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Erdmann Neumeister
(1671-1756)
Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
Auff einen kuß
Ein kuß! ein kuß! ein kuß!
Ach ich bin ganz entzückt /
Da mich doch nur ein einziger erquickt /
Ein kuß / das ist ein kuß.
Ach soll ich noch mehr sagen /
So muß ich noch einmahl die süssen lippen fragen /
Wovor man wohl solch labsal halten muß?
Doch / Iris / stimme mir mit hundert küssen bey /
Ich sage so / daß küssen in der liebe
Die quintessence sey.
(Theil 2 S. 122)
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Ich hab' ein wort geredt /
mein kind ich liebe dich /
Und bistu mir geneigt / so dencke nur an mich;
Doch wenn du dencken wilst / so fang' es heimlich an /
Daß niemand ausser uns die lust verstehen kan.
Die liebe will annoch bey uns verschwiegen seyn /
Drum schleuß die beste lust in deinem herzen ein;
Und ist es dir ein ernst / daß ich dir dienen sol /
So braucht es schlechte müh / nur lieb und schweige wol.
Die welt ist viel zu schlau / ich traue keiner wand /
Darum so bleibe nur von aussen unbekand.
Begehre keinen blick und keinen liebes-gruß /
So lang' ich ingeheim der leute spotten muß.
Die wachen sind bestellt / und wollen etwas sehn /
Doch ihnen zum verdruß soll nicht ein blick geschehn /
Genung / daß du mein kind so weit versichert bist /
Daß die zusammenkunfft nicht hoch vonnöthen ist.
Vielleicht erscheinet bald der angenehme tag /
Daß mein verborgner sinn sich recht erklären mag /
Da wird die schöne lust/ als wie der sonnenschein /
Der auf den regen folgt / verdoppelt lieblich seyn.
Indessen laß mich noch in meiner einsamkeit /
Und halte neben mir die kurze fasten-zeit.
Sol ich gleich itzo nicht in deinen armen ruhn /
Wil ich doch meine pflicht in den gedancken thun.
(Theil 3 S. 80)
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Cantata von der rechten
liebe
Aria
Nichts ist süsser als das lieben /
Lieben ist ein himmelreich;
Menschen / die das wesen üben /
Sind dadurch den göttern gleich.
Ja zwey recht vertraute herzen
Sind zwey engel auff der welt /
Weil ihr angenehmes scherzen
GOtt und menschen wohlgefällt.
Wiewohl die liebe muß auf rechtem fusse stehn.
Wo keine treu / wo keine keuschheit ist /
Wo man das tugend-ziel vergist /
Da muß die schöne lust zergehen.
Und was ein himmel heist
Muß eine hölle werden.
Jedoch ein reiner geist
Befleckt sich nicht.
Gedancken und geberden
Sind tugendhafft und edel eingericht.
Die küsse sind die seele bey dem lieben /
Wann diese rein geblieben /
So muß die seele leben /
Und tausendfache lust verliebten cörpern geben.
(Theil 2 S. 326)
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Ich sehe dich zum ersten mahle /
Und muß das erste mahl von dir entzündet seyn.
Dein schwarzes auge schlug mit einem lichten strahle
Das feuer in mein herz hinein.
Ich fühle schon die glut mir ins gesichte steigen /
Die flammen werden sich gar bald in augen zeigen.
Was hab ich / Celie / verbrochen /
Daß du den starcken blitz auff mich zuerst gericht?
Und welches ist die schuld / die du so hart gerochen?
Ich weiß von keiner sünde nicht.
Wie? soll die straffe mir vielleicht darum geschehen /
Daß dich / du götter-bild / ein mensch hat angesehen?
So muß ich durch den grimm verderben /
Wofern dein strenger sinn Dianen ähnlich ist.
Actäon sieht sie bloß / und muß deßwegen sterben;
Doch weil du eine Venus bist /
So dencke / diese läst mit feuer-heissen küssen /
Als sie Adonis sieht / den blick und frevel büssen.
Wer böse zauberey getrieben /
Dem wird das feuer sonst in rechten zuerkannt.
