Martin Opitz (1597-1639) - Liebesgedichte

Martin Opitz




Martin Opitz
(1597-1639)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 


Teutsche Poemata



[.47]
Epigramma

Ach schicke mir doch zu ein Küssichin / mein Leben /
Fürchstu / daß auff dem Weg es jemandt möcht auffheben?
Ey druck auff mein Mundt dein zartes Mündelein /
So wird es vor Gefahr der Diebe sicher sein.
(S. 191)
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[.54]
Elegie auß Dan. Heinsij Monobiblo

IHr aber wisset nichts als nur auff Gut zusinnen /
Vnd zieht bald vber Feld / bald durch das wilde Meer /
Ja wohin auch die Sonn hat niemals reichen künnen /
Da bringet jhr das Golt / den schönen Koth / anher.
Vnd ich bedarff diß nicht / was jhr an allen enden
Zu Land vnd Wasser sucht / das hab sich schon bey mir /
Mein Gut ist / daß ich sterb in meiner Liebsten Händen /
Die Strasse wandel ich gar sicher für vnd für.
Dann jetzundt wirdt mein Geist von jhrem Geist empfangen /
Wenn er das schöne Thor des Mundes kompt hinein /
Jetzundt ergeh ich mich bey den liebreichen Wangen /
Da Venus vnd jhr Sohn persönlich wohnhafft sein.
Bald hatt sie mir / ich jhr den zarten Halß vmbgeben /
Vnd schaw / wie die Natur so trefflich sie geziert /
Bald in den äugelein enthalt ich mir das Leben /
Dahin werdt ich zugleich mit Sinn vnd Muth geführt /
Wie der so vnverschuldt sein Vatterland verlassen /
Muß suchen einen Weg der jhm gantz vnbekandt /
Geht vber Berg vnd Thal durch angenehme Strassen /
Nichts achtendt / als allein sein liebes Vatterlandt.
Wann er dann ohn gefehr erblicket einen Bronnen /
Der sonst verborgen ist in mitten in dem Wald /
Befreyet vor der Hitz vnd vngedult der Sonnen /
Da nichts als nur das Wild hat seinen auffenthalt /
So ist er wohlgemuth / vergisset aller dinge /
Erforschet nur den Quell deß Brünneleins mit fleiß /
Vnd wünscht / daß jhn alldar der sanffte Schlaf vmbringe /
Weil er vor grosser Lust sich selber auch nicht weiß.
Nicht weniger auch mich / weil ich so sehr gejrret
Durch Frewd vnd höchste Lust der süssen Liebes pein /
Weil mein Gemüthe sich in Wollust gantz verwirret /
Wirdt nichts mich machen loß / als nur der Todt allein.
(S. 192-193)
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[.58]
Epigramma

FLeuch wo dir hingeliebt / wohin du nur kanst kommen /
Fleuch mein Gemüthe / fleuch Lufft / Fewer / Wasser / Erdt /
Du magst doch nicht entgehn / dein vorsatz wirdt verkert /
Weil dich mein Lieb inn sich schon gäntzlich eingenommen.
(S. 194)
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[.60]
Epigramma

ALs dich / O werthe Kron / der Hirte Paris sach /
Erschrack er / vnd fieng an: O Venus halt gemach /
Gib mir den Apffel her / dir ist zuviel geschehen /
Die schöne Nymf hab ich vorhin noch nie gesehen.
(S. 194)
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[.74]
Sonnet

DIe Liebe kränckt mein Hertz / der Krieg das Vatterland /
Der Krieg mit Haß vnd Zorn / die Liebe mit dem Bogen /
Die Liebe saugt mich auß / der Krieg hat ausgesogen
Vns vnd die Nachbarschafft mit Anstoß allerhand /
Die Liebe steckt mich an / der Krieg steckt Stätt in Brandt/
Die Lieb ist listiglich in mein Gemüth geflogen /
Mars hat durch falschen Schein das Vatterland betrogen /
Die Lieb ist blind / im Krieg ist offte nit Verstandt.
Es ist vnglücklich Volck die solche Herren ehren /
Die Liebe lohnt mit Leyd / der Krieg mit viel verhören /
Es pfleget beyderseits nit köstlich zuzugehn /
Begeb ich mich ins Feldt / Durst / Hunger mich begleitet /
Folg ich der Liebe nach / die Liebste mich bestreitet /
Es ist der beste Rath / ich lasse beydes stehn.
(S. 197)
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[.75]
Epigramma Oweni
An die so sich schmincken

DIe jhr mit Farb anstreicht euch ewre Zierlichkeit /
Bekennet recht / daß jhr nur Staub vnd Asche seid.
(S. 197)
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[.88]
Die Jagt deß Cupido

IN der schönesten der Zeiten /
Wenn verjüngt wirdt alle Welt /
Wann die Flora Blumen spreiten
Thut / durch Wisen / Wald vnd Feldt /
Kam der Venus Sohn gegangen /
Eh sich Lucifer eräugt /
Eh Aurora jhre Wangen
Vnd goltgelbes Haare zeigt /
Venus lag ohn sorg vnd zagen
Gantz deß sanfften Schlaffes voll /
Mutter / sagte er / ich geh jagen /
Vnder deß gehabt euch wohl /
Da erwachte die Göttinne /
Sprach: Cupido liebes Kindt /
Weil du dieses hast im Sinne /
Sey es gerne dir gegünt /
Vnd ich wünsche daß dein Bogen /
Richtig schiesse für vnd für.
Wann du dann diß Werck vollzogen /
Komm auch wieder her zu mir.
Diß derhalben zu vollführen /
War er baldt zur Jagt bereit /
Nicht zur Jagd nach wilden Thieren /
Wie Adonis vor der Zeit /
Sondern daß er möchte zwingen /
Diese grosse weite Welt /
Vnd in seine Netze bringen /
Was der Himmel in sich helt.
Als der Zephyrus vernommen /
Was das Kind gesonnen wer /
Ist er mit der Aura kommen /
Zu verkünden diese Mähr /
Doch thät er sich plötzlich nähen /
Eh man für jhm fliehen kundt:
Eh man seiner sich versehen /
Hat er schon sehr viel verwundt.
Also wirdt sehr offt betrogen
Die gelehrte Nachtigall /
Eh sie kaum hinzu geflogen /
Ist sie kommen schon zu fall /
Juppiter / der Donnerkeile
Nur für Spiel vnd schertze helt /
Wardt durch dieses Kindes Pfeile /
In der Buhler zahl gestellt /
Phoebus hatte Kunst vnd Witzen /
Pluto war an Golde reich /
Es kont jhnen doch nicht nützen /
Es war Amor alles gleich /
Mars der sonst sich außzurüsten
Vnd zu streitten war bedacht /
Sauget an der Venus Brüsten /
Vnd vergaß der Kriegesmacht /
Bacchus wuste nichts von Trauben /
Gantz entzündt in süsser Pein /
Muste Liebes Speise klauben /
Thränen giessen vor den Wein /
Eolus ließ Nort vnd Osten /
Pan ließ Schaf vnd Hirten stehn /
Götter vnd Göttinnen musten
Nach des Kindes Willen gehn /
Alle Menschen wurden innen /
Wie Cupido sehr geschwindt /
Wie er jhren Muth vnd Sinnen
Mit dem Pfeil regieren künt.
Alles wurde gantz verheeret /
Alles war mit Leyd erfüllt /
Biß sich hat der Tag gekehret /
Vnd die Sonn jhr Haupt verhüllt /
Da flog Amor heim zur stunden /
Zeigte seiner Mutter an /
Wie er alles vberwunden /
Wie jhm alles vnderthan.
Bald hat sie jhn angenommen /
Vnd am Nectar voll gemacht /
Biß der süsse Schlaff ist kommen /
Vnd jhn hat zu Ruh gebracht.
(S. 200-202)
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[.94]
Von der Cynthia Thränen

Ach Cupido / leidestu
Daß die Zehren jmmerzu /
Dieser klaren Augen glantz
Wässern / vnd verschwemmen gantz /
So der Thränen weite Fluth
Außlöscht jhres Fewers Gluth /
Sage wo man künfftig kan /
Deine Fackel zünden an?
(S. 203)
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[.99]
Von der Asterie Ringe

WIe dieser Ring von Golt geschmiedet ist zusammen /
Wie dieser edle Stein scheint gleich den Fewerflammen /
So ist auch dein Gemüth so hart als Golt vnd Stein /
Vnd dein Gesichte scheint ein helle Fackel sein.
(S. 204)
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[.100]
Hochzeit Gedichte

