Orientalische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

 


Persische Dichter (Teil 2)


Kiatibi (15. Jh.)


Rosengedicht

Es kommen auf die Flur zurück die Rosen,
Der Hochgesinnten Augenlust sind Rosen.

Des Himmels Flasche gießt das Rosenwasser
Des Thau's als Schweiß auf's Angesicht der Rosen.

Es kleidet sich der Frühling grün und roth,
Im Laub des Buchsbaums und im Blatt der Rosen.

Den Winter abzusetzen hat der Frühling
Das Machtdiplom gesiegelt mit den Rosen.

Sie stehlen Nachtigallen bares Geld,
Geduld und Ruh'; Falschmünzer sind die Rosen!

Bülbül legt' Eyer, wenn er sieht die Rosen,
Das Auge der Narcisse heilen Rosen.

Ein jedes Blatt ist Freundes Angesicht,
O Freund, du sollst verachten nicht die Rosen!

O wäre doch der Sonne Aug verfinstert,
Daß sie nicht säh' das blut'ge Maal der Rosen.

Von Türkis halb, halb von Rubin gefärbt,
Wie Köschke sind so gut als lieblich Rosen.

Auf der Cypresse sang Bülbül noch gestern
Dieß Lied, indeß im Thau sich wuschen Rosen:

"Du mit dem Knospenmund und Rosenwangen!
Narcissen sind dir Freund und hold die Rosen.

So lang du bleibst hab' keine Flügel ich,
Gefesselt ist Bülbül durchs Band der Rosen!"

Dein trunknes Auge schlug den Wangen Wunden,
Im Trinkergarten blüh'n des Weines Rosen.

Wenn du wie Rosen auf Jasminen triffst,
Befürcht' ich, daß Jasmin verletzt die Rosen.

Verweh' nicht seiner Hunde Spuren, Ost!
Sieh unsere Dornen, geh' vorbey an Rosen.

Es blühet durch des Schahs Gerechtigkeit
Die Flur; in Knospen schließen Gram die Rosen.

Des Glaubens Kaaba du, Schah Ibrahim!
Auf dessen Hauch die Distel tragen Rosen.

Ein Dreyblatt deiner Macht sind die drey Reiche,
Dir blüh'n die Elemente als vier Rosen.

Ein Zauberspruch aus deinem Munde macht
Aus Rosen Schlangen, und aus Schlangen Rosen.

Es winden sich durch deine Billigkeit und Huld
Am Boden Dornen hin, an Mauern Rosen.

Setzt einen Fuß ins Rosenbeet dein Neider,
So stechen ihn Gedanken statt den Rosen.

Dem Abendsterne schlägt der Himmel Wunden,
Geheilt von deiner Falkenhauben Rosen.

Und trotz des Himmelsbogens dienen dir
Die Dornen und die Knospen wie die Rosen.

Der Ostwind blättert stets den Himmel auf
Zu deinem Lobe, wie Bülbül die Rosen.

Schreibt Katibi ein Lied zu deinem Lobe,
Sind Tulpen Tintenfaß, die Rolle Rosen.

O Herr, zu deinem Lobe weih' ich Verse
Wie Thauesperlen reihen sich auf Rosen.

Ein Dorn nur, trage ich gefärbte Rosen,
Kein Wunder wenn der Mond entsteigt den Rosen.

Wie Rosenstrauch trägt meine Feder Rosen,
Ja mehr als Rosensträuche trägt er Rosen.

Wenn sie die farb'gen Worte reiht zum Lied,
Ists eine Nachtigall, im Schnabel Rosen.

Betracht' vielfarb'gen Sinn in hohen Versen,
So hebt die weiße Farbe noch die Rosen.

Der Verse Lenz vertritt der Rosen Stelle,
Wie nun auf Fluren färbt die Dornen Rosen.

Ich bin zwar, wie Attar, von Nischabur,
Der Dorn ich, und er der Strauß der Rosen.

Es tauget nicht dem Hirschen Rosenkunde,
Weil sie wie Moschus Kopfweh macht den Rosen.

Dein Leben soll so viele Jahre dauern,
Als jeden neuen Frühling schmücken Rosen.
(S. 282)
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Kiatibi (15. Jh.)

Wie kann im Herzen, das nicht rein,
Der Liebe Wohnsitz seyn?
Mein Mond mit Sternen im Verein
Wird in dem Himmel seyn.

Aus meinem Grabe steiget einst
Dein Duft wie Rosen rein,
Nach meinem Leben, wenn der Leib
In Staub verkehrt wird seyn.

Tritt mir aufs Aug und fürchte nicht,
Daß Wimpern spitzig seyn,
Denn Dornen, wenn sie nur recht feucht,
Geh'n in den Fuß nicht ein.

Die Moschuslocke hält den Hauch
Des Duftes vor mir ein;
Wie können schwarze Inder denn
So sehr enthaltsam seyn!

Es flüchtet sich mein schwaches Herz
Zu schwächerem Gebein,
Es klagt des Käfichts Nachtigall
Nach trocknen Wüsteny'n.

Bist du verliebt, o Kiatibi,
Erhalt' die Blicke rein,
Nur die, so reines Blickes sind,
Zur Liebe gehen ein.
(S. 283)
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Kiatibi (15. Jh.)

Wenn ohne Lieb' ein Mensch man ist,
So ist man doch verstört und wüst.
Von beyden Welten satt sich ißt,
Wer Gast der Liebestafel ist.

Von Lieb' sind beyde Welten voll,
Wer liebt, weiß was verschleyert ist.
Der Liebe Ring in Ameishand
Ein Salomonensiegel ist,
Sie macht den Storchen zum Simurg;
Dieß wahre Vogelsprache ist.
(S. 283)
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Kiatibi (15. Jh.)

Knospenmund schrumpft von der Sage der Lippen zusammen,
Wenn ich von Brauen erzähl' bieget der Bogen sich ein.

Einmahl noch will ich dem Nebenbuhler vom Herzen erzählen,
Sieh', ich wies ihm den Weg, aber er fehlte ihn doch.

Tausend Rosen entblüh'n im Garten vom Hauche des Odems,
Einer Rose Geruch brachte den Adam zum Fall.

Durch die Wüste der Fluth wallfahrt' zur Kibla des Freundes,
Wandle den heiligen Kreis', Thränen im Aug sind Semsem.

