Arno Nadel (1878-1943) - Liebesgedichte



Arno Nadel
(1878-1943)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 




Tanka's

Aber sage, mein Mädchen,
Gleichst du der Weisheit
Oder bist du sie selbst,
Daß kein Gedanke in mir Raum hat,
Weil du mir unerreichbar bist?
_

Besäße ich dich,
Ich weiß, du wärst mein Ende.
Denn du liebst dich wie die Nacht,
Die alles für sich verhüllt,
Und nur die schreckenden Träume uns gönnt.
_

Dein Fuß ist klein
Wie der Fuß eines Kindes,
Dein Mund ist voller Süße
Wie der Mund einer roten Blume,
Die ich so gern einst sog.
Mit neuem Entzücken
Sag ichs dir immer wieder.
_

Wie ein Traumbild Gottes erscheinst du mir oft,
Und ich bin mehr als ein Dichter,
Doch auch als dunkle Versuchung.
Wann zeigst du dich, wie du bist?
Als Traumbild Gottes, mein Lieb,
Zeigst du dich, wie du bist.
_

Wir standen am See.
Segelboote lagen verankert
Und dämmten im Wiegen die Flut.
Die näher kamen, wichen zurück,
Verscheucht von unserm toten Schweigen.
_

"Sag was," hauchtest du eilend,
Als du mich auf dem Gang verließest.
Du wolltest, daß ich sage:
"Ich hab dich lieb."
Und ich sagt es.
Was sollt ich schnell auch sagen?
_

Ich dachte oft,
Ich könnte die ganze Welt
In meine Seele schließen.
Wenn du an meinem Herzen ruhst,
Ist dieser Wunsch erfüllt.
_

Was tätest du, wenn ich dein wär,
Und jung dir stürbe?
Fragtest du.
Das aber reizt mich an dir,
Daß du weißt und verlangst
Und dennoch versengst,
Wenn du gewährst, genießest.
_

Wie könnt ich dich je vergessen!
Wenn ich in fremder Landschaft,
Oder am einsamen Fenster
Mich auf mein Leben besinne,
Werde ich deiner gedenken.
Wißt es alle,
Die ihr mich einen Träumer nennt:
Wenn ich träume,
Denk ich an meine Liebe.
_

Ein Andres ists,
Wenn die Augen guter Menschen
Mich anblicken,
Ein Andres, Lieb,
Wenn deine Augen auf mir ruhn.
Die ungelösten Schauer,
Die mich durchwettern,
Sie kommen aus deinen Augen.
_

In deinen Schmerzen lachtest du und weintest,
Daß ich erschrak.
Ich küßte dich und du lachtest schrill
Und weintest wieder zart und bitter.
"Dummes Ding," sagt ich,
Da lachtest du wie toll,
Bis du in meine Arme sankst
Und lange ruhtest.
_

"Ich werde dir Briefe schreiben,
Die du zweimal lesen wirst,"
Wie reizend kam das Wort
Aus deinem japanischen Mündchen!
_

Wie Herakles im Himmel sich vermählte,
Bist du, Geliebte,
Mein unverdienter, letzter Preis.
Altern kann ich nicht mehr,
Jung werde ich sterben.
_

Gib mir die Hand,
Daß ich dich führe,
Du weißt, wie behutsam ich bin.
Ich führ dich sacht am Stein vorbei,
Ich führ dich durch die dunkle Nacht, -
Was bebst du
Und wirst weiß wie der Mond,
Was habe ich dir getan?
_

Wie haben sich die Zeiten mir verkehrt!
Im Herbste brannte mein Herz,
Und nun, im Frühling,
Steh ich vor dem Tod.
Mein Jahr ist um.
_

Falsch bin ich geworden wie das Zwielicht,
Und man glaubt mir.
Wie das geläufige Wort
Kommt die Lüge aus meinem Mund,
Und ich schäme mich nicht.
Ich lächle, wenn meine Seele dämmert,
Ich bin gesittet,
Wenn Irrsinn mir auf die Lippe drängt, -
Weil ich so sehr dich liebe.
_

Viele gewundene Wege führen zur Schuld.
Einen geht man mit dir,
Die du so demütig mich anschaust.
_

Der dir in Güte naht,
Er sei verflucht.
Meiden sollen dich die Besten,
Daß du mir im Elend
Ewig, ewig gehörst.
_

