August Graf von Platen (1796-1835) - Liebesgedichte

August von Platen

 

August Graf von Platen
(1796-1835)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 

Allein im stillen völlig sich beglücken
Und sich verstehn, wenn Tausende zugegen,
Vorüber an einander sich bewegen,
Und so verstohlen sich die Hand zu drücken:

Dann mit den Blicken weilen voll Entzücken,
Wo tausend Reize drängen sich entgegen,
Auf Stirn und Aug und Lippen, die sich regen,
Und auf des schönen Wuchses Meisterstücken:

Nicht schnöd von Durst nach Liebe hingerissen,
Vielmehr der Gunst versichert, wechselseitig,
Umfassen sich mit ruhigem Gewissen;

Um nichts Besorgnis hegen anderweitig,
Und hoffen, nie was man gewann zu missen:
Dies Glück ist mein, das macht mir Keiner streitig!
(S. 413-414)
_____

 

Als ich gesehn das erste Mal dich habe,
Schienst du mir schön, wiewohl von Stolz befangen,
Die Stimmen tönten und die Gläser klangen,
Und bald verschwandst du wieder, schöner Knabe!

Indessen griff ich nach dem Wanderstabe,
Doch blieb ein leiser Wunsch im Herzen hangen,
Und Schneelawinen gleichet das Verlangen,
Es wächst und wächst, damit es uns begrabe.

Dann ward ich, als ich wieder dich gefunden,
Und mehr und mehr gelernt, dich treu zu lieben,
Aufs neu getrennt von dir und neu verbunden.

So hat das Glück uns hin und her getrieben
Im Wechseltrug der wandelvollen Stunden,
Und nur dein Stolz und deine Schönheit blieben.
(S. 412)
_____


XL.
Auch du betrügst mich, da von allen Seiten
Ich mich betrogen weiß und hintergangen,
Du füllst mein Herz mit brennendem Verlangen,
Und meinen Gaumen an mit Bitterkeiten.

Was nur dem Feinde mag der Feind bereiten,
Hab ich von dir als Freundeslohn empfangen,
Ich aber lasse deinen Namen prangen,
Und überliefre dich dem Lob der Zeiten.

Bei diesem Tau, der mir im Auge flimmert,
Noch geb ich deine Liebe nicht verloren,
Wie sehr dein Herz sich gegen mich verschlimmert!

Dich hat zum Spiegel sich der Lenz erkoren,
Die Jugend lacht auf deiner Stirn und schimmert,
Wie ein Gemisch von Sonnen und Auroren!
(S. 388-389)
_____

 

XLIX.
Bewunderung, die Muse des Gesanges,
Gebeut mir stets, daß ich das Höchste preise.
Drum rühmt ich Künstler, Fürsten, Fraun und Weise,
Dem Zuge folgend eines großen Hanges.

Dich nenn ich nun die Seele dieses Dranges,
Den sonn'gen Gipfel meiner Lebensreise,
Den Mittelpunkt, um den ich lobend kreise,
Bestrickt vom Schwindel des Planetenganges.

Doch wenn vor Liebe deine Worte beben,
O so verleihst du, Freund! mir mehr in diesen,
Als meiner Kunst beschieden ist zu geben.

Zwar hat auch dir die Welt sich hold erwiesen;
Denn schöner stirbt ein solcher, den im Leben
Ein unvergänglicher Gesang gepriesen.
(S. 393)
_____

 

Da kaum ich je an deine Locken streife,
So deucht die stolze Mütze, die dich schmücket,
Die deine krausen Haare niederdrücket,
Beneidenswerter mir als goldne Reife.

Und so beneid ich diese leid'ge Pfeife,
Die deiner Lippen ew'ger Kuß beglücket:
Doch ihrem Rauch, der stets sich uns entrücket,
Gleicht deine Gunst, nach der umsonst ich greife.

Des Stolzes schäme dich, des allzuschroffen,
Und nie mißgönne mir die lock'gen Ringe,
Die du vergönnest jenen toten Stoffen!

Und laß mich, schein ich nicht dir zu geringe,
An dieses Rohres Platz zu treten hoffen:
Dein Sklave bin ich unter dem Bedinge.
(S. 413)
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Daß ich dich liebe, hast du nie vermutet,
Nie konnten's Menschen um uns her beachten:
Mein ganzes Sein ist nur ein stilles Trachten,
Und leise pocht das Herz mir, weil es blutet.

Ob's ruhig in mir, oder ob es flutet,
Teilnehmend wolltest du das nie betrachten,
Und daß die Deinen mich für wenig achten,
Das hat mich oft geschmerzt, doch oft ermutet.

Denn meine Seele strebte warm nach oben,
Und was mir freundlich, feindlich trat entgegen,
Ein Traum erschien mir's, der mich rings umwoben.

Und also will ich auch der Liebe pflegen,
Mit einer Sinnesart, die nicht zu loben,
Doch, die zu schelten, mich bedünkt verwegen.
(S. 409)
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Des Glückes Gunst wird nur durch dich vergeben,
Schön ist die Rose nur, von dir gebrochen,
Und ein Gedicht nur schön, von dir gesprochen.
Tot ist die Welt, du bist allein am Leben.

In diesen Lauben, die sich hold verweben,
Wird ohne dich mir jeder Tag zu Wochen,
Und dieser Wein, den warme Sonnen kochen,
Kann nur aus deiner Hand ein Herz beleben.

Von dir geschieden, trenn ich mich vom Glücke,
Das Schönste dient mir nur, mich zu zerstreuen,
Das Größte füllt mir kaum des Innern Lücke.

Doch drückst du mich an deine Brust, den Treuen,
Dann kehrt die Welt in meine Brust zurücke,
Und am Geringsten kann ich mich erfreuen.
(S. 375)
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XV.
Dich oft zu sehen, ist mir nicht beschieden,
Und ganz versagt ist mir, zu dir zu kommen,
Dir selten zu begegnen und beklommen
Dich anzuschaun, das ist mein Los hienieden.

