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      Anton Noder (Ps. A. de Nora) 
      (1864-1936)  
       
      Inhaltsverzeichnis der Gedichte: 
  
       
       
      
       
       
      Kommt! 
      
       
      Ich bin nicht von der Asra Stamm geboren, 
      Die sterben müssen, wenn sie lieben! 
      Ich bin kein Baum, der alle Kraft verloren, 
      Wenn er die eine Frucht getrieben. 
       
      Mein Herz gleicht jenen Äckern, die voll Ähren 
      An reifen Sommertagen prangen 
      Und klirrend ihrer Schnitterin begehren ... 
      Und sieh, die Schnitt'rin kommt gegangen. 
       
      Mit hellen Augensternen oder dunkeln - 
      Mit blonden oder braunen Locken - 
      Und läßt die Sichel in der Sonne funkeln - 
      Und schneidet lachend ihren Roggen. 
       
      Mein Herz ist reich und süß ist seine Spende. 
      Kommt, schöne Schnitterinnen, 
      Und erntet Liebe! Liebe ohne Ende! 
      Denn immer neue sprießt darinnen 
      (S. 3-4) 
      
      _____ 
      
      
       
       
      Fünf Sonette für die Frauen 
       
      I. 
      Euch brauch' ich! Euresgleichen tut mir not 
      Wie mir die Blumen not tun auf der Flur, 
      Die Himmelsbläue und das Abendrot 
      Und alles Schöne, Zarte der Natur. 
       
      Ich weiß es wohl, um satt zu werden nur, 
      Genügte auch des Alltags trocken Brot. 
      Doch so zu leben, ohne jede Spur 
      Des Schönen wäre schlimmer als der Tod. 
       
      Drum brauch' ich Euch! Und Eures Angesichts 
      Erröten, Lächeln, Euer Blick und Wort 
      Und Lieben sind mir Alles! - Oder Nichts! 
       
      - Denn wenn ich wandle auf der Bahn des Lichts, 
      Dann schreit' ich über Euch, o Blumen, fort, 
      Gleichgiltig ob Ihr blühet, ob verdorrt- - 
       
       
      II. 
      Und ob Euch kranke Toren auch verdammen 
      Und Euch entkleiden allen Menschenwerts, 
      An Einem bricht ihr ganzer Bau zusammen: 
      Und dieses Eine ist - das Menschenherz. 
       
      Denn Euch verdankt es seine schönsten Flammen, 
      Die höchste Seligkeit, den tiefsten Schmerz - 
      Ihr könnt nicht aus dem Schutt der Schöpfung stammen! 
      Ihr kamt vielleicht vom Himmel niederwärts! 
       
      Vielleicht als Heiland seid Ihr uns gesandt, 
      Mit reinen, gütigen Erlöserhänden 
      In Liebe alles Leid mit uns zu tragen - 
       
      Die Torheit aber hat Euch nicht erkannt 
      Und schweigend sterbt Ihr, wie Erlöser enden: 
      Gequält, verspottet und ans Kreuz geschlagen. 
       
       
      III. 
      Stellt an das Sterbebett mir schöne Frauen, 
      Damit, wenn dieses Aug' im Tode schwimmt, 
      Es noch das Beste mit hinübernimmt, 
      Was ihm vergönnt auf dieser Welt zu schauen! 
       
      Sei mir dann Freude oder Fluch bestimmt, 
      Mir gilt es gleich! Denn einer Hölle Grauen 
      Wird dieser Funke Himmel überblauen, 
      Der in den Blicken schöner Frauen glimmt. 
       
      Und wird die Qual der Ewigkeit versüßen 
      Und durch der Teufel ganze schwarze Schar 
      Wird mich ein weißes Frauenantlitz grüßen 
       
      Mit seinem Engelslächeln wunderbar, 
      Und gern will mit Unseligkeit ich büßen 
      Die Seligkeit, die mir auf Erden war. 
       
       
      IV. 
      Nicht Jene, die Euch schmeicheln wenn Ihr hold 
      Und heiß und jung seid und mit vollen Brüsten 
      Euch hingebt ihrer Lust und ihren Lüsten - 
      Nicht Jene sind es, die Ihr lieben sollt! 
       
      Wer Euch die wahre Frauenehre zollt 
      Und dem sich Eure Herzen neigen müßten, 
      Der liebt auch Lippen, die ihn niemals küßten, 
      Und küßt auch Hände, die er nie gewollt. 
       