Ich weiß von solcher nichts. Ich wollte nur was lieben /
Und werde doch darum verbrannt.
Der richter / welcher mich so grausam will verdammen /
Schlägt selbst das feuer auff / und trägt das holz zusammen.
Ist ja dein eyffer nicht zu brechen /
Und wann die unschuld muß vor göttern schuldig seyn /
Wohlan! so will ich nicht dir / göttin / widersprechen;
Ich stelle mich zum urtheil ein /
Du wirst / wie Venus that / das blut-gerichte hegen /
Ich will Adonis seyn / und mich auffs feuer legen.
(Theil 1 S. 411-412)
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Erbarme dich / du schönheit dieser welt /
Und nimm von mir die fessel meiner seelen!
Wenn stahl und eiß die brust umschlossen hält /
Durch sclaverey mich auff den todt zu qvälen /
So dencke doch / der ursprung meiner noth
Ist schon der tod.
Ist schon der tod ein opffer deiner lust /
Und soll mein herz in heisser glut verbrennen;
So wollst du nur die alabaster-brust
Zu guter letzt mir zum altare gönnen.
Denn ein altar zum opffern muß ja seyn
Ein harter stein.
Ein harter stein wird durch die tropffen weich:
Mein auge läst auch ganze ströme rinnen;
Jedoch umsonst. Wem bist du endlich gleich?
Erweicht nur blut die diamantnen sinnen?
So kühle dann darinnen deinen muth /
Hier ist mein blut.
Hier ist mein blut / das treu und liebe weyht /
Die mich zuerst in sclaverey gestürzet.
Was brachte mich um meine güldne zeit?
Wer hat den weg der freyheit abgekürzet?
Der rauber war / ach daß ichs sagen muß!
Ein einzger kuß.
Ein einzger kuß legt mir die ketten an /
So kan mich auch ein kuß davon entbinden.
Wiewohl der wunsch ist ganz umsonst gethan /
Mein seuffzer soll in tauber lufft verschwinden.
So muß mein herz mit doppelt schwerer pein
Gestraffet seyn.
Gestraffet seyn / und ohne missethat /
Wird auch kein gott vor recht und billig sprechen.
Doch weiß ich nicht / wer mich gestraffet hat;
Vielleicht will sich der himmel an mir rächen.
Das macht / du warst / und mehr als er / zugleich
Mein himmelreich.
Mein himmelreich wird mir zur höllen-pein.
Ich soll und muß / ich will auch nur verderben;
Die freyheit wird in meinem grabe seyn;
Drum will ich gern als sclave grausam sterben.
Mein herz giebt nur den seuffzer noch von sich:
Erbarme dich!
(Theil 1 S. 412-414)
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Ich soll mich mit gewalt verlieben /
Mir ist zur inclination
Ein artig mädgen vorgeschrieben;
Wiewohl ich bleibe noch davon /
Weil ich das marck der besten jahre
Vor mich und gute freunde spare.
Ich habe zwar nichts auszusetzen /
Das mädgen ist wohl liebens werth.
Und diesen will ich glücklich schätzen /
Den sie zum courtisan begehrt.
Nur ich will mich des glücks begeben
Und in beliebter freyheit leben.
Sie weiß sich propre auffzuführen;
Manch frauen-zimmer läst auch drum
Ein krummes maul zum possen spüren /
Doch das verdoppelt ihren ruhm.
Die armen sünder müssen passen /
Und ihr das prä in allen lassen.
Wem sind die wunder-schönen blicke
Und ihre minen nicht bekandt?
Es fehlt ihr nichts in keinem stücke /
Was sie nur hat / das ist galant.
Der wird erst schöne sachen wissen /
Der sie mit appetit darff küssen.
Mir steht die thür vor andern offen.
Doch weil mich vor die courtoisie
Mein glücke läst was bessers hoffen /
So geb ich mir auch keine müh /
Und habe den termin im lieben
Auff lange zeit noch abgeschrieben.
Ich will bey guten freunden bleiben /
Die sollen manchen lieben tag
Die lange zeit gewünscht vertreiben.