Doch von dir träumen, dichten, Plane schmieden,
Um dir zu nahn, das ist mir unbenommen,
Das soll, so lang es frommen will, mir frommen,
Und mit so Wen'gem stell ich mich zufrieden.

Denn ach! ich habe Schlimmeres ertragen,
Als dieses Schlimme jetzt, und duld ergeben,
Statt heft'ger Qual, ein süßes Mißbehagen.

Mein Wunsch, bei Andern, zeugte Widerstreben:
Du hast ihn nicht erhört, doch abgeschlagen
Hast du ihn auch nicht, o mein süßes Leben!
(S. 376)
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LVI.
Die Liebe scheint der zarteste der Triebe,
Das wissen selbst die Blinden und die Tauben,
Ich aber weiß, was wen'ge Menschen glauben,
Daß wahre Freundschaft zarter ist als Liebe.

Die Liebe wird mit feurigem Betriebe
Sich in sich selber zu verzehren schnauben;
Doch meines Freundes kann mich nichts berauben,
Bis nicht ich selbst in leichten Staub zerstiebe.

Er zeigt mir Kälte nur und Übelwollen,
Er spottet mein, er hat mich längst vergessen,
Doch dacht ich nie daran, mit ihm zu grollen.

Nie wird er meine Hand in seine pressen,
Stets aber werd ich neues Lob ihm zollen,
Und was man lobt, hat man im Geist besessen.
(S. 396-397)
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Die Wälder hab ich wieder liebgewonnen,
Seit ich dein Bild in meinem Busen trage:
Wie schön ist's, auszuatmen leise Klage,
Von hoher Schatten grünem Netz umsponnen!

Es leiht mir Einsamkeit erneute Wonnen,
Die eingebüßt ich diese vor'gen Tage;
Denn wessen Leben ohne Liebesplage,
Der lebt's im Schwarm der Menschen unbesonnen.

Nun hab ich satt dies Hinundwiederlaufen,
Denn, wahrlich, leise nur von dir zu träumen,
Ist mehr als handeln mit dem großen Haufen!

O könnt ich erst, anstatt in schatt'gen Räumen
Zu wandeln dein gedenk, das Glück erkaufen,
Mit dir zu ruhen unter diesen Bäumen!
(S. 415)
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Frühlingslieder

I.
Du denkst an mich so selten,
Ich denk an dich so viel,
Getrennt wie beide Welten
Ist unser beider Ziel.

Ich möchte beide Welten
Durchziehn an deiner Hand,
Bald schlummern unter Zelten,
Bald gehn von Land zu Land.

Und willst du mir vergelten
Durch Liebe dies Gedicht,
Dann fließt um beide Welten
Ein rosenfarbnes Licht.

II.
Ermann, o Herz, dich und vergiß
Die besten deiner Triebe,
Wenn auch der Bosheit Schlangenbiß
Das noch gebliebne dir entriß,
Das letzte Glück der Liebe!

Du bleibst dir selbst in jeder Pein,
Ob alle dich verließen,
Und Luft und Sonne bleiben dein:
Wer ganz mit seinem Schmerz allein,
Der lernt den Schmerz genießen.

Schon kommt der Frühling unverweilt,
Und flicht der Herbst die Garben,
Ist längst dir jenes Bild enteilt:
So viele Wunden sind geheilt,
Auch diese wird vernarben.

Verschließe dich, du stolzes Herz,
Mit allen deinen Leiden!
Erscheine kalt und schroff wie Erz,
Und treibe mit dem Leben Scherz,
Und lächle beim Verscheiden!

III.
Süß ist der Schlaf am Morgen
Nach durchgeweinter Nacht,
Und alle meine Sorgen
Hab ich zur Ruh gebracht.

Mit feuchtem Augenlide
Begrüß ich Hain und Flur:
Im Herzen wohnt der Friede,
Der tiefste Friede nur.

Schon lacht der Lenz den Blicken,
Er mildert jedes Leid,
Und seine Veilchen sticken
Der Erde junges Kleid.

Schon hebt sich hoch die Lerche,
Die Staude steht im Flor,
Es ziehn aus ihrem Pferche
Die Herden sanft hervor.

Das Netz des Fischers hanget
Im hellsten Sonnenschein,
Und sein Gemüt verlanget
Der Winde Spiel zu sein.

Und weil am Felsenriffe
Das Meer sich leiser bricht,
Wird rings der Bauch der Schiffe
Zur neuen Fahrt verpicht.

Den Uferdamm umklettern
Eidechsen rasch bewegt,
Und Nachtigallen schmettern,
Die jede Laube hegt.

Gezogen von den Stieren
Wird schon der blanke Pflug,
Und Menschen scheint und Tieren
Die Erde schön genug.

Nicht findet mehr der Waller
Das Gottesbild zu weit,
Es sind die Seelen Aller
Gestimmt zur Frömmigkeit.

O mein Gemüt, erfreue
An diesem Glanz dich auch,
Sei glücklich und erneue
Der Lieder Flötenhauch.

Auf daß die stumpfen Herzen
Du doch zuletzt besiegst,
Wenn frei von allen Schmerzen
Tief unterm Gras du liegst.
(S. 73-75)
_____

 

XLII.
Du liebst und schweigst - O hätt ich auch geschwiegen,
Und meine Blicke nur an dich verschwendet!
O hätt ich nie ein Wort dir zugewendet,
So müßt ich keinen Kränkungen erliegen!

Doch diese Liebe möcht ich nie besiegen,
Und weh dem Tag, an dem sie frostig endet!
Sie ward aus jenen Räumen uns gesendet,
Wo selig Engel sich an Engel schmiegen.

Drum laß des Wahns mich, daß du liebst, mich freuen,
Damit die Seele nicht mir ganz veröde,
Und meinen Glauben möge nichts zerstreuen!