      Und hält Euch heilig, ob Ihr alt, ob jung, 
      Schlecht oder gut seid, Weise oder Toren, 
      Als weibgewordene Erinnerung 
       
      Des Paradieses, das wir einst verloren, 
      Und das uns Einmal wenigstens im Leben 
      Durch Eure Liebe wird zurückgegeben. 
       
       
      V. 
      Ich möchte sterben unter Eros' Flügel! 
      In einem Augenblick der höchsten Lust, 
      Gebeugt auf einer weißen Frauenbrust, 
      Von Liebesglück geschwellte Lilienhügel! 
       
      Inmitten meiner Sünden Maienblust! 
      Den Fuß noch in der Leidenschaften Bügel! 
      Schnell - ohne Sterbgeklingel und Geklügel! 
      Zu Ende - und des Endes nicht bewußt! 
       
      So möcht' ich sterben! Und im Nichts verschwinden, 
      Wie Sonnenstaub in einem dunklen Raum, 
      Wie Opferdampf in weichen Abendwinden, 
       
      Wie Mutterlied in einem Kindertraum; 
      Und über meinem Grabe müßte prangen 
      Die goldne Schrift: In Seligkeit vergangen! 
      (S. 5-9) 
      
      _____ 
      
       
       
      Wenn Du mich liebst 
      
       
      Du bist in meine Macht gebannt, 
      Ich halte Dich, Du schönes Weib, 
      Und wenn ich schlösse meine Hand 
      Umschlöß' ich Dich mit Seel und Leib! 
       
      Und doch, sieh her, ich will es nicht! 
      Nicht meine Sklavin sollst Du sein! 
      Ich will, daß Deine Lippe spricht 
      Aus freien Stücken: Ich bin Dein! 
       
      Eh' nicht Dein Mund in heißer Lust 
      Von selber mir entgegenglüht, 
      Eh' nicht Dein Arm an diese Brust 
      Mich liebestrunken niederzieht - 
       
      Nicht eher sollst Du werden mein! 
      Denn ich will stärker sein als Du 
      Und Dich verdanken Dir allein! 
 - Wenn Du mich liebst, fliegst Du mir zu ... 
      (S. 10-11) 
      
      _____ 
      
       
       
      Träume 
      
       
      Schön wie Dein Lächeln kam die Nacht 
      Mit Flügeln, weich wie Deine Wangen 
      Und schwebte an mein Lager sacht 
      Und hielt mich, süß wie Du, umfangen. 
       
      Und sah mir schweigend ins Gesicht 
      Mit Augen dunkel wie die Deinen, 
      Und ließ der Träume mildes Licht 
      In meine müde Seele scheinen. 
       
      Und meine Seele schloß sich zu 
      Wie eine Ros' im Mondesschimmer - 
      Ob es die Nacht war oder Du, 
      Die mich geküßt - ich weiß es nimmer ... 
      (S. 12) 
      
      _____ 
      
       
       
      Wie ein verboten Buch 
      
       
      Ich bin wie ein verboten Buch, 
      Das lange war vor Dir versteckt 
      Und das Du plötzlich beim Besuch 
      Geheimer Winkel nun entdeckt. 
       
      Und nun ich aufgeschlagen bin 
      Wirst Du mich lesen, wild und heiß! 
      Es stehen viel Geschichten drin 
      Die niemand wissen darf und weiß. 
       
      Doch auch viel schöne Lieder steh'n, 
      Darin und Märchen wunderbar! 
      Du sprichst, wenn Du das Buch geseh'n, 
      Es war so schön wie keines war ... 
      (S. 13) 
      
      _____ 
      
       
       
      Frühlingsstürme 
      
       
      Wie ist es denn gekommen? 
      Es war wie ein Traum! 
      Es hat uns mitgenommen 
      Wie Blätter am Baum, 
       
      Die einsam über geblieben 
      Vom Winter sind, 
      Und die zusammengetrieben 
      Der Frühlingswind, 
       
      Und die aneinander schmiegen 
      Sich eng und dicht - 
      Wohin sie mitsammen fliegen 
      Sie wissen's nicht. 
      (S. 14) 
      
      _____ 
      
       
       
      Läuterung 
      
       
      Das eine Glück, das große, wundervolle, 
      Das jedem Menschen einmal nur gegeben - 
      Die Leidenschaft, die echte, heiße, tolle, 
      Die jeder einmal nur erlebt im Leben - 
       
      Du wirst sie jetzt, mein liebes Kind, erfahren! 
      Durch Deine Seele wird sie wild gewittern 
      Und Dich erschüttern, und in langen Jahren 
      Nachklingend noch in Deinem Herzen zittern ... 
       
