Dietrich Ernst Spiegel von Pickelsheim (1738-1789) - Liebesgedichte

 


Dietrich Ernst Spiegel von Pickelsheim
(1738-1789)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 





An Veilchen
welche durch Elmiren frühzeitig zur Flor gebracht worden
und dann an ihrem Busen welkten

Ihr Veilchen wie beneidens werth
War euer kurzes Leben!
Der Grazie, die euch ernährt
Habt ihrs zurück gegeben.

Ihr keimtet, wuchset, schlosst euch auf
Durch ihre sanfte Pflege.
O, dieser süsse Lebenslauf
Macht meine Misgunst rege!

Die späten Schwestern rief im Thal
Zum Leben, Frühlings Sonne;
Ihr Auge war euch Sonnenstrahl,
Hing über euch voll Wonne.

Für sie verduftetet ihr nur
Die frohen Lebensstunden.
Hat ein Geschöpf in der Natur
Je grössres Glück empfunden?

Uns mäht das Schreckgeripp ins Grab
Mit schauervollen Waffen;
Die schönste Hand, die brach euch ab,
Die je ein Gott geschaffen.

Das Mädchen aller Mädchen trug
Euch an dem Engelherzen;
Ihr fühltet, wenn es wärmer schlug,
Und theiltet Lust und Schmerzen.

Um solch ein Glück den Thron verschmähn,
O das ist wahrlich wenig! -
Nur für sie leben und vergehn
Ja das ist mehr als König.
(S. 54-55)
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Auf die Frage eines Freundes:
Ob mein Mädchen schön sey?

Mein Mädchen? - solch ein Meisterstück
War niemals auf der Welt!
Bezaubert wird, durch einen Blick,
Der Schäfer und der Held!

Der Augen Glut schmilzt sicherlich
Ein Herz von Marmorstein;
Die Liebes Götter sonnen sich
An ihrem Sonnenschein!

Die Rose tuscht den Lilien Grund
Ihn hebt schwarz lockicht Haar,
Es scherzt um ihren Rosenmund
Der Amoretten Schaar!

Der Freyheit ist des Busensschnee
Ein schnell zerstöhrend Gift!
Sie fliehet wie das scheue Reh'
Wenn's auf den Jäger trift!

Der Hüften wallenden Contour
Mahlt dir kein Titian,
Und wenn sie mit auf Ida fuhr,
Gleich war der Spruch gethan!

Doch mächtigern Reiz, den sing' ich nicht,
Den deckt ein heil'ger Schley'r
Er ist zu reizend dem Gesicht'
Zu zauberisch der Ley'r.

Dich stürzte Freund! ein einz'ger Zug,
Nebst Frau Philosophie,
Herab vom hohen Sternenflug
Zu ihrem weissen Knie!

Und hättest Du des Ali Muth
Vor dem der Türke flieht,
In Ketten lägest du so gut
Als jeder, der Sie sieht!

Denn solchen Reiz im Angesicht,
Wie du, Natur, ihr gabst,
Den sähe ungestrafet nicht
Der heil'ge Vater Pabst!
(S. 62-64)
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Tarquin und Lucretia
Nach dem Französischen

Unempfindsam harte Seelen
Fühlen auch der Liebe Macht;
Selbst Lucretia muss fehlen
Wenn die Sterblichen zu quälen,
Amor seine Plane macht.

Als Tarquin bey Mondesschimmer,
Einst auf Abentheuer sann,
Ueberrascht Er Sie im Zimmer.
Ohne Vorsaal war das Zimmer
Damals sagte man nicht an!

Sprachlos ward Sie auf der Stelle,
Endlich fasst Sie sich zum Glück;
Wie ein Pfeil fliegt Sie zur Schelle,
Doch wer kann für Unglücksfälle,
Abgeschnitten war der Strick!

Ihr zu Füssen schwört Er kräftig
Nein! er will sich nicht vergehn!
Lauter sey die Glut, doch heftig! -
Und der Teufel ist geschäftig
Wenn wir kniend Mitleid flehn!

Ja Sie schreit - und seht - ich wette
Der verwegene Tarquin! - -
Fliehend glitscht der Fuss am Bette - -
Wer kann auf des Bodens Glätte
Sonder Teppich sicher fliehn?

Heisse Reue folgt geschwinde;
Lust verwandelt sich in Pein!
Und ein Dolchstoss löscht die Sünde! -
Unsre Schönen haben Gründe
Nicht so schwach an Geist zu seyn
.
(S. 80-82)
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Hans an Veit

Seit dem mir's Gretchen angethan
Kann ich Dir nicht mehr lachen.
So frölich war im Dorf kein Mann,
Ich konnte Schwänke machen.

