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      Robert Prutz 
      (1816-1872) 
       
      Inhaltsverzeichnis der 
      Gedichte: 
  
        - 
        
        
        Abschied zu nehmen kamest du 
        (Rascher Wechsel)    
        - 
        
        
        Ach, ihr ungeküßten Küsse 
        (Ungeküsste Küsse)    
        - 
        
        
        Alles – also in den Sternen 
        (Kunst der Liebe)    
        - 
        
        
        Als von des Schmerzes 
        Uebermacht bezwungen (Nachtigall)    
        - 
        
        
        Am Tage, da die Welt sollt' 
        untergehen (Weltuntergangs-Sonette)    
        - 
        
        
        Da fliegt er hin, der stolze 
        Knabe (Das grosse Kind)    
        - 
        
        
        Das ich mit Seufzern lang' 
        vermißt (Heiligung)    
        - 
        
        
        Das ist der Liebe schönstes 
        Recht (Treue Liebe)    
        - 
        
        
        Das ist nicht Liebe, die das 
        Herz (Das ist nicht Liebe)    
        - 
        
        
        Das, Liebste, dünkt der 
        beste Theil (Sicheres Glück)    
        - 
        
        
        Dem Schmerze konnt' ich 
        Worte geben (Im Glück)    
        - 
        
        
        Du bist das keusche 
        Mondenlicht (All)    
        - 
        
        
        Du bist die einsam blühende 
        Rose (Einsame Rose)    
        - 
        
        
        Du fragst, wozu das Küssen 
        tauge (Du fragst, wozu das Küssen tauge?)    
        - 
        
        
        Du mit der schwanenweißen 
        Brust (Holdes Räthsel)    
        - 
        
        
        Eines ist, das mich 
        verdrießt (Eines ist, das mich verdrießt)    
        - 
        
        
        's war Mitternacht, früh 
        Morgens sollt' ich scheiden (Eine Locke)    
        - 
        
        
        Es hat die Rose dich 
        verklagt (Frühlingsliebe)    
        - 
        
        
        Es summt ein Wort mir 
        rastlos in den Ohren (Das Wort)    
        - 
        
        
        Gieß in meine Seele deine 
        (Giess in meine Seele deine)    
        - 
        
        
        Gleich wie das Eine große 
        Licht (Allgegenwart)    
        - 
        
        
        Hat dir die junge Rose 
        nichts (Hat dir die Rose nichts gesagt?)    
        - 
        
        
        Hat je der Liebe treue Hand 
        (Liebe)    
        - 
        
        
        Herrlich ist's, voll 
        Glutverlangen (Ruhe)    
        - 
        
        
        Ich bin der Bach, das wilde 
        Kind (Die Liebste schreibt)    
        - 
        
        
        Im Arm dir möcht' ich 
        hangen (Die Liebste wünscht)    
        - 
        
        
        In der Liebe goldnen Fluten 
        (In der Liebe goldnen Fluten)    
        - 
        
        
        In des Frühlings jungen 
        Tagen (Sommerliebe)    
        - 
        
        
        In dieser Stunde denkt sie 
        mein (Abends)    
        - 
        
        
        Ja wohl, nun wird's noch 
        einmal Mai (Mai)    
        - 
        
        
        Jetzt wird sie wohl im 
        Garten gehen (In der Ferne)    
        - 
        
        
        Lächle nicht (Fiametta)
         
          
        - 
        
        
        Laß der Erde ihre Sorgen 
        (Trost)    
        - 
        
        
        Leise Stimmen in den Lüften 
        (Sommernacht)    
        - 
        
        
        Letzter Blick und letzter 
        Gruß (Letzter Blick und letzter Gruss)    
        - 
        
        
        Löscht, o löscht, ihr 
        Himmelslichter (Nachts)    
        - 
        
        
        Mein Frühlingshauch, mein 
        Rosenduft (Himmel auf Erden)    
        - 
        
        
        Nach dem Namen der 
        Geliebten fragen laut sie  (Der Liebsten Namen)    
        - 
        
        
        O frage nicht (Frage 
        nicht!)    
        - 
        
        
        O hochgebenedeit der Mann 
        (O hochgebenedeit der Mann)    
        - 
        
        
        O Jugend, liebe! lieb' und 
        küsse (Der Jugend)    
        - 
        
        
        O Morgen still und 
        feierlich! (Morgens)    
        - 
        
        
        O Sommer, dein letzter, 
        dein scheidender Blick (Letzte Sommertage)    
        - 
        
        
        O Stern der Liebe, längst 
        versunken (Neue Gluten)    
        - 
        
        
        O wundervolle Liebesmacht 
        (Liebesmacht)    
        - 
        
        
        Ob kalt und stumm, sie 
        leben doch (Liebe übers Grab)    
        - 
        
        
        Rosenduft, du machst mich 
        trunken (Lenz und Licht)    
        - 
        
        
        Schön ist die Liebste, wenn 
        ihr Mund (Schön ist die Liebste)    
        - 
        
        
        Sei nicht so schön! Nicht 
        diese Funken (Sei nicht so schön)    
        - 
        
        
        Und hast du je einmal 
        geliebt (Und hast du je einmal geliebt)    
        - 
        
        
        Und hast du recht geliebt 
        einmal (Erinnerung)    
        - 
        
        
        Und ist das Herz dir 
        kummerschwer (Vertrauen)    
        - 
        
        
        Und wieder halt' ich dich 
        umfangen (Erneute Wonnen)    
        - 
        
        
        Wann ist zum Küssen die 
        rechte Stunde? (Liebesuhr)    
        - 
        
        
        Wann ist zum Lieben die 
        beste Zeit? (Liebeskalender)    
        - 
        
        
        Warum dein Kuß, so warm, so 
        süß (Unersättlich)    
        - 
        
        
        Warum duften doch die Rosen 
        (Bei der Nacht)    
        - 
        
        
        Was die Liebe kann begehren 
        (Liebe)    
        - 
        
        
        Was hauchst du, braune 
        Dämmerstunde (Dämmerstunde)    
        - 
        
        
        Was ist das für ein Düften 
        (Sommernacht)    
        - 
        
        
        Was wol die schwerste sei 
        von allen Plagen (Drei Sonette)    
        - 
        
        
        Wenn du dein Herz der Liebe 
        willst ergeben (Gesetz der Liebe)    
        - 
        
        
        Wer sie zu finden wüßte 
        (Atlantis)    
        - 
        
        
        Wie auch das spröde Herz 
        mag widerstreben (Offenbarung der Liebe)    
        - 
        
        
        Wie sonst zu frohem 
        Weihnachtsfeste (Weihnacht)    
        - 
        
        
        Wol viele tausend Vögelein 
        (Lied)    
        - 
        
        
        "Wundgeküßt" – so klagte 
        jüngst die Liebste  (Amor als Arzt)  
       
          
       
      Rascher Wechsel 
       
      Abschied zu nehmen kamest du, 
      Der letzte sollt' es sein für immer! 
      Matt wie erloschner Sterne Schimmer 
      Schien mir dein thränend Auge zu; 
      Du reichtest zögernd mir die Hand 
      Und zogst sie fort und hast sie dennoch mir gelassen, 
      Wie über eines Grabes Rand 
      Sich liebe Hände scheidend fassen. 
       
      Wir sprachen von vergangner Zeit, 
      Von Tagen, welche längst begraben, 
      Wie Herzen sich verloren haben, 
      Bestimmt einst für die Ewigkeit; 
      Wie neckend sich, voll holder Scham, 
      Die jungen Seelen flohn und, ach, sich dennoch fanden, 
      Von Küssen, die die Lippe nahm, 
      Eh' sie zu küssen noch verstanden. 
       