      Doch fühlen mußt Du sie! Es muß verbrennen 
      Das Herz einmal die Flügel an der Flamme, 
      Daß es sich nicht in eitlem Selbstverkennen 
      Zu hoch erhebe und zu tief verdamme! 
      (S. 15) 
      
      _____ 
      
       
       
      Akkorde 
      
       
      Du darfst Deine Lieb' nicht zeigen 
      Und bist mir dennoch treu! 
      Du darfst nie werden mein Eigen 
      Und fühlst doch keine Reu'. 
       
      Denn Deiner Seele Saiten 
      Sind so auf meine gestimmt, 
      Daß sie über alle Weiten 
      Der meinigen Ton vernimmt. 
       
      Und wenn sie auch nicht das Leben 
      Auf eine Harfe schlang, 
      Sie schwingen doch gleich und geben 
      Zusammen nur einen Klang. 
      (S. 16) 
      
      _____ 
      
       
       
      Dein Bild 
      
       
      All mein Sehnen und mein Sinnen 
      Ist von Dir, von Dir erfüllt. 
      Auf der Brust und tief darinnen 
      Trag' ich Dein geliebtes Bild. 
       
      Mit der Morgensonne blickt es 
      Mir ins Auge, kaum erwacht; 
      Mit der Abendröte nickt es 
      Mir das letzte Gutenacht. 
       
      Und durch meine dunklen Träume 
      Zittert es mit weißem Licht 
      Wie durch dunkles Laub der Bäume 
      Weißer Mondesschimmer bricht. 
      (S. 17) 
      
      _____ 
      
       
       
      Herzensschläge 
      
       
      Wenn dieses müde Haupt ich lege 
      An Deine treue Schulter hin, 
      Dann hör' ich Deiner Herzensschläge 
      Verborgen-süße Melodien. 
       
      Wie schön es sich in Deinem Arme, 
      Auf diesen weißen Hügeln ruht, 
      In deren Grunde rauscht das warme, 
      Das lebenswarme junge Blut! 
       
      Mir ist, als ob es aus der Tiefe 
      Mit heißem Flüstern immerzu 
      Die Worte mir entgegenriefe: 
      Wie lieb bist Du! Wie lieb bist du! 
       
      Mir ist, als ob mit seinem Hammer 
      Es immer klopfte an die Tür 
      Der kleinen engen Herzenskammer: 
      Ich will zu Dir! Ich will zu Dir! 
       
      Mir ist als ob nach jedem Schlage 
      Es stille lauschend stehen blieb', 
      Als möcht' es Antwort auf die Frage: 
      Hast Du mich lieb? Hast Du mich lieb? 
       
      Ja, Herz! Du närrisch wildes, kleines! 
      Du Herz, von heißer Lieb' betört! 
      Geh zu! Ich hab' Dich lieb wie keines! 
      - Hast Du's gehört? Hast Du's gehört? 
      (S. 19) 
      
      _____ 
      
       
       
      Vision 
      
       
      In diesem Riesenlärm der Stadt, 
      In all dem Brausen, Klirr'n und Dröhnen 
      Ist mir als hört' ich, fern und matt, 
      Doch Deine sanfte Stimme tönen. 
       
      Und aus der Jagd des ohne Ruh' 
      Vorüberhastenden Getriebes 
      Blickt mir mit stillen Augen zu 
      Dein Angesicht, Dein blasses, liebes. 
       
      Wie einer, dem in Fieber glüh'n 
      Die Schläfen, und die Pulse schlagen, 
      Und dessen Hirn die Phantasien 
      In wilder Bilderflucht durchjagen, 
       
      Doch immerzu das Angesicht 
      Erblickt der bleichen, stillen Nonne, 
      Das seinen wirrsten Wahn durchbricht 
      Wie einen Nebeltag die Sonne, 
       
      Und deren feine kühle Hand 
      Ihn schützt, daß ihm kein Leid geschehe, 
      Und die er noch im Sterben ahnt 
      Wie eines Engels stumme Nähe. 
      (S. 20-21) 
      
      _____ 
      
       
       
      Ave-Läuten 
      
       
      Wenn die Ave-Glocken klingen 
      Denk' ich Deiner, süßes Kind, 
      Ach, als müßt' auf ihren Schwingen 
      Grüße bringen 
      Mir der Abendwind. 
       