Wie Pflanzen auf dem Meeresgrund,
So sind in deinem Herzen
Die Wünsche sichtbar und gütig.
Was reut dich nicht alles?
Wer möchte dir nicht danken,
Wenn du das Köpfchen wendest,
Und sei es nur, um zu versagen.
Schön ist deine Seele, Geliebte,
Schöner noch die Seele deiner Seele.
_

Alles kommt mir durch dich,
Lustig wird mein Leben fortan.
Wußt ich längst doch: Lust ist Lust und Leid.
_

Durch viele Seltsamkeiten gingen wir,
Man nickt uns zu.
Und horch, ich denk, die Blätter wollen reden.
Sie fallen dunkler noch als sonst.
_

Doch bin ich wahrhaftig im Wahn.
Oder wie ist es möglich,
Daß über Nacht
Die Stille zu früheren Tagen schlich?
_

Wer  kennt dein Wandern in den Stuben?
Dein Denken, in Bewegung zart gehüllt?
Ich bin bei dir und fühle dich.
Du wankst, wenn ich, entfernt,
In fremde Augen spähe.
_

Es sagte mir ein Kind,
Daß ich erschrak,
Vieles von mir und dir.
Sein Wort wird Wahrheit werden.
Ohne Staunen vernahm ichs,
Ohne Staunen werd ichs erleben.
_

Warum sollte nicht ein Mädchen
Aller Dinge Ende sein?
Sind doch Schatten nur
Die Wunder, die wir suchen.
Du aber, mein Mädchen,
Bist wahr wie die Luft,
Wie einsames Denken,
Und wie eines Sterbenden Gebet.
_

Wie Tod und Freudigkeit zusammenklingen!
In deiner Nähe welkt das Wort,
Verlischt das Leben.
Bei dir ist Ruhe,
Außer dir ist Welt.
_

Als ich dich sah,
Wie du bist,
Als ich dich nahm
Mit ganzem Willen,
Da wußte ich
Vom einzigen Tag,
Und daß nichts mehr
Geschehen wird.
Es wird fortan aus meinem Herzen
Dein Name nicht zum Licht gelangen.
_

Viele, viele Abende gehen durch dich,
Du schreckst den Fröhlichen.
Den Einsam-Seligen aber
Tränkst du wie Gott mit Sinn und Wohllaut.
_

Tage nur für uns selbst,
Stunden nur für uns selbst,
Für die Straße, für die Flur,
Unselig und hart,
Schwermütig und hart,
Wir fühlens vor Wesen gleich dir.
Ihr zieht an uns vorüber,
Uns achtend, uns mißachtend . . .
Wir aber bleiben in unserm Leben
Und sehen euch lustentfremdet nach.
_

Verstreute Lichter funkeln auf,
Wie auf Bahngeleisen.
Die Läden werden voller.
Ich geh mit dir.
Wer ahnt, wie wunderbar das Glück jetzt wandelt.
_

Wenn du,
Das Mildeste in dieser Welt,
Durch fahles Nichtsein schreitest,
Schwebt Allmacht über dir.
Blick auf: schon hängt in Lüften
Dein abgewandter Freudengang.

Aus: Um dieses alles Gedichte von Arno Nadel
München und Leipzig bei Georg Müller 1914 (S. 21-29)

_____



An Anna

Solch eine Stunde soll man nicht vergessen,
Die wunderbar emporhebt schwarze Grenzen
Von scheinenden, vergänglichen Gebilden. -

Wir waren gut gestimmt an jenem Abend.
Das Essen schmeckte wie an einem Feste,
Und kalt und klar wie selten war der Wein.

Wie das Gespräch sich drehte, wer behält es;
Ich sah dich an, und plötzlich überströmte
Unfaßbare Erinnerung dein Antlitz.

Du sprachst von heimlichen, gedämpften Klängen,
Die öfter, leise rufend, dir ertönten,
Wenn unerklärlich dich die Welt bedrängte.

Und wie ich manchmal dir als Ding erscheine,
Und du mich prüfend, wie zum Spiele nur,
Betrachtest und darüber hart erschrickst.

Und große Straßen seien dir bekannt,
Die du mit wachen Augen nie gesehn,
Wo altbelebte Häuser friedlich grauen.