Nun ist mir's schwer hier in der Brust,
In allen Sinnen trübe,
Ich träume nicht einmal von Lust,
Der Teufel hohl die Liebe!

Das Mädchen ist so wunderlich,
Ich kann Dirs gar nicht sagen,
Sie quält, Sie neckt, Sie hudelt mich,
Es ist nicht zu ertragen!

Bald wär's ihr wenn ich gienge recht,
Bald wieder wenn ich bliebe.
O das - das närrische Geschlecht!
Der Teufel hohl die Liebe!

Oft wird's beschlossen, ich will fort,
Hans muss die Fremde sehen;
Denn hier in dem verwünschten Ort',
Hier wär's um mich geschehen!

Doch meiner Brust entfällt der Muth,
Wie meine Saat dem Siebe,
Wenn Sie ein wenig schön mir thut.
Der Teufel hohl die Liebe!

Seh' ich mit andern Sie vertraut,
Nur wenig schmunzern, scherzen,
Gleich krieg' ich eine Gänse-Haut,
Mir stockt das Blut im Herzen!

Es wird das Fleisch am Leibe mir
So pelzig wie die Rübe,
Ja Veit ich wiederhohl' es Dir,
Der Teufel hohl die Liebe!

Der Amtmann selber sieht sie gern,
Für Zorn möcht ich zerspringen!
Sie muss dem ausgestopften Herrn,
Oft selbst die Steuern bringen;

Und dann fällt mir das Sprüchwort ein:
Gelegenheit macht Diebe.
Nein! fröhlich kann ich nicht mehr seyn.
Der Teufel hohl die Liebe!
(S. 83-85)
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Das glückliche und gleiche Paar
Aus dem Grecourt

Dorinde schickt sich für Erast,
Erast sich für Dorinden.
Er ist voll Leitsinn, tändelt, spasst;
Sie flattert, gleich den Winden!
Er leidet Nebenbuhler gern,
Sie Nebenbuhlerinnen.
Von Schäfern ist Erast der Kern
Und Sie von Schäferinnen.
Er scherzt mit Mädchen ohne Scheu;
Sie raset auf der Weide:
Der Liebe sind sie stets getreu,
Doch unbeständig Beyde!
Kein Hirt ist schöner auf der Flur,
Ihr muss die Schönste weichen.
Er scheint dem Sperling an Natur!
Der Schwalbe sie zu gleichen!
Sie kürzen sich die Trennungszeit,
Die Sehnsucht zu bestreiten,
Mit Bildern der Vergangenheit
Und goldnen Kunstigkeiten
Und sollten sie, aus Ueberdruss
Geschmack am Neuen finden,
Sucht Sie doch wieder seinen Kuss,
Und Er kehrt zu Dorinden!
Bey Ihnen ist Uneinigkeit
Ein Sturm der bald verschwindet;
Der ernstlich nimmer sie entzweyt,
Nein! Vester noch verbindet.
Kein Vorwurf drohet hier Gefahr,
Gleichschuldig ist ihr Leben:
Es muss das liebenswerthe Paar
Bald Er, bald Sie vergeben!
Nie plagt die Eifersucht ihr Herz;
Nichts droht dem seltnen Glücke,
Sie suchen nur der Liebe Scherz,
Und spotten ihrer Tücke!
Wer frey und froh zu leben denkt,
Der habe gleichen Glauben
Und girre nicht, wenn Liebe kränkt
Gleich öden Turteltauben!
(S. 90-91)
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Die Sehnsucht

Fern, mit ihm, sind alle Freuden
In der Seele steht das Scheiden!
Und sein trauriges Gesicht - -
Immer ists mir gegenüber,
Immer wirds im Herzen trüber;
Und den Trost? - den find ich nicht!
Nichts was mir die Sehnsucht stillt;
Alles ist für mich sein Bild! -

Seufzt in neubelaubtem Grunde,
Schon mit früher Morgenstunde,
Die verwaiste Nachtigall;
O dann hör ich Damons Sehnen,
Alle Tropfen Thau sind Thränen,
Klagen, braust der Wasserfall!
Nichts, was mir die Sehnsucht stillt;
Alles ist für mich sein Bild!

Sucht mein Schmerz, wenn ich ihn weine,
Linderung in jenem Haine,
Wo mein Damon unbelauscht,
Mir von Liebe vorgesungen;
O so flüstern tausend Zungen
"Hier sind Herzen umgetauscht!" -
Nichts, was mir die Sehnsucht stillt;
Alles, ist für mich sein Bild.