      Denn wie weit Du auch gegangen, 
      Unsre Liebe trennt kein Raum, 
      Und die armen, sehnsuchtsbangen 
      Herzen hangen 
      Noch am alten Traum. 
      (S. 22) 
      
      _____ 
      
       
       
      Nocturno 
      
       
      Ein Abend im Herbst. Ein einsames Zimmer. 
      Darinnen lag 
      Mit mattem bläulichem Schimmer 
      Der sterbende Tag. 
      Und Du 
      Saßest am Flügel; 
      Ich sah und hörte im Dunkel Dir zu. 
      Über die weißen Tasten hin 
      Flatterte Deiner Finger Flug 
      Wie über die weißen Kreidehügel 
      An Englands Küste die Möven flieh'n. 
      Ich hörte Akkorde brausen und schwellen 
      Wie Brandung, die an die Klippen schlug 
      Dazwischen manchmal schrillte ein Schrei 
      Wie von Weh - - 
      Und dunkler und dunkler wurde die See -. 
      Im Dunkel verschwand 
      Der Mövenflug und der weiße Strand. 
       
      Doch auf der rauschenden schwarzen Flut 
      Trieb plötzlich vorbei ... 
      Ein Menschenhaupt ...! Ich sah es gut, 
      Und starrte es an, und sah nichts mehr 
      Als seine blassen, marmornen Wangen 
      Und das feine Profil, und wie grüne Schlangen 
      Ringelnde Locken um seine Stirn 
      Und tief, aus tiefen Höhlen her 
      Zwei todestraurige Augen irr'n 
      Wie Seelen, die in den Himmel wollen 
      Und finden ihn nicht - - - 
      - Und ich erkannte dies blasse Gesicht! 
      - Es war Deins!! - 
      In all dem Brausen und Tosen und Grollen 
      In all dem Wirbel weinender Stimmen 
      Die aus dem Wogen der Brandung schrien, 
      Trieb es schweigend dahin 
      Wie eine Leiche ... 
      Ich starrte entsetzt 
      Nur auf dies Antlitz, das totenbleiche, 
      Und sah es auf unsichtbaren Wogen 
      Schwimmen - verschwimmen - - 
      Als würd' es in gähnende Meerestiefen 
      Hinabgezogen . . . . . .  
      Stille zuletzt. 
      Die Töne entschliefen. 
      Nacht lag außen - und drinnen. 
      Und plötzlich, traurig, hast Du geboten 
      Mir Deine Hand 
      Und hießest mich geh'n. 
      Eine kühle Hand, wie die Hände der Toten! 
      - - - Meine Seele verstand. 
      - Ich ging von hinnen 
      - - Und habe Dich nie mehr, nie mehr geseh'n . . .  
      (S. 23-25) 
      
      _____ 
      
       
       
      Vergessen 
      
       
      Ich möchte Dich vergessen, 
      Wie einer, der erwacht, 
      Am Morgen hat vergessen 
      Die Träume seiner Nacht. 
       
      Nicht weiß er, ob ihm bange 
      Ob selig-süß geträumt, 
      Er fühlt nur, daß die Wange 
      Noch heiße Röte säumt 
       
      Und daß in seinem Herzen 
      Ein Zittern blieb zurück - 
      Wie von vergang'nen Schmerzen - 
      Wie von verlor'nem Glück. 
      (S. 26) 
      
      _____ 
      
       
       
      Sehnsucht 
      
       
      Sehnsucht ist der Wünsche Flug, 
      Die der Seele schnellster Flügel 
      Vorwärts über Tal und Hügel 
      In das Land der Liebsten trug. 
       
      An des Hauses Fensterlein 
      Pochen sie mit leisem Schlagen: 
      Liebchen, höre was wir sagen! - 
      Aber niemand läßt sie ein. 
       
      Und sie ziehen ihren Zug 
      Rückwärts über Tal und Hügel, 
      Langsam, mit gelähmtem Flügel - 
      - Sehnsucht ist der Wünsche Flug.
      (S. 27) 
      
      _____ 
      
       
       
      Weihnacht 
      
       
      Von seinem Heimatgrunde losgerissen 
      Steht der geschmückte Tannenbaum vor Dir, 
      Und wird für Dich zu Grunde gehen müssen 
      In seines Schmucks und seiner Lichter Zier. 
       