Daß du zuweilen vor Entsetzen weintest,
Wenn deinem Blick dein eignes Bild begegnet,
Dein Selbst, als trät es aus dem letzten Spiegel.

Wie du so sprachst, als wärs zum erstenmal,
Da sah ich dich durch Ewigkeiten wandeln;
Doch immer wieder trafen wir uns beide.

Und immer wieder mußtest du mir lächeln,
Am Fenster dort, im Haus, das nun verschwunden.
Dann gingen wir zusammen viele Wege.

Wie so der Tag aus deinen Augen träumte,
Ich wollte manches fragen, doch du sahst es
Und nahmst den Ernst hinweg mit gutem Wort.

Da küßt ich dir die Fremde von der Stirn,
Und aber warst du meine lustige Dame,
Mit der ich kurz zuvor so froh gespeist.

So freundlich jener Abend sich gewendet,
Ich werde seiner Dämmerung erfüllt sein,
Weil du geredet wie zum erstenmal.


Aus: Um dieses alles Gedichte von Arno Nadel
München und Leipzig bei Georg Müller 1914 (S. 6-7)

_____



Frühling

Zwei spitze Kirchtürme blitzen hoch im Blauen,
Zwei stille Mädchenaugen schauen aus dem Fenster,
Und hinter den weit weiten Bergen sitzt der Inder,
Duftende Blumen legt er zu Gottes Füßen nieder.
So ist die Welt,
Wenn der Frühling durch die Lüfte dringt,
So ist heut die Welt.

Sing, o Herz, sing lustvergessen,
Das Haus ist leer, der Strom besessen,
Und die wilden Vögel stecken die Köpfe ins Wasser,
Daß der feine Spiegel platzt.
So ist die Sehnsucht,
Wenn der Frühling in den Blüten blinkt,
So ist heut die Sehnsucht.

Aus: Um dieses alles Gedichte von Arno Nadel
München und Leipzig bei Georg Müller 1914 (S. 12)

_____



Liebe des Weibes

Du bist nicht Mann mir, bist mir Sohn,
Es soll dich keiner plagen,
Und mußt du wandeln ohne Lohn,
Ich will deine Schmerzen tragen.
Dein Leib und deine Seele,
Mit aller Größe, aller Fehle,
Ich halt sie unverdrossen
In Liebe eingeschlossen.
Hebst du zu mir den letzten Blick,
Ich geb den schönsten dir zurück,
Daß du in meinen Händen
Fortlebest ohne Enden.


Aus: Um dieses alles Gedichte von Arno Nadel
München und Leipzig bei Georg Müller 1914 (S. 55)

_____



Die Zeiten der Liebe

Als ich bei dir, mein Lieb, so ruhig saß,
Die Sonne schien ins freundliche Gemach,
Der Teppich seine Weise zierlich sprach,
Ich schauerte in neuem Übermaß.

Ein kranker Knabe war ich, der genaß,
Und kraftentspannt im Garten Beeren brach.
Der warme Strahl auf meinen Scheitel stach,
Es drang der Lebensquell aus Luft und Gras.

Und plötzlich war es lieber Nachmittag.
Sie waren alle fort, ich blieb zu Haus;
Ich sah mich um, geborgen, ohne Graus. -

Dann war ich alt, in weißem Frieden lag
Die Welt, und ihre Weihe war die gleiche,
Die lieblich mich umfing in deinem Reiche.


Aus: Um dieses alles Gedichte von Arno Nadel
München und Leipzig bei Georg Müller 1914 (S. 61)

_____



Weil du so ganz vollkommen bist

Ich steh vor dir in Nacht gebannt,
Und fühle meinen Geist entwandt,
Wenn meine Seele dich begrüßt.
Weil du so ganz vollkommen bist.

Dein Antlitz, Weib, ist schön und klar,
Wie nichts, was ist, wie nichts, was war.
Ich sehe dich und sehe dich,
Und bin gerichtet Stich um Stich.

Die runden, zarten Schultern sind
Wie ein gebogener Frühlingswind,
Und deine Arme scheinen hell
Und atmen wie ein Flammenquell.

Dein Körper ist ein reiches Land,
Vor dunkeln Augen ausgespannt,
Die überwunden sich verirren
Und deine Lieblichkeit entwirren.

Weil du so ganz vollkommen bist.
Dein Leib und deine Liebe ist
Aus unberührtem Stahl geglüht,
Der willenlos im Abgrund blüht.