NAch dem die Welt gegründt vnd jhr Termin gesteckt /
Nach dem die schöne Lufft rundt vmb sich außgestreckt
Vnd auch die wilde See / die nah' vnd weit zukommen
Pflegt nach deß Monats lauff / jhr örter eingenommen /
Sah Jupiter hinab / vnd spürete niemandt /
Der diß gewaltig Hauß brecht vnder seine Hand.
Drumb von seins Vatters deß Saturnus Leib er hiebe
Das theil so schändtlich ist / doch nötig in der Liebe.
Vnd warff es in das Meer / darauß ein Schaum herkam /
Davon das geyle Weib die Venus Vrsprung nam /
Das geyle Weib / das Weib das aller Götter Sinnen /
Mit jhrem blinden Kind hat listig rauben können /
Sie haben gantz vnd gar gebracht in kurtzer Zeit
Das Menschliche Geschlecht in jhre Dienstbarkeit /
Sie theten vber diß ein ärger wesen führen /
Beweisen jhre Macht auch an den stummen Thieren.
So das nun vberal durchauß nichts leben kan /
Es muß jhr vnd dem Kindt allzeit sein vnderthan /
Das Kindt / das lose Kindt / das mit dem Pfeil vnd Bogen /
So sehr viel hundert Jahr ist durch die Lufft geflogen /
Vnd hat sein grosses Reich gewaltig stark vermehrt /
Ja auch die Mutter selbst ohn alle schew versehrt /
Das Joch mußt jhr doch auch noch angeworffen werden /
Von jhrem eignen Sohn / der Herr ist dieser Erden /
Vnd Printz der weiten Welt / der helt die Lufft vor sein /
Die zierlich ist gewirckt mit lichten sternelein /
Die mit der strahlen glantz gehn auff der weissen strassen /
Vnd in der holen Kant Lufft / Erdt vnd See umbfassen.
Nun laßt vns doch besehn wohin der schöne Sohn /
Der grosse-kleine Gott gebauet seinen Thron /
Er hat jhm außerwehlt der Augen Thron zu eigen /
Die vns sein Königreich / als klare Spiegel / zeigen.
Der Augenapffel ist die Kugel dieser Welt /
Das Wasser aber / das der Apffel in sich helt /
Das sind die milden Quell so auß den Bergen schiessen /
Vnd durch das grüne Thal mit sanfftem rauschen fliessen.
Der Circkel runde Krantz / der vmb den Apffel geht /
Das ist die wilde See die nach der Erden steht /
Der Augen weisser Platz so sich vmbher ergeusset /
Das ist die klare Lufft / die Erdt vnd See beschleusset.
Es ist ein wunder ding daß das vierdt Element
Auch in den Augen nicht von andern ist getrennt /
Das Fewer / so durchs Meer gantz hell vnd lieblich blicket /
Vnd mit dem schönen schein vns Muth vnd sinn entzücket.
Das Fewer / so den Weg jhm durch die Augen nimbt /
Vnd vnvermerckter sach in vnser Hertzen kümpt /
Da ruht es ohne Ruh / da hebt es an zu brennen /
Daß wir der Liebe krafft vnd vns in vns nit kennen.
Was Wunder ist es dann / daß er mit seinem Band /
Die Welt bezwungen hat durch seine schwache Hand /
Der tausent Welten hat / die Augen / da er zeugen
Vnd klärlich darthun kan / wie er vns könne beugen?
Diß ists / das euch bezwang / diß ists Herr Bräutigam /
Diß ist die newe Welt so ewer Hertz einnam /
War euch auch wol zu muth / gabt jhr euch auch verlohren /
Als die vier Element zugleiche sich verschworen /
Zu liefern eine Schlacht / die in der Augen Welt
Sich alle lägerten / vnd gaben sich zu feldt?
Ihr habt euch warlich wol die Rechnung machen können /
Daß vier so starcke Feind euch würden angewinnen /
Ihr thut auch was jhr wolt / jhr brauchet alle Kunst /
Ich halte nur darfür die Arbeit sey vmbsunst /
Bey dreyen were Rath / dem vierden zuentfliehen /
Dem Fewer / weiß ich nicht ob man sich darff bemühen.
Was laufft jhr viel vnd sucht? die Hülff ist bey der Hand.
Wer hie genesen will / der muß doch zu dem Brandt /
So erstlich jhn entzündt: diß sein Achilles Wunden /
Die niemand heilt / als der / von dem man sie empfunden.
Was gibet man den an? das bitten ist das best /
Es ist ein Hertz von Stein / so sich nicht biegen lest /
Nit lengst hab ich gehört von einer Feldgöttinnen /
Wie jhr /Herr Breutigam / habt pflegen zu beginnen /
Ein sehnlich Klagelied / das Wald / Feld / Berg vnd Thal
Es haben widerholt mit kläglichem Nachschall /
Die Nymfen haben es mit Wehmut auch vernommen /
Vnd mein Asterie hats lassen mir zukommen:

All mein Leiden / Lieb vnd Schmertze
Hat mein Hertze
Gantz vmbringt mit Trawrigkeit /
Als ein forchtsam Hirsch muß eilen
Für den Pfeilen /
Flieg vnd renn ich jederzeit.
Ich vollführe meine Klage
Nacht vnd Tage /
Denckend an der Liebe quall /
Stets die Threnen mich begiessen /
Die da fliessen /
Als zwey Bäche von Cristall.
Wolt jhr demnach / Jungfraw / geben
Meinem Leben
Hülff vnd Trost in diesem Leidt /
So erbarmt euch doch bey zeiten /
Thut bereiten
Nach dem Trawren Lust vnd Frewd.
Eh daß sich bey mir beginnen
Alle Sinnen
Zu verliern / vnd aller Muth /
Rettet mich von dem Elende /
Eh das Ende
Selbst bey mir das beste thut /
Ach Printzessin / ach Junfrawe /
Euch ich trawe /
Ihr seid meine Medicin
Vor das weinen / vor das klagen /
Laßt mich sagen /
Daß ich ewer Diener bin.

Wie solte sie jhm thun? jhr werdet doch gewehrt,
Kein Mannes Tropffen fellt vergebens zu der Erdt /
Vnd was ist besser Rath / eins hat gebrandt das ander /
Als daß jhr nun zugleich geneset mit einander?
Geht an / jhr liebes par / was trettet jhr beseit?
Es ist jetzund gleich recht / jetzt ist die beste zeit /
Daß jhr die Hitze lescht. Was wolt jhr viel verziehen?
Was wolt jhr selber das / so jhr gewünschet fliehen?
Was ist es / Jugfraw Braut / wolt jhr zu rücke gehn?
Es hilfft gewiß euch nicht / jhr müsset doch gestehn /
Es ist nun fort mehr alt / daß man nit kan vertreiben
Zugleich der liebe Brunst / vnd dannoch Jungfraw bleiben/
Der Bräutigam der kompt / er gehet vff euch zu /
Jugfraw / es ist das best / jhr gebet euch zu Ruh /
Es ist der nechste Rath / daß man ein Hertze fasse /
Vnd was man nit vermag zu halten / willig lasse.
Trett ab / jhr Jungfräwlein / die Braut hat jetzt nit Zeit /
Laßt sie zu Bette gehn / hört auff von ewrem streit /
Zu einem andern streit muß sie sich jetzund kehren /
O daß wir allesampt in solchem streiten weren.
(S. 204-208)
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[.104]
Die Augen der Asterie

Als Asteris bey Nacht den Himmel angesehen /
Hat sie der Sternen zahl vermehrt durch jhren schein /
Vermagst das, mein Lieb, wie mag es dann geschehen /
Daß mein Gesicht vergeht von deinen äugelein?
(S. 209)
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[.143]
An seine Bulschafft
Vff die weiße: Angelica die Edle

ASterie du Edle Schäfferin
Werd ich dich sehen schier?
In deiner huld ich gantz verschlossen bin /
Vnd lebe weit von dir /
Nur bey den wilden Thieren /
Vnd in dem wüsten Walt /
Muß ich mein leben füren /
Das ist mein vffenthalt /
Kein schöner Baum / kein zartes Blümelein /
Kein Orth mich trösten mag /
Kein Kalter Brun mit springender Fontein
Erleschet meine Plag /
Mein augen auch wie Brunnen
Sein gantz von Threnen naß /
Auch fast gar außgerunnen
Durch Weinen ohne maß.
Kein Rath noch Hülff ohn dich mein Hertz erfreut /
Kein Edler Lautenklang /
Kein grüner Platz erquicket mich in Leidt /
Kein lieblicher Gesang /
Voll Zittern, Forcht vnd Zagen
Ist mir die gantze Welt /
Nur trawren / seufftzen / Klagen
Alleine mir gefelt.
Ach komm / ach komm du sehr gewünschter Tag /
Ihr Stunden eilet fort /
Daß ich doch bald mit frewden kommen mag
Zu meines Lebens hort /
Laß Eolus die Winde
Mich füren von dem Landt /
Neptunus gib geschwinde
Mich in der Liebsten Handt.
Gehabt euch wohl jhr Nimfen in der Heidt /
O Pan ich muß von dir /
Gehabt euch wohl / mein Schiff ist schon bereit /
Das mich von hinnen führ /
Adie ich will verlassen
Der Weisheit Lob vnd Ehr /
Minerva mag mich hassen /
Mein Augentrost ist mehr.
(S. 215-216)
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MARTINI OPITII
fünfftes Buch
Der Poetischen Wälder:
Worinnen Amatoria vnd weltliche
Getichte sind

[.39]
An die Deutsche Nation

DEr blinden Venus Werck / die süsse Gifft zu lieben /
Vnd schöne Zauberey / in dieses Buch geschrieben /
Nimb erstlich an von mir du werthes Vaterland;
Nimb an der Liebe Sach' / als meiner Liebe Pfand.
Mein Sinn floch vber hoch: ich wolte dir vermelden
Durch Kunst der Poesie den Lauff der grossen Helden /
Die sich vor dieser Zeit den Römern wiedersetzt /
Vnd in dem stoltzen Blut' jhr scharffes Schwerdt genetzt.
Apollo nahm mich an in seine Gunst vnd Holde /
Vulcanus hatte schon gemacht von gutem Golde
Die Feder meiner Faust: ich war nun gantz bereit
Mit meines Geistes Frucht zu brechen durch die Zeit.
Da kam der Venus Kind / bracht' einen Kranz von Myrten
Vor meine Lorbeerkron' / vnd stieß mich zu den Hirten
In einen grünen Wald / wieß mir ein schönes Bildt /
Die edle Nymph' hat mir Gemüt' vnd Sinn erfüllt.
In jhren Augen hab' ich alles dieses funden
Was ich mich in diß Buch zu schreiben vnterwunden:
Das jrrdische Gestirn' hat meinen hohen Geist
In dieses enge Meer der Eitelkeit geweist.
In dieses enge Meer / auff welchen meine Sinnen
Nicht als von Freundligkeit vnd Liebe dencken können /
Von Lieb' vnd Freundligkeit: die bittersüsse Pein
Die muste mir an statt der Heldenthaten seyn.
Ich thue / Asterie / nach deinem Wolbehagen /
Vnnd wil dein hohes Lob biß an die Sternen tragen:
So weit der Deutschen Red' vnd Tugend ist bekandt
Soll auch dein' Ehr' vnd Preiß durchdringen alles Landt.
O hohe werthe Seel' in Weißheit auserkohren /
Zum Spiegel weiblicher vollkommenheit gebohren /
Sey mir mit dieser Gunst vnd trewen Huld bereit;
Komm / komm / vnd laß vns gehn den Weg der Ewigkeit.
Du deutsche Nation / voll Freyheit / Ehr' vnd Tugend
Nimb an diß kleine Buch / die Früchte meiner Jugend /
Biß daß ich höher steig' / vnd deiner Thaten Zahl
Werd' vnablässiglich verkünden vberall.
Diß Buch ist mein Beginn in Lieb' vnd auch das Ende:
Ein ander besser Werck / zu dem ich jetzt mich wende /
Das soll mehr ale diß Buch so viel mal besser seyn /
Je besser Weisheit ist als Venus süsse Pein.
(S. 599-601)
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[.40]
An die Jungfrawen in Deutschlandt
Aus dem Holländischen Dan. Heinsii