      Denn wieviel Seligkeit Du auch empfunden 
      In seines Glanzes märchenhafter Pracht - 
      Vergessen wirst Du ihn nach wenig Stunden 
      Und schleudern ihn zurück in seine Nacht. 
       
      Wie Du ein Herz geworfen zu den Toten, 
      Das, losgelöst von seinem Heimatherd, 
      Dir auch sein Schönstes, Süßestes geboten 
      Und sich in Flammenpracht für Dich verzehrt! 
       
      Denkst Du daran! Es zischen und es knistern 
      Die Lichter leis an Deinem Weihnachtsbaum 
      Wie Geister, die von alter Liebe flüstern - - 
      Steigt Dir im Herzen auf ein Weihnachtstraum? ...
      (S. 28-29) 
      
      _____ 
      
       
       
      Das Lied der Liebe 
      
       
      Oft trägt ein Herz mit Schweigen 
      In sich schon lang 
      Sein Lieben, wie die Geigen 
      In sich den Klang. 
       
      Bis endlich drüber gleiten 
      Wird eine Hand, 
      Die plötzlich alle Saiten 
      Zum Spiele spannt - 
       
      Und weckt das stumme Sehnen, 
      Das drinnen schlief, 
      Und läßt sie bebend tönen, 
      So voll, so tief, 
       
      So wild und doch so leise, 
      So stark und müd - 
      Es ist die alte Weise, 
      Das alte Lied! 
       
      Mein Herz hat es gesungen 
      Wie Sturmgebraus! 
 - Die Saiten sind gesprungen - 
      - Das Lied ist - aus ...
      (S. 30-31) 
      
      _____ 
      
       
       
      Oktober-Rosen 
      
       
      Spät sind noch in meinem Garten 
      Rote Rosen aufgegangen 
      Brennend rot wie ungestillter 
      Liebe brennendes Verlangen. 
       
      Ach ihr armen wunderschönen 
      Allzuspät erblühten Rosen! 
      Keine bunten Schmetterlinge 
      Kommen mehr mit euch zu kosen. 
       
      Keine zarten Nachtigallen 
      Singen mehr in eure Nächte. 
      Und gestorben ist die Liebste 
      Der ich euch zum Gruße brächte. 
       
      Kommt! Auf ihrem Grabe sollt ihr 
      Eure letzte Glut verprangen, 
      Brennend rot wie ungestillter 
      Liebe brennendes Verlangen.
      (S. 32-33) 
      
      _____ 
      
       
       
      Bekehrung 
      
       
      Ich liebt' einmal ein Mädel 
      Ein jung' frisches Weib, 
      Gold'ne Gedanken im Schädel 
      Ein golden' Herz im Leib. 
       
      Da sind die Pfaffen gekommen 
      Und haben der armen Dirn' 
      All, all ihr Gold genommen 
      Aus Herzen und Hirn. 
       
      Und haben dem süßen Geschöpfchen 
      Die Seele erfüllt mit Nacht 
      Und in das lustige Köpfchen 
      Gott und den Teufel gebracht. 
       
      Nun wird sie ja wohl erwerben 
      Die himmlische Seligkeit, 
      Und muß sie auch vorher sterben 
      An irdischem Herzeleid.
      (S. 34-35) 
      
      _____ 
      
       
       
      Um Scherben 
      
       
      Ich habe vor wenig Tagen 
      Ein kleines Mädchen geseh'n, 
      Das hat eine Puppe getragen, 
      Gar sonderlich anzuseh'n. 
       
      Das Püppchen war umschimmert 
      Von Sammet und Seide licht, 
      In Scherben aber zertrümmert 
      War ganz sein liebes Gesicht. 
       
      Und dennoch mit seltsamer Güte 
      Hegte sein Spielzeug das Kind, 
      Als ob es erst recht nun hüte 
      Die Trümmer, von Liebe blind. - 
       
      So hat auch mein Herz getragen 
      Der Liebe kindischen Traum, 
      Und nun er in Scherben zerschlagen 
      Versteh' ich und fühl' es kaum. 
       