Ich kenn dich, Weib, du bist wie ich,
Mein Rest bist du, ich fühle dich
Und finde selbst mich noch einmal,
Für mich gegliedert Strahl um Strahl.

Und deine süße Tiefe brennt
Nach meinem letzten Element,
Und du und ich und ich und du
Sind eine Freude, eine Ruh.

Umwinde mich mit deinem Strom
Und nimm mich hin als ein Atom.
Die Inseln meines Lebens sind
In dir, Geliebte, Schicksal, Kind.

Aus: Um dieses alles Gedichte von Arno Nadel
München und Leipzig bei Georg Müller 1914 (S. 103-104)

_____



Die Liebe

Einander vorerkannt vom milden Ursprung, -
Um dich ja leb ich, Freude Gottes, um dich.
Und du sinnst jeden Atemzug,
Über Stunde und Sorge hinweg,
Wie du mir neu begegnest;
Und daß du schön seist,
Ewig, ewig schön seist.
Und über alle Vergeltung, -
O, unbelauschte Glut,
Wenn ich durch deine Augen, lösend, breche!


Aus: Um dieses alles Gedichte von Arno Nadel
München und Leipzig bei Georg Müller 1914 (S. 121)

_____



Mein Opfer,
Sprach ich zur Geliebten:
Nun wirst du süß
Geschlachtet.
Und sie:
Nein, nein, ich will nicht!
Und schon tritt
Milde Sehnsucht
Aus ihren Augen
Blaß hervor.


Aus: Arno Nadel Das Leben des Dichters
Nummerierter Privatdruck 1935
Gedruckt bei Victor Otto Stomps Berlin (S. 31)

_____



Die milde Sonne
Die die Lampe sendet,
Sie blinkt in den Pupillen
Deiner Augen.
Nun strahlt sie auch, Geliebte,
Im weißen Hügel ringsum
Und blinkt
Wie an den Ufern des Meeres
Zur Sommerzeit.


Aus: Arno Nadel Das Leben des Dichters
Nummerierter Privatdruck 1935
Gedruckt bei Victor Otto Stomps Berlin (S. 33)

_____



Fließ aus, mein Herz,
Und werde Herz in Lüften,
Fließ in die Ohnmacht
Milden Wehs,
Ins Auge unvollkommner Hoffnung.
Dann ist's geschehn um dich,
In Seligkeit.

Aus: Arno Nadel Das Leben des Dichters
Nummerierter Privatdruck 1935
Gedruckt bei Victor Otto Stomps Berlin (S. 35)

_____



Mein Vogel hüpft
Vor Liebeslust
Und will sein Weibchen treffen.
Das aber springt davon
Und lächelt boshaft.
Was nützt es dir, mein Vogel,
Daß du den Hals
Wie eine Schlange reckst,
Du wirst für Tage nun
Zum Pessimisten.

Aus: Arno Nadel Das Leben des Dichters
Nummerierter Privatdruck 1935
Gedruckt bei Victor Otto Stomps Berlin (S. 36)

_____



Zwei Wolken,
Wie ein Liebespaar,
Im tiefen Blau,
Dem Bett der Götter.
Sie dringen, gegen Wind,
Wie Leiber ineinander.
Nun sind sie
Eins.


Aus: Arno Nadel Das Leben des Dichters
Nummerierter Privatdruck 1935
Gedruckt bei Victor Otto Stomps Berlin (S. 39)

_____



Die Liebe ist
So langsam,
Daß sie,
Zum Ziele zu gelangen,
Am Leben nicht genug hat.
Sie geht
Bis an den Tod,
Und fängt vielleicht
Den Weg
Von neuem an.

Aus: Arno Nadel Das Leben des Dichters
Nummerierter Privatdruck 1935
Gedruckt bei Victor Otto Stomps Berlin (S. 75)

_____



Sieh, die Geheimnisse
Meines Lebens,
Sie bleiben in der Luft,
Den Liebenden
Erinnerung zu bringen,
Sie, wenn sie träumend
Von der Liebsten kommen,
Mit zartem Hauche
Zu empfangen.

Aus: Arno Nadel Das Leben des Dichters
Nummerierter Privatdruck 1935
Gedruckt bei Victor Otto Stomps Berlin (S. 82)

_____



All diese lusterfüllten Augen,
All diese aufgelösten Herzen,
Sie sind um unsern Raum,
Der ewig Not gebiert,
Um doppelt ewig
Wonne zu entzünden.