Giebt Vernunft auch das Geleite
Diesem Herzen (Damons Beute)
Hin zum stillen Arbeitssaal;
Find ich, weil ich ihn vermisse
Tausend! tausend Hindernisse,
Neue Leiden, neue Quaal!
Nichts, was mir die Sehnsucht stillt;
Alles, ist für mich sein Bild;

Nicht ein Nadelstich will glücken!
Hin mit mir zum Blumensticken
Setzen Liebe sich und Schmerz!
Ach mein zärtliches Verlangen
Sieht in Rosen seine Wangen,
Und in Lilien sein Herz!
Nichts! was mir die Sehnsucht stillt,
Alles, ist für mich sein Bild!

Beben meiner Laute Saiten,
Gram und Kummer zu bestreiten,
Einen schmelzenden Gesang;
O dann hör ich seine Lieder,
Und die süsse Stimme wieder,
Die zu meinem Herzen drang.
Nichts! was mir die Sehnsucht stillt
Alles ist für mich sein Bild!

Sonst erschufen meine Farben,
Vögel, Schmetterlinge, Garben,
Früchte, Blumen, Quell und Baum;
Jetzt? - Ich brenne vor Entzücken
Seine Bildung auszudrücken,
Ihn empfängt der leere Raum!
Nichts! was mir die Sehnsucht stillt;
Alles, ist für mich sein Bild!

Götter, wollt ihr euch erbarmen,
O so bringt mir Armen! Armen!
Meinen Damon bald zurück!
Gebt den Zärtlichen mir wieder,
Dankbar tönen dann Euch Lieder
Von der wahren Liebe Glück,
Und der Sehnsucht, die gestillt,
Freudig, Flur und Hain erfüllt!
(S. 96-99)
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An Linas Grabe!*

O wie glücklich war ich! Als ich noch mit Dir
sahe sich röthen den Tag, schimmern die Nacht!
Klopstock

Fühlst Du, dass ich Dich umschlossen habe,
Theurer Staub, den dieser Hügel fasst?
Regt sich nichts in diesem stillen Grabe?
Stöhrt Dich nichts, in Deiner süssen Rast?
Leg' den Trost an meine schweren Wunden,
Sanft, wie Hofnung sich an Unglück schmiegt,
Dass die Liebe, die uns hier verbunden,
Ueber Grab, und Tod, und Schicksal siegt.

Komm auf halbem Wege mir entgegen,
Dem Verlassnen! Der zu Dir sich schwingt.
Komm zu diesem Herzen, das mit Schlägen
Starker Sehnsucht Dir entgegen dringt!
Lass, o lass! den Glauben ihm hienieden,
Dass Dein Geist, mich Uebrigen noch kennt,
Und wenn gleich die Hüllen hier geschieden,
Nichts, die Herzen der Geliebten trennt!

Dass Dein Geist herab von höhern Sphären,
Liebend auf mein Qualenleben sieht;
Dass die Macht, um dich vergossner Zähren,
Dich herab zu dem Geliebten zieht;
Dass Du oft unsichtbar uns umschwebest,
Mit dem Kelch' der Stärkung in der Hand;
Deiner Kinder Herz zum Schöpfer hebest,
Der so früh zum Engel reif dich fand!

Lass, o lass ihn stets der Seele schimmern
Diesen Glauben, der vom Himmel stammt!
Theures All! aus meines Schiffbruchs Trümmern,
Lebenslicht, das noch im Herzen flammt!
Sey mein Pharus, in den Finsternissen
Die der Gram um diesen Busen hüllt;
O die Hälfte von Dir losgerissen,
Hat noch ganz, Dein sanftes Engelbild!

Welche Tröstung! heiliger Gedanke!
Dich umschliesse nicht des Grabes Nacht!
Wenn ich unter Lasten kraftlos wanke,
Hält mich deine Wundervolle Macht.
Ob ich gleich, o Engel, dich nicht sehe
Weil kein Blick zum Heiligthume dringt;
Fühlt das Herz gestärkt doch deine Nähe,
Wann es unter Felsenbürden ringt!

O des Abstands! vormals jeder Morgen
Freudenfülle! herzlichster Genuss!
Ganz für jedes finstre Leid geborgen
War mein Herz, durch seeligen Erguss
Deines Herzens! jetzt der Quell der Thränen,
Der den Bach des schweren Lebens trübt.
Wahr ist, dass Gott nie den Erdensöhnen
Seinen Himmel hier auf Erden giebt! -

O des Abstands! Unter Gottes Engeln,
Himmelserndte von der schönsten Saat,
Ist dein Erbtheil! Meines: Kampf mit Mängeln,
Heer von Zweifeln, rauher Dornenpfad,
Ungetheilter Sorgen schwere Bürde,
Sehnsucht, die den Lebensquell versiegt,
Dein, der Blick in Gottes lichte Würde,
Wenn mein Nacken sich zur Erde biegt!