      Und schmücke mit Liedern noch immer 
      Ihr letzt' armseliges Stück, 
      Und hüte noch immer die Trümmer 
      Von einem zerbroch'nen Glück.
      (S. 36-37) 
      
      _____ 
      
       
       
      Vergeltung 
      
       
      Ich weiß, Du wirst noch einmal kommen, 
      Wenn alles, alles längst vorbei! - - 
      Auf Deinen Lippen, Deinen frommen, 
      Wird dann erzittern, lustentglommen, 
      Der Sehnsucht liebeskranker Schrei. 
       
      Nicht mehr so keusch zu Boden schlagen 
      Wirst Du die Augen dann vor mir! - 
      Sie werden brennend für mich tagen 
      Und mir von heißer Sünde sagen, 
      Die jahrelang geloht in Dir! 
       
      Nicht mehr die Arme wirst Du recken 
      Zum Himmel betend und verzückt - 
      Sie werden mir entgegenstrecken 
      Die Hände, wie ein Opferbecken, 
      Auf dem Dein Leben für mich liegt! 
       
      So wird es sein! Wie damals wieder 
      Wird es ein Tag voll Sonne sein, 
      Voll blauer Luft und blauem Flieder 
      Und Jubelruf der Lerchenlieder - - 
      Ich aber werde sagen: - Nein!
      (S. 38-39) 
      
      _____ 
      
       
       
      Der Tod und der Frühling 
      
       
      Es kann nichts Schlimmres geben 
      Von allen Schicksalsgaben 
      Als, wenn sich kraftgeschwellt 
      Ringsum erneut das Leben, 
      Im Frühling zu begraben 
      Sein Liebstes auf der Welt. 
       
      Auf grünem Rasenkissen 
      Das übersät die bunte 
      Jungfrische Frühlingspracht, 
      Klafft gähnend aufgerissen 
      Wie eine schwere Wunde 
      Der schwarze Grabesschacht. 
       
      Da senken sie hinunter 
      Die Truhe, die Dein Lieben, 
      Dein ganzes Lieben barg; 
      Dir ist als ob sie drunter 
      Für immer auch begruben 
      Den Frühling mit dem Sarg. 
       
      Mit jeder Schaufel Erden 
      Wird ja hinabgenommen 
      Ein ganzes Blumenheer - 
      - Ach nächsten Frühling werden 
      Die Blumen wiederkommen . . .  
      Nie, nie Dein Liebes mehr!
      (S. 50-51) 
      
      _____ 
      
       
       
      Die Lieb' ist eine Nachtigall ... 
      
       
      Die Lieb' ist eine Nachtigall 
      Und weilt nicht gern an jenem Ort, 
      Wo Stürme tosen allzusehr; 
      Und wenn es kalt wird um sie her, 
      Dann zieht sie fort. 
       
      Die Lieb' ist eine Nachtigall. 
      Das wunderschönste Lied hat sie; 
      Doch wo noch eine Brust durchzieht 
      Der andern Leidenschaften Lied, 
      Erklingt es nie. 
       
      Die Lieb' ist eine Nachtigall. 
      So ärmlich ist ihr Tageskleid. 
      Doch in der Mondschein-Nächte Glanz 
      Liegt ihr die Welt zu Füßen ganz 
      In Seligkeit. 
       
      Die Lieb' ist eine Nachtigall. 
      Im gold'nen Käfig singt sie nicht. 
      Doch wem sie einst im Walde sang, 
      Der mag ihr Lied sein Leben lang 
      Vergessen nicht.
      (S. 52-53) 
      
      _____ 
      
       
       
      Dichterliebe 
      
       
      Ihr, die ihr einen Dichter elend macht, 
      Seid nicht so stolz auf euer Schönheit Macht! 
       
      Ihr seid oft nur die Form, in welche wild 
      Sein heißes Glockenherz der Liebe quillt, 
       
      Die Form, in die er glühend alles gießt 
      Wovon sein Herz, sein volles, überfließt. 
       
      Wohl gebt ihr, weil ihr selber hart und kalt, 
      Erst seiner Sehnsucht Grenze und Gestalt 
       
      Und bändigt seines Geistes Feuerschwall 
      Und härtet ihn zum tönenden Metall - 
       
      Doch wenn er sich einmal zum Himmel schwingt 
      Und all sein Weh und Glück im Liede klingt, 
       
      Dann ist schon längst erloschen seine Glut 
      Und längst erkaltet jene heiße Flut. 
       