Wer auf seinem Pfade Verzicht auf Glauben und Welt thut,
Der, o Kiatibi, hat sich versichert die Lust.
(S. 283)

Semsem: der heilige Brunnen zu Mekka

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Kiatibi (15. Jh.)

Er, der erwiesen Härte mir,
Und Ungebühren einige,
O! möcht' er hinter meinem Sarg'
Hergehn der Schritte einige!

O Morgen! sag', wo bist du denn?
Gefährte der Aufrichtigkeit?
Daß wir uns aus dem Liebesmeer,
Erheben Zeitlang einige.

Ich freue mich des Maals der Hand,
Daß mir getreten hat dein Fuß.
Dem Bettler gleich, der auf dem Weg'
Gefunden Heller einige.

Was kümmerts mich nunmehr der Streit
Mit der Geduld und dem Verstand,
Zu Hülfe kamen mir vom Heer
Der Liebe Fahnen einige.

O Kiatibi, die Sehenden
Sind allbereit zur Huld.
Du, wend' mit Bitten dich an den
Der Großmuth kennet einige.
(S. 283)
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Kiatibi (15. Jh.)

Dein Aug' ist die Narciß,
Von welcher Schlummer träuft.
Dein Antlitz ist die Gluth,
Von welcher Wasser träuft.

Du bist wie Knospen rein
Am Saum, o Schönheitslenz,
Von deinen Lippen Wein,
Der reinste, immer träuft.

In tausend Tropfen Blut
Von deinen schönen Brau'n,
Vom Auge des Imam's
Am Hochaltare träuft.

In jedem Augenblick
Vielfarb'ge Schmeicheley
Von Wimpern, wie das Blut
Vom Dolch des Schlächters träuft.

Die Thränen Kiatibis
Um schöner Götzen Flaum,
Sind Thau, der in dem Schein,
Von heller Mondnacht träuft.
(S. 283-284)
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Urfi (15. Jh.)

Welch' Wärme ist's die in dem Weine brennt,
Welch' Feuer das im Aug' den Schlaf verbrennt?

Wer von der Liebe Blitz getroffen ist,
In dieser Sonne Schattengluth verbrennt.

Da Wein und Schönheitsgluthen sind vereint,
Verhüll' dich nicht, der Schleyer schnell verbrennt.

Warum fiel Feuer denn auf meine Tugend,
Warum verbrannte sie im Blitz der Jugend?

Es mangelt Feuer und des Lebens Wasser,
Wenn dieses wasserdurstige Herz verbrennt.

Es sprang ein Blitz hervor aus heißer Treue,
Der schnell den Zügel der Geduld verbrennt.

O zeig' die Gluth Urfi's dem Herren an
Der Buß' thut und aus Lust den Wein verbrennt.
(S. 305)
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Urfi (15. Jh.)

Wie schön du seyst, ein Genius nur weiß,
Denn nie ein Mensch von solchem Liebreiz weiß.

Wer mit den Wimpern hundertfach liebkos't,
Aus jedem Haar Lanzett zu machen weiß.

Aus Furcht des Herzensgrams geizt nicht nach Seelen
Wer dieser türk'schen Krieger Sitte weiß.

Ich durste nach dem Lebensquell der Lippen,
Wo ist der Chiser der die Straße weiß?

Hüth' dich vor jeder dieser zwey Gaselen,
Die, sey's zu mager, sey's zu fett, Nichts weiß.

Wer mit der Schönen Thun nicht ist bekannt,
Liebkosungen als Grausamkeit nur weiß.

Schätzt er für Nichts die Perlen, hat er Streit
Mit dem, der wahren Werth der Perlen weiß.

Gefallen ist, unmöglich stehet auf
Wer die Verirrungen der Liebe weiß.

Mit Gold kann den Rubin, die Sonne kaufen,
Ein jeder welcher Gold zu machen weiß.

Es ziemet dem Urfi Hafisen nachzufolgen,
Weil er den Werth beredter Herzen weiß.
(S. 305)
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Urfi (15. Jh.)

Mit einem Blick entseelt sie mich, so ist es recht;
Ein einz'ger Zug berauschet mich, so ist es recht.

Von In' und Außen seh' ich sie in hundert Bildern,
Solch Tempel ist im Lande der Ungläub'gen recht.

Eh' ich sie sah war ihr mein Herz mein Lieb' ergeben,
Das Korn sproß ohne Säen auf, so ist es recht.

Indeß die Liebe um mich Fernen Zauber wob,
Sank ich in nichts, für Zauberey ist es so recht.

Ich schau' und streif' herum, verstreu' und sammle wieder,
Ist meine Seele voll von Staub, so ist es recht.

So lang' vom Staub des Grams gefegt nicht ist der Busen,
Ich wein' und lach' aus Lieb' ein Narr, so ist es recht.

Wenn eine Fremde mir ihr Angesicht verstecket,
Kann sie mich kränken nicht damit, so ist es recht.

Bald froh, bald trüb, bald voll von Leben und bald todt,
Im siebenfachen Wechsel für Betrunkne recht.

Ich bin von Sinnen und für beyde Welten weg,
So ist's für Einen, der um nichts sich kümmert, recht

Wenn Ursi's Herzensblut im Tanze schäumt und wallet,
Ist's für den Schmetterling, der sich verbrennet, recht.
(S. 305-306)
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Urfi (15. Jh.)

Urfi, sey nicht halsstarrig, hier ist nicht der Ort,
Die ew'ge Leitung läßt dir keinen weiten Raum.
In jedem Brunnen steckt gefangen ein Jussuf,
Doch in der Karawane ist ein Kenner auch.

Es kleidet sich Perwis in Zobel, Hermelin,
Ferhad ins Leichentuch mit unglücksschwangerm Sinn.
Den führt die Lust hinan, die Liebe den herab,
Der Eine küßt den Mond, der Andere das Grab.
(S. 306)
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Hatifi (15.-16. Jh.)

Zusammenkunft Leila's mit Medschnun in der Wüste

Es wandert Leila wie der Mond
Von Station zu Station,

Es überwältigt Schlaf die Schöne,
Und des Kameeles Zaum entsank,

Die Nacht war dunkel, fern die Führer,
Und sie verlor die Karawane;

Denn das Kameel verließ den Weg
Und wandte sich zur Weide hin.