IHr liebliches Geschlecht / dem Venus hat gegeben
Den Schlüssel in die Hand zu aller Männer Leben /
Die jhr der Liebe Saat' aus ewren Augen strewt /
Die vns im Hertzen steht gewurtzelt allezeit /
Es ist vmb euch geschehn: ich schwere bey den Händen
Damit der kleine Gott kan vnsre Sinnen wenden /
Ich schwer' euch auff den Pfeil / der mein Gemüte trifft /
Der mich entzündet hat durch angenehme Gifft.
Es ist vmb euch geschehn / ich schwere bey der Schönen /
Der Schönen / von der ich mein Leben muß entlehnen /
Die gäntzlich mich besitzt: ich schwere bey der Pein
Vnd Schmertzen ohne die ich nicht kan frölich seyn.
Ich schwer' euch auff das Liecht das sie mir pflegt zu geben
Wann jhrer Augen Sonn' erblickt mein trawrig Leben /
Es ist nun mit euch aus / weil jetzt Cupido kömpt /
Vnd von der deutschen Sprach' aus mir Bericht einnimpt.
Es ist nicht lange Zeit daß ich die Venus fande /
An einem grünen Ort' in meinem Vaterlande /
Der silberne Taw fiel / vnd tröpffelt' hier vnd dar /
Wo daß sie gieng vnd stund / von jhrem güldnen Haar'.
Ihr Wille war / jhr Sohn der solte bey mir bleiben /
Vnd vnsre Deutsche Sprach' auffs best' ich wüste treiben;
Ich sagte zu / so viel mir möglich / vnd gab für
Es wer' ein junges Kind: Sie ließ es da bey mir.
Er hielt sich bey mir vff; wir liessen nichts erwinden /
Vnnd kondt' er ohne Müh sich in die Sprache finden.
Ich habe viel vnd offt / wann ich sie liegend fand /
Den Bogen vnnd den Pfeil genommen in die Hand.
Als er nun Abschied nam / an statt mir Danck za haben /
Gab er mir ein Geschenck' (es sind sein' alte Gaben)
Er hatt mir einen Pfeil gedrucket in mein Hertz /
Der mich erhalten kan zugleich in Frewd' vnd Schmertz.
O bittersüsse Pein! der ist es / jhr Jungfrawen /
Der erstlich mich gelehrt auff Eitelkeiten bawen /
Der erstlich mich gelehrt / der erstlich mir gezeigt
Des Volckes arge List / das uns so sehr betreugt.
Das Volck / das süsse Volck / das mit den glatten Worten
Vnd grossen Freundligkeit erbricht der Hertzen Pforten;
Das mit den Eugelein vnd klarem Angesicht'
Erleuchtet vnsre Seel' als zweyer Sternen Liecht.
Die Vrsach vnsrer Noth / die Vrsach vnsrer Frewden /
Die Vrsach zu der Lust vnd gleichsfals zu dem Leiden /
Die Schreckung des Gemüts / doch die mit Trost erfüllt;
Der Sinnen heisse Brunst / doch die noch wird gestillt.
O daß ich Sonne wer / vnd jhren hohen Wagen
Einmal regierete nach meinem Wolbehagen /
Daß ich nur von der Lufft herab recht schawen kündt'
Auff derer Angesicht die mich so sehr verwundt!
O daß ich Sonne wer' / ich wolt' jhr' Augen machen
Zu Sternen in der Lufft sie frölich an zu lachen /
Vnd jederzeit zu sehn: sie solte nahe stehn
Dem Monden vnnd mit jhm doch nimmer vntergehn.
Wie offt hab' ich gewüntscht / wie offte dörffen sagen /
Daß ich wer' eine Bien' / vnd Honig solte tragen
Aus jhren rohten Mund' ; als er wird auffgethan
Bin ich so froh daß ich mich nicht mehr halten kan.
Alsdann kömpt jhre Seel' eh' als ich mich befohre /
Vnd fleugt in meine Seel' / alsdann macht sie die Thore /
Der Sinnen bey mir auff / denn ist mein brennend Hertz
Vmbringt mit seiner Glut / vmbringt durch süssen schmertz.
Ach Amor daß ich möcht' als eine Fliege werden /
Mich dünckt ich stünde wol am besten hier auff Erden.
Ich wolt' ein Häussigen auffbauwen bey den Mundt
Der jenen die ich weis / darinn ich wohnen kundt'.
Hier were mein Pallast / hier wolt' ich lesen können
Das süsse Himmelnaß' / und beugen jhre Sinnen:
Hier wolt' ich recht besehn den wunderklaren Schein;
In meinem solt' jhr Hertz' / in jhrem meines seyn.
Gleich wie zu Sommerzeit die kleinen Feldhewschrecken
Den schönen Morgentaw von süssen Blumen lecken;
So geht es auch mit vns: ohn alle Speis' vnd Kost
Ernehret vns die Lieb' / vnd nur von blosser Lust.
Es ist ein süsser Tranck / es ist ein süsser Regen /
Der vnser Hertz' erquickt / es ist ein süsser Segen;
Der Honigthaw der euch aus ewren Augen fleußt /
Ihr schönes Venusvolck vnd reichlich vns begeußt /
Begeußt die truckne Seel': Als jhr vns wolt begeben /
So dencken wir hinfort nicht weiter an das Leben:
Das Leben mit der Seel' vnd Hertzen seyn gestellt
In ewre gantze Macht: Wir thun was euch gefellt.
Dann Venus ist ein Weib / sie hat vns auch den Frawen
Gegeben in die Handt / sie allzeit anzuschawen.
Wo stünd' anjetzt die Welt / wo were wol jhr Grundt /
Wann man das klare Liecht von euch nicht haben kundt'?
Es hat der Jupiter / nach dem er alle Sachen
Hier in dem wüsten rund' hat fertig wollen machen /
Sich drey mal vmbgekert / vnd zu sich selbst geredt /
Es mangel' ein Ding noch das man vergessen hett'.
Er bracht' ein Thier hervor so nie sonst war erkennet /
Das man bey vns jetzund hier eine Jungfraw nennet:
Als er diß Meisterstück hernachmals ausgemacht /
Vnd jhn das schöne Bild so freundlich angelacht /
Hat jhm sein eigen Werck so trefflich wol gefallen /
Daß er der Liebe Brunst empfunden hat vor allen.
Wie offtmals ist der Gott / vor dem sich nichts verhelt /
Der mit dem Plitze spielt / vnd schreckt die gantze Welt /
Wie offtmals ist er selbst gemach gezogen kommen /
Wann jhm sein Augentrost den hohen Sinn genommen?
Er ließ das Firmament vnd seinen Himmel stehn /
Wann er nur in den Schoß der Liebsten solte gehn.
Ich halte den für todt / für vnweis' vnd verkehret /
Der eine Jungfraw sieht / vnd jhm doch nicht begehret
Derselben Huld vnd Gunst; er ist ein Klotz vnd Stein /
Den nicht bewegen kan der lieblich' Augenschein.
Solt' ich den Himmel nur vor Jupiter regieren /
Ich wolt' jhn gantz vnd gar mit newem Volcke ziehren:
Jungfrawen müsten mir vor andern sonderlich
Am allermeisten seyn: das wer' ein Volck vor mich.
Das Handwerck so man würd' in meinem Reiche treiben /
Das solte küssen seyn: da wolt' ich jmmer bleiben /
Vnd ordnen wie man wol recht köndte seyn bedacht /
Daß jmmer mehr vnnd mehr diß Thun würd' auffgebracht.
Man müst' Vneinigkeit / Neid / Zancken / Zorn vnd Hassen
In dieser Bürgerschafft gantz vnterwegen lassen;
Kein kriegen würde seyn / als daß so nur betrifft
Genüge / Frewd' vnd Lust / vnd das die Liebe stifft.
Die Festen wolt' ich gantz von Myrten lassen weben /
Die vns der Venus Sohn hierzu dann würde geben;
Die Wälle solten seyn von Threnen auffgemacht /
Von Threnen so die Braut vergeußt die erste Nacht.
Es wartet jmmerzu der ein' aus Venus Knaben /
So bald als sie sie nur zu Rhu geleitet haben /
Der fleissig dann zu sich diß thewre Wasser nimpt /
Weil man es dieser Zeit gar selten gut bekömt.
Doch so ich gaar nicht kan zu meinem Wundsche kommen /
So hab' ich dennoch mir auff dißmal fürgenommen /
Diß Büchlein ewer Lieb' / als ein gewisses Pfand
Der trewen Huld vnd Gunst / zu geben in die Hand.
Ach laßt doch ewren Glantz drauff fallen / jhr Jungfrawen /
Laßt ewrer Augen Liecht diß mein Geschencke schawen /
Vnd wündscht mir / wündscht mir nur / daß mich vor meinem Lohn
Cupido krönen thue mit seiner Ehrenkron.
Deß Gottes Himmel ist (ach wer jhn köndt' ererben!)
In seiner Freundin Schoß vnd zarten Armen sterben:
Des Gottes Himmel ist nur allzeit können seyn
Vmb seiner Liebesten verklärten AugenSchein.
(S. 601-606)
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[.41]
Frülings Klagegetichte
Einen grossen Theil aus dem Niederländischen:
wie auch die nechstfolgenden vier Carmina

