Winde
Kommen, sie herzlich zu umfahn.

Es flüstern je zwei zu zwei gepaart,
Neigend
Beugend
Zierlich zum Kusse die Häuptchen zart.

Sie flüstern von einem Mägdlein, das
Dächte
Nächte,
Tagelang, wüßte, ach! selber nicht was.

Sie flüstern, - wer mag verstehen so gar
Leise
Weise?
Flüstern vom Bräut'gam und nächstem Jahr.

Das Mägdlein horchet, es rauscht im Baum;
Sehnend,
Wähnend
Sinkt es lächelnd in Schlaf und Traum.
(S. 94-95)
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Rosenblüthe

Das Röslein gar verborgen
In seiner Knospe sitzt,
Der neue Frühlingsmorgen
Zum Kuß das Mäulchen spitzt;
Doch Röslein mag nichts wissen
Vom Blühen und vom Küssen.

Das Röslein sitzt gar spröde
In seinem engen Haus,
Der Mittag ist nicht blöde,
Strahlt Gluth und Flammen aus;
Doch Röslein mag nichts wissen
Vom Blühen und vom Küssen.

In seiner Zelle drinnen
Das Röslein heimlich steht,
Der Abend kommt zu minnen,
Der Abend weint und fleht:
Ach, alle Blumen müssen
Am Ende blüh'n und küssen!

Das Röslein steht in Bangen,
Es steht in Liebesnoth,
Roth werden seine Wangen,
Vor Liebe purpurroth,
Und seine Lippen müssen
Zum ersten Male küssen.

Zum ersten Male blühen
Mit allererstem Kuß,
Zum ersten Male glühen
Das holde Röschen muß;
Denn alle Blumen müssen
Am Ende blüh'n und küssen.
(S. 96-97)
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Eva

Sie sah mich an zuweilen
Mit schalkhaft klarem Blick;
Einen Apfel thät sie theilen
Und brach ein feines Stück.

Und zwischen ihre Lippen
Sie eine Hälfte nahm;
Ich aber durfte nippen,
Daß Lipp' an Lippe kam.

Die Mutter sah herüber
Und zog ein schlimm Gesicht;
Mein Glück ist nun vorüber,
Vergessen kann ich's nicht.

Und da der Lenz gekommen,
Blüht wieder der Apfelbaum
Und Eva steht beklommen
Darunter in süßem Traum.
(S. 102)
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Der Alpengang

Des Morgens früh zu guter Zeit
Geh' ich zur Sennerin,
Es ist das Herz mir himmelweit,
Zieh' ich zur Alpe hin.

Die Morgensonne scheinet hell,
Das Mägdlein steht davor,
Als wär' dort oben an der Stell'
Das off'ne Himmelsthor.

Ich seh' im rothen Schein sie stehn -
Die Sonne blendet sehr -
Die Wolken und die Lämmer gehn
Zusammen um sie her.

Ein grünes Bändel auf dem Hut,
Am Herzen Röslein roth, -
Ach, wüßt' ich nicht, wie Lieben thut,
Was hätt' es noch für Noth? -
(S. 103)
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Warnung

Vor den Fenstern laßt euch warnen
Junggesellen weit und breit!
Vor den Netzen, vor den Garnen,
Vor den Mädchen allezeit!

Vor den hellen Rosenblüthen,
Die wo an den Fenstern stehn,
Müßt ihr Herz und Auge hütten,
Schnell und still vorübergehn!

An den Blumenfenstern lauern
Wilde Jägerinnen dort,
Und die Spinnen an den Mauern
Weben Netze immerfort.

Ach! mein armes Herz gefangen
Hält ein solches Fensterlein;
Bei der Rose muß es hangen,
Und ihr Sklave muß es sein!
(S. 104)
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Der Schweigsame

Ich wüßte wol zu singen,
Ich sing' es aber nicht;
Mein Herz das will zerspringen,
Ihr glaubt es aber nicht.

Schön ist es gegenüber!
Ihr fraget wer und was?
Seh' immerfort hinüber,
Denn dort ist dies und das!

Es ist ein blaues Scheinen!
Fragt mich nur nicht darum!
Ich möchte selig weinen,
Ich wüßte schon warum.

Bandschleifen seh' ich wehen,
Dort ist mein Augenziel!
Dürft' ich es mir nur gestehen,
Ihr fragtet mich noch viel.

O, wollt' ich nur verrathen
Das schöne Feenreich!
Ihr käm't doch ungeladen
Vor Liebeshast zugleich.

Doch nimmer sollt ihr wissen:
Warum? und Was? und Wie?
Doch möcht' ich herzlich küssen
Nur Sie und immer Sie!
(S. 105-106)
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Brennende Liebe

In meinem Gärtchen lachet
Manch Blümlein klar und roth,
Vor allen aber machet
Die brennende Liebe
Mir Noth.