O Glück, verweigre nicht mir allzuschnöde
Den Tag, an welchem seinem Vielgetreuen
Die ganze Seele zeigt der schöne Spröde!
(S. 389-390)
_____

 

LII.
Du prüfst mich allzuhart. Von deiner Senne
Kommt Pfeil auf Pfeil in meine Brust geflogen:
Du hast mir mehr als Einen vorgezogen,
Den ich als Körper ohne Seele kenne.

Doch während ich in deiner Flamme brenne,
Bekämpf ich stets in mir die stürm'schen Wogen,
Damit ich zürnend nicht und oft betrogen
Mit einem bittern Namen dich benenne!

O nein, Geliebter! Keine Klage schände,
Von schwarzem Unmut weibisch hingerissen,
Den liebenswürdigsten der Gegenstände!

Wenn meiner Freundschaft nie du dich beflissen,
War mein die Schuld: man beut ja nicht die Hände
Zum Bunde bloß, man muß zu fesseln wissen.
(S. 394-395)
_____

 

Durchschweif ich den Laubhain moosigkühl,
Und schlaf ich an silbernen Bächen,
Da wächst mir im Busen ein stilles Gefühl,
Vermöcht ich's auszusprechen!

Und seh ich mein schwebendes Bild in der Flut,
Und zittern die Wipfel der Buchen,
Da regt sich dunkel mir sehnende Glut,
Und immer vergebliches Suchen.

Wie nenn ich's, was in mein Herz sich schleicht,
Ruhstörend und sacht, wie Diebe?
Sehnsucht nach fremden Gefilden vielleicht?
Vielleicht nach heimischer Liebe?
(S. 88)
_____

 

Liebesweh

Einsam schweif ich im Gefolg der Nacht,
Die so gern der Liebende durchwacht.

Hoffnung strahlt mir wie der Mond so fern,
Totenkerze scheint mir jeder Stern.

Und ein ewig heißes Wünschen schwillt
Mir im Busen, ewig unerfüllt.

O wie süß sich's nicht da unten ruht,
Ruf ich, seh ich die bestrahlte Flut.

O wie schön sich's nicht auf Wolken wiegt!
Ruf ich, wenn mein Blick zum Himmel fliegt.

Aber wär's mit ihr nicht im Verein,
Möcht nicht unten, möcht nicht oben sein.

Ihre Züge sieht noch jetzt mein Aug
Und mein Ohr hört ihrer Worte Hauch.

Ihre Züge sind mir, ach! so teur,
Ihrer Worte jedes nährt mein Feur.

Gegen solche Anmut und Gestalt
Bleibt kein Schützling des Prometheus kalt.

Und dies alles strahlt mich leuchtend an,
Und ich habe keinen Teil daran!

Ach um Einen, Einen holden Blick
Gäb ich alles mein zu hoffend Glück!

Aber sie, um die der Schmerz mich nagt,
Kümmert's nicht, wenn meine Lippe klagt.

Ach! Es wurde meiner Muse Schwung
Melancholische Begeisterung.

Meine Tätigkeit, sie ist erschlafft,
Durch die Fesseln jener Leidenschaft.

Götter! Wie erweckt man Liebe dann,
Wenn nicht Liebe sie erwecken kann?

Alle Freuden fühl ich mir vergällt,
Eins nur wünsch ich von der ganzen Welt.

Dürft ich doch zu ihren Füßen hin
Trunken stürzen, liebend niederknien,

Und mit Tränen netzen ihr Gewand,
Und mit Tränen ihre schöne Hand.

Ach, dann würde mir die wilde Pein
Doch um einiges erleichtert sein,

Und ein flücht'ger Schatten doch der Ruh
Kehrte sich dem müden Herzen zu.

Doch vergebens ist mein Wunsch und Wort,
Mich zu quälen fährt die Arge fort.
(S. 89-90)
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An einen Freund

Einsam und von Schmerz durchdrungen
Sitzt der delph'sche Gott und sinnt,
Er beweint den schönen Jungen,
Den geliebten Hyazinth.

Könnt ihm doch dein Bild erscheinen,
Das dir jedes Herz gewinnt,
Traun! er würde nicht mehr weinen
Um den schönen Hyazinth.
(S. 107)
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LI.
Entschuldigungen wirst du kaum bedürfen,
Wenn du mich liebst; es kann dich nicht erniedern:
Verlieren würden in der Gunst der Biedern,
Die meine Gunst mir vor die Füße würfen.

Ich würde viele Freunde zählen dürfen,
Wenn ich die Freundschaft aller könnt erwidern,
Auch der Entfernten, welche bloß aus Liedern
Die ganze Flamme meiner Seele schlürfen.

Ein warmes Herz, und wenn auch du mit herben,
Gehässigen Geschossen nach ihm zielest,
Muß doch sich manchen warmen Freund erwerben!

Du aber, der du jetzt den Harten spielest,
Laß einst mich nur an deinem Busen sterben,
Und schließ ein Auge, dem du wohlgefielest!
(S. 394)
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XLVII.
Es sei gesegnet wer die Welt verachtet,
Denn falscher ist sie, als es Worte malen:
Sie sammelt grausam unsern Schmerz in Schalen,
Und reicht zum Trunk sie, wenn wir halb verschmachtet.

Mir, den als Werkzeug immer sie betrachtet,
Mir preßt Gesang sie aus mit tausend Qualen,
Läßt ihn vielleicht durch ferne Zeiten strahlen,
Ich aber werd als Opfertier geschlachtet.

O ihr, die ihr beneidetet mein Leben,
Und meinen glücklichen Beruf erhobet,
Wie könnt in Irrtum ihr so lange schweben?

Hätt ich nicht jedes Gift der Welt erprobet,
Nie hätt ich ganz dem Himmel mich ergeben,
Und nie vollendet, was ihr liebt und lobet.
(S. 392)
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Glaub mir, noch denk ich jener Stunden stündlich,
Wo ich zum erstenmale dir das zarte
Geheimnis deines Sieges offenbarte,
Im Liede kühn, allein verlegen mündlich.