      Und leise, wie aus offner Gruft 
      Sich sehnsuchtvolle Schatten heben, 
      So fühlten nah' und näher schweben 
      Wir längst verrauschter Wonnen Duft. 
      O Gott, wie wehten sie uns an! 
      Wie süß, wie flammenheiß! wie brannten ihre Funken, 
      Bis flammend dem geliebten Mann 
      Du in die Arme bist gesunken! 
       
      Und sprangst empor – und wolltest gehn – 
      Und hingst aufs neu' an meinem Munde! 
      O wonnevolle Abschiedstunde, 
      Der Abschied ward zum Wiedersehn! 
      Die lange trübe Nacht verschwand, 
      Ein neues Leben winkt mit goldnem Strahl uns beiden 
      Und nichts mehr kann die Seelen scheiden, 
      Die Gott zum zweitenmal verband! 
      (S. 149-150) 
      
      _____ 
       
  
      Ungeküsste Küsse 
       
      Ach, ihr ungeküßten Küsse, 
      Meiner Sehnsucht Traumgedanken, 
      Die gleich halb erschlossnen Knospen, 
      Gleich dem Wehn der Morgenröthe, 
      Das dem jungen Tag vorangeht, 
      Ihr die Lippe mir umfächelt; 
      Saget doch, wann kommt die Stunde, 
      Die verschwiegne, mitternächt'ge, 
      Da der Glutkelch eurer Wonnen, 
      Flammensprühend, lebenspendend, 
      Sich erschließt dem durst'gen Munde? 
      Immer jetzt, wohin ich schaue 
      Und wohin mein Fuß sich wendet, 
      In des Marktes rohem Lärmen, 
      In des Stübchens trauter Stille, 
      Immer seh' und überall ich, 
      Jungen Rosen gleich im Dickicht, 
      Zwei geliebte Lippen glühen, 
      Sehe, Sternen gleich am Himmel, 
      Leuchten zween holde Augen. 
      Fühl' den Athem meiner Süßen, 
      Wie er, keusch gleich Kinderathem 
      Und so frisch wie Thau des Morgens, 
      Der auf Rosenblättern glitzert, 
      Flammensprühend, lebenspendend, 
      Durch die Adern mir, die trunknen, 
      Durch die Seele sich ergießt! 
       
      Liebe, böse, arme Küsse, 
      Die ihr schwebt gleich irren Schatten, 
      Denen strenger Götter Ausspruch 
      Eine Seele hat verweigert, 
      Daß sie flattern, daß sie fliegen, 
      Halben Flugs, mit schwerem Fittich, 
      Und dann still, mit leisem Girren, 
      In die leere Luft zerrinnen – 
      Laßt mich los, ihr holden Schatten! 
      Gebt mich frei, ihr süßen Träume! 
      Schwere Tage, bange Nächte 
      Bringt ihr flücht'gen mir getragen; 
      Ach ihr stört der Seele Frieden, 
      Meine Ruhe mordet ihr! 
       
      Sitz' ich einsam, still verschlossen, 
      Zwischen Büchern und Scripturen, 
      Meines Herzens Brand zu löschen 
      In der Weisheit kaltem Bade 
      Und mit Bücherstaub, dem garst'gen, 
      Meiner Seele Glut zu dämpfen: 
      In den Büchern, den Scripturen, 
      Horch, was fängt sich an zu rühren? 
      Durch die alten Pergamente, 
      Die vergilbten, moderduft'gen, 
      Geht ein Wehen, geht ein Flüstern, 
      Gleich dem Wehen warmer Lippen, 
      Wenn sie leis zum Kuß sich neigen; 
      Ach und aus verblichnen Lettern, 
      Sinnbethörend, herzverstrickend, 
      Lacht der Liebsten Bild mich an! 
       
      Nein, das mag ein Andrer tragen! 
      Auf, hinaus! und rasch ins Freie, 
      Wo Natur, die ewig milde, 
      Leis mit mütterlichen Händen 
      Balsam gießt in meine Wunde! 
      Sei gegrüßt, du blauer Himmel! 
      Seid gegrüßt, ihr grünen Bäume! 
      Ja, hier wird mein Herz genesen – 
      Nein, auch hier nicht! Mitverschworen 
      Ist Natur, die ewig milde! 
      Seh' ich wo zwei Blumen schwanken, 
      Festgerankt an einem Stengel, 
      In der Abendluft sich wiegend, 
      Muß ich denken an die Lippen, 
      Die im Kusse sich begegnen; 
      Vögel, die im Nest sich schnäbeln, 
      Schmetterlinge, die sich haschen, 
      Kleine Käfer, goldig schimmernd, 
      Die sich suchen, die sich finden 
      In der Erde dunkeln Gängen – 
      Alles, alles weckt aufs neue 
      Meiner Sehnsucht Traumgedanken! 
      Küsse haucht der Kelch der Rose, 
      Küsse schmelzen in dem Liede 
      Schwermuthvoller Nachtigallen, 
      In den Zweigen rauschen Küsse, 
      Küsse wehen in den Lüften, 
      Ja, die Sonne selbst, die ew'ge, 
      Wie sie prächtig, purpurstrahlend, 
      In des Meeres Schoß hinabsteigt, 
      Ist ein Gleichniß meiner Schmerzen, 
      Meines Glückes, meiner Qual! 
       
      Und sie ist hinab gestiegen; 
      Holde Nacht, o sei willkommen! 
      Mit den mohnbeträuften Fingern 
      Kühle du die heißen Schläfen, 
      Seliges Vergessen flöße 
      In die Seele mir, die wilde, 
      Daß ich ruhe bis zum Morgen, 
      Ohne Sehnsucht, träumelos! 
       
      Aber wie ich harrend liege, 
      Auf der Diele, horch, was knistert, 
      An der Thüre, horch, was raschelt? 
      Aufrecht sitz' ich in dem Bette, 
      Und auf zierlich leiser Zehe 
      Näher jetzt und immer näher 
      Kommt's gegangen, kommt's geschlichen, 
      An des Lagers Falten streift es, 
      Und mit duftig weicher Locke, 
      Ueber mich hinab gebogen, 
      Weht's mich an wie Liebesathem; 
      Hell durch nächt'ge Finsternisse 
      Weiße Schultern seh' ich leuchten, 
      Seh' geliebte Augen funkeln, 
      Mild und klar, in süßen Gluten, 
      Und in flammenheißem Kusse 
      Senkt auf Lippe Lippe sich …. 
       
      Laßt mich los, ihr holden Schatten! 
      Gebt mich frei, ihr süßen Träume! 
      Schwere Tage, bange Nächte 
      Bringt ihr flücht'gen mir getragen; 
      Ach ihr stört der Seele Frieden, 
      Meine Ruhe mordet ihr! 
       