Und weil coffe und auch toback
Die angenehme lust vermehren /
Will ich die liebe noch verschweren.
Wenn ja mein herz an solchen dingen
Sich endlich noch verplämpern soll /
So laß ich mich durchaus nicht zwingen /
Gezwungen speise schmeckt nicht wohl.
Ich muß die wahl und freyheit haben /
Wenn ich mich soll nach wunsche laben.
Und also last mich - - -
Mit einer inclination /
Sonst geht mir alle lust verlohren.
Deßwegen bleib ich auch davon /
Und mag mich nicht damit vermengen /
Noch vor der zeit die flügel hengen.
(Theil 1 S. 480-481)
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An Selimenen
Dein Angesicht ist eine reiche see /
Wo purpur-muscheln wachsen.
Die brüste sind der Aetna selbst zu nennen:
Denn aussen liegt ein wollen-weicher schnee /
Da innerlich viel tausend flammen brennen.
Vor diesem stürzte sich Empedocles hinein;
Solt auch mein schicksal seyn /
Das lebens-garn im feuer abzukürzen /
So möcht ich mich in diese flammen stürzen.
(Theil 2 S. 122)
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Von der schönen Laura
Die Laura denckt / sie sey vortrefflich schöne.
Und wenn ich sie nur höhne /
So bildet sie sich doch die warheit ein.
Sag ich zum spaß / die wangen wären rosen /
Die dennoch quitten seyn /
So weiß sie sich abscheulich lieb- zu kosen.
Nenn ich die augen sonnen /
Die um und um mit butter voll geronnen /
So giebt sie mir ein solch entzückt gesichte /
Als wie ein kater niest.
Nenn ich den halß und busen alabastern /
Der gelber marmel ist /
So schicket sie sich gar zu einem kusse /
Da denck ich mit verdrusse:
Du blinde welt / wie lange schenckstu rastern?
(Theil 2 S. 122-123)
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Aria
Weichet nun ihr blöden sinnen /
Weicht von hinnen /
Die die liebe nicht verstehn.
Denn es pflegt das schöne scherzen
Edlen herzen
Zur vergnügung anzugehn.
(Theil 2 S. 327)
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1.
So soll vernunfft und freyheit ganz verschwinden?
Ihr schönen augen thut gewalt an mir /
Welch feuer / welche glut wil meine seel entzünden?
Es dringt durch marck und bein herfür.
Soll auch der leib in asche sich verwandeln?
Ein holder engel wird ja nicht so grausam handeln.
2.
Das ist ein spiel von dir / du falsches glücke.
Was mir nicht werden kan / das zeigst du mir.
Du machst mir lust und leyd in einem augenblicke /
Und quälest mich zur ungebühr /
Was hilft der schatz / bey welchem so viel drachen /
Die nicht zu zähmen sind / mit hundert augen wachen?
3.
Es stund mir sonst das land der freuden offen /
Wo zucker wächst / wo milch und honig fleust.
Was soll die seele nun in dieser wüsten hoffen /
Als was mich die verzweifflung heist?
Mein trost läst mich zu seiner lust verderben /
Ich soll / ist das erhört? im paradise sterben.
4.
Ihr augen lacht / lacht nur zu meinem leide /
Ergötzet euch an meiner seelen qual.
Ihr lippen / nennet nur mein klagen eure freude;
Du herz / noch härter als ein stahl /
Magst über mich nur immer triumphieren /
Gnug / daß ich meinen sieg im tode werde spüren.
5.
Wolan / ich wil durch mein verhängnis sterben /
Die liebe wird mir eine schwindsucht seyn.
Ich werde nach und nach durch dieses gifft verderben.
Ich sauge solches täglich ein.
Jedoch du bleibst mir stets ins herz geschrieben /
Drum werd ich meinen todt auch in der asche lieben.
(Theil 3 S. 105-106)
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1.
Glück zu / du schöne-strasse /
Wo lauter zucker-rosen blühn /
Und wo mich zwey magnete ziehn.