So irrte sie herum in Wüsten,
Und als sie aufsah, sah sie Nichts.

Die Rose war jetzt fern von Fluren,
Sie war vom Stamm und Fremden fern,

Entzügelt lief jetzt das Kameel
Nach allen Seiten in die Ferne.

Sie trieb es durch die weite Wüste
Um die Gefährten aufzuspähen.

So ging es fort von Pfad zu Pfad,
Bis ihr Medschnun aufstieß von gäh.

Als Leila einen Menschen sah
Verwandelt Weinen sich in Lachen.

Dieß war die Wüste, wo Medschnun
Von Liebe raset als Medschnun.

Die Schöne trieb nun gegen ihn,
Rief auf ihn zu, und ihn zu sich.

Sie fragte ihn nach ihrem Gau
Und um der Heimath schöne Flur.

Medschnun war so von Schmerz verzehrt,
Daß sie, die Treue, ihn nicht kannte;

Auch sie erkannte nicht Medschnun,
Um so viel schöner war sie nun.

Woher bist du? sprach zu ihm Leila,
Und warum bist du so verwirrt?

Verlorner! sag' mir deinen Nahmen
Und wem du dich geweihet hast.

Der leidende Verliebte sprach:
O du mit Schönheit reich geschmückt!

Mein Nahm' ist Kai's, aber nun
Heiß ich aus Liebeswahn Medschnun.

Als Leila dieses Wort gehört,
Sie vom Kameel zur Erde fährt.

O Armer! Leila bin ich, ich!
Und deines Leidens Trost bin ich!

Medschnun als er gehört den Nahmen,
Ohnmächtig fiel er gleich zusammen.

Da setzte Leila sich zu ihm,
Sie selbst aus Mitleid außer sich.

Den Kopf, der in den Staub gefallen
Legt sie hin zu sich auf das Knie.

Sie gab dem irren Fremdling Heimath,
Sie nahm ihn auf in ihren Schooß.

Sie wischte mit dem eignen Aermel
Die Thränen ab ihm von den Augen.

Als er nun wieder zu sich kam,
Hob er das Haupt vom Schooß der Freundinn.

Bist du's, o Freundinn, die hier sitzt,
Die mich in ihrem Schooß umfängt?

Ist dieß die Wange schleyerlos?
Ich fürcht' es ist nur Traum und Wahn.

Ist dieß im Schlafe mein Genuß,
So ist Erwachen mein Verderben!

So sprach Medschnun den Kummer aus
Mit Worten die das Herz zerschmelzen.

Wenn dieses ist ein leeres Bild,
Was wird aus mir wenn es verschwindet.

Als Leila nun den Mund eröffnet,
Sprach sie die Worte zuckersüß:

"O Durstiger! was grämst du dich,
Wenn du in Händen hältst Semsem.

Verbranntes Herz betrüb' dich nicht,
Wenn dich der Himmel nun begünstigt,

Verliebter sag' mir deinen Wunsch,
Daß ich denselben nun erfülle!

Wir geben uns allhier die Hände
Und treten auf den Kopf der Welt.

Wir wollen nimmermehr uns trennen,
Der ganzen Welt allhier verborgen."

Medschnun entgegnet so das Wort
Der treuen Freundinn seines Herzens:

Wenn du zu uns herab dich ließest,
So schmähte dich der Araber.

Man kann das Thor der Stadt versperren,
Doch nie des Feindes Mund verschließen.

Weit besser ists als dieß und das,
Daß ich zur Heimath dich geleite.

Weil mir versagt ist dein Genuß,
Soll mir dein schönes Bild genügen,

Soll mir genügen meine Freundinn,
Bis du einst mein bist, meine Freundinn!

So trennte sich Medschnun von ihr,
Und rannte in die Wüste hin.

Er ging nicht todt und nicht lebendig,
Mit hundertfach durchbohrter Brust,

Er sprach mit blut'gem Herzensgram:
Was soll ich von ihr ferne machen!

Im Traume seh' ich dich, o Freundinn,
Ich Durst'ger seh' des Wassers Scheinbild;

Ich habe sie auf stets verloren,
Was soll ich machen, ich Verlorner!

Ich fing den Paradiesesvogel,
Doch böses Glück entführt ihn mir.

Es wünschte mich mein Arzt zu heilen,
Ach! Heilung war mir nicht bestimmt!

Mein Loos, es will daß trocknen Mund's
Ich von dem Meere kehren soll.

Zum Lebensquelle führt mich Chiser,
Mir war dabey kein Trunk bestimmt.

Der Bissen fiel mir in den Mund,
Er war der Seele nicht bestimmt.
(S. 360-361)

Semsem: der Brunnen zu Mekka, der vor Hagar aufquoll,
als sie ihr Kind vor Durst in der Wüste verschmachten sah.
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Mewlana Hairani (16. Jh.)

Gasel

Trennung, wie lange verbrennst du mir noch das Herz und den Körper?
Könnt ich wie Kerzen doch schmelzen im Feuer der Brust!

Aber es findet der Tod zu mir nicht den Weg durch die Trennung,
Denn mit Seufzerrauch hab' ich verfinstert die Luft.

Frage mich nicht: warum bist du krank am Tage der Trennung?
Krankheit ist besser als Flucht, besser als Trennung ist Tod.

Siehe mein Herz hat der Arzt mit Seufzernadeln genähet,
Faden blieb ihm in der Hand, wehe! die Nadel zerschmolz.

Solchergestalt hat gewirket auf's Herz Hairani's dein Antlitz,
Daß er wie Kerzen verbrennt, immer zu sterben bereit.
(S. 365)
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Mewlana Abdal aus Ißfahan (16. Jh.)

Gasel

Du blickest Alles an,
Nur mir kein Blick nicht wird.
Mich überfiel ein Schmerz
Der immer schärfer wird.

Was für ein Unglück ist's!
Ein einz'ger trunkner Blick,
Er tödtet Tausende
Eh' daß er kund noch wird.

Wohin soll ich, verbrannt,
Die Seele bringen nun!
Womit sie wohl erfreu'n
Wenn mir sein Schmerz nicht wird!

Des Herzens Blut ist Wein,
Der Braten ist das Herz;
O weh! daß Elenden
Kein ander Leben wird!