      Aber nein, ich lieb' euch dennoch! 
      Bleibet bei mir, schmiegt euch dichter 
      An die Seele mir, die wunde, 
      Meiner Sehnsucht Traumgedanken, 
      Arme, ungeküßte Küsse! 
      Durch des Lebens Dornenwüste, 
      In des Marktes rohem Lärmen, 
      In des Stübchens trauter Stille, 
      Bleibt mein tröstendes Geleite! 
      Schmerzen schafft ihr mir und Qualen, 
      Doch ich liebe diese Schmerzen 
      Und ich segne diese Qualen. 
      Immer ist's ein Glück, zu lieben; 
      Kann ich nicht der Liebe Wonnen, 
      Will ich doch ihr Wehe kosten. 
      Harre nur, bald naht die Stunde! 
      Einmal öffnet sich die Knospe, 
      Einmal singt auch dir das Brautlied 
      Nachtigall aus duft'gen Zweigen! 
      Ja, schon dämmern leise Schatten, 
      Und wie Götter ungesehen 
      In der Menschen Kreise treten, 
      Also naht sich, still und heimlich 
      Naht die Stunde sich, die süße, 
      Der mein Herz entgegenschmachtet! 
      Treue Sterne führen sicher 
      An die Brust mich der Geliebten – 
      Ha, schon fühl' ich ihre Nähe, 
      Weiche Hände, schlanke Arme 
      Fühl' ich zärtlich mich umranken, 
      Heißer duftet, wonnevoller 
      Mir der Liebsten Mund entgegen, 
      Und von all den Millionen, 
      Millionmal Millionen 
      Langer, heißer, sel'ger Küsse, 
      Die gleich halberschlossnen Knospen 
      Mir die durst'ge Lippe fächeln, 
      Sinnbethörend, herzverstrickend, 
      Bleibt nicht Einer ungeküßt! 
      (S. 217-223) 
      
      _____ 
       
       
      
       
      Kunst der Liebe 
       
      Alles – also in den Sternen 
      Steht's von Götterhand geschrieben – 
      Alles muß der Mensch erst lernen, 
      Alles – auch sogar zu lieben. 
       
      Jüngling, dem die braunen Haare 
      Dicht und voll die Stirn umwehen, 
      Glaube nicht, die echte, wahre 
      Kunst der Liebe zu verstehen! 
       
      Ziellos, ohne Mast und Steuer, 
      Taumelst du, ein Spiel der Wogen, 
      Blitze sind dein ganzes Feuer – 
      Und ein Blitz ist rasch verflogen. 
       
      Doch wie aus der Erde Schlünden 
      Rastlos strömen ew'ge Fluten, 
      Also, nimmer zu ergründen, 
      Sind des Mannes treue Gluten. 
       
      Wie das Weltmeer sonder Ende 
      Um die Erde sich ergossen, 
      Also halten Herz und Hände 
      Die Geliebte fest umschlossen. 
       
      Herrlich ist's, in Fesseln schlagen 
      Eine Seele, die uns eigen; 
      Doch im Dulden, im Entsagen 
      Wird sich echte Liebe zeigen. 
       
      Jünglingsherz, du kannst nur stürmen 
      Keck wie Phaeton zur Sonne; 
      Die Geliebte treu zu schirmen, 
      Ist des Mannes höchste Wonne. 
       
      Hangend an dem süßen Munde, 
      Ohne Grollen, ohne Zagen, 
      Ruhig harret er der Stunde, 
      Die ihr Auge ihm wird sagen. 
       
      Weiß er doch, daß nie auf Erden, 
      Wie er ringe, nie und nimmer, 
      Frauenhuld verdient kann werden, 
      Freie Gabe bleibt sie immer. 
       
      Jünglingsliebe muß sich nähren, 
      Oder ach, sie bricht zusammen; 
      Das Verweigern, das gewähren 
      Schüret gleich des Mannes Flammen. 
       
      Aber wenn die Spröde mälig 
      Schmilzt in lächelndem Erbarmen, 
      O wie hält er dann so selig, 
      Hält sie fest in starken Armen! – 
       
      Liebste, der die ersten Gluten 
      Meines Herzens ehmals brannten, 
      Sieh die Götter, sieh die guten, 
      Wie sie es so gnädig wandten! 
       
      Glühend liebte dich der Knabe, 
      Ach, und machte doch dir Schmerzen; 
      Wandellos nun bis zum Grabe 
      Ruhst dem Manne du am Herzen! 
      (S. 146-148) 
      
      _____ 
       
       
      
       
      Nachtigall 
       
      Als von des Schmerzes Uebermacht bezwungen, 
      Zusammen brachen meine müden Glieder, 
      Da mit dem süßen Wohllaut ihrer Lieder 
      Hat mich die Nachtigall in Schlaf gesungen. 
       
      Nun bin ich frisch vom Lager aufgesprungen, 
      Den Garten eil' ich suchend auf und nieder; 
      Allein umsonst, auf flüchtigem Gefieder 
      Hat sich die Sängerin empor geschwungen. 
       
      Tief innen nur in meiner Seele Grunde, 
      Da tönt mir noch ein Echo ihrer Klänge 
      Und träuft wie Balsam leis in meine Wunde. 
       
      Gleichgiltig geh' ich durch die taube Menge, 
      Denn mit den Göttern fühl' ich mich im Bunde, 
      Und von der Lippe perlen mir Gesänge. 
      (S. 115) 
      
      _____ 
       
       
      
       
      Weltuntergangs-Sonette 
       
      I. 
      Am Tage, da die Welt sollt' untergehen, 
      Berührt vom Flammenschweife des Kometes, 
      Wie es verheißen kundige Propheten, 
      Die mehr als andre in den Sternen sehen; 
       
      Da, unter Weinen, Jammern, Schluchzen, Flehen, 
      Beim nahen Schall der Weltgerichtstrompeten, 
      Indeß die Einen fluchen, Andre beten, 
      Da ist der Wunder köstlichstes geschehen. 
       
      Nicht fraget, was! Nie wird aus meinem Munde 
      Ein sterblich Ohr die Kunde je erlangen 
      Von dem Geheimniß jener süßen Stunde. 
       
      Nur so viel wißt: indessen, furchtbefangen, 
      Die alte Erde bebt' in ihrem Grunde, 
      Ist eine neue Welt mir aufgegangen. 
       
       
      II. 
      Ja, es versank die altgewohnte Erde, 
      Dies Schattenthal, wo nichts als Thränen fließen, 
      Wo stets die Reue folgt auf das Genießen, 
      Der Nebelball voll Kummer und Beschwerde. 
       
      Durch neue Himmel lenkt die Flammenpferde 
      Der Sonnengott, in neuen Ufern fließen 
      Die Ströme jetzt, und neue Blumen sprießen, 
      Die nie verblühn, auf neues Schöpfungswerde. 
       
      Wie aber hat sich dieses zugetragen? 
      Wer hat, o sprecht, dies Wunder angerichtet? 
      Ein lächelnd Kind – nichts weiter darf ich sagen. 
       
      Der Seele Himmel hat sie mir gelichtet, 
      Daß wiederum, wie in der Jugend Tagen, 
      Mein jauchzend Herz in Tönen denkt und dichtet. 
       
       
      III. 
      Brich denn herein! Laß deine Donner rollen, 
      Weltuntergang! Ich lache deiner Schrecken, 
      Der Flammen lach' ich, die begierig lecken, 
      Als ob sie Erd' und Meer verschlingen wollen. 
       
      Was kümmert mich der Sterne zürnend Grollen? 
      Der Arm der Liebe, weiß ich, wird mich decken, 
      Ein treuer Wächter, wird sie mich verstecken 
      In ihrem Schoß, dem süßen, wonnevollen. – 
       
      Und so geschah's! Der Sturm, der uns bedrohte, 
      Zum Zephyr ward er; mit verkohlten Gluten, 
      Verschämt entwich der feur'ge Todesbote. 
       
      Und duftend hob aus neugestillten Fluten 
      Ein Eiland sich, verklärt vom Morgenrothe, 
      Darauf zwei Liebende in Schlummer ruhten. 
       
       
      IV. 
      Und war es wirklich keine falsche Kunde, 
      Und haben die Propheten nicht gelogen, 
      Und brechen wirklich heut' des Himmels Bogen, 
      Und Flammen schlagen aus dem finstern Schlunde: 
       
      Gegrüßt auch du, des Erdballs letzte Stunde! 
      Von der Geliebten süßem Hauch umflogen, 
      Verschränkten Armes, Mund an Mund gesogen 
      Im Wonnerausch, wie gern' geh' ich zu Grunde! 
       