Aus: Arno Nadel Das Leben des Dichters
Nummerierter Privatdruck 1935
Gedruckt bei Victor Otto Stomps Berlin (S. 83)

_____



Das Grün der Zweige
Wiegt sich sanft,
Es ist
Kein Wind
Zu spüren.
Blatt stößt
An Blatt,
Es ist
Wie zartes Küssen,
Die Stämme rühren sich
Unsichtbar mit.
Ein grünes Amen weht
Durch Sommerglut.

Aus: Arno Nadel Das Leben des Dichters
Nummerierter Privatdruck 1935
Gedruckt bei Victor Otto Stomps Berlin (S. 84)

_____



Tamara, die Liebste, ist sich selbst
Das schönste Kunstwerk.
Ob auch im Näs'chen alles richtig sei,
Ob's Angesicht
Genügend Licht hat -
Sie sieht, wenn ich
In ihrer Nähe bin,
Ganz unbemerkt
Im Spiegel
Mit zartem Kennerblick,
Wie sie gelungen.

Aus: Arno Nadel Das Leben des Dichters
Nummerierter Privatdruck 1935
Gedruckt bei Victor Otto Stomps Berlin (S. 85)

_____



Ich suche in der Welt umher,
Und finde nichts.
An dir nur find ich
Immer Neues,
An dir, Geliebte,
Um die ich einst
Nur weinen werde,
Die nur
Mit meinem letzten Hauch
Vergeht.

Aus: Arno Nadel Das Leben des Dichters
Nummerierter Privatdruck 1935
Gedruckt bei Victor Otto Stomps Berlin (S. 86)

_____



Wie ihr die Welt
Nicht ganz begreift,
So werdet ihr mich
Nicht begreifen
Und meine Liebe nicht,
Die launisch süß ist
Wie die Welt,
Und die nur ist,
Doch nicht,
Um zu genügen.


Aus: Arno Nadel Das Leben des Dichters
Nummerierter Privatdruck 1935
Gedruckt bei Victor Otto Stomps Berlin (S. 87)

_____



Ich frage nicht,
Wie ich die Welt erfülle.
Die Welt bedarf nicht meiner.
Und was ich
In das Zeichen
Setzte,
War mir
Geschenk vor Allem.
Nur: wie beglück ich,
Fragt ich jede Stunde.


Aus: Arno Nadel Das Leben des Dichters
Nummerierter Privatdruck 1935
Gedruckt bei Victor Otto Stomps Berlin (S. 88)

_____



Am Ende
Bleibt
Die Frage,
So wie die Sehnsucht bleibt.
Das Eine
Wird
Das Andere.
Sehnsucht
Wird Liebe,
Antwort -
Frage.

Aus: Arno Nadel Das Leben des Dichters
Nummerierter Privatdruck 1935
Gedruckt bei Victor Otto Stomps Berlin (S. 89)

_____



Es muß wohl alles
Nur einmal sein.
Einmal das Glück,
Einmal das Leiden.
Und auch dies Leben
Wohl einmal nur.
Denn Gottes ist die Fülle.


Aus: Arno Nadel Das Leben des Dichters
Nummerierter Privatdruck 1935
Gedruckt bei Victor Otto Stomps Berlin (S. 97)

_____



Wie ich
In dieser Dämmerung
Wandle,
Die Seele
Der Erinnerung voll,
Das Heute, das Hernach
In Liebe -
Das ist's,
Worauf wir
Auf unserer Erde
Warten.


Aus: Arno Nadel Das Leben des Dichters
Nummerierter Privatdruck 1935
Gedruckt bei Victor Otto Stomps Berlin (S. 107)

_____



Ein alter Mann
Mit einer halben Nase.
In seinem Schlips
Auf einer Nadel
Trägt er ein Bild
Von einer Frau.
Die lächelt tief
Aus seinem Herzen
Und hütet ihn,
Wohin er fährt und geht.


Aus: Arno Nadel Das Leben des Dichters
Nummerierter Privatdruck 1935
Gedruckt bei Victor Otto Stomps Berlin (S. 108)

_____



Nur-Sein der Bäume,
Nur-Sein der Luft,
Ein Atmen
In der Seele Gottes,
Des süßesten der Dinge,
Das wir lallen,
Des Wortes hinterm Wort!