Verliebt that ich den Schritt
Und ich erfuhr zuletzt,
Daß er mich warf dahin
Woraus nicht Rettung wird.

Abdal es trägt dein Lied
An sich Perisgestalt,
Denn solches Wort zu Theil
Den Menschen nimmer wird.
(S. 366-367)
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Hilali (gest. 1529)

Gasel

Wenn du mit Zorn, mit Gnade mich behandelst,
Du bist der Kaiser und ich bin dein Diener.

Wiewohl du dir von Niemand schmeicheln läßt,
So schmeichl' ich dir, du bist der Welten Schmeichler.

Gehst du mit andern um, lieg' ich im Staub;
Wenn nicht, warum gehst du mit mir nicht um.

Ich liebe dich so sehr ich es vermag,
Erbarme dich so sehr du es vermagst.

Von deiner Schönheit hört' ich überall,
Doch als ich sie gesehn, fand ich sie größer.

Du bist die Seel' in meinem eig'nen Herz,
Ich hoffe daß du bleibst wenn sie entflieht.

Es sehnt sich Hilali nach dir mit Lust,
Und sang dieß Lied, daß du es lieblich singest.
(S. 369)
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Dost Mohammed Dschaji (gest. 1532)

Kaßide

Schön ist das Glas von der Hand des Freundes besonders im Frühling,
Wo Hyacinth und Ros' Bild von den Wangen und Haar.

Du ergreife den Wein und schau' die Schönheit der Rose,
Welche Zeugniß gibt von dem noch schön'ren Gesicht.

Sitz' am Ufer des Stroms, schau' fröhlich das Wasser verrinnen,
Sieh! es führt die Geduld allen Verständigen fort.

Sieh! anmuthig sproßt das frische Grün an dem Ufer,
Wie ein zartes Kind, üppig und lieblich genährt.

Siehe das Grün des Gestad's in dem Spiegel der grünlichen Fluthen,
Strom und Ufer hält wechselnd den Spiegel sich vor.

Blumen bestirnen die Flur und Blumen bestirnen die Wogen,
Jene sind Fixstern', diese sind Wandelgestirn.

Von dem Wiederschein, der fällt in die Fluthen vom Himmel,
Sind sie blau gemahlt, dunkel wie Indigoblau.
(S. 373)
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Mewlana Nasiri (16. Jh.)

Er zieht den Mond aus seines Kinnes Brunn,
Und Scorpionen legen sich in Weg,
Der Fromme, der ihn sieht, geht aus dem Kloster;
Der Sultan, der ihn findet, braucht nicht Reiter.

Am jüngsten Tage vor des Lichtes Schleyer
Wird Gott der Diener Sünden nicht aufdecken.
Geht er die Reih'n vorbey mit schiefer Haube,
Vergessen Fürsten ihrer Herrscherhaube.

Des Glanzes Majestät erschreckt das Auge,
Der Blitz verkündet Regen dürrem Gras.
Das Aug' kann seine Schönheit nicht umfassen,
Und nicht durchblicken die Vollkommenheit.

Mein Lastthier kann nicht im Geleise gehen,
Es schleppet sich so gut es kann den Weg.
Ich hoffe, bin ich über's Dach hinaus,
In Mitte seines Gau's mich auszuseufzen.

Wenn dieser Durst, Nasiri, dich verläßt,
Will ich die Gluth im Selsebile suchen.
(S. 374)
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Mewlana Nasiri (16. Jh.)

Der Saaten Schmuck ist meine Nahrung,
Der Himmel Herrschaft ist mein Nest.
Die Nachtigallen und Gasellen,
Sie hören meinem Sange zu.

Sie bringen einen Ton hervor,
Nach meiner Liebeslieder Ton.
Chosru wird auf Schirin vergeßen,
Wenn er vernimmt mein Zauberlied.

Es prahlen mit dem Kleid die Gleißner,
Der Bund der Kutte ist zu Haus.
Ich flehe nicht um Macht und Reichthum,
Mein Schatz ist ein zufriednes Herz.

Ich mache heut auf Herrschaft Anspruch,
Wer ist als ich in unsrer Zeit.
In unserm Vorhof kann man bethen,
Denn hoch genug ist unser Thor.

Hüth' dich, der Blitz schläft in der Wolke,
Der Donner rollt aus meinem Mund;
Mir schadet nicht des Looses Bogen
Mein Ziel ist der Bestimmung Pfeil,
Ich blick' auf Nahrung Eines Tages,
Da ewig doch mein Leben währt.
(S. 375)
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Mewlana Nasiri (16. Jh.)

Aus Nothwendigkeit baut der nackte Vogel ein Nest sich,
Mangeln die Rosen genügt Wasser und Korn dem Bülbül.

Ueble Bedeutung wenn sich Nachteulen setzen auf Dächer,
Glücklich ist sie nur dann, wenn in Ruinen sie sitzt.

Schaaren regen sich auf aus Liebe zum Winkel des Auges,
Und durch meinen Spruch wallet der Zauberer Blut.

Siehe! das Weltall theilt und machet zum Schmetterling Felsen,
Wer vom wahren Geist ewiger Liebe beseelt.

Bis nicht der Frühlingswind verkündet den Wechsel des Jahres,
Was nützt eher wohl Gärtnern im Garten das Schloß?

Nachsichtsvollen Augs soll man die Niederen ansehn,
Formet der Himmel ja selbst Kannen und Becher aus Thon.

Wenn Schönlockiger Bild in meinem Gehirne vorbeygeht,
Werden närrisch Peris an dem verwüsteten Platz.

Nichts vermindert die Lust wem Bittres zu kosten bestimmt ist,
Zuckerlächelnder Mund bietet der Süßigkeit viel.

Liebe, Nasiri, bringt Unordnung sicher zuwege,
Du bist entschuldigt, der Mann kann nur erzeugen ein Kind.
(S. 375)
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Ehli aus Chorassan (16. Jh.)

Meine Augen kehren aus
Mit den Wimpern diesen Ort,
Wo hinsetzest du den Fuß
Möcht' ich Wege machen dort.

Welch ein schön geschmücktes Fest
Ist im Freundeskreis alldort,
Schade daß mein schwarzes Loos
Mich verbannt von diesem Ort!
(S. 377)
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Ehli aus Chorassan (16. Jh.)