      Rast, Stürme, rast! Entweicht, ihr goldnen Herden, 
      Die ihr am Himmel weidet! Brich zusammen 
      Im tiefsten Kern, du morscher Bau der Erden! 
       
      Versiegt, o Sonnen, ihr urew'gen Ammen! 
      Zum Brautbett muß das Chaos selbst uns werden, 
      Indeß als Hochzeitfackel Welten flammen! 
       
       
      V. 
      Nein, höhnt ihn nicht, den Aermsten, den Kometen, 
      Weil er sich heimlich machte auf die Socken! 
      Vor meiner Liebsten ist er so erschrocken, 
      Daß er es vorzog, gar nicht aufzutreten. 
       
      Das blaue Auge sah er, süß betreten, 
      Das flammende, vor dem die Pulse stocken, 
      Es sah von fern das Wallen ihrer Locken, 
      Wie sie gleich einem Schleier sie umwehten; 
       
      Und sprach zu sich: O welche holde Tücke! 
      Mit diesem Weib fürwahr kann ich nicht streiten, 
      Vor ihrem Glanze zieh' ich mich zurücke. 
       
      Sprach's und versenkte sich in Dunkelheiten, 
      Gebannt von meiner Liebsten süßem Blicke, 
      Als blasser Mond die Erde zu begleiten. 
       
       
      VI. 
      Nicht zürne mir, daß ich vermag zu scherzen 
      Und Lieder reime mit verwegnem Munde 
      Von jenem Tage, da zu ew'gem Bunde 
      Sich in einander gossen unsre Herzen. 
       
      Laß dich mein übermüthig Spiel nicht schmerzen! 
      Du weißt ja, Liebste, was mir diese Stunde, 
      Und wie in meiner Seele tiefstem Grunde 
      Nun ewig leuchten ihre heil'gen Kerzen. 
       
      Es giebt ein Glück, so über alle Grenzen, 
      Daß, während dankerfüllt die Lippen beten, 
      Die Augen doch von süßer Lust noch glänzen. 
       
      Solch Glück, solch sel'ges, gabst du dem Poeten, 
      Und wie man Heil'ge schmückt mit bunten Kränzen, 
      So nimm auch du die Lieder vom Kometen! 
      (S. 108-113) 
      
      _____ 
       
  
      Das Mädchen spricht: 
       
      Das grosse Kind 
      
       
      Da fliegt er hin, der stolze Knabe, 
      Rasch trägt sein Rößlein ihn vom Ort; 
      Dem ich mich ganz ergeben habe, 
      Mein süßer Schatz, schon ist er fort! 
      Die Stunde schlug, von meinem Herzen 
      Riß er sich zögernd, riß sich los, 
      Und lächelnd bald und bald mit Schmerzen 
      Sprach er: "Ade, 's ist Mannesloos!" 
       
      O Mannesloos, o Traum der Ehre, 
      Von Männern allzuhoch geschätzt! 
      Ich wollt', daß er ein Kindlein wäre, 
      Und mein Geliebter doch wie jetzt; 
      Auf meinem Schoß wollt' ich ihn wiegen 
      Mit süßem Tändeln, warm und lind, 
      In meinen Armen sollt' er liegen, 
      Mein großes, mein verliebtes Kind. 
       
      Ei ja, das wären süße Sorgen, 
      Das wäre liebe Mutterlust! 
      Wohl jeden Abend, jeden Morgen 
      Hielt' ich ihn fest an meiner Brust; 
      Mit meinem Kuß wollt' ich ihn tränken, 
      Nach dem er sonst so durstig war, 
      Und wollte ihm zum Spielwerk schenken 
      Mein aufgelöstes schwarzes Haar. 
       
      Ich würd' ein Märchen ihm erzählen 
      Von dem verirrten Königssohn, 
      Der, sich der Hirtin zu vermählen, 
      Das Reich vergessen und den Thron; 
      Mir in die Augen würd' er sehen 
      Mit hellen Blicken stolz und groß, 
      Und würde lächelnd mich verstehen, 
      Und risse dennoch sich nicht los! 
      (S. 97-98) 
      
      _____ 
       
       
      
      Heiligung 
       
      Das ich mit Seufzern lang' vermißt, 
      Des innern Friedens selig Glück, 
      Wie kehrt' es mir so schnell zurück, 
      Seit du die Meine wieder bist! 
       
      Wohin ich blicke, allerwärts 
      Seh' ich der Gottheit milden Gang, 
      Und das noch jüngst in Zweifeln rang, 
      Beruhigt klopft das wilde Herz. 
       
      Du bist sein fester Ankergrund, 
      Die Sonne bist du, die es nährt, 
      Der Schild, der allen Schrecken wehrt, 
      Und bist sein Balsam, wenn es wund. 
       
      Und schelten sie mich glaubenlos, 
      Was kümmert mich ihr plumper Spott? 
      In dir, Geliebte, lieb' ich Gott 
      Und lieb' in dir, was gut und groß! 
      (S. 163) 
      
      _____ 
       
        
      Treue Liebe 
       
      Das ist der Liebe schönstes Recht, 
      Daß sie verzeihet und vergißt; 
      Der liebt nicht treu, der liebt nicht echt, 
      Der diese Tiefe nicht ermißt. 
       
      Und schmerzt die Wunde noch so sehr, 
      Die der Geliebten Hand dir schlug, 
      Von der Geliebten kommt sie her, 
      Das sei des Trostes dir genug. 
       
      Und wenn sie gar nicht heilen will, 
      Wohlan, so stirb; doch stirb so still, 
      Daß nie ein Mensch errathen kann, 
      Selbst die Geliebte nicht, woran. 
      (S. 81) 
      
      _____ 
       
       
      
      Das ist nicht Liebe 
       
      Das ist nicht Liebe, die das Herz 
      Mit Adlerschwingen nicht erhebt, 
      Die jeden Kummer, jeden Schmerz 
      In süß Vergessen nicht begräbt. 
       
      Die Liebe gleicht dem Sonnenschein, 
      Der hoch vom Himmel niederfließt, 
      So mild, so warm, daß selbst der Stein 
      Von neuem jungen Leben sprießt. 
       
      Da blühen Blumen überall, 
      Von mütterlichem Kuß erweckt, 
      Und schmetternd singt die Nachtigall, 
      Von grünen Zweigen überdeckt. 
       
      So, holde Liebe, liebst du mich, 
      Mein Adler du, mein Sonnenschein, 
      So, holde Liebe, lieb' ich dich – 
      Und also soll es ewig sein! 
      (S. 168) 
      
      _____ 
       
       
      
      Sicheres Glück 
       
      Das, Liebste, dünkt der beste Theil 
      Von unserm Glück mich allezeit, 
      Der Anker das, dran unser Heil 
      Gegründet liegt für Ewigkeit; 
       
      Daß, ob wir brennen noch so heiß, 
      Und ob wir lieben noch so sehr, 
      Doch jeder fühlt, doch jeder weiß, 
      Es liebt der Andre ihn noch mehr. 
      (S. 174) 
      
      _____ 
       
        
      Im Glück 
       
      Dem Schmerze konnt' ich Worte geben, 
      In Liedern sang ich meine Qual; 
      Doch seit mein herbstlich ödes Leben 
      Durch dich erblüht zum zweitenmal, 
      Und seit in meiner Seele Gründen 
      Ein neuer Frühling Wunder thut, 
      Da weigert sich mein Mund zu künden 
      Des Herzens sel'ge Wonneglut. 
       