Aus: Arno Nadel Das Leben des Dichters
Nummerierter Privatdruck 1935
Gedruckt bei Victor Otto Stomps Berlin (S. 112)

_____



Und wie mein Herz gesundet,
Fängt es zu singen an.
Es lebt,
Das ist schon Singen.
Ich sang die Welt
Hinüber
Und blieb fast selber
Ohne Ding und Leben.


Aus: Arno Nadel Das Leben des Dichters
Nummerierter Privatdruck 1935
Gedruckt bei Victor Otto Stomps Berlin (S. 113)

_____



Jungfrauen lebten
Der edelsten Art.
Du,
Meine Geliebte,
Du gehst
Durch Jahrtausende
Und weilst auch
Ein wenig
Bei mir.

Aus: Arno Nadel Das Leben des Dichters
Nummerierter Privatdruck 1935
Gedruckt bei Victor Otto Stomps Berlin (S. 116)

_____



Ich sehne, Mädchen, mich
Nach deiner Brust,
Nach deinem Antlitz,
Deinem zarten Leib.
Wo aber ruhe ich,
Wenn ich entstellt,
Wenn ich erhoben bin?
Denn nur in tiefer Liebe
Kann ich ruhn.


Aus: Arno Nadel Das Leben des Dichters
Nummerierter Privatdruck 1935
Gedruckt bei Victor Otto Stomps Berlin (S. 123)

_____



Fast ruf ich
Wie mein Ritter,
Peter von Magelon,
Als er die weiße Brust der Liebsten
Zum ersten Male schaute:
Unglück kann mir nicht schaden!


Aus: Arno Nadel Das Leben des Dichters
Nummerierter Privatdruck 1935
Gedruckt bei Victor Otto Stomps Berlin (S. 131)

_____



Heut war
Die Stunde,
Um die die Welt
Geschaffen ward.
Ich lag im Arme der Geliebten
Und lächelte
Ein Dauerlächeln.

Aus: Arno Nadel Das Leben des Dichters
Nummerierter Privatdruck 1935
Gedruckt bei Victor Otto Stomps Berlin (S. 132)

_____



Das Antlitz der Geliebten,
Wenn es fühlt,
Womit vergleich ich's?
Mit zartem Alabaster,
Der sich wie Seele regt.


Aus: Arno Nadel Das Leben des Dichters
Nummerierter Privatdruck 1935
Gedruckt bei Victor Otto Stomps Berlin (S. 133)

_____



Da fährst du Nacht
Auf mich herab.
Und singst mir deine
Süßen Weisen vor.
O ja, ich fühle dich,
Du Liebesgottheit!
Die Männer und die Frauen
Nahen dir
Und betteln dir
Die tiefsten Seligkeiten ab.


Aus: Arno Nadel Das Leben des Dichters
Nummerierter Privatdruck 1935
Gedruckt bei Victor Otto Stomps Berlin (S. 143)

_____



Orpheus

Zerrissen werden
Von der Liebe,
Das Auge
Im geheimen Wunder, -
Das war dein Los.
Und warst doch
So lebendig,
Daß die Gestalt,
Die du hinieden ließest,
Umherging
Und in goldenen Worten
Tönte.

Aus: Arno Nadel Das Leben des Dichters
Nummerierter Privatdruck 1935
Gedruckt bei Victor Otto Stomps Berlin (S. 146)

_____



Nun weiß ich,
Wie du wahrhaft bist:
Nie kam die Lüge über deine Lippe,
Nie wußtest du,
Daß andere Männer leben,
Nie warst du zornig, als du um mich littst, -
Und immer
Warst du schön,
Weit schöner als die Frauen
Heiliger Lieder,
So schön nur wie der Traum
Der tiefen Sehnsucht,
Nur schön,
Nur - du -
Du!


Aus: Arno Nadel Das Leben des Dichters
Nummerierter Privatdruck 1935
Gedruckt bei Victor Otto Stomps Berlin (S. 151)

_____



Was willst du, schwarzer Falter?
Du läufst zu mir
Mit Füßchen, wie ein Käfer
Und hebst die großen Flügel
Voller Mühe. -
Bist du die Seele der Geliebten -
Und bist aus weiter Ferne
Hergeflogen,
Mich zu besuchen?
Ich will dich nicht berühren,
Du könntest leicht
In meiner Hand
Zerbrechen.