Ach ich muss die Seligkeit Dir gönnen,
Heimgegangne, zu der bessren Welt!
Doch der Sieg: getrennt noch leben können;
Dieser ists, der schwer dem Dulder fällt!
Denn seit Du die Dämmrung dieses Balles
Tauschtest für die Wohnungen des Lichts,
Hat der Himmel für mich Armen Alles! -
Alles! Alles! - - und die Erde! Nichts -
(S. 114-118)

* Lina, erste Gattinn des Dichters
_____



Nachtgedanken

Weit auf der Erde birgt die Nacht
Das Leben der Natur,
Verschwunden ist des Tages Pracht
Erstorben Hain und Flur!

Des Todes Bruder herrscht umher
Und wiegt in sanftem Arm',
Den Sclaven und Eroberer
Die Freuden und den Harm!

Das alte Chaos brütet hier
Schwer, schreckenvoll, und stumm;
Doch herrlich stralet über mir
Gott! dein Elisium!

Mit hohem Schauer fasset mich
Die Pause tiefer Ruh!
Ins Unermessliche flieg' ich
Dem Sterngewimmel zu!

Wer sieht die Welten hingestreut
Aus ihres Schöpfers Hand,
Und fühlt nicht, Seyn für Ewigkeit,
Und dieses Lebens Tand?

Vernichtung straft den Edlen nicht,
Der hier der Zukunft lebt,
Und lohnet nicht dem Bösewicht,
Der sinnlos vor ihr bebt.

Nein, wenn des Körpers Bau zerfällt,
Der Wurm das Herz durchgräbt,
Dann hab ich Freuden bessrer Welt,
Das grosse Ziel! erstrebt!

Dann kennt mein Geist des Schicksals Gang
(Die Nebel alle fliehn.)
Sieht überall Zusammenhang
In dem, was Misslaut schien.

Sieht Triumphierend, auf mein Grab
Mit Lina neu vereint
Und wischt des Edlen Thränen ab,
Die Er am Hügel weint!
(S. 118-120)
_____



In Sternenloser Nacht

Wo ist die zaubrische Gestalt
Des bunten Tages hingewichen?
Hat finstern Chaos Allgewalt
Die ganze Schöpfung ausgestrichen?

Ich sehe weder Berg noch Thal,
Ich messe weder Höh' noch Ferne;
Entflohn ist Sonn- und Mondesstrahl,
Und ausgelöscht das Heer der Sterne!

Mir sagt nur noch ein einz'ger Sinn
In diesem allgemeinen Grabe,
Gefühl, das ich im Leben bin,
Dass ich noch Form, noch Körper habe!

Vom Nadir an, bis zum Zenith,
Seh' ich, im schauervollem Dunkeln,
Nicht eines Wesens Spur noch Tritt,
Nichts! als den kleinen Leuchtwurm funkeln.

Willkommen, Freund der Nacht! Dein Licht
Machts plötzlich in der Seele helle!
Dein Flug, der Finsterniss durchbricht,
Trägt meinen Schmerz zur Labequelle!

Du hörst ihn, Quell der Creatur,
Voll Zweifelsangst, im Busen klopfen:
O gönne meiner Zukunft nur
Von Deinem Lichtmeer' einen Tropfen!

Wird einst, nach meines Grabes Nacht,
Den Geist auch solch ein Glanz umfliessen?
Wird er, aus Todesschlaf erwacht,
Die Sternbewohner einst begrüssen?

Wird Lina dann in meinem Arm',
Mir, jubelvoll, entgegen eilen?
Wie hier, mein Glück, auch dort so warm
Den Vollgenuss noch mit mir theilen?

"Ob bessrem Leben ich hier blüh'?"
Dem bangen Zweifel fliessen Thränen!
Alliebender! O trockne sie,
Gieb mir Gewissheit, statt dem Wähnen!

Lass der Unsterblichkeit Gewalt,
In's Qualenvolle Herz sich giessen,
Und wann's von Kummer überwallt
Des Wiedersehens Trost geniessen!
(S. 153-155)
_____



An Selma
Bey des Dichters zweyten Vermählung

Oft erfüllet er auch was das zitternde
Volle Herz kaum zu wünschen wagt.
Klopstock

Heile sie! - Des hingeflossnen Jahres
Rege Wunde fordert endlich Ruh'.
Gib mir wieder, was das Leben Wahres
Haben mag! Du kannst es geben, Du!
Das zu seyn, was Lina mir gewesen,
Sey, o theure Selma, dein Bemühn!
Lass im Himmel deiner Augen lesen
Dass sie nur für mich und Tugend glühn!