      Nur deine Hände kann ich fassen, 
      Die treu an meinem Glücke baun, 
      Erröthen kann ich und erblassen 
      Und fragend in dein Auge schaun; 
      Mein Haupt zu deinem kann ich neigen 
      Und zärtlich pressen Mund auf Mund – 
      Da thut mein Kuß mit frommem Schweigen 
      Dir meiner Brust Geheimniß kund. 
       
      Kein irdisch Auge kann ertragen 
      Der Sonne volle Strahlenpracht; 
      So kann dir auch mein Lied nicht sagen, 
      Was meine Seele jauchzen macht. 
      Drum siehst du sprachlos mich erbeben, 
      O frag', Geliebte, nicht warum: 
      Dem Schmerze konnt' ich Worte geben, 
      Doch meine Seligkeit ist stumm. 
      (S. 188-189) 
      
      _____ 
       
        
      All 
       
      Du bist das keusche Mondenlicht, 
      Das still und klar durch Wolken bricht, 
      Und bist der Sonne Feuerstrahl, 
      Der Blumen weckt in Berg und Thal. 
       
      Der fromme Abendstern bist du, 
      Der lächelnd winkt zu sel'ger Ruh', 
      Und bist der Blitz, der, gottentstammt, 
      Der Seele Dunkel mir durchflammt. 
       
      Doch – "Namen sind nur Rauch und Schall!" 
      Sei, wie du bist, du bist mein All! 
      In deine Seele schließ' mich ein, 
      Die Meine du, ich ewig dein! 
      (S. 190) 
      
      _____ 
       
       
      
      Einsame Rose 
       
      Du bist die einsam blühende Rose 
      In des Thales schattigem Grund; 
      Dich grüßt der Himmel, der wolkenlose, 
      Dir winkt der Sterne nächtiges Rund. 
       
      Ich lausche von nahem, ich lausche von ferne, 
      Du duftest und prangest in funkelndem Thau; 
      Ich segne den Himmel, ich segne die Sterne, 
      Ich segne dich selbst, o du liebliche Frau! 
      (S. 164) 
      
      _____ 
       
       
       
      
      Du fragst, wozu das Küssen tauge? 
       
      Du fragst, wozu das Küssen tauge, 
      Und was es eigentlich will sagen? 
      Um sich zu blicken Aug' in Auge, 
      Und Seel' um Seele zu befragen. 
       
      Wenn Auge sich in Auge spiegelt 
      Und sich zu Seele Seele findet, 
      Dann wird im Kusse rasch besiegelt, 
      Was treue Herzen ewig bindet. 
       
      Drum willst du je dich küssend neigen, 
      So giebt es Eines, das bedenke: 
      Daß leis in andachtvollem Schweigen 
      Auch Seele sie in Seele senke. 
       
      Wo nur die Lippen sich berühren, 
      Da wirst du bald verschmachten müssen; 
      Der Liebe Wonnen ganz zu spüren, 
      O lerne mit der Seele küssen! 
      (S. 216) 
      
      _____ 
       
       
      
      Holdes Räthsel 
       
      Du mit der schwanenweißen Brust, 
      Berauschend wie der Duft der Traube, 
      Du meine flammenheiße Lust 
      Und keusch und züchtig wie die Taube; 
      Aus deines Auges milden Sternen, 
      So lockend und so fromm dabei, 
      Wann werd' ich je zu Ende lernen 
      Der Liebe süße Litanei? 
       
      Holdselig Räthsel, kalt wie Schnee, 
      Und sengend wie des Aetna Gluten, 
      Du linde Qual, geliebtes Weh, 
      Dran Herzen lächelnd sich verbluten; 
      Du schürest Flammen stolz und prächtig 
      Und gießest zündend Oel darein, 
      Daß hoch gen Himmel loht, allmächtig, 
      Wie Weltenbrand, ihr dunkler Schein. 
       
      Mit Lächeln ziehst du mich zu dir 
      Und weisest mich zurück mit Lächeln, 
      Es schweigt die flammende Begier 
      Vor deines Kusses Maienfächeln; 
      In Asche sinkt mein wildes Sehnen 
      Vor deiner Unschuld Majestät, 
      In meine Küsse fließen Thränen, 
      Und mein Entzücken wird Gebet. 
       
      Der hat die Liebe nie gekannt, 
      Der nicht in schüchternem Erbangen, 
      Von der Geliebten Blick gebannt, 
      Erstickt sein heißestes Verlangen. 
      Es herrschen Lieb' und Unschuld beide, 
      An Macht sich und an Stärke gleich; 
      Ein lächelnd Kind im Flügelkleide 
      Ist König in der Liebe Reich! 
      (S. 169-170) 
      
      _____ 
       
       
      
      Eines ist, das mich verdrießt 
       
      Eines ist, das mich verdrießt, 
      Darf ich's Dir gestehen? 
      Daß ich muß so ungeküßt 
      In mein Bette gehen; 
      Daß kein Hauch von liebem Mund 
      Mich zu Nacht umschmeichelt, 
      Daß kein Händchen, weich und rund, 
      In den Schlaf mich streichelt. 
       
      Alles will ich, alles gern 
      Dulden und ertragen, 
      Seh' ich nur der Liebe Stern 
      Durch das Dunkel tagen; 
      Flicht mir nur mit leiser Hand 
      Nach der Stürme Tosen, 
      Nach des Tages Sonnenbrand 
      Liebe ihre Rosen. 
       
      Schwebet ihr denn still und leis 
      Durch die Finsternisse, 
      Kühl wie Thau, wie Flammen heiß, 
      Ungeküßte Küsse! 
      Pochet an das Fenster sacht, 
      Wo die Liebste weilet, 
      Daß sie träumend, halb erwacht, 
      Eure Gluten theilet. 
       
      Zeigt im Spiegel alter Zeit 
      Ihr vergangne Stunden, 
      Wie sich hat in Lust und Leid 
      Herz zu Herz gefunden; 
      Aber laßt sie, ahnungsvoll, 
      Auch den Morgen spüren, 
      Der in ihre Arme soll 
      Mich noch einmal führen! 
       
      Ja, der Morgen dämmert schon, 
      Mit verlöschten Kerzen 
      Steigt die Nacht von ihrem Thron, 
      Und es tagt im Herzen; 
      Träge Stunden eilen sich 
      Nach der Götter Schlüssen, 
      Und bald lodern du und ich 
      Neu in neuen Küssen! 
      (S. 266-267) 
      
      _____ 
       
       
      
      Eine Locke 
       
      's war Mitternacht, früh Morgens sollt' ich scheiden, 
      Wir saßen stumm, ein träumerisches Paar; 
      Von ihrem Haupt ein Löckchen wollt' ich schneiden, 
      Sie wehrte nicht, sie löste selbst das Haar. 
      Da schlug mein Herz, der blöde Wunsch ward freier, 
      In tausend Küssen kühlt' ich meine Glut, 
      Und über uns, ein süß geheimer Schleier, 
      Floß ihrer Locken dunkelbraune Flut. 
       
      Wie lang' doch ist es, seit ich das erfahren? 
      Ich sinne nach und dennoch find' ich's kaum; 
      Hätt' ich die Locke nicht von ihren Haaren, 
      Ich meine wohl, das alles wär' ein Traum. 
      Denn für das Haar, das ich ihr schnitt vom Haupte, 
      Schnitt sie der Liebe goldnes Band entzwei, 
      Und ach, sie wußte, daß, was sie mir raubte, 
      Kein Härchen nur, daß es mein Leben sei! – 
       
      So schieden wir. Ich sah sie nimmer wieder, 
      Als nur im Traum; sie, mein' ich, sah mich nie, 
      Vergessenheit sank auf mein Antlitz nieder, 
      Der bleichen Stirn warum gedächte sie?! 
      Die Locke nur, sie hat mir bleiben müssen, 
      Ich trug sie treu – und schau' nur her, mir däucht, 
      Als wäre sie noch warm von unsern Küssen, 
      Als wär' sie noch von unsern Thränen feucht! 
       