Aus: Arno Nadel Das Leben des Dichters
Nummerierter Privatdruck 1935
Gedruckt bei Victor Otto Stomps Berlin (S. 152)

_____



In stiller, tiefer Nacht
Sitz ich nun da
Und denke,
Wie du einst in einer Nacht
Den müden Leib mir hütetest.
Immer, wenn ich,
Durch böse Träume geschreckt,
Die Augen aufschlug,
Warst du noch wach,
Und lachtest mich
Mit seligen Augen an.
O Gott, war das ein Lachen!
Schon damals wußt ich:
Unsäglich werd' ich leiden müssen.

Aus: Arno Nadel Das Leben des Dichters
Nummerierter Privatdruck 1935
Gedruckt bei Victor Otto Stomps Berlin (S. 153)

_____



Die ferne Geliebte

Du, Herr, schickst uns das Schicksal,
Und wir, wir müssen wollen.
Du läßt uns dem begegnen,
Der uns durch Zukunft führt,
Und wir, wir müssen folgen.
Du bist die Schuld,
Wir sind die Unschuld.
Sei milde,
Bring die Reinheit mir zurück.
Wie konntest du sie
Von mir nehmen!
Sei milde, gib mir deinen Engel wieder.

Aus: Arno Nadel Das Leben des Dichters
Nummerierter Privatdruck 1935
Gedruckt bei Victor Otto Stomps Berlin (S. 154)

_____



An allerlei, an alles will ich gehn
Und immer denk ich doch
An dich, Geliebte,
Du, Körper voller Schönheit,
Vom Geist der Welt für mich behütet.
Ich seh dich nicht,
Und dich nicht sehn, wie einst,
Weh' unser Einst -
Ein einziger Atemzug
Bin ich geworden,
Die Lust zu dir,
Der Drang, der Tod in dir.


Aus: Arno Nadel Das Leben des Dichters
Nummerierter Privatdruck 1935
Gedruckt bei Victor Otto Stomps Berlin (S. 155)

_____



Was fehlt noch meinem Leben?
Mädchen, wie Schwärme meine Augen kühlend,
Mich süß und kühn vernichtend.
Und daß ich, neu erwachend,
Es neu und neu erlebe.
Orpheus, mein Bruder,
Gib mir deine Seele,
Daß ich mit allem Tod der Welt mich löse
Und in das Herz des Lebens wachse!

Aus: Arno Nadel Das Leben des Dichters
Nummerierter Privatdruck 1935
Gedruckt bei Victor Otto Stomps Berlin (S. 156)

_____



Du, meine Geliebte, -
Meine Seele ist verwirrt.
Sie sucht nach Zärtlichkeit,
Und findet deinen Glanz
In fremden Frauenaugen.
Was soll ich tun?
Komm, Schönheit,
Unsichtbar und wahrhaft,
Daß ich gerettet werde!

Aus: Arno Nadel Das Leben des Dichters
Nummerierter Privatdruck 1935
Gedruckt bei Victor Otto Stomps Berlin (S. 157)

_____



Sagt ich es schon?
Tamara ist so schön
Wie alle Lichtmarien.
Tamara ist so rein
Wie alle unschuldvolle Blüte,
Die tauend ohne Wünsche uns beseligt,
Tamara ist so zart und trostvoll,
Wie aller Traum, der uns umhüllt,
Wenn im Gebirge milder Abend kommt.
Und ich bin einzig da, sie anzuschaun
Und ihren Schein im Wort zu melden.

Aus: Arno Nadel Das Leben des Dichters
Nummerierter Privatdruck 1935
Gedruckt bei Victor Otto Stomps Berlin (S. 158)

_____



Innig bete ich:
Laß, Herr, meine Liebe rein sein,
Wie Liebe der Blumen,
Wie Liebe der Gestirne
Zum Menschenauge.
Denn sie, die Herrlichkeit,
Der Ort der Seele,
Will Alles
Und muß alles haben.

Aus: Arno Nadel Das Leben des Dichters
Nummerierter Privatdruck 1935
Gedruckt bei Victor Otto Stomps Berlin (S. 159)

_____


 

Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Arno_Nadel




 

 


zurück zum Dichter-Verzeichnis

zurück zur Startseite