Wohin ich mich nur wende,
Steht auch die helle Blum';
Es glühet sonder Ende
Die brennende Liebe
Ringsum.

Die schlimmen Nachbarinnen,
Die bleiben neidvoll stehn
Und flüstern: "Ach, da drinnen
Blüht brennende Liebe
So schön!"

Brauch' ihrer nicht zu warten,
Sie sprießet Tag und Nacht;
Wer hat mir doch zum Garten
Die brennende Liebe
Gebracht?
(S. 107)
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Nachtlied

Dürft' ich mit dir dort oben gehn,
Du träumerischer Mond,
Ich könnte wol hinübersehn,
Wo die Geliebte wohnt!

Zu glücklich ist die Nachtigall,
Die in dem Lindenbaum
Vor ihrem Haus mit süßem Schall
Durchklinget ihren Traum!
(S. 109)
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Vor Liebe

Ich saß zu ihren Füßen,
Ich hielt wol ihre Hand,
Ich hätt' sie mögen küssen;
Mein Herz hat heiß gebrannt
Vor Liebe.

Sie sah herab so wonnig,
Es war um mich geschehn;
Ich sah den Himmel sonnig
In ihren Augen stehn
Vor Liebe.

Zwei glühend rothe Nelken
Trug sie vor ihrer Brust,
Sie durften dort verwelken
In kurzer, sel'ger Lust
Vor Liebe.

In Liebespein befangen
Saß ich und sprach kein Wort,
Und als sie heimgegangen,
Saß ich noch immer dort
Vor Liebe.
(S. 111)
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Der Abschied

Ach, scheiden von der Lieben,
Das thut dem Herzen weh!
Das will mich sehr betrüben,
Wo ich auch geh' und steh'.

Muß oft der Stunde denken,
Wo ich zuletzt sie sah;
Sie saß mit bitt'rem Kränken
Bei Vater und Mutter da.

Ich sah sie dort zerpflücken
Ein Zweiglein Rosmarin;
Aus blauen, milden Blicken
Eine helle Thräne schien.

Die Mutter unterdessen
Las in dem Bibelbuch;
Ich mußt' die Augen pressen
Vor wildem Schmerz in's Tuch.

Wie war mir doch beklommen;
Sie barg ihr Angesicht, -
Ob Abschied ich genommen,
Weiß ich noch heute nicht.

Ach, dürft' zu ihren Füßen
Mein Herz ich legen hin,
Dorthin, wo sie zerrissen
Das Zweiglein Rosmarin!
(S. 116-117)
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An Sie

Es blüht am Rain der weiße Schlee,
Wohl kommt der Lenz, doch mir ist weh;
Am Kirchthurm seh' ich Schwalben zieh'n,
Könnt' ich mit ihnen heimwärts flieh'n!

Wie ist mein Liebchen gar so hold,
Sein Lockenhaar so klares Gold,
Und in den Augen hell und rein
Des ganzen Himmels Widerschein!

Ich bin von Ihr nun fern, so fern!
Wär' bei der Trauten gar so gern!
Im Waizen lockt die Wachtel laut
Mich in die Arme meiner Braut.

Vor ihrer Thüre wird sie steh'n,
Hinaus zur Ferne traurig seh'n,
Ein Blüthenregen um sie her;
Wer doch an ihrer Seite wär'!
(S. 119)
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Botschaft

Mondenschein, stiller Mondenschein,
Eile zu ihrem Kämmerlein!
Du sollst sie oftmals grüßen,
Mondenschein, darfst sie küssen!
Willst Du mein Bote sein?

Nachtigall, traute Nachtigall,
Fliege mit deinem Liederschall,
Fliege zu ihr und sage,
Was ich im Herzen trage
Ueberall, überall!

Rosenduft, süßer Rosenduft,
Schwinge dich durch die Abendluft,
Eile mit deinem Wehen!
Schmeichler, sie wird es verstehen,
Daß dich die Liebe ruft!

Aber der treueste Bote hier
Plaudert den ganzen Tag von ihr;
Immerfort muß er springen,
Fröhliche Kunde mir bringen,
Eile, mein Herz, zu ihr!
(S. 120)
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Der Ostertag in Rom

Ob am grünen Donnerstage
Auch der Pabst gar sehr geflucht,
Hab' ich doch am Ostertage
Wieder Peters Dom besucht.

Wenig hat es mich bekümmert,
Wie in schwerer, goldner Pracht
Seine Heiligkeit geflimmert,
Schön das schöne Spiel vollbracht.

Denn vor all' den schönen Frauen,
Welche Roma zart gepflegt,
Mußt' ich auf die Schönste schauen,
Die mir Herz und Sinn bewegt.