Ich bin in Blut versenkt durch dein blutdürstig Aug',
Verwundet in der Brust und Herzgedanken voll.

Bald zieh' ich Wimpern- und bald Seufzerpfeil' heraus,
So viel ich zieh' heraus sind Pfeile deines Grams.

Wie Sonnenstäubchen tanzt der Glanz vom Angesicht,
Und wie der Schatten bleib' ich hinterm Wall zurück.

Wie Sonnenstäubchen fliegt aus Lieb' empor mein Herz,
Und kann zu deinem sich niemals erheben dich.

Zeig' dein Gesicht, daß ich aufgeb' aus Lust den Geist,
Zu sterben ziemt es mir, mich anzublicken dir.
(S. 377)
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Ehli aus Chorassan (16. Jh.)

Dein gedenk, ist der innere Mensch ins Weinen gekommen,
Eines bist du mit mir, immer gedenke ich dein.

Sieh' mein nächtlich Gestöhn erschreckt den wachenden Haushund,
Daß er zu heulen beginnt wenn er von weitem mich sieht.

Wenn ich des Rosenbeets vor deiner Wohnung gedenke,
Schmilz ich aus Eifersucht glühend, zerrinnend wie Wachs.

Deine Güte vermehrt die Liebe im Grunde des Herzens,
Wenn ein Schall von dir in das Gemüthe mir tönt.

Freylich empfiehlt mit Geduld zu dem Gau des Geliebten zu kommen,
Aber des Lebens Bau ist aus dem Grunde zerstört.

Wer am Berg Bissutun die Gestalt Schirinens erblicket,
Denkt des armen Ferhad's sicher mit bitterem Leid.

Von der Geliebten entfernt durchstöhn' ich die Nächte der Trennung,
Jegliche Nacht scheint mir Stunde des jüngsten Gerichts.

Nimmer, Ehli! hat der Gram die Seele, die zarte, betroffen,
Wie gedächte sie mein, immer in Trauer versenkt!
(S. 377)
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Ehli aus Chorassan (16. Jh.)

Aus Begier nach Rosenwangen,
Denen der Rubin sich neiget,
Bin ich mehr berauscht als hätt' ich
Nun zweyjähr'gen Wein getrunken.

Als die Rose sich vermessen
Gegen dein Gesicht zu prahlen,
Warf das Loos zur Straf' auf selbe
Statt der Steine Thaueskörner.

Können es wohl Nachtigallen
Von der Rose Lippen essen,
Wenn von ewig her der Bissen
Eingetauchet ist in Blut!

Durch den Strom der Thränen konnt' ich
Trennungsmaale nicht ausbringen,
Mit dem Blut der Herzen kann man
Tulpenmaale nicht auswaschen.

Ehli's Verse sind der Abglanz
Von den Rosen deiner Wangen,
Und sie gehen einst wie Rosen
Noch im Kreis von Hand zu Hand.
(S. 377)
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Ehli aus Chorassan (16. Jh.)

Es macht mir deine Liebe solchen Schmerz
Daß, wenn die Seele
Entflöhe, aus derselben doch der Schmerz
Nicht mehr entflohe.

Ich bin dein Wegstaub, laß mich an den Saum
Des Kleides haften,
Indem mich sonst der Wind von deiner Flucht
Wie Staub forttrüge.

Ich bin im Tulpenbeete dieser Welt
Verbannt als Tulpe,
Es kann mich nur der Liebe Herzensblut
Allhier ernähren.

Ein Sonnenstäubchen deiner Liebe nahm
Den Platz im Herzen,
Und drehte in den Wirbel meinen Staub
Wie Weltensonnen.

Anziehungskraft von deiner Liebe ist's
Und Herzenssehnsucht,
Die mich ins Land des Daseyns aus dem Nichts
Hervor gezogen.

Wie viel Gedanken, Ehli, denk' ich heut
Und wie viel morgen,
Daß in den beyden Welten mich der Freund
Allein erwähle.
(S. 377-378)
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Ehli aus Chorassan (16. Jh.)

O du, deß Augenbrau'n mein Hochaltar,
Deß Thüreschwelle meine Kaaba ist!
Je mehr als ich betrachte deine Brau'n,
Je mehr wächst Andacht zu dem Hochaltar.

Der Augen Licht, die Seel'- und Herzensruh',
Die Augen und die Seelen folgen dir.
Wie Schatten folgt im Staube das Gesicht,
Und Seufzer folgen deinem hohen Wuchs.

Ich sprach: O gehe nicht mit Nattern um!
Und dieß trieb auf die Stirne mir den Schweiß.
Im Liebesnetze fingest du mein Herz,
Und deinethalb vergieße ich mein Blut.
Wenn du, o Ehli, kommst in bösen Ruf,
So ist daran dein eignes Kosen Schuld.
(S. 378)
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Ehli aus Chorassan (16. Jh.)

Ach! daß der Thränenstrom den Weg zu dem Monde versperret!
Dergestalt fließet der Strom, daß er die Wege versperrt.

Ferne von ihm wünscht sich in Paradiese das Herz nicht;
Wie wär' fröhlich ein Ort wo der Geliebte nicht ist!

In der Trennungsnacht kommt mir von der Kerze des Willens
Außer Flammen-Ah nimmer erfreuendes Licht.

Aus der Tafel der Brust stieß ich so viele der Seufzer,
Daß ich aus Schwäche nun nimmer zu seufzen vermag.

In dem Winde des Nichts sind die Saaten des Daseyn zerstoben,
Mir blieb Thränenkorn, Stroh des Gesichtes zurück.

Fall' ich gleich wie der Spaten zum Staub der Füße des Hohen,
Reicht der Hoffnung Hand doch nicht zum Saume hinauf.

Keiner wagt es mich zu verspotten Wahnsinnes der Liebe,
Wem von ferne bekannt wie es den Liebenden geht.

Du, Ehli, sollst nicht die Glücksanwünschung versäumen,
Weil er selber nie Wünsche des Glückes versäumt.
(S. 378)
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Scherif (Mewlana) (gest. 1549)

Gasel

Es können ohne dich die Wimpern Blut nur ziehen,
Sonst können sie von Dornen ohne Ros' Nichts ziehen.