Dein jetz'ger Wille scheint mir unergründlich:
Weil jene Schüchternheit sie nicht bewahrte,
Hör ich dich klagen, unsre Lieb entarte,
Und ihr Verlangen nennst du keck und sündlich.

O daß die Blume nicht umsonst verdüfte,
Laß Wang an Wange hier uns ruhn im Düstern,
Und Brust an Brust gedrängt und Hüft an Hüfte.

Horch! wie es säuselt in den alten Rüstern!
Durchschwärmt vielleicht ein Elfenchor die Lüfte,
Wollüstig weichen Brautgesang zu flüstern?
(S. 405-406)
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Ich liebe dich, wie jener Formen eine,
Die hier in Bildern uns Venedig zeiget:
Wie sehr das Herz sich auch nach ihnen neiget,
Wir ziehn davon, und wir besitzen keine.

Wohl bist du gleich dem schöngeformten Steine,
Der aber nie dem Piedestal entsteiget,
Der selbst Pygmalions Begierden schweiget,
Doch sei's darum, ich bleibe stets der Deine.

Dich aber hat Venedig auferzogen,
Du bleibst zurück in diesem Himmelreiche,
Von allen Engeln Gian Bellins umflogen:

Ich fühle mich, indem ich weiter schleiche,
Um eine Welt von Herrlichkeit betrogen,
Die ich den Träumen einer Nacht vergleiche.
(S. 402-403)
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LV.
Ich möchte, wenn ich sterbe, wie die lichten
Gestirne schnell und unbewußt erbleichen,
Erliegen möcht ich einst des Todes Streichen,
Wie Sagen uns vom Pindaros berichten.

Ich will ja nicht im Leben oder Dichten
Den großen Unerreichlichen erreichen,
Ich möcht, o Freund, ihm nur im Tode gleichen;
Doch höre nun die schönste der Geschichten!

Er saß im Schauspiel, vom Gesang beweget,
Und hatte, der ermüdet war, die Wangen
Auf seines Lieblings schönes Knie geleget:

Als nun der Chöre Melodien verklangen,
Will wecken ihn, der ihn so sanft geheget,
Doch zu den Göttern war er heimgegangen.
(S. 396)
_____

 

Lebewohl

Lebe wohl! Zu fremden Strömen
Eil ich, wo die Freiheit ficht,
Abschied möcht ich gerne nehmen;
Doch dir nahen darf ich nicht!

Wohl, ich folge heil'gem Ruhme,
Doch, ich lasse dich zurück,
Meines Lebens süße Blume,
Meiner Träume stilles Glück.

Goldner Phantasien Schimmer
Schloß mich von der Wahrheit aus;
Aber jetzt zerfällt in Trümmer
Meiner Hoffnung Götterhaus.

Ach, die schlimme, rauhe Wahrheit
Und die Trennung, mir so nah,
Stehen in enthüllter Klarheit
Itzt vor meinen Blicken da!

Ach, ich kann nicht mehr der Hehler
Meiner eignen Schmerzen sein:
Denn es drängen Berg und Täler
Zwischen dir und mir sich ein!

Und es kömmt die harte Trennung,
Und zerreißt das tiefste Herz,
Trennung! Kleinliche Benennung
Für den allzu großen Schmerz!

Lebe wohl! Es fühlte Keiner,
Fühlet Keiner solche Qual!
Dürft ich sagen: Denke meiner!
Doch du kennst mich nicht einmal!

Mit des Lebens schönsten Trieben
Wuchert ihr Verlust mit Macht;
Doch ein Trost ist mir geblieben,
Der der Hoffnung Flamme facht.

Bleiben mir ja doch die Musen,
Gütig in vertrauter Näh,
Und dein liebes Bild im Busen
Trag ich über Land und See.

Traurig muß ich von dir gehen,
Aber ich verzweifle nicht;
Denn vielleicht beim Wiedersehen
Lächelt mir dein Angesicht.

Wenn wir neu das Recht begründen,
Und die Freiheit unserm Land,
Wirst du einen Kranz mir winden
Mit der vielgeliebten Hand!
(S. 92-93)
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LIII.
Man schilt mich stolz, doch hat mich's nie verdrossen,
Daß ich so wenig dir gefallen habe;
Denn deine blonde Jugend, süßer Knabe,
Verschmäht den melancholischen Genossen.

So will in Scherz ich mich ergehn, in Possen,
Anstatt ich jetzt mich bloß an Tränen labe,
Und um der Fröhlichkeit mir fremde Gabe
Hab ich den Himmel anzuflehn beschlossen.

Zwar dank ich viel dem wohlgelaunten Glücke,
Von dem ich mehr, als ich verdient, empfangen,
Doch nichts, wodurch ich meinen Freund entzücke:

Wer aber gäbe mir die vollen Wangen
Der ersten Jugend und den Glanz zurücke,
Woran allein der Menschen Blicke hangen?
(S. 395)
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XVI.
Nicht aus Begier und aus Genuß gewoben
War unsre Liebe, nicht in Staub versunken:
Nur deiner Schönheit bebt ich wonnetrunken,
Und gütig warst du, gleich den Engeln oben.

Du hattest mich zu dir emporgehoben,
In deinem Auge schwamm ein lichter Funken,
Der Farben schuf, den Pinsel drein zu tunken,
Den reine Dichterhände Gott geloben.

Nun, da ich fern von dir den Tag verbringe,
Erscheinst du der Bewunderung noch reiner,
Je mehr im Geist ich deinen Wert durchdringe.

Ja, immer sehnsuchtsvoller denk ich deiner,
Und legt die Welt mir auch so manche Schlinge,
Du sollst mich nie gefangen sehn in einer.
(S. 376-377)
_____

 

XXI.
Nun hab ich diesen Taumel überwunden,
Und irre nicht mehr hier und dort ins Weite,
Mein Geist gewann ein sicheres Geleite,
Seitdem er endlich einen Freund gefunden.