DIeweil nunmehr der Lentz mit seinen schönen Tagen
Die alte rawe Zeit des Winters wil verjagen /
Vnd der Welt grosses Liecht die Erd' vnd Lufft vernewt /
Vnd alles sich verjüngt / vnd alles sich erfrewt,
Dieweil die Erde sich vermählet vnd ergiebet
Dem schönen Westenwind' in welchen sie verliebet /
Dadurch so manches Kraut/ manch Hügel / Berg vnd stein/
Feldt / Heyde / Laub vnd Graß wie newgebohren seyn.
Dieweil der Vögel Schaar mit schönen tirelieren
Erfrewen Hertz' vnd Sinn / vnd durch die Lufft spazieren;
Dieweil die Satyren mit lieblichem Gethön'
Vnd schöner Musicke zu jhren Nymphen gehn.
Dieweil die Hirten sich in kühlen Schatten setzen /
Mit jhren Liebesten sich freundlich zu ergetzen /
So sitz' ich hier vnd klag' / hier klag' ich gantz allein /
Vnd habe meine Noth mit niemand nicht gemein' /
Als nur mit euch jhr Thier' / jhr die jhr von den jungen /
Vnd sie von euch durch List des jägers seyn verdrungen /
Die jhr gar hefftig Leid vmb ewre Kinder tragt /
Vnd / wie der Eltern Brauch / sie mehr als euch beklagt;
Biß der gewüntschte Tod euch wird das Leben enden:
So geht es auch mit mir. Ich muß / ich muß mich wenden
Zu Leid' vnd Trawrigkeit: stimm' als der weisse Schwan
Mein eigen Grabelied mir jetzund selber an.
Ihr Nymphen / die jhr auff den schönen Wasserflüssen
Sehr offt aus grosser Lieb' auch Threnen must vergiessen /
Die jhr beweinet habt mein lindes Seitenspiel /
Wann ich die hohe Noth beklaget offt vnd viel;
Ihr zarten Nymphen / kompt / kompt / O jhr Nymphen / höret /
Wie sehr die Liebe mich auffs newe seufftzen lehret:
Kompt / nehmet ab an mir / ob jemals ewer Hertz
Empfunden solche Pein / vnd gar zu bittern Schmertz.
Bringt ewre Krügelein / daß jhr darein könnt fangen
Das Wasser welches laufft von meinen bleichen Wangen /
Vnd tragt es in den Saal / darinnen triumphirt
Cupido der Tyrann / so mir diß Leid gebiehrt.
Vnnd du auch / Zephyrus / der du noch nicht vergessen
Der Flora / welche dich vor langer Zeit besessen /
Nim meine Klage hin / vnd führe der sie zu /
Vmb welcher willen ich leb' ohne Rast vnd Ruh.
Du Venus auch / die du auff deinem güldnen Wagen
Anchisen schmertzlich suchst / laß ab von deinem Jagen /
Halt doch ein kleines nur die Turteltauben an /
Biß ich dir meine Noth vnd Leiden klagen kan.
Denn ich vor deinem Thron muß schütten meine Zehren /
Weil dein vntrewes Kind die Hand wil von mir kehren /
Vnd hört mein weinen nicht / ob gleich wald / berg vnd thal
Von meiner hellen Stimm' erschalllen vberall.
Ich wüt' / ich tob / ich schrey / ich such an allen Enden /
Ich renne wie ein Hirsch der aus des Jägers Händen
Entschlüpffet / tödlich ist durch einen Pfeil versehrt /
Erzittert vnd erbebt / so offt' er rauschen hört
Die Bletter an dem Baum' / vnd meynt des Jägers Bogen
Sey hinter jhm noch her / vnd wird zur Flucht bewogen
Vnd fleugt da niemand ist der jhm den Tod anthue;
So eyl ich auch nach Hülff' / vnd trachte nach der Rhue /
Daß ich doch einmal könn' entkommen meiner Wunden /
Die kein Mensch heilen kan / als bey der ich sie funden;
Daß ich doch einmal könn' erleschen meine Pein /
Der niemand helffen kan als sie nur bloß allein.
O grimmes Weibesbild / Princessin meiner Sinnen /
Kan dich dann meine Bitt' vnd Seufftzen nicht gewinnen /
Mein' vngestalte Farb' vnd bleiches Angesicht /
So auch noch jetzund ist von Threnen trucken nicht?
Kanst du noch meine Qual vernehmen ohne Weinen /
Vnd also vnbewegt in meiner Noth erscheinen?
Viel härter schätz ich dich als Eisen oder Stein /
Ein wildes Tiegerthier muß deine Mutter seyn.
Daß in die Augen doch nicht die Natur geschrieben
Die grosse Grawsamkeit damit du mich getrieben!
Daß sie doch die Gestalt mit Milde mehr begnügt /
Als dieses Hertzens Sinn das dir im Busen liegt!
O Antlitz welches mich als ein Magnet gezogen?
O klarer Augenglantz der mich so sehr betrogen?
Wer hette doch gedacht daß solcher falscher Schein
In dieses schöne Bild solt' eingepflantzet seyn?
Wer hette doch geglaubt / wer hette dörffen sorgen /
Daß diese weisse Brust diß Hertz in sich verborgen?
Ich war nicht bey mir selbst / vnd wurde gantz entzückt
Als sie zum ersten mich so freundlich angeblickt.
Mich daucht' es solten mich die Götter selber neiden:
Es war doch nur mein' Angst / es war mein höchstes Leiden.
O freundliches Gesicht / ich bin durch dich verwundt /
Ists dann nicht recht daß ich durch dich auch sey gesundt?
Bistu so zornig dann / daß ich mich so verstiegen /
Gunst deiner trefflichen Vollkommenheit zu kriegen?
Weit fleugt es zwar / doch weil es Fewer ist allein /
Kan es dem Himmel wol zu nahe kommen seyn.
Ich weis gar gut / mein Lieb wil hoch mit jhren Dingen /
Vnd ich begehre das so schwerlich ab zu bringen;
Doch stehst du / Venus / selbst mir dißfals leichte bey /
Daß meine Liebe wol der Schönheit würdig sey.
So viel als mich belangt / es haben meine Sinnen
Nichts / als was himlich ist / rechtschaffen lieben können:
Wann ich ja fallen soll / so soll mein Fall doch seyn
Von niergend her als bloß vom Himmel nur allein.
Bist du mir hierumb feind / so wil ich doch nicht lassen
Dir Ehr' vnd Gunst zu thun / ob du mich schon wirst hassen/
Biß sich dein harter Sinn noch endlich zu mir kehrt:
Recht lieben ist gar wol der Gegenliebe werth.
O werthest' auff der Welt / O schönest' aller schönen /
Laß meinen trewen Sinn sich doch mit dir versöhnen:
Empfahe meine Gunst / der ich dich würdig acht
In deiner Liebe Band zu geben meine Macht.
Wo aber doch dein Sinn wird vnbeweglich bleiben /
So wil ich allezeit mein sehnlich Klagen treiben;
Mit weinen wil ich noch verbringen meine Noth;
Hilffst du mir endlich nicht / so hilfft mir doch der Tod.
So geh' ich also nun in Einsamkeit alleine /
Vnd niemand höret zu wie ich so sehnlich weine /
Allein' jhr Göttinnen / die jhr noch seyd betrübt
Vmb des Narcissus Fall / in welchem jhr verliebt /
Als er (O harter Sinn) so schendlich euch verschmähet /
Floh' in den Wald / auff daß er nicht würd' ausgespähet /
Da dann sein schöner Leib / den Echo hat begehrt /
In eine Wiesenblum' erbärmlich war verkehrt.
Ich seufftz' / O Echo / noch vmb deiner Liebe willen;
Drumb hilffstu mir jetzt auch mein Klagelied erfüllen /
Daß ich mein' helle Stimm' erheben kan so sehr /
Biß daß der Himmel auch mein Klagen selber hör'.
Inmitten in dem Saal / hier wo die Götter leben /
Da steht der Venuskrug / vom Jupiter gegeben /
Darein jhr kleines Volck das Threnen-Wasser geußt /
So aus der weiten Bach der Buhler Augen fleußt.
Von deinentwegen werd' ich dieses auch gewinnen /
Du strenge Meisterinn / du Zuchthaus meiner Sinnen;
Das ist der reiche Trost so mich zu Frieden stellt:
Kein Thren ist der vmbsonst von Mannes Augen fellt.
Vnd der so vnser Hertz' hat gantz in seinen Händen /
Cupido / der es kan wohin er Lust hat wenden /
Ist nicht so daß er die / so gern' vnd mit Gedult
Ihm vnterthänig seyn / so grausam quelen solt'.
Ich bin doch Vrsach' an / ich muß es mir zumessen /
Was ich zuvor gelernt / das kan ich nicht vergessen.
Ach daß ich mir doch je in meine Sinnen zoch /
Es were bald gethan vmb dieses leichte Joch!
Das krieg' ich nun zu lohn'; ich muß ja statlich büssen /
Daß ich mir vorgesetzt mich eilends auß zu schliessen /
Vnd wolte die von mir verweisen gantz vnd gar /
Die doch schon hart vnd fest in mir verschlossen war.
Es ist nur gantz vmbsonst; wohin ich mich wil wenden /
Da seh' ich auch die Lieb' an allem Ort vnd Enden:
Bricht kaum der helle Tag im kühlen Morgen an /
Vnd leßt Aurora kaum den alten greisen Mann /
So schnelle kan ich nicht der Stralen Glantz erreichen /
Daß ich den klaren Schein alsbald nicht solte gleichen
Mit jhres Haares Ziehr / so an der Stirn anhebt /
Vnd vmb den schönen Hals vnd zarte Wangen schwebt.
Bricht dann die Sonn' heraus / wanns auffgehört zu tagen /
Vnd leuchtet durch die Lufft mit jhrem Fewerwagen /
Das Liecht / so jederman erquicket vnd erfrewt /
Macht daß sich meine Noth vnd Wehmuth nur vernewt.
Was soll die Sonne mir? ist sie doch meine Sonne.
Was soll mir doch das Liecht? sie ist mein Trost vnd Wonne.
Ach solt' ich einen Blick von jhr ersehn allein /
Ich wolte williglich ohn' alle Sonne seyn!
Seh' ich die Bäume dann mit jhren grünen Zweigen /
Vnd wie die Este sich schön in einander reigen /
Vnd gleichsam als vmbfahn; so fallen bald mir ein
Die Armen welche mir zwey starcke Fässel seyn /
Darinnen offtermals mein Hertze gantz bestritten
Von wiedriger Begiehr / jetzt Furcht / jetzt Trost erlitten /
Wann jhr Gesichte mir geraubet meinen Geist /
Vnd dann jhr Athem jhn hat wieder heim geweist.
Hör' ich den kühlen Wind in dem Gepüsche prausen /
Mit lufftigem Geräusch' / vnd durch die Bletter sausen /
So denck' ich wie sie vor mit höchster Zierligkeit
Der buhlerischen Red' hatt mein Gemüt' erfrewt.
Seh' ich die Blumen stehn bey jhren klaren Flüssen /
So kan ich den Geruch so eilends nicht geniessen /
Daß ich den Athem nicht bedenck' vnd jhren Mund
Der mich zu gleiche todt kan machen vnd gesund.
Seh' ich wie sie so schön' an Farben sind geziehret /
Vnd wie sie die Natur so köstlich hat formieret /
Alldann erinnert sich mein Hertz' auch auff der Statt
Der Röte so mein Lieb in jhren Wangen hat.
Seh' ich die hohen Berg' vnd Hügel in der Wüsten;
So ist's der edele Parnassus jhrer Brüsten.
Schaw' ich dann in das Thal vnnd blancke weite Feldt /
Das Thal der zarten Schoß wird bald mir fürgestellt.
Wann ich die Nachtigal mit singen höre fliegen
Hin in die hohe Lufft / so laß' ich mich betriegen /
Vnd meyne / daß daselbst mein Lieb verborgen sey /
Vnd stimme frölich an die schöne Melodey.
So schmeltz' ich wie der Schnee / der endlich muß verderben/
Wann jhn die Sonn' erreicht / vnd bin noch froh zu sterben:
Drumb werden mich gewiß die Nymphen alsobald
Begraben nach dem Tod in diesen grünen Wald.
Die schönen Najades sind fleissig her zu holen
Auff meinen schwartzen Sarg viel Rosen vnd Violen;
Sie lesen vberall die besten Blumen ein /
Daß mein gewüntschtes Grab kan desto schöner seyn.
Darauff dann stehen soll mit jhrer Hand geschrieben:
Hier liegt der zugebracht sein Leben hat mit lieben /
Mit lieben dieses Mensch das allzeit jhn geplagt /
Vnd ist noch endlich doch gestorben vnbeklagt.
(S. 606-614)
_____