Denn wenn ich mich verführen lasse /
So grüßt nur dich mein froher fuß /
Daß ich dir manchen gang des tages schencken muß.
2.
Hier scheinen zwey galante sterne /
Ach wenn ihr wunderschönes licht
Durch die beglückten fenster bricht /
So sieht mein herz den glanz von ferne /
Woran es sich gewünscht ergötzt /
Und dieses lustrevier vor einen himmel schätzt.
3.
Die pracht der schönen morgenröthe
Kan nimmermehr so schöne seyn /
Als dieser purpurgleiche schein.
Und hemmt ein widriger comete
Bißweilen den vergnügten lauff /
So geht doch dieses paar dadurch viel schöner auf.
4.
Wofern zwey Venus-sterne wären /
Gewiß / so hätt ich längst gedacht /
Als müsten sie bey tag und nacht
In diese gasse niederkehren.
Wiewohl so macht der holde schein /
Daß sie der schönheit nach zwey sonnen müssen seyn.
5.
Umfangt mich doch mit euren strahlen /
Erwärmet die verliebte brust.
Mein mund verspricht / die süsse lust
Mit tausend küssen zu bezahlen.
Mein herz ist zwar ein dunckel thal /
Doch in die klüffte fällt auch offt ein schöner strahl.
6.
Wiewohl so starcke sonnen-blitze /
Die doppelt auf die seele gehn /
Getrau ich mir nicht auszustehn.
Empfind ich nur von einer hitze /
So macht sie mir das herz so heiß /
Daß ich vor solcher glut ganz keine kühlung weiß.
7.
Ich muß zum lichte meiner seelen /
Das mir vergnügte blicke schickt
Und den verliebten geist erquickt /
Doch mit der zeit nur eine wehlen.
Allein sie sind fast gleicher krafft /
So bleibt mein blödes herz inzwischen zweiffelhafft.
8.
Ach eine läst recht wunderschöne /
Zumahl wenn das entzückte licht
Durch die geschwärzten wolcken bricht /
Und diese nennt sich - - -.
Doch lob ich den / der das erräth.
Die allerschönste heißt: wie denn? - - - - .
(Theil 3 S. 107-108)
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1.
Halt ein / was quälst du mich mit viel verliebten träumen?
Schliest mein vergnügen sich in blossen schatten ein?
Ich greiffe nach der frucht an wunderschönen bäumen;
Wiewol da muß die lust ein leerer fehlgriff seyn.
Mich deucht / ich könne schon im paradise stehen /
Und muß durch wüsteney noch in der irre gehen.
2.
Ich stille meinen durst an deinen schönen brüsten /
Allein des morgens kömmt der durst mich doppelt an;
Mir ist / als ob mich stets die süssen lippen küsten /
Doch wenn ich wachend bin / so hats ein traum gethan /
Läst die entzückung mich in deinen armen hangen /
So hab ich dennoch früh das bette nur umfangen.
3.
Ich klage meine noth / du hörest meine klagen /
Und sprichst mir lauter trost mit holden augen zu.
Dein schöner mund befiehlt mein glücke nur zu wagen /
So macht die hoffnung mir die angenehmste ruh.
Doch wenn der schlaff vorbey / muß sich die unruh mehren /
Und sich der süsse trost fast in verzweiflung kehren.
4.
Mir schenckt die dunckle nacht gewünscht mein ander leben:
Mich blickt der helle tag dargegen neidisch an.
Und meine seele muß sich fast dem todt ergeben /
Basmanda / siehe doch / was deine schönheit kan!
Darf mein verliebtes herz gleich noch in hofnung stehen /
So muß ich doch aus furcht als wie ein schatten gehen.
5.
Ach wil sich nicht einmal mein heiß verlangen fügen?
Wann hemmt die strudel-see den ungewissen lauff?
Wenn läst das glücke doch mein herz vor ancker liegen?
Wenn schlisset sich gewünscht der schöne hafen auf?
Wird endlich mast und schiff noch an den strand getrieben?
Und soll ich lebenslang in frucht und zweifel lieben?
6.