Dir nun, o Freund, gehören meine Stunden,
Du gabst ein Ziel mir nun, wonach ich schreite,
Nach dieser eil ich oder jener Seite,
Wo ich, dich anzutreffen, kann erkunden.

Du winkst mir zu von manchem Weihaltare,
Dein Geist ist ein harmonisches Bestreben,
Und deine sanfte Seele liebt das Wahre.

O welch ein Glück, sich ganz dir hinzugeben,
Und, wenn es möglich wäre, Jahr um Jahre
Mit deinen Engeln, Gian Bellin, zu leben!
(S. 379)
_____

 

O nur diesmal noch vernimm mein Flehen,
Hör mich, Vater, auf des Himmels Thron,
Wieder laß mich jene Züge sehen,
Wieder hören jener Stimme Ton!

Durch die Züge, die zur Liebe laden,
Durch die Töne, Flötenklang dem Ohr,
Hebe mich, du Vater aller Gnaden,
Aus dem Schmerz zur Freude schnell empor.

Daß mein Herz auch wieder freudig schlage,
Lächle dieses Auge, lang benetzt
Von den Tränen, und die traur'gen Tage
Sein durch Tage froher Lust ersetzt.

Fünfmal sah ich schon des Mondes halbe
Sichel, die zum Vollmond sich gefüllt,
Und es kam seitdem und ging die Schwalbe,
Aber immer ferne blieb dein Bild.

Allzulang hat dich mein Aug verloren;
Doch mein Herz, mein Sinn verlor dich nie;
Hesper brachte dich, die Morgenhoren
Brachten dich vor meine Phantasie.

Doch die schöne Zeit ersehn ich stündlich,
Wo dein Blick in süßen Traum mich wiegt,
Und dein Herz, so lang unüberwindlich,
Überwunden an das meine fliegt.

Doch ich hege kein so hoch Verlangen,
Träume mir auch kein so kühnes Glück:
Sehn nur möcht ich ihn, der mich befangen
Durch die Worte, durch den holden Blick.

Da Gelegenheit, des Glückes Weihe,
Nun sich bietet, die ich lang erharrt,
O so sei mir gnädig, Gott, verleihe
Mir des Freundes liebe Gegenwart.

Laß mein Aug in seinem Aug sich spiegeln,
Laß uns Seit an Seite traulich stehn,
Daß die Worte, die sich leicht beflügeln,
Wechselseitig von der Lippe wehn.

O wie werd ich mich beseligt finden,
Wenn mein Arm um seinen Arm sich schlingt!
Denn wir werden uns mit Lust verbinden,
Wenn das Glück uns nur zusammenbringt.

Leider ward ich allzuviel betrogen,
Die Erwartung hat mich oft getäuscht,
Keine Stunde war mir noch gewogen,
Mit sich führend, was mein Busen heischt.

Aber einmal kömmt die teure Stunde,
Einmal kömmt der goldne Tag vielleicht,
Welcher süßen Balsam meiner Wunde,
Neues Leben meinem Herzen reicht.

Lang erbat, bedrängt von wilden Zechern,
Und den Blick gewandt zur weiten See,
Webend in den traurigen Gemächern,
Den Ulyssus einst Penelope.

Aber endlich kam der holde Gatte,
Dem sie stets die keusche Treu bewahrt,
Der so lang, so lang gezögert hatte,
Endlich kam er von der weiten Fahrt!

Und so sei denn hoffnungsmut'ger Glaube
Nun mein Trost, bis jener Tag erblüht:
Lange grünt der Weinstock, eh die Traube
Weich und purpurn uns entgegen glüht.

Eh noch dreimal die Hyaden tauen,
Ehe Phöbus dreimal sie verjagt,
Hoff ich dich, Geliebtester, zu schauen,
Wie mir's leis des Herzens Stimme sagt.

Ist nach mehr als dreimal fünfzig Tagen
Ew'gen Wartens diese Gunst zu groß?
Lange Schlachten hat Rinald geschlagen,
Da empfing ihn der Armida Schoß.

Und obgleich ich nicht wie er gestritten,
Und die Faust, wie er, im Kampf geübt,
Hab ich doch wohl manches Leid erlitten,
Das ein Recht auf manche Freude giebt. -

Damals war's im hohen Königssaale,
Damals wies mir ein geneigt Geschick,
Wies mir gütig, doch zum letzten Male,
Federigos kalten, stolzen Blick.

Auf der Stirne lagen düstre Falten,
Ohne Regung war sein schönes Aug,
Gleich Prometheus' tönernen Gestalten,
Unbelebt noch von des Himmels Hauch.

Seine Züge ruhten nicht auf meinen,
Fremdes Lächeln zeigte sein Gesicht;
Doch er wollte nur so düster scheinen,
Seine wahren Züge waren's nicht.

Lächelten sie mir im holden Lichte,
Froher wär ich, als, den Kranz im Haar,
Nach dem dreifach glücklichen Berichte,
Froh und selig jener Philipp war.

Laß dich, o Gelegenheit, erweichen,
Und ich opfre dir mit dankbarm Blick
Goldne Früchte von beladnen Zweigen,
Bunte Blumen, kömmt der Lenz zurück.

Und du, ew'ger Vater über Sternen,
Was mir nimmer möglich, ist dir leicht!
Laß ein Glück mich endlich kennen lernen,
Das dem Glück von Edens Gärten gleicht.

Da ich dorten nicht mehr wohnen werde,
Wo uns ehmals das Geschick vereint,
Ist es billig, daß auf fremder Erde
Mir die Gunst des Augenblicks erscheint.

Glücklich, wenn dann meinen holden lieben
Freund mein Aug erst nur von ferne sieht,
Bis mein Herz, wie vom Magnet getrieben,
Mich ihm nah und immer näher zieht.