      Euch, seiner Liebe Form, zerbricht die Zeit. 
      Doch was er schuf, gehört der Ewigkeit.
      (S. 54-55) 
      
      _____ 
      
       
       
      Zwei französische Sonette 
       
      I. 
      Le Sonett d'Arvers 
      Ein tief Geheimnis liegt auf meines Lebens Grunde: 
      Ich liebe! Jäh, doch unauslöschlich war der Brand. 
      O hätt' ich dieser hoffnungslosen Liebe Wunde 
      Auch jetzt verschwiegen, wie ich ihr sie nie gestand. 
       
      Ihr, die nie einen Wunsch vernahm von meinem Munde, 
      Von deren Munde nie ein Wunsch Gewährung fand! 
      Ihr, die mich immer sah und die mich nie verstand 
      Und der ich treu noch bin in meiner Todesstunde! 
       
      O sie ist lieb und süß! Und dennoch ruhig schreitet 
      Sie weiter ihren Weg, treu ihrer strengen Pflicht 
      Und taub der Liebe, die sich ihr zu Füßen breitet. 
       
      Und ruhig wird sie, wenn ihr Auge dies Gedicht, 
      Dies ganz von ihr, von ihr durchglühte, übergleitet, 
      Noch fragen: Wer ist "sie"? - Und sie errät es nicht ... 
       
       
      II. 
      Henri Becque 
      Nichts ruft sie wieder mir herbei. 
      Kein Bild hab' ich von ihr, kein Haar 
      Und keine Zeile! Ganz und gar 
      Mitsammen fertig sind wir zwei! 
       
      Sie war voll Gift und Raserei, 
      Wie ich voll Gall' und Grobheit war. 
      Ein wundersames Liebespaar: 
      Er ohne Glück! Sie ohne Treu! 
       
      Nun endlich einmal riß das Band! 
      Nach soviel Flitterglück und Tand 
      Und Küssen und Geflenn und Hassen! 
       
      Zwei Kämpfer, die sich so zerfetzt, 
      Daß selbst der Haß sie nicht mehr hetzt 
      Und sie die Waffen sinken lassen .....
      (S. 56-58) 
      
      _____ 
      
       
       
      aus: Stürmisches 
      Blut. Hundert Gedichte 
      von A. De Nora 
      Leipzig Verlag von L. Staackmann 1905 
 
   
      Biographie: 
       
      Nora, A. de (Ps. für Anton Alfred Noder), * 29. 7. 1864 München, † 7. 5. 
      1936 ebd.; studierte Medizin in München, 1889 Dr. med., 1889-1910 Arzt in 
      Türkheim, dann in München. Hauptmitarbeiter an der "Jugend". Erzähler, 
      Feuilletonist, Lyriker und Dramatiker. 
      Schriften: Mein Herz, 1896; Am Rande des Abgrunds. Das dürre Blatt (Nov.) 
      1898; Das Räthsel - Die Diebin (Nov.) 1898; Die Nachtwandlerin - Die Trud 
      (Nov.) 1899; Stürmisches Blut. Hundert Gedichte, 1905; Sensitive Novellen, 
      1905; Totentanz. Ein Dutzend Noveletten, 1906; Ruhloses Herz (Ged.) 1908; 
      Maxl Bierjung. Naturgeschichte eines Pennälers, 1908; Nazi Semmelbachers 
      Hochzeitsreise, 1910; Meine Käfersammlung (Species bavaricae). 
      Humoristisch-satirischer "Jugend" - Bilderbogen aus Bayern, 1911; 
      Hochsommer. Neue Gedichte, 1912; Die sieben Schelme von Großlichtheim, Ein 
      fröhliches Plauderbuch, 1913; Madonnen. Ein Zyklus, 1913; Das 
      Soldatenbuch. Neue schöne und lustige Soldatenlieder, 1914; Erfüllung. 
      Neue Gedichte, 1916; Stunden. Neue Novellen, 1917; Das lockende Blut und 
      andere Novellen, 1917; Gesichte. Ein Cyklus (Ged.) 1918; Die Rächer. 
      Novelle aus der Revolutionszeit, 1919; Der Liftboy. Novellen, Grotesken 
      und Skizzen, 1920; Das Ende der Marquise und andere Novellen, 1922; Die 
      Täuscher. Ein Bauernroman aus Schwaben, 1922; Die Tanzprinzessin, 1923; 
      Die Eumenide (Drama), 1923; Das Tal des Willens (Nov.) 1925; Nabelhirn 
      (Roman) 1927; Henker, Heilige, Hetären (10 Nov.) 1928; Giorgione (Roman( 
      1929; Erinnerungen eines Arztes und Dichters, 1930; Am Färbergraben. 
      Erinnerungen um die Jahrhundertwende, 1932. 
       