      Ob wohl noch heut', wie tausend junge Schlangen, 
      So mild, so braun wie eine Sommernacht, 
      Der stolzen Frau um Hals und Stirn und Wangen 
      Herniederfließt der Locken weiche Pracht? 
      Und wer wohl heut' mit übermüth'gem Finger, 
      Wie ich einst that, in diesen Locken wühlt, 
      Und sich, gleich mir, dabei um nichts geringer, 
      Als wie ein König beider Indien fühlt? 
       
      Und horch, ich hör's wie Geisterstimmen säuseln; 
      's kommt eine Zeit, sie kommt, du stolze Frau, 
      Da wird dein Haar sich minder üppig kräuseln, 
      Die braune Locke, glaub' mir, sie wird grau! 
      Du wirst umsonst die schlanken Arme breiten 
      Nach einem Herzen, dich zu wärmen dran, 
      Kalt wird die Welt an dir vorüberschreiten – 
      O, nicht mein Bild, nicht meines, schaue dann! 
       
      Vergiß mich ganz! und sei der ernste Schnitter 
      Vor Vielen dir mit einem Lächeln hold! 
      Stirb sanft, stirb rasch! Es ist ja schon so bitter, 
      Allein zu sterben; das hast du gewollt. 
      Eins quält mich nur: von deinem Haupt dies Härchen, 
      Im Tode selbst ein Kleinod bleibt es mir – 
      Doch dann, o dann von all' den goldnen Märchen, 
      Sprich, stolze Frau, o sprich, was bleib dann dir? 
      (S. 70-72) 
      
      _____ 
       
       
      
      Frühlingsliebe 
       
      1. 
      Es hat die Rose dich verklagt, 
      Um dich zergrämt sie sich zu Tod, 
      Sie hat es der Nachtigall gesagt, 
      Daß deine Wange rosenroth. 
       
      Die Nachtigall hat es der Nacht gesagt, 
      Die arme Sängerin ist krank, 
      Sie hat dich bei der Nacht verklagt, 
      Um deiner Stimme süßen Klang. 
       
      Dem Himmel hat es die Nacht gesagt, 
      Mit ihrer ganzen Sternenschaar 
      Hat sie beim Himmel dich verklagt, 
      Daß schwarz wie Nacht dein Lockenhaar. 
       
      Der Himmel hat es dem Meer gesagt, 
      Er will sich kleiden schwarz und grau, 
      Beim Meere hat er dich verklagt 
      Um deine Augen himmelblau. 
       
      Das Meer hat es dem Stein gesagt, 
      Mit dumpfen Murren zog's daher, 
      Beim Steine hat es dich verklagt, 
      Daß du so falsch bist, wie das Meer. 
       
      Der Stein hat es dem Baum gesagt, 
      Er meint, es wäre gar nicht fein, 
      Und hat beim Baume dich verklagt, 
      Daß du ein Herz hast, hart wie Stein. 
       
      Der Baum zuletzt hat mir's gesagt, 
      Hoch aus dem Blütenwipfel her 
      Hat leise flüsternd er geklagt, 
      Daß du verwelken mußt, wie er. 
       
      Nun, Liebchen, hab' ich's dir gesagt, 
      Du aber hörst ja nicht auf mich: 
      Doch hab' ich nirgend dich verklagt, 
      Denn ach, du weißt, ich liebe dich! 
       
       
      2. 
      Ich will's dir nimmer sagen, 
      Wie ich so lieb dich hab', 
      Im Herzen will ich's tragen, 
      Will stumm sein wie das Grab. 
       
      Kein Lied soll dir's gestehen, 
      Soll flehen um mein Glück, 
      Du selber sollst es sehen, 
      Du selbst – in meinem Blick. 
       
      Und kannst du es nicht lesen, 
      Was dort so zärtlich spricht, 
      So ist's ein Traum gewesen; 
      Dem Träumer zürne nicht. 
       
       
      3. 
      In Wasser hast die Rose du gesetzt, 
      Die ich dir gestern Abend hab' gebracht, 
      Und heut' schon hat die Knospe sich erschlossen. 
      Ach, meine Liebe hab' ich wohl genetzt 
      Mit tausend Thränen früh bis Mitternacht. 
      Und dennoch will mir keine Blüte sprossen. 
       
       
      4. 
      Wohl hundertausend Thränen 
      Hab' ich geweint um sie, 
      Doch Wasser löscht dies Sehnen, 
      Löscht dieses Glühen nie. 
       
      Wohl höhnt mit kalten Blicken 
      Mein Schatz mich unverwandt, 
      Doch kann kein Frost ersticken 
      Des Herzens heißen Brand. 
       
      Ach, ist dies Feu'r zu zähmen 
      Nicht Frost, nicht Wasser gut, 
      So müßt ihr Erde nehmen; 
      Schwarze Erde dämpft die Glut. 
       
       
      5. 
      Wohlan, ich will wandern, 
      Wohlan denn, ich geh'! 
      Schatz, such' dir 'nen Andern, 
      Ich sag' dir ade! 
      Mag länger nicht klagen 
      Vergebliche Pein, 
      Mag's länger nicht tragen, 
      Dein Narre zu sein. 
       
      Will wandern und singen 
      Das Reich entlang. 
      Meine Leier soll klingen 
      So lieblichen Klang: 
      Daß die Frauen mich grüßen 
      - Du grüßtest mich nie! 
      Daß die Mädchen mich küssen 
      - Dann küsse wie sie! 
       
      In Reim will ich bringen, 
      Wie du mich gequält, 
      Daß die Knaben es singen, 
      Daß die Welt sich's erzählt! 
      Sie sollen dich hassen, 
      Du eisernes Herz, 
      Sie sollen dich lassen 
      In einsamem Schmerz! 
       
      Dann such' dir nur Einen, 
      Der so treu ist wie ich, 
      Und findest du Keinen – 
      Schatz, rufe nur mich! 
      Wär' ich weitweg von dannen, 
      Tausend Meilen von hier, 
      Will die Flüglein aufspannen, 
      Will fliegen zu dir! 
       
      Will dich halten und küssen, 
      O du liebliches Kind, 
      Und die Welt soll es wissen, 
      Wie gut wir uns sind! 
      Schatz, laß mich nicht wandern 
      Nicht ziehen durch's Reich, 
      Du find'st keinen Andern – 
      O rufe mich gleich! 
       
       
      6. 
      (Das Mädchen 
      spricht:) 
      Mond, hast du auch gesehen, 
      Wie mich mein Schatz geküßt? 
      Frei muß ich dir gestehen, 
      Daß mich das sehr verdrießt. 
       
      Auch weiß ich nicht, wie eben 
      Es gestern Abend kam, 
      Ob ich ihn ihm gegeben, 
      Ob er den Kuß sich nahm. 
       
      Du mußt's nicht weiter sagen, 
      Ich bitte dich darum, 
      Wenn dich die Leute fragen, 
      O lieber Mond, sei stumm! 
       
       
      7. 
      Daß ich im Frühling scheiden soll, 
      Das macht das Herz mir schwer: 
      Ich wär' nicht halb so kummervoll, 
      Wenn's nur nicht Frühling wär'. 
       
      Allüberall ist Maienlust, 
      Hell klingen Thal und Hain, 
      Ach, und allein in meiner Brust 
      Wird's still und öde sein. 
       