Kann ohne deinen Bart wohl frisches Grün erstehen?
Und können Knospen ohne Mundrubinen blühen?

Im Blute schleppet sich mein Herz entzwey gespalten,
Und aus der Spalte will der Seele Falk entfliehen.

O Chiser! deinem Mund entströmt der Quell des Lebens,
Aus dem die Wesen all' die Kraft des Lebens ziehen.

Sieh' wie die Knospe mit Gewalt das Herz zersprengt,
Zerspreng' es so, denn auch zersprengte Ketten ziehen.
(S. 379)
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Scherif (Mewlana) (gest. 1549)

Wie soll der Gram des Liebenden durch's Feld entfliehen,
Wohin die Liebe geht, wird auch der Gram mit ziehen.

Mein Leben ist zu End', geh' Morgenwind zur Freundinn,
Sag' ihr: O kränk' ihn nicht, denn morgen muß er fliehen.
(S. 379)
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Schewki aus Jesd (16. Jh.)

Die Wangen sind der Mond der Schönheit,
Der Wuchs des Anmuthshaines Zeder.
Die Rosen und Cypressen prahlen
Umsonst vor dir mit ihrer Schönheit.

Wenn du einher im Garten schwankest,
Entfernen sich aus Schaam Cypressen,
Und wenn du zeigest deine Wangen,
So schwitzen Rosen Thau als Angstgeschweiß.

Der Mund versteckt sich vor den Wangen,
Cypressen vor dem hohen Wuchse.
Cypressen sitzen still im Winkel,
Und irrend läuft der Mond am Himmel.
(S. 384)
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Schewket aus Bochara (16. Jh.)


Ey was kümmert mich wohl der schlangenblickende Klausner,
Ist die Flasche nur funkelnd geschliffner Smaragd.

Nicht so leicht ists zum Wuchs von meinem Liebling zu kommen,
Wimpern als Löwen des Hains halten die Wache des Wegs.

Siehe die Liebe! sie zieht uns hin zum eignen Gebilde,
Unsern behauenen Stahl ziehet an sich Bissutun.

Meines Glückes Zweig, wann wird er vom Wasser getränket?
Wasser! was nützet es wohl meinem verwundeten Aug'?

Schelmisch stehet mein Sinn nun auf den Wogen des Weines,
Weisses vom Hirschenaug' scheinet die Flasche zu seyn.

Trunken kam sein Bild Schewket zum Feste des Herzens;
Vom Verliebten bring' Kunde zum Liebenden hin.
(S. 384)

Bissutun: der Berg in dessen Felsen Ferhad das Bild
Schirin's aushaute. Das Eisen meines Beils wird
vom Magnete Bissutuns (dem Bilde Schirin's) angezogen.

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Schewket aus Bochara (16. Jh.)

Im Kerker ist mein Herz so sehr befangen,
Daß Kettenringe Löwenaugen scheinen.

Dein Bild hat mich mit Rosenduft berauscht,
Es führt ein Weg vom Herzen ins Gehirn.

Vor deinem Bilde ist der Teppich unnütz,
Das Alter bringt von selbst hervor die Matten.

Von Bissutun trug Wunsch mich zu Schirin,
Der Milchfluß diente mir das Roß zu geißeln.

Wenn ich Schewket von seinen Blicken spreche,
Vermag die Feder Nichts hervor zu bringen.
(S. 384)
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Schewket aus Bochara (16. Jh.)

An's Netz des Freundesrings ward ich gebunden,
An Saiten goldnen Weins ward ich gebunden.

Nun kann an keinem Ort ich mich bewegen,
An Moschusnabelkreis ward ich gebunden.

Mit Ketten zog man Tag und Nacht mich Trägen,
Mit Fäden feinen Schlafs ward ich gebunden.

In meinem Kindesschlaf fand ich nicht Ruh',
Denn an Quecksilber hat man mich gebunden.

Zu Eden's Hyacinthen wollt' ich fliegen,
Ich fand mich durch ein trüg'risch Netz gebunden.

Die mir ein Netz aus Wolle zubereiten,
Im Mondschein haben Manche sie gebunden.

Wie soll ich bey dem Wein das Auge wenden,
Ich bin daran durch Talisman gebunden.

Geh nicht, Schewket, ins Netz der Nachtigallen,
Mit frischen Rosen hat man mich gebunden.
(S. 385)
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Schewket aus Bochara (16. Jh.)

Ohne dich sind Blitz und Lächeln
Meinem Auge Alles Eins.
Becherrand und Mückenkreise
Meinem Auge Alles Eins.

Glaub' und Unglaub' sind zwey Rosen
In der Einheit Rosenbeet.
Götzentempel oder Kaaba
Meinem Auge Alles Eins.

Wo die Flammen hoch aufschlagen
Werde ich zum Schmetterling.
Sina's Flamme, Stubenlampe,
Meinem Auge Alles Eins.

Brenn' ich jetzt als Salamander,
Flieg' ich dann als Nachtigall,
Rosenhaine, Feuerheerde,
Meinem Auge Alles Eins.

Trunkenheit hab' ich erwählet
Unserm Scheich Schewket zum Trotz
Weg zur Schenke, zu Moscheen,
Meinem Auge Alles Eins.
(S. 385)
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Mirsa Kassim (16. Jh.)

Die Schrift des Grames wird von Thränen
Aus meinem Herzen nicht verwischt,
Der Tulpe Brandmaal wird vom Wasser
Des Frühlingsregens nicht verwischt.

Mit Maal und Wangenbrand der Schönen
Steck' meines Daseyns Speicher an,
Die Hölle kann mir dann nicht schaden,
Zum zweytenmahl brennt Asche nicht.
(S. 386)
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Mirsa Kassim (16. Jh.)

Anrede eines Liebenden an die Kerze:

Du leidest, wie ich sehe, Fürst der Kerzen,
Wie ich, viel Gram in diesem Haus der Schmerzen,
Ich seh', daß nimmer dir die Seele ruht,
Indeß zu Asche dich verzehrt die Gluth.

Indeß brennst du nur bis der Tag erwacht,
Ich, Armer! brenne hülflos Tag und Nacht.
Du hast von dieser Welt, der wandelbaren,
Wie ich, viel Ungerechtigkeit erfahren.