Und er selbst erblickt mich dann aufs neue,
Und erkennt mich wieder, denkt der Zeit
Seines Stolzes dann vielleicht mit Reue, -
Ich genieße meiner Seligkeit!

Leid'ge Wünsche! Unerfüllte Träume!
Meine Nacht erhellt kein milder Strahl,
Und ich setzte nur durch diese Reime
Eitler Hoffnung ein Gedächtnismal.
(S. 93-97)
_____

 

XLIV.
O süßer Lenz, beflügle deine Schritte,
Komm früher diesmal, als du pflegst zu kommen!
Du bist ein Arzt, wenn unsre Brust beklommen,
Ein milder Arzt von immer sanfter Sitte!

O könnt ich schon in deiner Blumen Mitte,
Wann kaum der Tag am Horizont entglommen,
Bis er ins Abendrot zuletzt verschwommen,
Von Tränen leben, ohne Wunsch und Bitte!

Wann deine helle Sonne flammt im Blauen,
Würd ich, ins Gras gestreckt, nach oben blicken,
Und würde glauben meinen Freund zu schauen!

Geblendet würde dann mein Auge nicken,
Ich würde schlummern, bis die Sterne tauen,
Und mich im Schlaf an seinem Bild erquicken!
(S. 390-391)
_____

 

XLVIII.
Qualvolle Stunden hast du mir bereitet,
Die aber nie an dir der Himmel räche,
Sonst müßten fließen deine Tränenbäche,
Wenn von der Lippe dir mein Name gleitet.

Doch bis Gewißheit jeden Wahn bestreitet,
Will gern ich dich, und tät ich es aus Schwäche,
Verteid'gen, Freund! von auf der Oberfläche
Geschöpften Zufallsgründen nie verleitet.

Zwar würd ich kaum dir zum Verteid'ger taugen,
Doch stets bedienst du dich als deiner beiden
Fürsprecher listig meiner beiden Augen:

So lang sie sich an deinem Blicke weiden,
So müssen Liebe sie aus ihm sich saugen,
Du aber lies in ihrem Blick mein Leiden!
(S. 392-393)
_____

 

XLVI.
Schön wie der Tag und lieblich wie der Morgen,
Mit edler Stirn, mit Augen voll von Treue,
An Jahren jung und reizend wie das Neue,
So fand ich dich, so fand ich meine Sorgen.

O wär ich schon an deiner Brust geborgen,
Wo ich mich sammle, wenn ich mich zerstreue!
O wäre schon bezwungen diese Scheue,
Die unsern Bund vertagt von heut auf morgen!

Was fliehst du mich? Vermagst du mich zu hassen?
Was quälst du so durch deiner Huld Verschweigung
Den Liebevollen, der sich fühlt verlassen?

Beim ersten Zeichen deiner künft'gen Neigung
Wird eine bange Wonne mich erfassen,
Wie einen Fürsten bei der Thronbesteigung.
(S. 391-392)
_____

 

XLV.
Um meinen Schmerz im Stillen zu verwinden,
Such ich nach günst'gem Ort und günst'ger Stunde;
Doch schwebt dein Bild mir stets im Hintergrunde,
Indes die nähern Dinge schnell verschwinden.

Geselligkeit vermag mich nicht zu binden,
Und Einsamkeit ertragen bloß Gesunde:
Denk ich, so schärft des Denkens Pfeil die Wunde,
Und schweif ich müßig, klag ich es den Winden.

Und soll ich je von dieser Pein genesen,
So werde mir, so zeige dich gewogen,
Denn du nur fehlst dem Herzen, teures Wesen!

Ich liebte manchen Freund und ward betrogen;
Doch mag die Welt in diesen Blättern lesen,
Daß ich dich allen Andern vorgezogen.
(S. 391)
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Erinnerungstrost

Und von der Hoffnung aufgegeben,
Und von dem Schicksal nicht erhört,
Such ich in dem vergangnen Leben,
Was mir die Gegenwart verwehrt.

Mir wurde mancher Kranz gewunden,
Doch jene Blumen sind nicht mehr,
So schwebe von verfloßnen Stunden,
Noch die Erinnrung zu mir her.

Und stille jede laute Klage,
Und gebe keinem Seufzer Raum,
Und mahne mich an jene Tage,
An jenen ersten, schönen Traum.

Und laß mich sie im Geiste sehen,
Die wunderliebliche Gestalt,
Wie einst von des Olympus Höhen
Die Göttin Amathunts gewallt.

O wundersame, süße Freuden,
Ihr feiert euern Untergang,
Doch ewig denk ich jener Zeiten,
Geweiht dem ersten Liebesdrang.

Welch Leben sah ich da im Werden,
Welch neu Gefühl erhub sich da;
Da war mir schon auf dieser Erden
Der Himmel, der verhießne, nah.

Da wußt ich plötzlich, was ich wollte,
Und alle Wünsche wurden laut,
Da hab ich Berge, übergoldte,
Und Schlösser in die Luft gebaut.

Das ist für immer hingeschwunden,
Nie kehrt die erste Liebe mehr,
So schwebe von verfloßnen Stunden
Noch die Erinnrung zu mir her.
(S. 86-87)
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Sehnsucht

Wandl' ich im stillen Hain mit Lust,
Sitz ich an klaren Bächen,
Da fühl ich was in tiefer Brust
Unfähig, es auszusprechen.

Und glänzt mein Bild in der ruhigen Flut,
Und säuseln die Wipfel der Buchen,
Da erneuert sich mir die sehnende Glut
Und mein vergebliches Suchen.

Was ist es, das innig und tief mich erfüllt,
Oft heiter, oft düster und trübe?
Ist's Sehnen nach einem entfernten Gefild?
Ist's Sehnen nach heimischer Liebe?