      Wem soll ich klagen meine Pein? 
      Die Rose blüht so roth, 
      Die Lerche wirbelt aus und ein – 
      Wem klag' ich meine Noth? 
       
      Ach, soll's einmal geschieden sein, 
      So sei's in Winterzeit, 
      Da tragen Lerche, Flur und Hain 
      Mit mir dasselbe Leid. 
       
      Da klagen all' zusammen wir 
      Um Ein entschwunden Glück, 
      Und alle träumen sie mit mir 
      Von neuem Sonnenblick. 
       
      Und wenn die Rosen wieder blühn, 
      Kehrt auch der Liebste dein; 
      Drum nicht im Frühling laß mich ziehn, 
      Im Winter soll es sein! 
       
       
      8. 
      Wohl küßt' ich dir vom Rosenmunde 
      Viel süße Küsse sonder Zahl, 
      Und dachte nicht der bangen Stunde, 
      Da ich dich küss' zum letzten Mal. 
       
      Nun wir den letzten Kuß uns geben, 
      Ach, dünkt's dich nicht, du Engel mein, 
      Als wär's der erste Kuß im Leben? 
      Und dieser soll der letzte sein?! 
      (S. 43-50) 
      
      _____ 
       
       
      
      Das Wort 
       
      Es summt ein Wort mir rastlos in den Ohren, 
      Ganz leise nur, mit ungewissem Klang, 
      Und will ich's nennen, hab's schnell verloren, 
      So lockt und neckt mich's wie Sirenensang. 
       
      Ich kann nicht sagen, was darin enthalten, 
      Es ist nicht Frühling, Rose, Sonnenschein, 
      Doch will der Himmel sich zum Wort gestalten, 
      Der ganze Himmel, muß es dieses sein. 
       
      Es ist ein Klang aus jenen flücht'gen Stunden, 
      Da eine schöne, liebe Heuchlerin 
      Mit weichen Armen zärtlich mich umwunden, 
      Mir ganz bethörend Herz, Gemüth und Sinn. 
       
      Da hab' ich oft von ihrem Rosenmunde 
      Mit gier'gem Ohr dies Wörtchen abgelauscht, 
      Und spielend haben manche lange Stunde 
      Wir dieses Wörtchen kindisch ausgetauscht. 
       
      Wenn sie es sprach, wie bebt's mir in den Sinnen! 
      's war mehr als Flöte, mehr als Lerchensang, 
      Ein Paradies voll Seligkeit lag drinnen, 
      Ich konnt' es hören Tag' und Monde lang. 
       
      Es war ein Spiel! Des Spieles ward sie müde 
      Und hat sich ruhig, lächelnd abgekehrt; 
      Doch mit ihr wandte sich mein Glück, mein Friede – 
      Sie war so schön, sie war so liebenswerth! 
       
      Auch jenes Wörtchen hab' ich längst verloren, 
      Denn mit dem Zauber schwand das Zauberwort; 
      Nur leise, leise summt's mir in den Ohren, 
      Vergessen möchte' ich's, dennoch summt es fort! 
       
      Und wenn im Frühling sich die Blätter regen, 
      In Thal und Wald die Erde sich belebt, 
      Dann klopft mein Herz mit ungestümen Schlägen 
      Laut möcht' ich nennen, was mich leis durchbebt. 
       
      Es ist umsonst, ich find' es nimmer wieder, 
      Es ist nicht Frühling, Rose, Sonnenschein, 
      Doch mehr als Flöte, mehr als Lerchenlieder – 
      Es muß ein Wort für Glücklichere sein. 
      (S. 62-63) 
      
      _____ 
       
       
      
      Giess in meine Seele deine 
       
      Gieß in meine Seele deine, 
      Meine hast du längst getrunken, 
      Wie im Morgensonnenscheine 
      Untergehn der Sterne Funken: 
       
      Daß mit wonnevollen Schmerzen 
      Gleiche Flammen uns durchwühlen! 
      Daß wir beide tief im Herzen 
      Eines Blutes Pulsschlag fühlen! 
      (S. 155) 
      
      _____ 
       
       
      
      Allgegenwart 
       
      Gleich wie das Eine große Licht, 
      Der Urquell alles Guten, 
      Sich hell in tausend Strahlen bricht, 
      Das Weltall zu durchfluten; 
       
      Und wie der Farben bunte Pracht, 
      Das Dunkle wie das Helle, 
      Das deine Sinne trunken macht, 
      Nur Eines Stromes Welle; 
       
      So hat der Eine Gott sich auch, 
      Der alles hält umschlossen, 
      Mit Schöpferdrang, mit Liebeshauch 
      Weit durch das All ergossen. 
       
      Du siehst in jeder Creatur, 
      Rings durch das Weltgetriebe, 
      Von seiner Allmacht eine Spur, 
      Ein Denkmal seiner Liebe. 
       
      Er ruft dir zu, er treibt dich an 
      Aus hunderttausend Pforten, 
      Sein tiefster Grund liegt aufgethan 
      In Werken und in Worten. 
       
      So fühle nun mit ihm dich eins 
      Und eins mit allem Leben, 
      So wirst du in der Flut des Seins 
      Als Tropfen gern verschweben. 
       
      In jeder Blume, jedem Stern 
      Erblickst du Gottes Zeichen. 
      In jeder Seele nah und fern 
      Erkennst du deinesgleichen. 
       
      Und wie der Schöpfung großer Ring 
      In innigstem Vereine 
      Umschlossen hält jedwedes Ding, 
      Das Große wie das Kleine: 
       
      So halte du in Liebe auch 
      Den Himmel wie die Erde, 
      Daß deines Athems schwacher Hauch 
      Ein Sturmwind Gottes werde: 
       
      Allüberall ein einzig Meer 
      Der Liebe zu entzünden, 
      Und laut durch Thaten ringsumher 
      Den Ew'gen zu verkünden! 
      (S. 10-12) 
      
      _____ 
       
       
      
      Hat dir die Rose nichts gesagt? 
       
      Hat dir die junge Rose nichts, 
      Die einsam blühende, geklagt? 
      Der Silberstrahl des Mondenlichts 
      Dir nichts bei Nacht ins Ohr gesagt? 
       
      Vernahmst du nicht die Nachtigall, 
      Wie sie, in Blüten dicht versteckt, 
      Mit ihres Liedes süßem Schall 
      Das Echo deiner Seele weckt? 
       
      Sahst du auch nicht die Sterne gehen 
      Unwandelbar in ew'gem Rund? 
      Und fühltest du nicht Flammen wehn 
      Von Aug' zu Auge, Mund zu Mund? 
       
      Es singt und klingt die Welt entlang, 
      Durch Land und Meer, durch Wald und Flur, 
      Ein tausendstimmiger Gesang, 
      Und Liebe tönt er, Liebe nur! 
       
      Von Liebe glänzt der Tropfen Thau, 
      Der an dem Kelch der Blume schwebt, 
      Von Liebe strahlt das feuchte Blau, 
      Draus mir dein Herz entgegenbebt. 
       
      So öffn' auch du, getrost und froh, 
      Ihr deiner Seele Heiligthum, 
      Und denk', die Götter wollten's so, 
      Zur Freude dir und sich zum Ruhm! 
      (S. 15-16) 
      
      _____ 
       
       
      
      Liebe 
       
      Hat je der Liebe treue Hand 
      Durch Nacht und Dornen dich geführt, 
      Hast in des Lebens Sonnenbrand 
      Du jemals ihren Hauch verspürt: 
       
      O fühle, daß dich Gott geweiht, 
      So oft ein lieber Mund dich küßt, 
      Und daß dir nun für alle Zeit 
      Ein himmlisch Glück zu eigen ist. 
       
