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Karoline Pichler
(1769-1843)
Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
An den Bach
1789
Was rauschest du vor mir dahin,
Du kühle, klare Fluth,
Von dieser Silberpappeln Grün
Beschirmt vor Sonnengluth?
Du eilst in jenes stille Thal,
Wo die drey Erlen stehn -
Ach dorthin, wo zum letzten Mahl
Ich Wilhelm jüngst gesehn!
Es war ein schöner Frühlingstag,
So schön wird keiner mehr;
Im reinsten goldnen Lichte lag
Die Gegend um uns her.
Die Sonne sank, ihr letzter Schein
Hüllt in ein Veilchenblau
Des Bergs bewachsnen Gipfel ein,
Und schimmert' an der Au.
Da standen wir, du lieber Bach,
An deinem grünen Bord,
Und sahn dem Spiel der Wellen nach,
Und wagten nicht ein Wort.
Der Schmerz der nahen Trennung goß
Mir Schauer durch das Blut,
Und manch entschlüpftes Thränchen floß
Still in die kalte Fluth.
Da both er eine Rose mir,
Die er vom Strauche brach,
Ach, unbeschreiblich ist, was hier
Sein blaues Auge sprach!
Nun ist er fort, die Rosenzeit
Ist hin, die Blüthe leer -
Doch jenen Blick voll Zärtlichkeit
Vergess' ich nimmermehr!
(S. 5-6)
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Die Verlassene
Aus dem
Französischen des de la Place
Flieht meinen Geist, ihr traurigen Gedanken!
Ich weiß es, daß ich meinen Freund verlor!
Mich liebte Daphnis; Daphnis konnte wanken!
"Vergiß ihn!" predigt die Vernunft mir vor:
"Du liebtest ihn, er kränkte dich so sehr" -
Doch wer gefällt mir jemahls so wie Er?
Der weise Damon, unsers Dorfs Orakel,
Erbath das Vorwort meiner Ältern sich;
Der stolze Hylas brennt durch Amors Fackel,
So reich, so flatterhaft er ist, für mich.
So reich, so klug ist Daphnis nimmermehr -
Doch wer gefällt mir jemahls so wie Er?
Mein armes Herz, bestürmt von allen Seiten,
Von Kämpfen, Zweifeln, Furcht und Hoffnung matt,
Nahm andre Waffen, um ihn zu bestreiten,
Die es im Stillen längst beseufzet hat.
Umsonst rühmt man des Wechsels Reiz so sehr -
Ach, mir gefällt kein andrer Jüngling mehr.
(S. 7-8)
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Hedwig
Text zu dem
Italienischen Lied: Nel cuor piu non mi sento;
aus der Oper: La Molinara
1791
Vom Haselgesträuche beschattet,
Durch welches kein Sonnenstrahl brach,
Lag Hedwig vom Heuen ermattet,
Schlummernd am schwatzenden Bach.
Sie war so schön, sie schlief so süß,
Die Gegend schien ein Paradies,
Wie wallte nicht mein Blut!
Ich bin den Haselschatten,
Die sie bedecket hatten,
Jetzo so hold, und so gut!
Ach Gott, wie viel einsame Stunden
Verbracht' ich am Bache mit Späh'n!
Doch hab' ich sie nimmer gefunden,
Nimmer sie schlummern gesehn!
Mir bleibt von allem meinen Glück
Erinn'rung nur und Wunsch zurück,
Es sinkt mein froher Muth.
Ach, nur die Haselschatten,
Die sie bedecket hatten,
Wissen von meiner Gluth!
(S. 10-11)
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Der Abschied
Nach dem
Italienischen des Metastasio
Schon naht die Scheidestunde,
Um dich von mir zu trennen;
Wie werd' ich leben können,
O Lyda, ohne dich?
Ich werd' in Kummer leben,
Nichts wird mir Freude geben;
Und du? - Wer weiß, du denkest
Vielleicht nicht mehr an mich!
Mein Geist wird dich begleiten,
Bis hin in ferne Fluren,
Er folget deinen Spuren,
Läßt nimmer, Lyda, dich.
Du fühlst sein leises Wehen,
Kannst du ihn gleich nicht sehen,
Und denkst - doch ach, du denkest
Vielleicht nicht mehr an mich!
Entfernt von meinem Glücke
Werd' ich dann einsam klagen,
Und jeden Felsen fragen:
Wo find' ich, Lyda, dich?
Mit jedem neuen Morgen
Erneu'n sich meine Sorgen,
Und du? - Wer weiß, du denkest
Vielleicht nicht mehr an mich!
Dann such' ich noch die Stätte,
Wo ich in sel'gen Stunden
Das reinste Glück empfunden;
Dort lebt' ich einst um dich!
Das Bild entflohner Freuden
Verdoppelt meine Leiden,
Und du? - Wer weiß, du denkest
Vielleicht nicht mehr an mich!
Seh' ich die Felsenquelle,
Dann werd' ich seufzend sagen:
Hier fand in schönern Tagen
Ich oftmahls, Lyda, dich!