Rosa, mit denselben Blicken
Drang dein Auge sonst zu mir;
Soll es mich nun nicht entzücken,
Find' ich dich in Roma hier?
(S. 124)
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In die Ferne
("Georg Benlot")

In die Ferne geht mein Sehnen,
Zu den Wolken dringt mein Blick,
Aus dem Auge rinnen Thränen
Um das längst vergang'ne Glück.

Lüfte, die ihr in den Bäumen
Leise flüsternd weiter eilt;
Wißt ihr wohl von jenen Räumen,
Wo die Allerschönste weilt?

Weiden weinen an den Bächen,
Quellen an der Felsenwand,
Klagend scheinen sie zu sprechen
Von dem wunderbaren Land.

Doch mein Leid, wer kann es theilen?
Luft und Welle darf entflieh'n,
Ueber Erd' und Himmel eilen;
Ich nur langsam weiter zieh'n.
(S. 127)
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Zu Weihnachten

Weihnachtsfest ist wiederkommen,
Wo so oft beim Orgelklang
Ich mit ihr bei andern Frommen
Sonst aus einem Buche sang.

Glaubet nicht, daß sie gestorben,
Auch nicht, daß mein Paradies
Zeit und Welt mir hat verdorben,
Als mich jedes Glück verließ.

Weihnachtsbaum und helle Kerzen
Und darunter ich und sie;
Dieses Bild in meinem Herzen,
Das vergeht, verlöschet nie!
(S. 130)
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An die Ungetreue

Hatt' in's Auge dir geschaut,
Bis mir aller Sinn verging,
Auf dein Herz hatt' ich gebaut,
Schönes Weib, an dem ich hing!
War ich doch so sehr bezwungen,
Wie ein Kind von dir umschlungen.

Und ich hätt' dich treu gepflegt
Wohl in Sonn- und Mondenschein,
Wie ein Küchlein dich gehegt,
Meine Seele war ja dein!
Einen Ring hatt' ich gegeben,
Meine Treue und mein Leben!

Und den Ring hast du versä't,
Und er fiel hinein in's Meer,
Und der Wind hat dort geweht,
Kenn' die Stelle auch nicht mehr,
Hast du mich berauscht mit Küssen, -
Gott behüte dein Gewissen!
(S. 131)
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König Mark und Isolde

"Isolde, königliche Braut,
Du zögerst und bebest noch,
Sagt nicht dein eigen Herz dir laut:
Er ist mein König doch!

Rauscht mir um meine Schulter nicht
Der Sternenmantel her,
Erkennst du nicht mein Angesicht
Und die Stirne gewitterschwer?"

""Und wenn ich vor dir zitternd steh',
So bin ich so herzenskrank,
In Thränen und Jammer vergeh',
So that das der Zaubertrank.

Der Liebestrank, den mein Mütterlein
Für dich meiner Amme vertraut,
Ich habe verschüttet den goldenen Wein,
Ich unglücksel'ge Braut!

Und Tristan, der mich zu dir gebracht, -
Wir haben getrunken zugleich,
Und elend hat er uns Beide gemacht,
Vor Sehnsucht krank und bleich.

Ich armes, ich vergiftetes Weib,
Ich schling' mich um deinen Fuß,
Hin ist meine Seele, hin mein Leib,
Der sich verzehren muß.""

"Und hast du nicht den Trank bewahrt
Deinem rechten König und Herrn,
Leichsinnig verschüttet auf deiner Fahrt,
So bleibe mir ewig fern.

Ich kenne dich nicht, so schön du bist,
Aus dem Herzen reiß' ich dich aus,
Versagt sei dir zu jeder Frist
Meine Hand, mein Bett und Haus.

Thut ihr um ein härenes Gewand,
Die Locken schneidet ihr ab,
Eine Lampe gebt ihr in die Hand,
Denn dunkel ist das Grab!"
(S. 134-135)
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Vorüber!

Zwei lichte Augensterne,
Die geben hellen Schein,
Zwei Räthsel nah und ferne,
Die blicken auf mich ein
Aus heimlich milden Räumen
Wie sommernächtig Träumen.

Gar lange möcht' ich schauen
In dieses Sternenreich
Mit kindlichem Vertrauen
So fromm und still zugleich
Und all' die schweren Peinen
Aus meinem Herzen weinen.

Ich wüßt' von wildem Streben
Und von verlor'nem Ziel
Und von verlor'nem Leben
Der Märchen wunderviel,
Daß bei herzinnern Kränken
Selbst Sterne untersänken.

Die Blumen, all' die bunten,
Die um mich leuchtend steh'n,
Die wurzeln heimlich unten,
Wo Grabesschauer weh'n,
Verbergen alle Schmerzen
In hellen Blüthenkerzen.