Sympathie der Seelen müsse binden
Unauslöschlich fest diess neue Band.
Jene Freundin lass mich wiederfinden
Welche Gott vor mir vorausgesandt!
Wenn der Tadel mit der schärfsten Wage
Deinen Wandel prüft; so lass ihn sehn
Deine Richtung sey, an jedem Tage
So wie sie im Leben fortzugehn.

Gib mir wieder, was verloren
Mir mit jener frühen Trennung ging!
Halt für Dein, die Lina mir geboren!
Mütterlich wie Lina sie umfing,
Seyn sie auch von Deinem Arm umfangen,
Dass sie wähnen (süsser Wahn auch mir)
Lina sey noch nicht vorangegangen,
Lina leb' und liebe noch in Dir!

Sieh! wer schlug der Liebe lichte Flamme
Dem erstorbnen Herzen wieder an?
Sanfte Hoffnung, dass von der sie stamme
Die der Vorsicht unerforschten Plan,
Aufgeschlagen, lichtvoll übersiehet
Und mich auch im Himmel nicht vergisst.
Ja, Sie sey's, die hin zu Dir mich ziehet,
Weil Dein Herz dem Ihren ähnlich ist!

Aus dem Druck' der Traurigkeit ermannen
Sollen meine Lebenskräfte sich,
Zum Empfang der Freude, die von dannen
Wie ein falscher Morgentraum entwich.
Balsam ist's, der auf die Wunden tropfet;
Segen, den herab zu mir Sie schickt,
Dieser Drang, der hier im Busen klopfet,
Wenn ihr Herz aus Deinen Augen blickt!

Mag das Glück auch Alles mir versagen
Was den Günstling seines Busens freut;
Nicht ein Seufzer soll's dem Himmel klagen,
Wenn dein Dank mir frische Rosen streut.
Alles! Alles! kann dein Selmar missen,
Darbt er nur an  Gegenliebe nicht,
Trock'nes Brod würd' ihm zu Leckerbissen,
Wenn nur Selma's treue Hand es bricht!

Fürchte nichts! Denn diese Flamme dämpfet
Nicht der kalte Strom der grauen Zeit;
Nein! - Durch Tugenden gestärkt, bekämpfet
Ihre Macht, selbst die Vergänglichkeit!
Wie die Sonne, wenn durch Wolkenschleyer
Sie nach langem Kampfe mächtig bricht,
Flammt mein Herz; ihr unvergänglich Feuer
Hat mein Herz, doch ihre Flecken nicht!

Welch gefällig Schauspiel - Lieb' um Liebe -
Selbst dem Schöpfer! Der die Creatur
Fühlbar schuf, dass sie nicht einsam bliebe.
Lieb' erhöht zur Urkraft der Natur!
Zu des Lebens höchsten Seligkeiten!
Lieb' ersetzt die Thränen dieser Welt;
Und im Sturm' der Widerwärtigkeiten
Ist's die Liebe, die den Nachen hält!

Lachte nicht dem ersten Mann' vergebens
Aller Reitz in Gottes Paradies,
Ehe die Gefährtin seines Lebens
Gott, der Alles prüfte, werden hiess?
Dass kein Glück auf Erden möglich wäre
Würd' es nicht getheilet, sah er ein,
Und durchwebte schnell des Herzens Leere
Mit Gefühl, des Weibes Thron zu seyn;

Nimm ihn ein! - Für dich errichtet mitten
Hier im Herzen, hab' ich diesen Thron!
Küss heraus, was alles ich gelitten,
Seit mit Lina Glück und Freude flohn!
O! Diess Herz wird Dir's zu danken wissen,
Das so voll empfindet und so heiss,
Und nachdem was ihm der Tod entrissen,
Was es hat, noch mehr zu schätzen weiss.
(S. 200-205)
_____



An meine Henriette*

In hoher Liebe Wonneschlägen
Soll Deines Freundes Herz sich freun,
Kann es Dir einst auf allen Wegen
Beständig neue Blumen streun.
(S. 206)

* Selma
_____


Aus: Gedichte des Freyherrn Dietrich Ernst
Spiegel von Pickelsheim
Herausgegeben von
Carl Freyherr von Reitzenstein
Wien bey Joseph Stahel 1793
 


Biographie:

https://www.deutsche-biographie.de/sfz80712.html






 

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