      aus: Deutsches 
      Literatur-Lexikon. Biogr. - bibliogr. Handbuch Begründet von Wilhelm Kosch. 
      Dritte völlig neu bearb. Auflage 
      Francke Verlag Bern Stuttgart 1988 
       
       
      ______ 
       
       
      Noder, A. A., psd. A. 
      De Nora , wurde am 29. Juli 1864 in München als Sohn eines Arztes geboren, 
      verlebte seine Jugendzeit in verschiedenen Landstädten Schwabens und 
      Frankens und erhielt seine Gymnasialbildung an den humanistischen 
      Gymnasien in Kempten, Neuburg u. München. 1882 bezog er die Universität 
      seiner Vaterstadt, widmete sich dem Studium der Medizin u. nebenher mit 
      Vorliebe literarhistorischer Wissenschaft unter Bernays. Im April 1889 
      erwarb er sich seine Approbation und die Würde eines Dr. med. und gründete 
      bald darauf seinen eigenen Hausstand. Aber nach der kürzesten Zeit, noch 
      auf der Hochzeitsreise, verlor er seine junge Frau in Berlin infolge eines 
      Schlaganfalls durch den Tod. Nach diesem herben Schicksalsschlage gründete 
      er sich im September 1889 eine neue Heimat in dem schwäbischen Orte 
      Türkheim in der Nähe seines elterlichen Wohnsitzes und fand hier 1891 auch 
      eine neue Lebensgefährtin, die ihm in seinem Berufe treu zur Seite steht. 
      Im Jahre 1910 verlegte er seinen Wohnsitz nach München. Der Neigung zur 
      schriftstellerischen Tätigkeit hat N. auch während seiner schweren 
      Berufsarbeit nie ganz entsagt; aber erst seit 1896 ist er mit 
      selbständigen Werken an die Öffentlichkeit getreten. In weiteren Kreisen 
      bekannt wurde N., seit er als Mitarbeiter an der Münchener „Jugend“ mit 
      erotischer und satirischer Lyrik und mit kleinen, scharf geschliffenen, 
      modernen Novellen hervortrat, und seitdem ist er fast in jeder Nummer 
      dieses Blattes durch einen Beitrag vertreten. 
      S: Mein Herz (Jugendgedichte), 1896. – Am Rande des Abgrunds. Das dürre 
      Blatt (Nn.), 1898. – Das Rätsel. Die Diebin (Nn.), 1898. – Die 
      Nachtwandlerin. Die Trud (Nn.), 1899. – Der schwrze Mann (Ein Bilderbuch 
      für Kinder), 1901. – Stürmisches Blut (100 Ge.), 1905. – Totentanz 
      (Novellen) 1906 (Inhalt: Geheimrat Tod. – s' Marei. – Nonnen der Ehe. – 
      Der Blinde. – Der Fuß. – Auf Wiedersehen. – Der Peterl. – Das Lachen der 
      Toten. – Der Lenz. – Unersättlich. – Das lockende Blut. – Ein Brief.) – 
      Sensitive Novellen, 1905 (Inhalt: Zwei Wege. – Das Rätsel. – Die Diebin. – 
      Fin de Siècle. – Das rote Korsett. – Aus Mitleid.) – Ruheloses Herz(Ge.), 
      1908. – Maxl Bierjung (Naturgeschichte e. Pennälers), 1908. – Nazi 
      Semmelbachers Hochzeitsreise (Hum. E.), 1910. – Meine Käfersammlung 
      (Humorist. satir. „Jugend“-Bilderbogen a. Bayern); II, 1911. 
       
      aus: Noder, A. im 
      Lexikon deutscher Dichter und Prosaisten  
      [Lexikon der deutschen Dichter und Prosaisten vom Beginn des 19. 
      Jahrhunderts bis zur Gegenwart. Bearbeitet von Franz Brümmer. Leipzig: 
      Reclam; 6., völlig neu bearb. und stark verm. Aufl. – 1913, Band 5, S. 
      147f.:] 
       
       
      siehe auch:
      
      http://bruemmer.staatsbibliothek-berlin.de/nlbruemmer/autorenregister/transkription.php?id=39    
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