Dein Schmerz ist wie der meine kund gegeben,
Mußt brennen so wie ich, wenn du willst leben.
Ein Vogel bist, der Blut und Feuer frißt,
Weßhalb dein Schnabel feurig blutroth ist.

Es nähret dich mit Gluth und Blut die Zeit,
Das sie statt Korn und Wasser dir geweiht.
Ein Salamander lebst in Flammen hell,
Das Feuer ist für dich des Lebens Quell.
(S. 386)
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Molla Wahschi (16. Jh.)

Gasel

Umwölkt erfrischt der Herbst die Luft,
Komm, Schenke, gib den Purpurwein!
Der Sonne Glas tritt hinter Wolken,
Nun ist es Zeit das Glas zu leeren.

Komm, Schenke, komm, bring' Moschuswein,
Jetzt da die Luft von Ambra duftet.
Bey Wein und Grün und milder Luft,
Fehlt Nichts als Freundgespräches Duft.
(S. 390)
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Molla Wahschi (16. Jh.)

Gasel

Jussuf's Zeit ist vorbey, an dir ist die Reihe der Schönheit,
Der Herzen Mißr gehorchet deiner Schönheit.

Viele Köpfe hat man an die Zinnen der Liebe gebunden
Dort wo der Dom sich hebt von deiner Schönheit.

Allgebietender Herr im weiten Reiche der Liebe,
Ein jeder Schmetterling zollt deiner Schönheit.

Ketten des Grams hat um den Nacken der Seele geworfen
Das Haar, der Kettenschmuck von deiner Schönheit,

Und es wird mit dem Lebenswasser der Herzen getränket
Das Grün, der Schmuck des Gartens deiner Schönheit.

Ach ich weiß, daß bis ans Ende der Zeiten ich ziehe
Mit Flehn und Pein am Saume deiner Schönheit.

An Liebkosungen läßt Wahschi fürwahr es nicht fehlen,
Doch sind sie weit noch unter deiner Schönheit.
(S. 390)

Mißr: d. i. Aegypten

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Molla Wahschi (16. Jh.)

Gasel

Ha! unsre Einsamkeit ist weltberühmt,
Von Kaf zu Kaf ist der Simurg berühmt.

Dieß wird dem der sich scheidet von der Welt,
Und Jesus ward durch Himmelfahrt berühmt.

Die Liebe breitet aus der Schönheit Ruhm,
Jussuf ward durch Suleicha erst berühmt.

Medschnun ward nicht allein berühmt allhier,
Auch unsre Worte sind jetzt weltberühmt.

An allen Orten wie Wahschi berühmt,
Kein Ort wo sie nicht wären wohlberühmt.
(S. 390)
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Molla Wahschi (16. Jh.)

Gasel

Vogel des Käfichts, o sag' nach welchen Fluren du schmachtest,
Solches Schmerzensgestöhn welcher Beraubung es gilt?

Wüstenbewohner vertrockneten Munds, dein brennender Seufzer,
Welchen Lebensquell wünschet er brennend herbey?

Du, der mit blutigem Fuß durchzieht die Pfade des Wunsches,
Welcher Wüste Dorn hat dich so blutig geritzt?

Du, dem längst das grünende Gras der Hoffnung verdorrt ist,
Sag', von wem hoffst du Fluthen belebenden Quells?

Seel' in Gluthen verzehrt, dieß Feuer das mächtig emporflammt,
Wessen streifender Saum hat es entzündet in dir!

Alle stöhnen um dich herum, wir stöhnen mit ihnen,
Arme Brust! welch Dorn hat dir die Wunde versetzt?

Deine Worte, Wahschi, durchdrangen, ein Wunder, die Busen,
Welch verborgener Gluth dankst du so mächtige Gunst?
(S. 390)
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Molla Wahschi (16. Jh.)

Gasel

Ich Wüstenlehm bin in das Rosenbeet gegangen,
Von wüster Flur bin in den Garten ich gegangen,

Es ward viel Gnade mir durch einen Hauch zu Theil,
Vom Paradies bin zu Riswan ich hingegangen.

Da Ahriman mir nicht genug liebkoset hat,
Bin ich zum Hofe Salomonis hingegangen.

Ich richtete das Aug' auf Mekka's Straße hin,
Nur Dornenpfade bin ich dort vorbeygegangen.

Wo Finsterniß verbarg den Quell des Lebens mir,
Ich ging und bin den Lebensquell vorbeygegangen!

Es ist der Herr, der mich gebracht in diese Angst,
Mit Hab' und Gut bin ich durch die Sündfluth ich gegangen.

Wahschi zieht nicht den Fuß zurück aus Liebesbanden,
Wiewohl er an Entbehrungen vorbey gegangen.
(S. 390-391)
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Mewlana Lissani (gest. 1534)

Ich kann die Hand an deinen Saum nicht legen,
Nicht deine Sehnsucht aus dem Herzen bahnen.
Aus Nebenbuhlerfurcht zu dir nicht kommen,
Und ohne dich zu keinem andern kommen!

Mein Weinen führte so viel Staub nicht fort,
Daß ich nicht decken kann damit den Scheitel,
Wie kann ich wohl in Furcht des Nebenbuhlers
Von deiner Schönheit wenden weg den Blick.

Es strebet Lissani gar viel nach dir,
Wer kann des Lebens Waaren mindern.
(S. 391)
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Mewlana Lissani (gest. 1534)

Heute bin ich mehr verwirrt,
Als ichs sagen kann,
Von dem Trennungsmaale mehr,
Als ich sagen kann.

Immerfort verein' ich zwar
Meines Herzens Schmerz,
Doch bewein' ich ihn nicht so,
Daß ichs sagen kann.

Aller Gram fiel auf die Seele,
Welcher fallen kann.
Eine Wendung nahm ich, die
Ich nicht sagen kann.

Ungerechtigkeit hat mir
Klau'n ins Blut gesetzt,
Und zerschnitt die Adern mehr,
Als ichs sagen kann.

Lissani, er tropfet Blut
Vom geheimen Maal,
Seine Farbe ist nicht so,
Daß ichs sagen kann.
(S. 391-392)
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Mewlana Lissani (gest. 1534)

Deine Liebe läßt mich nimmer
Ruhen einen Augenblick,
Ohne deine Liebe kann ich,
Ruhen keinen Augenblick.