[.44]
Newjahrs-Getichte

DIe Sonn' hat jhre Reis' auff dieses Jahr vollendet;
Mein Lieb / du endest noch die harten Sinnen nicht:
Sie hat den klaren Schein nun wieder her gewendet;
Du wendest von mir ab der schönen Augen Liecht.
Was wündsch' ich dir dann jetzt / mein bester Trost / vor Gaben
Auff dieses newe Jahr? Geld? dieses hastu schon.
Gut Glück? auch das ist hier. Wiltu dann Schönheit haben?
Du hast sie allbereit / vnd weissest wol darvon.
Noch etwas ist in dir / wofern' ich es mag sagen /
Darvon kömpt alles Leid vnd Trawren bey mir her.
Ein grosses Bollwerck steht vmb deinen Sinn geschlagen /
Diß möcht' ich gerne sehn daß es gefället wer'.
Hier diese Mawer macht / daß meine freye Sinnen /
Mein' vnverfälschte Lieb' vnnd trewe Dienste nicht
Des Hertzens hohes Schloß vermögen zu gewinnen;
Die Schantz' ist stärcker noch als daß sie ein Mensch bricht.
Ach wann durch diesen Wall Cupido wolte schiessen;
Wo nicht / so geb' er mir den Bogen vnd Gewalt;
Ich solt' ein grosses Loch bald haben durchgerissen /
Da ich mein Läger hett' vnd steten Auffenthalt.
Biß nun mit meinem Schatz' / O auch mein Schatz / verehret/
Dem Hertzen / das ich dir zu schencken auserkiest;
Verwahr' es ja mir wol / daß es nicht wird versehret /
Wie vor das alte Jahr / so jetzt vergangen ist.
(S. 618-619)
_____


[.45]
An eine Jungfraw

VMb alles Gut vnd Geld in diesem gantzen Lande
Erzehl' ich weder euch noch andern was zu Schande /
Vnd weis gewißlich auch / daß niemand sprechen kan /
Ich hab' aus Feindschafft jhm was Leides angethan.
Ihr möget aber doch darneben kühnlich gleuben /
Daß ich / ohn euch / Gott lob / wol werd' im Leben bleiben /
Wil derenthalben such mich nimmer vnterstehn
Von wegen ewrer Gunst mit Lügen vmb zu gehn.
Diß alles laß' ich euch die Hofeleut' erzeigen /
Die sonsten ziemlich hoch mit Reden können steigen /
Vnd jedes Wort auffziehn nicht ohne grossen Schein /
Auff daß sie so bey euch in Gnaden mögen seyn.
Sie thun wol einen Eyd / nicht dennoch ohne lachen /
Daß ewer' Augen auch die Sternen finster machen /
Vnd daß sie heller seyn denn alles Firmament /
Ja daß die Sonne selbst auch nicht so hefftig brennt.
Sie schweren hoch vnd sehr / daß Gott euch auserlesen
Vor aller Zierligkeit vnd allem schönen Wesen /
Vnd sagen / selig sey das Jahr vnnd denn die Zeit /
In der jhr grosse Ziehr der Welt gebohren seydt.
Sie sprechen wol darbey / daß jhr mit ewren Blicken
Ein härter Hertz als Stein vermöget zu entzücken /
Daß aus America die beste Specerey
Mit ewrem Athem weit nicht zu vergleichen sey;
Daß solche Hände nicht gemahlet werden köndten /
Daß gegen jhnen Schnee zu gleichen sey der Tinten /
Daß jedes Zähnlein sey ein köstlicher Demant /
An welches die Natur all' jhre Kunst gewandt:
Vnd daß die Lippen auch / so mehr als Rosen blühen
Weit seyn den edelsten Corallen vorzuziehen:
Daß Haar (ich glaube nicht daß es von Hertzen kömpt)
Ein jeglicher vor Gold vnd beste Perlen nimpt.
Sie setzen wol hinzu / wenn sie euch reden hören /
Daß auch ein jedes Wort starck sey sie zu versehren /
Vnnd daß der starcke Mars durch ewrer Zungen Schein
Die Waffen abzuthun bereitet würde seyn.
Geliebet euch hernach von Venus was zu singen /
Die Winde könnet jhr mit ewrer Stimme zwingen /
Vnd wenn jhr weiter auch euch zu der Lauten findt /
Ist Orpheus vngelehrt / vnd gegen euch ein Kindt.
Wann jhr zu Felde kompt / wohin man euch sieht gehen
Da sieht man alsobald die schönsten Blumen stehen;
In summa / die Natur hat diß an euch gethan /
Daß ewre Treffligkeit kein Mensch beschreiben kan.
Wie möcht' ich aber wol so falsch erdachte sagen /
Vnd groß' Auffschneyderey mit Langmut nur ertragen?
Ich glaube wer das Thun nur halb beschreiben wolt' /
Er Feder vnd Pappier auch schamroth machen solt'.
Vnd was dann mich belangt / bin ich gar nicht der Sinnen
Daß ich also die Gunst verhoffe zu gewinnen /
So hat mein Hertz auch jetzt noch einen solchen Wahn /
Daß ich jhm wann ich wil gar leichte wehren kan.
Ich sage freylich wol / vnd weis es war zu machen /
Daß jhr gar rein' vnd steiff bewahret ewre Sachen /
Vnd daß auch sehr viel seyn voll Hoffart / stoltz vnd Pracht
Die jhr gar weißlich doch nicht sonders habt in acht.
Daß ich euch aber auch für göttlich solt' erkennen /
Man möcht' es / fürcht' ich nur / wol Träum' vnd Lügen nennen:
In ewrem Leichnam ist zwar alle Zierligkeit /
Doch auch nicht wenig steht vom Himmel trefflich weit.
(S. 620-622)
_____


[.46]
Echo oder Wiederschall

DIß Ort mit Bäumen gantz vmbgeben /
Da nichts als Furcht' vnnd Schatten schweben /
Da Trawrigkeit sich hin verfügt /
Da alles wüst' vnd öde liegt /
Da auch die Sonne nicht hin weichet /
Da gifftig Vngezieffer schleichet /
Da gar kein Wasser sich ergeust /
Als daß aus meinen Augen fleust /
Da gar kein Liecht nicht wird erkennet /
Als daß aus meinem Hertzen brennet /
Bedüncket mich bequeme seyn /
Da ich mich klag' ab meiner Pein /
Ab meiner Pein vnd tieffstem Leiden /
Daß mich jetzund wird von mir scheiden;
Doch ehe der gewündschte Tod
Mit Frewden abhilfft meiner Noth /
Wil ich von meiner Liebe klagen /
Vnd / ob schon gantz vergeblich / fragen.
Ist dann niemand der tröste mich /
Weil ich so trawer' inniglich? Ich.
O Echo / wirst nur du alleine
Hinfort mich trösten / vnd sonst keine? eine.
Wie soll sie leschen meinen Brandt /
Ist sie mir doch noch vnbekandt? bekandt.
Sie wil es aber nicht verstehen /
Lest mich in Angst ohn Ablaß gehen. laß gehen.
Verleuret sich denn ja mein Leidt /
Wem soll ichs dancken mit der Zeit? der Zeit.
So ist nun Noth daß ich verscharre
Das Fewer / vnd der Stund' erharre? harre.
Wenn ich zu lange harren solt'
Hülff' etwas meiner Vngedult? Gedult.
Vielleichte möcht' ich sterben ehe /
Weil ich im höchsten Elend gehe? entgehe.
So folg' ich deinem Rathe schlecht /
Hoff' alles werde gut vnd recht. recht.
Nun bin ich vieler Noth entbunden /
Vnd habe guten Trost empfunden.
Du vnbewohnte Trawrigkeit /
Ihr Hecken voll von meinem Leid' /
Ihr schwartzen Hölen vnd jhr Wüsten /
Da Eulen / Natern / Schlangen nisten /
Du ödes Ort / gehabt euch wol;
Ich bin für Trawren Frewde voll /
Für Finsternüß such' ich die Sonnen /
Für Threnen einen kühlen Bronnen:
Die so Vertröstung mir gethan /
Gewißlich nicht betriegen kan.
(S. 623-624)
_____