Dort glühten wir in Flammen,
Hier klagten wir zusammen,
Und du? - Wer weiß, du denkest
Vielleicht nicht mehr an mich!
Du wirst, wohin du ziehest,
In jenen fernen Gründen
So viele Hirten finden,
Die schöner sind als ich!
Ach Gott! Bey ihren Blicken,
Bey Seufzern, Händedrücken,
Ach Gott! - wer weiß, du denkest
Vielleicht nicht mehr an mich!
O denk' an meine Liebe,
An deine heil'gen Schwüre,
Denk - wenn ich dich verliere,
Dann blüht kein Glück für mich!
Denk mit gerührtem Herzen
An dieser Trennung Schmerzen,
Denk - o wer weiß, du denkest
Vielleicht nicht mehr an mich!
(S. 41-43)
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Schifferliedchen
Nach dem
Italienischen: La biondina in gondoletta
etc. etc.
Als ich Abends auf der Gondel
Mein geliebtes Mädchen führte,
Rings um uns sich nichts mehr rührte,
Schlief sie vor Behagen ein,
Schloß die schönen Augenlieder,
Und erwachte plötzlich wieder;
Doch der Barke leichtes Schwanken
Wiegte sie von Neuem ein.
Von dem blauen Himmel blickte
Luna durch die Wolkenhülle,
Auf des Meeres tiefer Stille
Hielt der Wind den Odem ein;
Nur ein Zephyr spielte freyer
Mit des Mädchens Haar und Schleyer,
Und aus den verschobnen Falten
Blickt ihr Busen weiß und rein.
Ganz verloren in Entzücken
Sah ich ihre Wangen blühen,
Ihre Purpurlippen glühen,
Staunte so viel Schönheit an.
Ach, da fühlt' ich ein Gewühle
Nie empfundener Gefühle
Und ein innerlich Vergnügen,
Das ich nicht beschreiben kann!
Endlich, ihrem langen Schlummer,
Der mir ewig schien, zu wehren,
Wagt' ich's, leise sie zu stören,
Und nie werd' ich es bereu'n;
Denn, o Gott! was wir empfanden,
Was wir Süßes uns gestanden,
Nein, ich werd' in meinem Leben
Nimmermehr so selig seyn.
(S. 44-45)
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Philippine
Welserin
"Horch! die Thurmuhr hat geschlagen,
Und er naht im Augenblick!
Sollt' ich hier zu bleiben wagen?
Zieh' ich schüchtern mich zurück?
Tiefer nicht den Pfeil zu drücken
In die schwer verletzte Brust,
Sollt' ich flieh'n aus seinen Blicken,
Fliehn, als wär' ich schuldbewußt?
Und was hab' ich denn begangen?
Jugend, Schönheit, Edelsinn
Ziehn in schüchternem Verlangen
Meine Seele zu ihm hin.
Ach, er ist so gut so freundlich -
Ist so tapfer, ist so schön!
War es möglich, kalt und feindlich
Solchem Reiz zu widerstehn?
Ja, ich weiß, ich darf nicht hoffen.
Mich bethört kein eitler Wahn;
Mein Geschick liegt vor mir offen,
Eine dornenvolle Bahn.
Tollkühn zu dem Kaiserssohne
Hob sich mein verwegner Blick,
Und der Glanz der Fürstenkrone
Schrecket strafend mich zurück.
Doch - was ist dort für Bewegung?
Wie das Volk zusammenströmt!
Alles scheint in froher Regung:
Guter Gott! Er ist's! Er kömmt!
Herrlich ragt er aus der Menge,
Die er freundlich nickend grüßt,
Aus dem fluthenden Gedränge,
Das sein Barberroß umfließt!"
Und schon hat er sie erspähet
Hinter der Gardinen Flor,
Zu dem Fenster, wo sie stehet,
Fliegt sein heißer Blick empor;
Denn, die keinen Rang erkennet,
Liebe reißt ihn zu ihr hin,
Und der Sohn des Kaisers brennet
Für die schöne Welserin.
Täglich zieht er nun vorüber,
Täglich wird die süße Qual,
Seines Busens Schmerz ihm lieber,
Täglich wächst der Hoffnungsstrahl;
Und schon wagt er zu gestehen,
Was die Seel' ihm glühend füllt -
Zitternd höret sie sein Flehen,
Denn sie schreckt der Zukunft Bild.
Und sie mahnt ihn seines Ranges,
Seines Vaters, seiner Pflicht;
Doch voll heißen Liebesdranges
Achtet er ihr Warnen nicht,
Weiß sie bald zu überzeugen,
Daß sein Glück in ihr nur lebt,
Ihren strengen Sinn zu beugen,
Der ihm zagend widerstrebt.
Kann sie wohl sein Glück zerstören?
Ungerührt von seinem Flehn
Ihn von Leid und Gram verzehren,
Diese Blicke welken sehn?