Versteckt in jener Waldung liegt,
So denk ich oft, mein Eden:
Ich suche, bis die Eule fliegt,
Doch hab ich's nie betreten!
(S. 88)
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XXXIX.
Wann werd ich dieses Bangen überwinden,
Das mich befällt in deiner lieben Nähe?
Wohin ich geh und mit den Blicken spähe,
Da hoff ich dich und fürchte dich zu finden.

Wie kann ich Furcht vor dir, o Freund, empfinden,
Den ich so gern an meinem Busen sähe?
Erkläre du mir, was so schnell und jähe
Das Blut mir hemmt, den Geist vermag zu binden?

Ist es die Sorge, daß dein Herz mir schweiget,
Daß ich an Klippen deines Stolzes strande,
Der als der Liebe größter Feind sich zeiget?

Ist es die Göttlichkeit so süßer Bande,
Da stets die Liebe, wie vor Gott, sich neiget
Mit heil'ger Furcht vor ihrem Gegenstande?
(S. 388)
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XII.
Was kann die Welt für unser Glück empfinden,
Die kalte Welt mit ihrem falschen Treiben?
Kann sie es fesseln oder es vertreiben?
Kann sie uns trennen oder uns verbinden?

Wir sehn die Dinge rings um uns verschwinden,
Als Dinge, die die Liebe nur umschreiben;
Verborgen muß die wahre Liebe bleiben,
Kein Dritter darf zu dir und mir sich finden.

Sie, die uns wandeln sehn im bunten Schwarme,
Nicht ahnen sollen sie, daß in der Stille
Wir uns verzehren im verliebten Harme.

Vergessen will ich jede fremde Grille,
Wenn dich umschlingen meine frohen Arme,
Und dir allein beugt sich mein Eigenwille.
(S. 374-375)
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IX.
Was will ich mehr, als flüchtig dich erblicken?
Was wär ich, trüg ich heißeres Verlangen?
In welche Netze würd ich, wenn ich hangen
An deinem Auge bliebe, mich verstricken!

Was will ich mehr noch, als ein eilig Nicken?
Es würden deine Worte mich befangen:
Vom Schützen wird ein Vogel rasch umgangen,
Wenn mehr er will, als an der Kirsche picken.

Wohl mögen Reize, die so ganz dein eigen,
Den Wunsch der Sehnsucht in den Andern wecken
Sich dir zu nahn und dir ein Herz zu zeigen.

Ich werde nur, wenn jene sich entdecken,
Vor deiner Schönheit huldigend mich neigen,
Nicht Eine Silbe soll dein Ohr erschrecken!
(S. 373)
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XXX.
Weil da, wo Schönheit waltet, Liebe waltet,
So dürfte Keiner sich verwundert zeigen,
Wenn ich nicht ganz vermöchte zu verschweigen,
Wie deine Liebe mir die Seele spaltet.

Ich weiß, daß nie mir dies Gefühl veraltet,
Denn mit Venedig wird sich's eng verzweigen:
Stets wird ein Seufzer meiner Brust entsteigen
Nach einem Lenz, der sich nur halb entfaltet.

Wie soll der Fremdling eine Gunst dir danken,
Selbst wenn dein Herz ihn zu beglücken dächte,
Begegnend ihm in zärtlichen Gedanken?

Kein Mittel giebt's, das mich dir näher brächte,
Und einsam siehst du meine Tritte wanken
Den Markus auf und nieder alle Nächte.
(S. 383-384)
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Wem Leben Leiden ist und Leiden Leben,
Der mag nach mir, was ich empfand, empfinden;
Wer jedes Glück sah augenblicks verschwinden,
Sobald er nur begann, darnach zu streben;

Wer je sich in ein Labyrinth begeben,
Aus dem der Ausweg nimmermehr zu finden,
Wen Liebe darum nur gesucht zu binden,
Um der Verzweiflung dann ihn hinzugeben;

Wer jeden Blitz beschwor, ihn zu zerstören,
Und jeden Strom, daß er hinweg ihn spüle
Mit allen Qualen, die sein Herz empören;

Und wer den Toten ihre harten Pfühle
Mißgönnt, wo Liebe nicht mehr kann betören:
Der kennt mich ganz und fühlet, was ich fühle.
(S. 410)
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XLI.
Wenn auch getrennt die Körper sind, zu dringen
Vermag zum Geist der Geist, indem er denket;
Wenn meine Seele sich in dich versenket,
So mein ich, müßt es dir im Ohre klingen.

Besäße nicht der Gott der Liebe Schwingen,
Er hätte nie zum Himmel sie gelenket,
Und wenn dein Herz er mir im Traume schenket,
Von wem als dir vermag er mir's zu bringen?

Wenn du mich liebst, so will ich gern ertragen,
Dir fern zu sein, weil ich zu gut verstehe,
Was unsre Seelen ohne Laut sich klagen.

Allein so lang ich noch in Zweifel stehe,
Und gerne möchte deine Blicke fragen,
Acht ich Entfernung als das größte Wehe.
(S. 389)
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XLIII.
Wenn einen Freund du suchst fürs ganze Leben,
Der dich durch Freude soll und Schmerz geleiten,
So wähle mich, du findest keinen zweiten,
Und keinen fähigern, sich hinzugeben.

Zwar kann er nicht, wie du, ein Wonnebeben
Durch seine Schönheit um sich her verbreiten;
Doch alle horchen gern den Lieblichkeiten,
Die ihm begeistert auf der Lippe schweben.

Ich fürchte nur, es möchte dich erbittern,
Wenn ich mir selbst so hohes Lob verstatte,
Bloß um vor dir in falschem Glanz zu flittern;

Sonst würd ich sagen, daß auf diese glatte,
Noch junge Stirn, mit ungewissem Zittern,
Der Schatten fällt von einem Lorbeerblatte.
(S. 390)
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L.
Wenn ich so viele Kälte dir verzeihe,
Geschieht's, indem ich bei mir selber sage:
Er weiß ja nicht, wie sehr ich meiner Tage
Zufriedenheit an seinen Namen reihe!