[.49]
Aus dem ersten Buche Propertii
Haec certe deserta loca

AVff dieser Wüsten Stett' / in dieser stillen Heyde /
Da niemand innen wohnt / als nur der Westenwind /
Da kan ich vngeschewt genung thun meinem Leide /
Wo auch die Bäume nur still' vnd verschwiegen sind.
Wo heb ich aber an / O Cynthia / zu sagen
Von deinem stoltzen Sinn' vnd harter Grawsamkeit?
Jetzt muß ich vber dich / ich muß gar sehnlich klagen /
Der ich sonst glückhafft war in buhlen vor der Zeit.
Wie hab' ich's dann verdient? was hat dich so verkehret?
Was ists womit ich dich so hoch vnd sehr verletzt?
So wahr mein stetes Hertz' jhm deine Gunst begehret /
Hat keinen Fuß zu mir ein' andere gesetzt.
Ob ich gleich vber dich mich wol entrüsten solte /
Weil du mir ohne Schuld verursachst diese Pein /
Zürn ich doch nicht so sehr / daß ich dir gönnen wolte /
Du möchtest jmmerzu in solchem Trawren seyn.
Ists daher / weil ich nicht ohn vnterlaß geschrieben
Von meiner Liebesbrunst / vnd dir hab' hoch geschworn?
Ihr sollt die Zeugen seyn / wo auch ein Baum kan lieben /
Du Buch- vnnd Fichtenbaum / den Pan jhm auserkohrn.
Wie offte höret man hier meine Stimm' erschallen?
Wo steht nicht Cynthia geschnitzt durch meine Handt?
Ists daher / weil du mir in sachen mißgefallen
Die keinem nicht als mir vnd dir nur sind bekandt?
Heiß mich was dir geliebt / ich bins zu thun gesonnen /
Du kanst auch nichts nicht thun das mir zu wieder sey.
Drumb wohn' ich nun allhier bey diesem schönen Brunnen /
In diesem kühlen Ort vnd stillen Wüsteney /
Vnd alles was ich kan vor Klag' vnd Leid erzwingen /
Das muß ich nur erzehln den Vögeln die hier seyn.
Doch sey auch wie du wilt / doch soll mir stets erklingen
Von deines Namens Schall' Holtz / Wiesen / Thal vnd stein.
(S. 630-632)
_____


[.50]
Nachtklage
Aus eines andern Erfindung

JEtzt blicken durch des Himmels Saal
Die güldnen Sternen allzumal /
Ich bin ohn' Hoffnung gantz allein /
Ich wach' / vnd andre schlaffen ein.
Du / Jungfraw / liegest in der Rhu /
Vnd hast die stoltzen Augen zu;
Du bläsest durch den rothen Mundt
Das süsse Gifft so mich verwundt.
Du denckest nicht an meine Noth /
Noch an den süssen Liebesgott /
Der mein betrübt Gemüt' hat bracht
In deine Hand vnd grosse Macht.
Ich lieg' an deiner tauben Thür /
Ob ich doch möge kommen für /
Vnd diesen vnbewegten Sinn
Durch meine Bitte zu mir ziehn.
Was sonst bey Tag' jrrt hin vnnd her /
Die schnellen Fisch vnd auch jhr Meer /
Sind sicher / geben sich zu Rhu /
Vnd ich nur thu kein Auge zu.
Die Threnen ruff' ich Zeugen an /
Damit ich dich nicht zwingen kan /
Die Threnen so ich dir zur Schand'
Hier laß' als meiner Liebe Pfand.
Ein jeglich Ding hat seine Zeit;
Wann es gefroren vnd geschneyt /
Macht sich der Westwind auff die Bahn /
Legt allem newe Kleider an.
Das eine fellt / das andre steht;
Wann Phebus auff die Wache geht
Weicht Luna weg; wil sie entstehn /
Muß Phebus dann zu Bette gehn.
Es geht doch alles nach Gebühr;
Zwey Dinge bleiben für vnd für;
Dein harter Sinn / vnd meine Pein
Die müssen gantz vnendlich seyn.
Die Vrsach' ist mein trewer Sinn /
Weil ich bestendig bey dir bin /
Vnd liebe dich noch diesen Tag
So sehr als ich vor lengst schon pflag.
Ich bin kein Schiff nicht in der See /
Das nach des Windes Wellen geh';
Ich halt' allein bey dir fest' an
Mit Glauben der nicht wancken kan.
Vnnd diß ist / Jungfraw / meine Schuld:
Wolan / ich gehe mit Gedult /
Vnd such' ein Ende meiner Pein:
Ich will dir nicht beschwerlich seyn.
Gehab dich wol / ich scheid' jetzt ab /
Gehab dich wol / ich eil' ins Grab:
Nimb meine Seel' allein vnd bloß
Zu dir in deine zarte Schoß.
Sonst wird sie Venus auff dem Wagn
So hoch als Sonn' vnd Monde tragn;
Sonst wird mein' arme Seele stehn /
Wo jetzund die Gestirn' auffgehn.
Die Sternen vmb des Himmels Feldt /
So nächtlich leuchten aller Welt /
Die waren Buhler vor der Zeit;
Jetzt stehen sie von Noth befreyt.
Sie stehn vnd haben fleissig acht /
Was Pein mir wird von dir gemacht;
Durch sie erfehrts der Venus Sohn /
Der wird dir geben rechten Lohn.
Die Namen werden auffgesetzt;
Wer denn mit Zehren sich genetzt
Am meisten auff der Welt allhier /
Den zeucht man andern dorte für.
Die beste Stell' ist wol für mich:
Drumb sterb' ich jetztund williglich;
Da wil ich seyn dein höchster Spott /
Die du mich bringest in den Todt.
Ich gehe nun / vnd laß' allhier
Die heissen Threnen vor der Thür;
Doch soll ich fort / denck' auch vorhin /
Ob ich des Todes schuldig bin.
(S. 632-635)
_____


[.51]
An Asterien

ZWey mal ist jetzund gleich der schöne Früling kommen /
Vnd zweymal hat der Frost des Winters abgenommen
Der Bäume grünes Kleid / als Venus zu mir kam /
Vnd mich / Asterie / von Phebus Seiten nam /
Vnd dir zu gab: vorhin entbrandten meine Sinnen
Durch Durst der Ewigkeit / als ich mich zu gewinnen
Der Tugend schloß befließ: jetzt bin ich / meine Ziehr /
So weit von jhnen ab / so nah' ich bin bey dir.
Wie offt' hab' ich bisher gehoffet frey zu werden /
Wie offtmals hatten mich geführet von der Erden
Die Flügel der Vernunfft / wann nicht das weite Meer
Der grossen Freundligkeit in dir gewesen wer'?
Jedoch wird mich vnd dich Thalia nicht verschweigen /
Mein Augentrost / ich geh' / ich geh' jetzt zu ersteigen
Der Ehren hohes Schloß; ob gleich der schnöde Neid
Den Weg verwachen wird / den Weg der Ewigkeit.
Der schnellen Jahre Flucht / so alles sonst kan tödten /
Hat nicht Gewalt in vns; die trefflichen Poeten
Sind viel mehr als man meynt: jhr hoher Sinn vnnd Geist
Ist von des Himmels Sitz' in sie herab gereist.
Ein frey Gewissen auch ist gar nicht angebunden
An das Geschrey des Volcks / das ähnlich ist den Hunden:
Sie bellen in die Lufft / wo sie nicht können gehn /
Vnd bleiben doch allhier weit von dem Himmel stehn.
So bald vns Atropos den Faden abgeschnitten /
So balde haben wir auch vnser Recht erlitten:
Wann vnsre Seel' vnd Geist des Leibes sind befreyt /
Vnd lassen diese Welt / so lest vns auch der Neidt.
So ward auch Hercules / der Kern der Helden / inne /
Daß niemand weil er lebt die Mißgunst zähmen könne.
Diß ist der alte Lauff. Ich / den du hier siehst stehn /
Vnd auch dein Lob mit mir / soll nimmer vntergehn.
Es sey daß mir hinfort für andern wird belieben
Was Aristoteles / was Xenophon geschrieben /
Was Plato reich von list / was Seneca gesagt /
Was Cato; oder auch es sey das mir behagt /
Ohn einigen Termin die Bücher aller Alten /
So durch des Himmels Gunst bißher sind vorbehalten
Zu schliessen in mein Hertz' / als wie ein muthig Pferdt /
Das sich an keinem Zaum / vnd keine Schrancken kehrt /
Vnd kan nicht stille stehn / begiehrig fort zu lauffen;
Es sey auch wie es wol / so werd' ich von dem Hauffen
Des Pöfels seyn getrennt; mein Lieb / mit dem bescheid'
Erwart' ich deiner Huld / vnd Gegenfreundligkeit.
Gleich wie ein Tiegerthier / der säuglinge beraubet /
Jetzt dort' / jetzt dahin laufft; es wütet / tobet / schnaubet /
Es heulet daß die Berg' vnd aller Wald erschallt;
So schrey ich auch nach dir mein bester Auffenthalt.
Ergib dich daß du nicht / wann ich dir bin genommen
Dürffst sagen allererst: Ach möchtstu wieder kommen /
O Philomusus werth / O edeler Verstand;
Wie hertzlich wolt' ich doch dir bieten meine Hand /
Dir bitten meine Lieb' vnd rechte wahre Trewe:
Dann wird vergeblich seyn / O Jungfraw / deine Rewe /
Dann wird vergeblich seyn dein Weinen / Klag' vnd Leidt;
Das Korn wechst gar nicht mehr / ists einmal abgemeyt.
Wer wird hernach / mein Lieb / wer wird hernach dich preisen /
Wann diß mein jrrdin Faß dann wird die Würme speisen?
Drumb komm / O Schöne / komm / eh' es zu langsam ist /
Komm / laß vns gehn den Weg / den ich mir auserkiest.
Schaw' / O Asterie / die Meisterinn der Zeiten
Das ewige Geschrey / die Hand nach dir ausbreiten /
Vnd dir geneiget seyn: nimb sie von Hertzen an /
Die ewig deine Ziehr / vnd dich erhalten kan.
(S. 635-638)
_____