Zwischen Lieben, Zweifeln, Scheuen
Reicht sie ihm besiegt die Hand,
Und des Priesters Segen weihen
Das geheimnißvolle Band.
Philippine, Philippine!
Rasch ist dieser Schritt gethan -
Doch es naht die ernste Sühne,
Es zerstiebt der schöne Wahn;
Denn der Kaiser hat vernommen,
Was ihr frevelnd hier gewagt,
Und sein Zorn ist rasch entglommen,
Hat euch schwer und streng verklagt.
"Ja, ihr habt den Weg gefunden,
Wo ihr meine Macht verhöhnt;
Denn, was Priesters Hand gebunden,
Wird von Menschen nicht getrennt.
Doch dieß sey euch laut verkündigt:
Die mich tief gekränkt, die schwer
Sich an meiner Huld versündigt,
Sehn mein Antlitz nimmermehr!"
Wie ein Blitz aus heitern Lüften
Trifft die Liebenden dies Wort;
Ihre Freuden zu vergiften,
Tönt's in ihren Herzen fort,
Mischt, ein düsteres Geleite,
Sich in jeden frohen Reihn,
Läßt an Philippinens Seite
Ferdinand nicht glücklich seyn.
Kummervoll sieht sie ihn trauern,
Es zerreißt ihr liebend Herz.
"Nein, die Qual soll nicht mehr dauern!
Nein, ich ende diesen Schmerz!
Hab' ich, Theurer, Dich betrogen
Um des Vatersegens Glück,
Was die Liebe dir entzogen,
Bringt die Liebe Dir zurück!"
Im entschlossenen Gemüthe
Reift ein Anschlag, klug und kühn;
Wohl kennt sie des Kaisers Güte,
Und zu dieser will sie fliehn.
Unerkannt soll er sie sehen,
Und wenn sie ihr Leid geklagt,
Ihr die Milde zugestehen,
Die er keinem noch versagt.
An den Ort, wo jetzt er thronet,
Zieht sie hin, zum fernen Prag,
Wo ihr nie ein Freund gewohnet,
Wo sie niemand kennen mag.
Als bedrängte Fremde stehet
Sie vor ihres Kaisers Blick,
Die um Schutz und Hülf' ihn flehet,
Von ihm hofft ihr Lebensglück.
Und sein Blick ruht mit Vergnügen
Auf der lieblichen Gestalt,
Auf den engelsmilden Zügen,
Wo sich Zucht und Güte mahlt;
Mit geheimer zarter Regung
Fühlt er sich zu ihr geneigt,
Hört mit inniger Bewegung,
Welch ein Schmerz die Holde beugt.
Freundlich läßt er sie erzählen,
Wie ein Ritter sie geliebt,
Wie das stille Glück der Seelen
Jetzt des Vaters Härte trübt,
Dessen Zorn ihr Bund entflammet,
Der die Schnur zwar nie gekannt,
Doch sie mit dem Sohn verdammet,
Und sie ewig von sich bannt.
"Wahrlich! das soll nicht geschehen!"
Ruft der Kaiser: "Fasset Muth!
Laßt euch vor dem Vater sehen,
Glaubt mir, dann wird Alles gut!"
""Ach, wie dürft' ich solches wagen?
Mich verbannt sein strenger Spruch;
In der Ferne muß ich tragen
Meinen Schmerz und seinen Fluch!""
"Nun, so will Ich mit ihm sprechen,
Nennt mir ihn, und seinen Sinn,
Wär' er noch so eisern, brechen,
Traun! so wahr ich Kaiser bin!"
""Wollt ihr das? Ihr wollt verzeihen?""
Ruft sie, stürzet vor ihn hin:
""O laßt euch dies Wort nicht reuen,
Denn ich bin die Welserin!""
Staunend tritt der Fürst zurücke,
Unmuth, Mitleid, Zweifel, Lust
Kämpfen in dem Augenblicke
Heftig in des Kaisers Brust.
Soll er - darf er sie verstossen,
Die sich zitternd an ihn schmiegt,
Die, in Thränenström' ergossen,
Schluchzend ihm zu Füßen liegt?
Muß er nicht des Worts gedenken,
Das den raschen Zorn ihm band?
Kann er wohl dem Sohn verdenken,
Was er selbst beynah' empfand?
Nein, er kann nicht widerstreben,
Enden muß er ihren Harm.
"Komm!" ruft er "Dir sey vergeben! -
Komm in Deines Vaters Arm!
Ja, ihr habt mich überlistet,
Schlau begegnet meinem Drohn!
Doch ich zürne nicht, ihr büßtet
Eure Schuld durch Reue schon.
Was geschehn ist, sey vergeben,
Himmelslust liegt im Verzeihn!
Laßt das neue schöne Leben
Uns der Lieb' und Eintracht weihn!" (S. 267-274)
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Aus: Gedichte von Caroline Pichler
gebornen von Greiner
Neue verbesserte Auflage Wien 1822
Biographie:
http://de.wikipedia.org/wiki/Caroline_Pichler
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