Er weiß ja nicht, wie sehr ich ihm verleihe,
Was Liebevolles ich im Herzen trage,
Was gerne teilt des Lebens Lust und Plage,
Ja, was dem Leben giebt die höchste Weihe!

Du weißt es nicht, und soll ich dir's beschwören?
O nein! ich wage kaum, mit dir zu sprechen,
Um nicht den Traum, der mich beglückt, zu stören.

Wie sehr mich Schönheit auch und Reiz bestechen,
So fürcht ich doch, sie könnten mich betören,
Es könnte doch an Liebe dir gebrechen!
(S. 393-394)
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LIV.
Wenn unsre Neider auch sich schlau vereinen,
Um uns zu hindern und getrennt zu halten,
Noch zähl ich nicht dich zum Geschlecht der Kalten,
Noch geht ein Weg von deinem Blick in meinen.

Doch allzuselten seh ich dich erscheinen,
Und wenn ich rings das Auge lasse walten,
Vermiß ich stets die liebste der Gestalten,
Die liebsten Züge fehlen stets, die deinen!

Ermanne dich, und lege nicht die Zäume
Der Liebe furchtsam in die Hand des Neides,
Der gern uns schiede durch entlegne Räume!

Sei ganz du selbst, dann wird die Zeit des Leides
Verronnen sein, dann werden unsre Träume
Verkörpert werden. Wir verdienen beides.
(S. 395-396)
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Tristan

Wer die Schönheit angeschaut mit Augen,
Ist dem Tode schon anheimgegeben,
Wird für keinen Dienst auf Erden taugen,
Und doch wird er vor dem Tode beben,
Wer die Schönheit angeschaut mit Augen!

Ewig währt für ihn der Schmerz der Liebe,
Denn ein Tor nur kann auf Erden hoffen,
Zu genügen einem solchen Triebe:
Wen der Pfeil des Schönen je getroffen,
Ewig währt für ihn der Schmerz der Liebe!

Ach, er möchte wie ein Quell versiechen,
Jedem Hauch der Luft ein Gift entsaugen,
Und den Tod aus jeder Blume riechen:
Wer die Schönheit angeschaut mit Augen,
Ach, er möchte wie ein Quell versiechen!
(S. 69)
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X.
Wer hätte nie von deiner Macht erfahren?
Wer hätte je dich anzuschaun bereuet?
Wie viele Reize liegen hingestreuet
Auf diesen Wangen, diesen schönen Haaren!

Du bist so zart, du bist so jung an Jahren,
Durch jede Huldigung des Glücks erfreuet;
Doch wer die List in deinem Busen scheuet,
Der mag vor dir sich Tag und Nacht bewahren!

Noch prahlt ein Baum mit manchem frischen Aste,
Die Blätter bilden noch geräum'ge Lauben,
Da schon Zerstörung wütet unterm Baste.

Doch soll mir frostige Betrachtung rauben
Den süßen Schatten, unter dem ich raste?
Nein, deine Schönheit fodert blinden Glauben!
(S. 373-374)
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XIV.
Wer in der Brust ein wachsendes Verlangen
Nach schönen Augen fühlt und schönen Haaren,
Den mahn ich ab, der nur zu viel erfahren
Von Schmerz und Qual durch eitles Unterfangen.

Dem jähen Abgrund nur mit Not entgangen,
Was blieb mir aus unendlichen Gefahren?
Im Aug die Spur von hingeweinten Jahren,
Und in der Brust ein ungeheures Bangen.

Naht nicht der jähen Tiefe, junge Herzen!
Des Ufers Liljen glühn von falschem Feuer,
Denn ach, sie locken in das Meer der Schmerzen!

Nur jenen ist das Leben schön und teuer,
Die frank und ungefesselt mit ihm scherzen,
Und ihnen ruft ein Gott: Die Welt ist euer.
(S. 375-376)
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Wie ein Verlorner an verlaßner Küste
Seh ich verzweifelnd um mich her und weine:
Wo ist ein Blick, der glänzte wie der deine?
Wo ist ein Mund, der wie der deine küßte?

Und wenn ich hoffte selbst, und wenn ich wüßte,
Daß günstig lächelte mir mehr als eine,
Ich blickte kaum nach ihr empor zum Scheine
Mit Augen, wie die Augen einer Büste.

Wenn bis ans Ziel des irdischen Bestrebens
Nie deines Anblicks wieder ich mich freue,
Noch der Erwidrung meines Liebelebens,

Sei ohne Sorgen wegen meiner Treue:
Mich lockt ein neuer Liebesreiz vergebens,
Die ew'ge Schönheit ist das ewig Neue.
(S. 406)
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XI.
Wie schwillt das Herz von seligem Genügen,
Sobald ein Blick, der lange trüb umnachtet,
Verächtlich uns und blinzelnd nur betrachtet,
Zuletzt voll Milde ruht auf unsern Zügen!

Wär's Zufall, oder willst du mich betrügen?
Hast du vielleicht mich deiner wert erachtet?
Wenn, Augen, ihr mir nicktet oder lachtet,
Dann wollt ich stets mich euch als Sklave fügen!

O gib Gewißheit, wo nur Zweifel waltet,
Laß länger nicht mich hin und wieder schwanken,
Weil oft im Zweifel das Gemüt erkaltet!

Nicht schwer zu helfen ist gewissen Kranken:
Ein einz'ger Wink, ein Händedruck entfaltet
Uns Millionen liebende Gedanken.
(S. 374)
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Alle Gedichte aus: August von Platen Werke in zwei Bänden Band I Lyrik Hrsg. von Kurt Wölfel und Jürgen Link; Band I: Nach der Ausgabe letzter Hand und der historisch-kritischen Ausgabe. Winkler Verlag München 1982

 

Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/August_von_Platen-Hallermünde


 

 


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