Doch leuchte still und heiter,
Du freundlich Sternenlicht,
Dir stört der Sänger weiter
Den Gottesfrieden nicht;
Laß' schnell vor deinen Blicken
Sein Bild vorüberrücken!
(S. 138-139)
_____



Sehnsucht

Wär' ich der Regen,
Ich wollte mich legen
Der Erde an's Herz;
Wie sollte sie blühen
Und jauchzen und glühen!

Wär' ich die Sonne,
Ich sög' mich vor Wonne
In's dampfende Meer;
Wie sollt' es da rauschen,
Um Küsse zu tauschen!

Könnt' ich verwehen,
Zu Nebel vergehen,
Zerfließen in Luft;
Ich hielt' voll Erbarmen
Die Welt in den Armen.

So mit dem Herzen
Voll Liebe und Schmerzen
Verglüh' ich allein
Und sinke in Flammen
Und Asche zusammen.
(S. 163)
_____



Decembermorgen

Es sinkt der Mond hinab im Morgengrau,
Doch nicht der Schlaf auf meine Augenlider;
Und vor der Sonne sinkt der Nebelthau,
Doch nicht mein Haupt noch auf das Lager nieder,
Mein Leben wird zum Märchen und Gedicht;
Ich sah zu lang' dir in das Angesicht.

War ich wohl krank und werd' ich erst gesund?
War ich gesund und muß ich erst erkranken?
Mir glüht das Herz und fieberheiß der Mund,
Und durcheinander wogen die Gedanken;
Bin ich unglücklich oder zu beglückt?
Hab' ich doch leis nur deine Hand gedrückt.

Ich weiß es wohl: ermannen muß ich mich
Und fest die Hand mir pressen auf die Brust,
Ich weiß, ich weiß, verlieren muß ich dich;
Der Schmerz ist mein, dir bleibe Glück und Lust!
Ich weiß, mich retten wird mein harter Sinn,
Obschon ich niemals wieder glücklich bin.

Und wollt' das Schicksal nicht den Lorbeerkranz,
Versagen nur die Myrthe und die Rose,
Dem Leben, - nicht dem Tode Licht und Glanz,
Und fielen leuchtend all' die letzten Loose, -
Doch einsam hin durch Wetter, Schnee und Wind
Schluchzt' meine Seele wie ein armes Kind!
(S. 164-165)
_____



Die Aloë

Mein Herz war eine Aloë,
So herb in sich befangen,
Doch thut es plötzlich mir so weh,
Seine Ruhe ist vergangen.

Nicht du hast ihm so weh gethan, -
Es zuckt in Schmerz und Wähnen; -
Inwendig zündeten es an
Nur deine hellen Thränen.

Nun treibt und drängt es ohne Rast,
Die Brust wird ihm zu enge,
Mir ist, als wenn in Gluth und Hast
Es selber sich zersprenge.

Nun drängt und treibt es wild hervor
In feuerheißem Schmerze,
Nun treibt und drängt es hoch empor
Die flammende Blumenkerze.

Es füllen Glanz und Duft den Raum
In wunderbarem Schrecke,
Und hochaufrauscht der Blüthenbaum,
Es springt entzwei die Decke.

Er streckt die Arme brennend aus,
Es muß das Dach zersplittern,
Und schon seh' ich mit süßem Graus
Hochoben die Krone zittern.

Mein Gott, was will das werden noch!
Es muß in diesen Flammen,
Es muß das arme Herz nun doch
Brechen in sich zusammen.

Daran ist schuld dein süßer Kuß,
Der schnelle, zündende Funken,
Daran ist schuld dein süßer Kuß,
Den ich hinabgetrunken.
(S. 170-171)
_____



Bekenntniß

So bist du mein, ich halte dich umschlungen
In meiner tiefsten Seele mit Gewalt,
In dir hab' ich mein eig'nes Selbst errungen,
Es ward mein Traum zu freundlicher Gestalt;
Und als ich mich in dich erst ganz verloren,
War ich mir selbst gewonnen und geboren.

Es rauschten wohl, eh' ich dich sah, die Bäume,
Und Sturm und Wolke zogen d'rüber hin,
Vorbei die Menschen und die bunten Träume,
Verschlossen und gefesselt war mein Sinn,
Bis deine Arme plötzlich mich umwanden,
Da hatt' ich mich und alle Welt verstanden.

Es war mein Blick, eh' ich dich sah, verhüllet,
Und in mir eine Steppe öd' und leer;
Nun ist das ganze All von dir erfüllet,
Ich sehe nichts, was nicht durch dich erst wär';
Und so muß ich mit innigem Entzücken
An meine Brust in dir mein Leben drücken.
(S. 174)
_____


Aus: Sämmtliche Werke von Julius Mosen
Erster Band
Oldenburg Verlag von Ferdinand Schmidt 1863

 


Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Julius_Mosen



 

 


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