Sage mir was ist die Ursach'
Vom Beysammenseyn der Liebe?
Sage mir was ist die Ursach'
Von dem Nichtbeysammenseyn?

Nichts als schöne Männer seh' ich
In dem Kreis der schönen Welt.
Nimmer kann ich Umgang pflegen
Mit den Freunden schöner Welt.
(S. 392)
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Mewlana Lissani (gest. 1534)

Deine Locken sind der Rauch
Von der Wünschegluth der Menschen,
Und dein Muttermaal ist Licht
Für die Augen aller Menschen.

Bis von deinem Maal das Bild
Nicht in meinem Auge sitzet,
Kann ich nimmer glauben, daß
Ruhen soll darin ein Apfel.

Zeige nicht dein Antlitz uns,
Und verbrenne nicht die Seelen.
Was bedarf denn dein Gesicht
Sich zu wenden nach dem Menschen?

Herr, mein Gott! welch ein Getös
Auf dem Boden deines Gaues!
Tag und Nacht nichts als Getös
Und Empörung unter Menschen.

Deine Schönheit zeig', entführe
Körperbanden meine Seele.
O Geliebte, so erfülle
Das Verlangen aller Menschen.
(S. 392)
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Mewlana Lissani (gest. 1534)

Dein süßer Duft soll Hauch der kranken Seele seyn,
Dein Mundrubin nach Wunsch gebrochner Herzen seyn.

Da meine Hand zu dem Genusse nicht gelangt,
So soll des Herzens Fuß in Lockenketten seyn!

O Sonne! im Zenith des Glückes Stäubchen nährend,
Von deinem Glanz soll hell mein Tag stets seyn!

Vom Thränenstrom, der deinem Schattenbilde folgt,
Soll stets der Schönheit Flur des Augpallasts gewachsen seyn!

Durch bittres Weinen ist Lissani ganz betrübt,
Er möge stets mit deinem Lippenzucker seyn!
(S. 392)
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Feisi (Feizi) (1547-1595)

Vierzeilige Strophen

Frühling ists, und die Welt ist voll von hundertley Hoffnung,
Auf den Fluren hält Rose den Becher Dschemschid's.
Wasser das jetzt im Thau von Wolken träufet zur Erde,
Ist ein Tropfe nur, welcher der Sonne entquillt.


Garten an Gärten frischt jetzt die Sonne von Neuem mit Glanz auf,
Und die Rosen der Flur nehmen jetzt Farbe und Duft;
Sie ist's, welche nun mit neuen Rosen die Erde erfrischet,
Und das Lotosaug' öffnet des Himmels, mit Glanz.


Sonnenausfluß gibt den Rosen beständiges Wohlseyn,
Und verleiht nach Wunsch Aesten die schmeckende Frucht.
Blick' auf die Frucht und lern' aus ihrem Genusse:
Ohne Feuer noch Rauch, findet sich Süßigkeit doch.


Sehet die Sonne, sie frischt Hyacintehn und Cedern durch Luft auf,
Und von ihrem Glanz raubet die Rose sich was.
Allen Blättern der Flur läßt sie Lichteinfluß gedeihen,
Machet die Blätter so grün, machet die Rosen so roth.


Festtag ists' und Frühling, der Garten ist farbig bedecket,
Und der Rosenbusch lieget den Bäumen im Arm'.
Wenn ein Sänger wie ich nicht vermag die Sonne zu preisen,
Zehnzüngig schweigt freylich die Lilie dann.


Frommer! die Rosen entblühn, du aber liegest verdorrt stets,
Immer harret dein Fuß kalt an der Schwelle der Thür.
Sonnenfeuer entlockt viel tausend Quellen den Felsen,
Deine Felsenbrust bleibet gefroren für stets.


Frühling ist's, und die Flur erschallt von den Tönen der Musik,
Manche Neuerung fängt an in den Gärten der Lenz.
In den Augen Bülbüls, der frisch aufsteht in dem Garten,
Ist die Rose die Sonn', Dornen die Strahlen davon.


Herr der farbigen Flur, ist wieder der Frühling gekommen,
Und die Sonne schmückt wieder von neuem die Zeit.
Wasser versprechen nunmehr die Wolken, und dieses genügt uns;
Bitteres Wasser wird süß durch der Liebenden Aug'.


Frühling ist's, nunmehr aufstehn hochstämmige Cedern,
Und Narcissen stehn auf mit gekräuseltem Haar.
Regen träufet herab, entgegen kommet das Grün ihm;
Sieh' zur Thüre hinaus, wie die Smaragden entstehn.


Steh' auf, denn der Rain ist nun beblumet mit Rosen,
Auf die Rosen streu'n Wolken die Perlen herab;
In den Wolken spielt ein freundlicher Schimmer des Himmels,
Einen einzigen Blick zeiget die Sonne von sich.


Morgens früh da sitz' ich erwacht zu glänzender Hoffnung,
Mit der ewigen Sonn' Wange an Wange gelehnt.
Nicht ein Fünkchen möcht' ich für die Welten dann geben;
Denn durch eigene Gluth bin ich die Sonne, die Welt.


Leider bin ich verbannt in Ruinen, was soll ich nun thun?
Wie ein Sonnenstaub ängstig, was soll ich nun thun?
Ganze Nächte hindurch möcht' ich mich werfen in's Feuer,
Närrisch durch's Sonnenlicht; saget, was soll ich nun thun?


Weiß ich vielleicht welch' eine Sonne die meinige seyn mag?
Für Sehnsüchtige ist Kibla der Hoffnungen sie.
Innig verknüpft mit ihrem Lichte, ward selber mein Herz Licht;
Gott sey Dank, es ist dieses das ewige Licht.


Sieh', die Sonne, nach der als Kibla die Blicke sich wenden,
Ist das letzte Ziel meines vielkundigen Sinns.
Lieber hab' ich sie, als alles was da bestehet,
Weil sie der Günstling ist meines Geliebten der Welt.
(S. 403-404)
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übersetzt von Joseph von Hammer-Purgstall (1774-1856)

Aus: Geschichte der schönen Redekünste Persiens
mit einer Blüthenlese aus zweyhundert persischen Dichtern
von Joseph von Hammer Wien 1818


siehe auch Teil 1
 



 

 


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