[.52]
An eine Jungfraw im Reiche

VNd du wirst auch bey meiner Buhlschafft stehen /
O Delia / du Bildnüß aller Ziehr:
Ich wil auch dich durch meine Verß' erhöhen;
Ich wil dein Lob erweitern für vnd für.
Sey nicht erzürnt / Asterie / mein Leben /
Weil ich anjetzt so sehr weit von dir bin /
Daß ich mich hab' in andre Huld ergeben /
Vnd frembde Gunst mir kommen in den Sinn.
Ich habe dich in jhren Augen funden:
Dein Angesicht' vnnd rosenrother Mund /
Dein schönes Haar ist so in jhr verbunden /
Daß ich sie nicht für dir erkennen kundt'.
Ich fandt in jhr / was ich bey dir verlassen;
Ich fand in jhr dich so gebildet ein /
Daß ich vermeyn' ich könne sie nicht hassen
Ich müsse denn auch dir zu wieder seyn.
O Delia / du Spiegel meiner Frewden /
Du Ebenbild der schönsten in der Welt /
Vergönne doch daß sich mein' Augen weiden /
Weil deine Ziehr mein Leben in sich helt;
Weil jhr Gesicht' ist so in dich geschrieben /
Daß sie jhr selbst nicht ähnlicher seyn kan /
Wie wolt' ich dich / mein' Augenlust / nicht lieben?
Ach nimb mich doch von jhrentwegen an.
So wil ich auch mit steten Versen ehren
Dein' hohe Ziehr / vnd edlen Augenschein.
So lange man von Liebe nur wird hören /
Wird man zugleich' auch deiner inndenck seyn.
(S. 638-639)
_____


[.54]
Theocriti vnd Heinsii Aites

BIst du gekommen dann / nach dem ich nun gewacht
Nach dir mein liebstes Kind / den dritten Tag vnd Nacht?
Du bist gekommen / ja. doch wer nicht kan noch mag
Sein Lieb sehn wann er wil / wird alt auff einen Tag.
So viel der Früling wird dem Winter vorgesetzt /
Vor wilden Pflaumen vns ein Apffel auch ergetzt /
Das Schaff mit dicker Woll' ein Lamb beschemen kan /
Die Jungfraw süsser ist als die den dritten Man /
Bereit hat fortgeschickt; so viel als besser springt
Ein Rehbock als ein Kalb / vnd wann sie lieblich singt
Die leichte Nachtigall den Vögeln abgewinnt /
So ist dein Beyseyn mir das liebste das man findt.
Ich habe mich gesetzt bey diesen Buchbaum hin
Gleich wie ein Wandersmann thut im fürüber ziehn /
In dem die Sonne sticht. ach / daß die Liebe doch
Vns wolte beyderseits auch führen an jhr Joch /
An jhr gewüntschtes Joch / vnd daß die nach vns seyn
Von vns mit stetem Rhum' erzehlten vberein:
Es ist ein liebes par gewesen vor der Zeit /
Das eine freyte selbst / das andre ward gefreyt:
Sie liebten beyde gleich. Ward nicht das Volck ergetzt
Wie Liebe wiederumb mit Liebe ward ersetzt!
Ach Jupiter / vnd jhr / jhr Götter / gebt mir zu /
Wann ich nach langer Zeit schon lieg' in meiner Rhu /
Daß ich erfahren mag / daß dem der micht jetzt liebt
Vnd meiner trewen Gunst ein jeder Zeugnüß giebt;
Doch mehr das junge Volck. nun diß muß nur ergehn /
Ihr Götter wie jhr wolt: es pflegt bey euch zu stehn.
Doch lob' ich dich zwar hoch / so hoff' ich dennoch nicht /
Daß jrgend jemand ist der etwas anders spricht.
Denn ob dein Grimm mir schon zuweilen vbel thut /
So machst du es hernach doch duppelt wieder gut.
O Volck von Megara / jhr Schiffer weit bekandt /
Ich wüntsche daß jhr wol bewohnt das reiche Land
Vnd Vfer bey Athen / weil jhr so höchlich liebt
Dioclem der sich auch im Lieben sehr geübt:
Weil allzeit vmb sein Grab gar viel Liebhaber stehn /
Die lernen einig nur mit küssen vmb recht gehn /
Vnd streiten gleich darumb / vnd wer dann Mund an Mundt
Am aller besten legt / dem wird der Krantz vergunnt /
Den er nach Hause dann zu seiner Mutter bringt.
Ach / Ach / wie glücklich ist dem es so wol gelingt
Daß er mag Richter seyn. wie offte rufft er wol /
Daß Ganymedes jhm den Mund so machen soll
Als einen Stein durch den der Goldschmiedt Vrtheil spricht /
Ob auch gewiß das Gold recht gut sey oder nicht.
(S. 643-644)
_____


[.55]
Daß die Poeterey vnsterblich sey

Was wirffstu / schnöder Neid / mir für die Lust zu schreiben
Von Venus / vnd mit jhr die Jugend zu vertreiben?
Ich achte deiner nicht / du liebest Eitelkeit:
Mein Lob vnd Name wird erklingen weit vnd breit.
Cupido führet mich in eine grüne Wüsten /
Da der Poeten Volck / weit von Begiehr vnd Lüsten
Vorzeiten hat gelebt / wie noch die erste Welt
Nichts von den Städten wust' / vnd wohnet vmb das Feldt.
Die Nymphen werden mir den Lorberkrantz auffsetzen /
Mit meinen Versen wird sich Erato ergetzen:
So weit die grüne Lust vnd hohen Wälder gehn /
So weit wird mein Geticht' an allen Bäwmen stehn.
Ihr örter voller Frewd' / jhr Auffenthalt der Hirten /
Ihr Bäch' / jhr Ahornbäum' / jhr Quell' / jhr zarten Myrten /
Ihr Thäler / jhr Gebirg' / jhr Blumen vnd jhr Stein' /
Ihr Wohnhaus aller Rhu / bey euch wüntsch ich zu seyn;
Sonst nirgends als bey euch: von ewrer Lust besessen
Wil ich des jrrdischen / vnd meiner selbst / vergessen.
Wie Perseus als er erst Andromeden erblickt /
Ward mitten in der Lufft durch jhre Ziehr verzückt /
So daß er kaum das Roß vermochte zu regieren:
So soll auch mich von euch kein andre Liebe führen /
Biß mich der letzte Tod hier vnversehens kriegt /
Vnd Venus mich begräbt wo jhr Adonis liegt.
(S. 645)
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[.56]
An Nüßlern