Basmanda / wilst du dich nicht über mich erbarmen?
Ist deine brust von erz? sind deine lippen stahl?
Ich sincke: Halt mich doch mit deinen schönen armen /
Ergötzest du dich selbst an meiner liebes-qual?
Doch kan ich durch den todt nur deine gunst erwerben /
So bin ich schon vergnügt und wil mit freuden sterben.
7.
Doch wo gerath ich hin? will ich auch wachend träumen?
Basmanda liebet mich. Die zeit und hoffnung wird /
Was unsre liebe stört / noch aus dem wege räumen /
Ihr träume fahret fort und machet mich verirrt /
Was mich ein schatten läst mit süsser wollust wissen /
Das hoff ich in der that und wachend noch zu küssen.
(Theil 3 S. 108-110)
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Alle Gedichte aus: Benjamin Neukirchs Anthologie
Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen
auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte Theile 1-7
Tübingen Niemeyer 1961-1991
(Neudrucke deutscher
Literaturwerke)
Biographie:
Erdmann Neumeister, geboren am 12. Mai 1671 in Uichteritz bei
Weißenfels, zeigte früh, schon in Schulpforta, eine ungewöhnliche
Fähigkeit, Texte zu paraphrasieren. Dieses Talent kam während der
Studienzeit in Leipzig zur vollen Entfaltung, nachhaltig beeinflußt von
der Poesie und Poetik Christian Weises sowie unter dem Einfluß der Oper,
gefördert von J.B. Mencke und schließlich in der Zusammenarbeit mit B.
Neukirch. Als Student der Theologie setzte sich Neumeister zwar
grundlegend mit dem Pietismus auseinander, trat jedoch als Poet,
Literaturkritiker und Poetiker an die Öffentlichkeit. Sein literatur-
kritisches Hauptwerk, die Habilitationsschrift 'De Poetis Germanicis...',
erregte weithin Aufsehen und erlangte nahezu kanonische Geltung aufgrund
der knappen, meistens zutreffenden Urteile nach ästhetischen
Gesichtspunkten. Viele seiner galanten Gedichte erschienen noch im
selben Jahr (1695) gedruckt, und zwar im 1. Band der sog. Neukirchschen
Sammlung 'Herrn von Hoffmannswaldau und anderer Deutschen ... Gedichte';
an der Redaktion der ersten Bänden hat Neumeister maßgeblich mitgewirkt.
Mit diesen Gedichten sowie in seinen Kollegs, die Menantes erstmals 1707
herausgab, eifert er seinem Vorbild C. Weise nach, ergänzt dessen Poetik
nicht unwesentlich, vor allem mit einem eigenen Abschnitt 'Vom Stylo',
und liefert wie jener die Muster. Trotz seiner Erfolge als Poetiker,
Kritiker und Poet schlägt Neumeister die Laufbahn eines Geistlichen ein,
wirkt als Pfarrer in Bibra (1697-1704), Hofgeistlicher in Weißenfels,
Oberhofprediger in Sorau (1706-15) und schließlich als Hauptpastor in
Hamburg. Hier setzt er den früh aufgenommenen Kampf gegen Pietisten,
Calvinisten, Synkretisten und Jesuiten mit polemischer Leidenschaft
fort; er verfaßt sogar theologische Streitschriften in Versen, wie er
auch seine Predigten mit Versen beschloß. Seine Kirchenlieder sind heute
vergessen, aber seine ureigenste Schöpfung, die galante Kirchenkantate
im strengen Wechsel von Rezitativ und Arie, eine Form der
Gebrauchskunst, die er bereits in Leipzig entwickelte, lebt heute noch
in Vertonungen, insbesondere in jenen J.S.Bachs, fort. Neumeister, der
am 18 August 1756 starb, wirkte als Poet und Literaturkritiker weit über
seine Zeit hinaus und zählt zu den Repräsentanten der deutschen
Galanten.
(Franz Heiduk)
Aus: Deutsche Schriftsteller im Porträt. Das Zeitalter des Barock. Hrsg.
von Martin Bircher. C.H.Beck München 1979
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