ISt das der freye Sinn / sind dieses die Gedancken /
Der vnbewegte Muth / so vormals ohne Schrancken /
Voll himmlischer begiehr / den weg der tugend gieng?
Ist das des Phebus Sohn / dem sein gantz Hertze hieng
Das Schloß der Ewigkeit in kürtzen zu ersteigen
Durch Arbeit vnd Vernunfft? jetzt muß er stille schweigen /
Muß zähmen seine Lust / muß zwischen Trost vnd Pein
(Die Pein geht für dem Trost) der Liebe Sclave seyn.
Wer hat / O Amor / dir doch die Gewalt gegeben /
Daß der Poeten Volck / die sonst am Himmel schweben /
Vnd fast nicht jrrdisch sind / in deiner Dienstbarkeit
Vor allen auff der Welt bestrickt ist jederzeit?
Menandern / dessen Geist so hoch empor gegangen /
Hat das verruchte Weib die Glicera gefangen /
Corinnen (wie man weis / die hatte Naso lieb;
Catullus Lesbien; Tibullus was er schrieb
War nichts als Nemesis; Toscanien wird sagen /
Wie sehr Petrarcha kan von seiner Laura klagen;
Lucretius ward toll' auff einen Liebestranck;
Franciscus Molsa lag an den Frantzosen kranck /
Vnd starb' auch so dahin; kein Mensch hat je vernommen
Wohin doch Gauricus sey vnterweges kommen /
Als er aus buhlen gieng: der Strozza ward bey Nacht
Aus Eyffer vmb ein Weib erbärmlich vmbgebracht.
Dem edlen Ariost hat die Begiehr im lieben
Durch Schreiben sein Ferrar zu ziehren angetrieben:
Pontanus / Aretin / Secundus / Sannazar /
Mein Ronsard / Scaliger / Lotich / vnd wie die Schar
Der grossen Leute heißt / die haben jhre Sinnen /
Vnd vnerschöpfften Witz / nie höher bringen können /
Als wenn die strenge Brunst / die Kranckheit ohne Rath /
Die Pest der thewren Zeit / sie angesprenget hat.
Mir auch / wiewol ich mich nicht so vor werth erkenne /
Daß ich mich bey der Zahl der hohen Männer nenne /
Gefiel Asterie; vnd als ich diese ließ /
Durch Reisen / welches mich von jhrer Seiten rieß /
Kam meine Sylvia / die schon liegt in der Erden /
Vnd nichts mehr von mir weis: die sitsamen Geberden /
Die geile Höffligkeit / der abgeführte Sinn /
Vnd was mich sonsten hielt / ist alles mit jhr hin.
Dann hat mich endlich auch in Dacien gefangen /
Die lange Vandala: jetzt nun ich sonst entgangen /
Vnd die Begiehrligkeit mich wenig meistern kan /
Steckt Flavia mich doch als ein new Fewer an.
Die wilde Flavia / mit jhren schwartzen Augen /
So mir das Hertze selbst sampt Marck vnd Bein aussaugen /
Vnd bringen gantz mich durch. ach / daß jhr frecher Sinn /
Mich / der ich jhrer Hold gar wol doch würdig bin /
So wenig gelten lest! ach! ach! daß kein Vergiessen
Der Threnen / kein gut Wort / kein Seufftzen kan erschiessen!
Wie kömpt es daß sie nur sich mir so frembde stellt /
Da der vnd jener doch für nicht ertichtet helt
Sie liebe sonst zu viel! ich weis nicht was ich dencke /
So seltzam ist jhr Sinn: Wann ich mich zu jhr lencke /
So wird sie stoltz darvon: wann ich mich halten kan /
Vnd komme nicht zu jhr / so lockt sie selbst mich an.
O freundlicher Betrug! O vngerechte Liebe!
Ist dieses nun mein Lohn / daß ich mich allzeit vbe /
Cupido / deine Macht / durch meine Poesie /
Die nicht vergehen soll zu loben spat vnd frü?
Hab' ich mich darumb dich zu preisen vnterfangen?
Die Hände / dieser Hals / die Stirn' vnd diese Wangen /
Diß Mensch soll solche Noth / soll solche grosse Pein
Mir seylen auff den Hals / soll meine Marter seyn?
Die Bücher stincken mir: ich fieng schon an zu melden /
Aus Fürstlichem Befehl des vnverzagten Helden
Von Promnitz hohes Lob / das schläfft nun gantz vnnd gar:
Ja / was ich lachen muß / in dem ich embsig war /
Zu schreiben wie man doch die Wollust solle meiden /
Nam sie mich selbsten ein mit jhrem süssen Leiden /
Aus Rachgier gegen mir. Den Griffel frist der Rost
Mit dem ich vormals schrieb. die Lauten / meine Lust
Vnd Vnmuth-Trösterinn / weis jetzund nichts zu singen
Als nur von Flavien; mir grawt vor allen Dingen
Die sonst die Jugend liebt: der Tantz / das Spiel / der Wein/
Der Freunde Gegenwart / die sonst so lieb mir seyn /
Ist lauter Gall' vnd Gifft. die Einsamkeit / die Wüsten /
Ein melancholisch Berg / ein Thal / da Eulen nisten /
Ein trüber Fluß / ein Ort da nichts als trawren ist /
Diß hab' ich einig mir zu lieben auserkiest.
Hier ist mein Auffenthalt: hier jrr' ich hin vnd wieder /
Vnd rede mit mir selbst: dann setz' ich bald mich nieder /
Bald steh' ich wieder auff / vnd wann ich müde bin /
Vom Klagen vnd von Gehn / so streck' ich dann mich hin
Bey einem dicken Bawm / erseufftze mit verlangen /
Biß an statt Flavien mich pfleget zue vmbfangen
Der Schlaff des Todes Bildt / des Todes den ich mir /
Gezwungen durch Gewalt der närrischen Begiehr
Von Hertzen wündschen muß. so so pfleg ich zu leben /
Der ich der Weisheit vor war gantz vnd gar ergeben /
Schrieb wie im Krieg' ein Christ sich auff zu richten hat;
Nun mich ein Weib bekriegt / so find' ich keinen Rath.
Ich förcht' vnd hoffe doch / ich schweige still' / vnd bitte /
Ich bin wie kaltes Eiß / vnd brenne gleichwol mitte /
Ich lös' vnd binde mich / ich wüntsche frey zu seyn /
Vnd wann ich dann frey bin / so geh' ich wieder ein.
Wie einer dem der Trunck den Kopff gantz eingenommen /
Vnd nun nicht ist sein selbst / wann er das Schwerdt bekommen /
Leufft rasend' in den Feind / vnd fühlt die Wunden nicht;
So bin auch ich dem Rath vnd kluger Sinn gebricht.
Ich eil' / ich wart' / ich zürn' / ich weis nicht was ich treibe /
Was mein Begehren ist: zu gleich in einem Leibe
Haß' ich die Härtigkeit / vnd liebe die Gestalt.
Gleich wie die grüne See / im Fall sie durch Gewalt
Des Nordens wird gezwengt / bald jhre trüben Wellen
Biß an die Wolcken führt / bald an den Schlund der Höllen
Das hoffnung-blosse Schiff mit Sturm' vnd Prausen schlegt:
So wird auch mein Gemüt' jetzt hin jetzt her bewegt.
Die Leute sehn mir nach / daß ich / in dem ich gehe /
Jetzt eile wie der Wind / jetzt wieder stille stehe /
Vnd daß die Röte bald mir vnter Augen steigt /
Bald meine blasse Farb' an jhre statt sich zeigt.
Der Leib geht nur allhier: man soll mich vier mal fragen /
Ich werde kaum ein Wort (vnd doch nicht recht noch /sagen;
Mir träumet wachende: tobt das Gewissen sehr
Bey welchen es sich regt / die Liebe plagt mich mehr.
Ich kan nicht seyn ohn sie / vnd wann ich zu jhr komme /
Mit reden wol gefaßt / so stock ich vnd verstumme /
Die Zunge steht gehemmt / das Hertze gantz verzagt
Bebt wie ein äspen Laub / vnd wann es hoch sich wagt /
Wie sein Bedüncken ist / so stihlt es aus der Pforten
Des Mundes einen Kuß / den sie mit solchen Worten
(Ich weis nicht sind sie falsch) hernach zu bessern pflegt
Daß sich das Blut dadurch in allen Adern regt.
Durch solche Freundligkeit vnd süsses Libekosen
Macht sie daß ich mir nicht begehre zu gelosen
Den Kummer der mich krenckt. der Schatten jhrer Gunst /
Ein einig Anblick nur vermehret meine Brunst /
Vnd leßt mich nicht von jhr. so leb' ich meiner Sinnen
Beraubet vnd mein selbst / vnd werde fast nicht innen
Was in der Welt geschieht: in dem der strenge Streit /
Mit welchem Deutschland sich nun plagt so lange Zeit /
Mit solcher Tyranney vnnd Blutvergiessen wehret /
So schreib' ich wie die Pein der Liebe mich verzehret /
Wie Venus mit mir haust: diß treib ich wann die Nacht
Der Sternen Heer auffführt / vnd wann die Sonn' erwacht.
O Nüßler / meine Ziehr / vnd Kind der Pierinnen /
Vnd zarten Gratien / wie recht ist dein beginnen /
Daß du / wie ich dir dann gantz trewlich darzu rieht /
In dem dein alter noch wie eine Rose blüht /
Den Stand der Eh' ergreiffst. es ist mir recht zu sagen
Vnmöglich wie mich dünckt / was für ein groß behagen
Vnd Lust ich nechst geschöpfft / als die Justine kam /
Dein alllerwerthstes Lieb / vnd dich mit Frewden nam
In jhrer armen Band / vnd warff zu hundert mahlen
Mit höchster Freundligkeit auff dich die klaren Stralen
Der Augen voller Ziehr / aus welchem schon die Lust
Zu sehen mich bedünckt / die dir wird seyn bewust
Nach einer kleinen Zeit / wann du jhr ab wirst nehmen
Mit eusserster Begiehr / inmitten Furcht' vnd schämen /
Den Raub der Jungfrawschafft / durch den die süsse Nacht
Zwar sie zu einem Weib' / vnd dich zum Vater macht.
Wie wol wird euch doch seyn / wann euch ohn alle Sorgen
Die Kummerwenderinn die Nacht biß an den Morgen
Vollauff ergetzen wird / vnd der nicht harte streitt /
Der Liebe Zweck vnd Ziehl / euch stehlen wird die Zeit
In der man sonsten schläfft. doch ist mit diesem Wesen
Nicht alles noch gethan: wann du wirst Bücher lesen /
Wirst gantz vertieffet seyn zu wissen was die Stadt
Der Römer vnd Athen vns hinterlassen hat /
Wirst auch der Poesie zuweilen nicht vergessen /
Vnd schreiben gleich wie ich / so wird dein Weib indessen
Nicht minder embsig seyn / wird dencken wie sie dir
Wann du studieret hast begegne mit Gebühr /
Bestelle Küch' vnd Tisch / vnd kommen etwan Gäste /
Sie erstlich gerne seh' / alsdenn auch auff das beste
Bewirte / wie sie weiß / vnd einig vnd allein
Sich mühen deine Frewd' vnd höchster Trost zu seyn.
Wol also dir vnd jhr. wo soll nun ich verbleiben?
Soll ich die Ohren dann mit Wachse mir verkleiben /
Zu meiden die Siren? soll ich aus Haß der Pein
Mein Hertz in heisse Glut / mein Haupt in harten Stein /
Die Seufftzer in den Wind / die Augen voller Zehren
In einen Fluß / die Füß' in einen Stock verkehren /
Vnd nicht mehr zu jhr gehn? nein / nein / wie bleich ich bin/
Nicht vom studieren nur / so bleibt doch wie vorhin
Mein Vorsatz vnbewegt; ich wil mein Glücke tragen
So lang' ich kan vnd mag / wil setzen auff den Wagen
Der grawen Ewigkeit durch meiner Leyer Kunst
Die braune Flavia: an statt der Musen Gunst
Ist jhrer Augen Glut / das sternen-liechte Fewer
Kömpt wie der schöne Nord den Schiffern / mir zu stewer.
Auff / Flavia / auff / auff / erwecke meinen Geist /
Der einig deine Huld zu haben sich befleißt /
Vnd hat sie auch gewiß: du wirst mein Anbegehren
Nicht lassen / weis ich wol / vnd dessen mich gewehren
Was bloß die Jugend giebt / die jetzund allgemach
Den kürtzern ziehen wil / vnd führet nach vnd nach
Die Schönheit mit sich fort. laß böse Mäuler sagen
Was jhnen auch geliebt; zwar mir soll diß behagen
Kein Mensch auff dieser Welt / man spricht gleich was man spricht /
Aus meinem Hertzen thun / der Todt auch selber nicht.
(S. 646-652)
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aus: Martin Opitz Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend Anton Hiersemann Stuttgart
Band II 1. Teil (1978) Band II 2. Teil (1979)


siehe auch Teil 1 und Teil 3


 

 


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