      Wie sich dein Schicksal wenden mag, 
      Und was du leidest auch fortan, 
      Es blühte dir ein Frühlingstag, 
      Der nimmermehr verwelken kann. 
       
      In Glück und Noth, in Lust und Pein 
      Umfächelt dich sein linder Duft, 
      Die Liebe wiegt dich lächelnd ein 
      Und streut dir Rosen auf die Gruft. 
      (S. 248) 
      
      _____ 
       
       
      
      Ruhe 
       
      Herrlich ist's, voll Glutverlangen 
      In den Armen dir zu hangen, 
      Fühlen, sanft herabgezogen, 
      Deines Busens stürmisch Wogen, 
      Deinen süßen Athem trinken, 
      Ganz in Wonne untersinken! 
       
      Aber süßer noch, ohn' Ende 
      Halten deine lieben Hände, 
      In die Augen dir, die blauen, 
      Spiegel deiner Seele, schauen, 
      Wortelos, mit frommem Schweigen, 
      Fühlen, wie du ganz mein eigen. 
      (S. 153) 
      
      _____ 
       
       
      
      Die Liebste schreibt 
       
      Ich bin der Bach, das wilde Kind, 
      Der schäumend über Klippen rinnt, 
      Von grünen Wipfeln überdacht, 
      Einsam und still, in Waldesnacht. 
       
      Der Vogel du im Schattendach, 
      Der seine Lieder singt dem Bach; 
      Es tönt das Lied, die Welle rauscht, 
      Vom Ohr der Menschen unbelauscht. 
      (S. 156) 
      
      _____ 
       
       
      
      Die Liebste wünscht 
       
      Im Arm dir möcht' ich hangen, 
      Hinausgehn über Feld, 
      Wenn, noch von Nacht umfangen, 
      In Schlummer liegt die Welt; 
      Still ist's auf Flur und Wegen, 
      Nichts regt sich allerwärts, 
      Es pocht mit lauten Schlägen 
      Der Schöpfung ew'ges Herz. 
       
      Möcht' stehn mit dir und lauschen, 
      Andächtig, athemlos, 
      Der Quellen heimlich Rauschen 
      Tief in der Erde Schoß; 
      Das Lüftchen hört' ich säuseln, 
      Das dir die Wange küßt, 
      Und säh' den Bach sich kräuseln, 
      Der über Blumen fließt. 
       
      Und tausend Stimmen schweben 
      Süß flüsternd durch die Nacht – 
      O Herz, wer hat dies Leben, 
      Dies ew'ge, angefacht? 
      Wohin ich auch mich wende, 
      Der Welle gleich im Meer, 
      Dies Wogen sonder Ende, 
      O Lieber, sprich, woher? 
       
      Es ist derselbe Meister, 
      Der alles dies erschuf, 
      Der Herzen auch und Geister 
      Erweckt durch seinen Ruf; 
      Die dieses Weltgetriebe 
      In sicherm Gang erhält, 
      Es ist dieselbe Liebe, 
      Die uns den Busen schwellt. 
       
      Von deinem Arm umfangen, 
      In stiller Mitternacht, 
      Gelehnt an deine Wangen, 
      Von deinem Aug' bewacht; 
      Hinaus wohl möcht' ich treten 
      Ins dämmernde Gefild', 
      Und möchte mit dir beten – 
      Du weißt ja, wem es gilt! 
      (S. 161-162) 
      
      _____ 
       
       
      
      In der Liebe goldnen Fluten 
       
      In der Liebe goldnen Fluten 
      Bade dich gesund, o Herz! 
      Angeweht von ihren Gluten, 
      Kühlt und lindert sich dein Schmerz; 
      Neue Sonnen läßt sie tagen, 
      Leuchtend über Berg und Thal, 
      Knospen, die der Sturm zerschlagen, 
      Blühn durch sie zum zweiten Mal. 
       
      Denk' der liebelosen Zeiten, 
      Die du einsam hast verlebt, 
      Eh' mit ihren Seligkeiten 
      Fromme Liebe dich durchbebt; 
      Deines Herzens junge Triebe 
      Sehnten sich nach Lust und Licht, 
      Liebe wollt'st du, nichts als Liebe, 
      Und man bot dir starre Pflicht. 
       
      Aber nun aus Himmelshöhen, 
      Ungesucht und unerkannt, 
      Ja, ein Wunder ist geschehen, 
      Das den Sinn dir umgewandt: 
      Leis im tiefsten Herzensgrunde 
      Eine Stimme mahnte dich, 
      Und es neigt sich Mund zu Munde, 
      Neigt zu Seele Seele sich. 
       
      Junge Rosen auf den Wangen, 
      Auf der Lippe Kuß um Kuß, 
      O du wonniges Umfangen, 
      O du sel'ger Liebesgruß! 
      Menschen- nicht, nur Götterhände 
      Konnten dieses Glück verleihn, 
      Und so wird, ich weiß, das Ende 
      Golden wie der Anfang sein. 
       
      Alles Schöne, alles Gute 
      Ist der Liebe fromme Saat; 
      Folge denn mit kühnem Muthe 
      Gern und willig ihrem Pfad! 
      Freue dich der stolzen Wonnen, 
      Die du nimmst und die du giebst – 
      Ach, bald ist der Sand verronnen, 
      Und du lebst nur, wenn du liebst! 
      (S. 253-254) 
      
      _____ 
       
  
      Sommerliebe 
       
      In des Frühlings jungen Tagen, 
      Wenn die Nachtigallen schlagen 
      Durch die Thäler nah und weit, 
      Mögt ihr seufzen, mögt ihr klagen 
      Von der Liebe süßem Leid; 
      Aber zieht der Sommer golden, 
      Ganz bekränzt mit Blütendolden, 
      Im Triumph die Welt entlang, 
      Dann zu Füßen eurer Holden 
      Singet jubelnden Gesang. 
       
      Blöde Jugend mag sich härmen, 
      Mag mit Grollen, mag mit Lärmen 
      Wandern durch die weite Welt, 
      Oder mag auch nächtlich schwärmen 
      Einsam unterm Sternenzelt: 
      Doch der Mann, bedacht und weise, 
      Weiß, wie kurz die Lebensreise, 
      Keiner, keiner kehrt zurück, 
      Und so hält er, stark und leise, 
      Fest den flücht'gen Augenblick. 
       
      Holder Sommer meines Lebens, 
      Nein, du strahlst mir nicht vergebens, 
      Neuer Muth entflammet mich, 
      Und die Knospe meines Strebens 
      Oeffnet deinen Gluten sich! 
      Was ich ehmals litt und lernte, 
      So das Nahe, das Entfernte, 
      Alles sproßt auf meinem Pfad, 
      Und es reift zu goldner Ernte 
      Meines Lebens stolze Saat! 
      (S. 185-186) 
      
      _____ 
       
       
      
      Abends 
       
      In dieser Stunde denkt sie mein, 
      Ich weiß, in dieser Stunde! 
      Die Vögel schlafen groß und klein, 
      Es schlafen die Blumen im Grunde. 
      An blauem Himmel hell und klar 
      Stehn tausend Sterne wunderbar, 
      Sie schaut hinauf und denket mein, 
      Ich weiß, in dieser Stunde. 
       
      Sie sitzt wohl einsam und allein, 
      Ich weiß, in dieser Stunde, 
      Und flüstert wohl den Namen mein 
      Halbleise mit schüchternem Munde. 
      Sie schickt mir Grüße lieb und schön 
      Und winkt mir zu, als könnt' ich's sehn, 
      Sie weint, in dieser Stunde. 
       
      Gute Nacht und schließ' die Aeugelein, 
      Gute Nacht in dieser Stunde! 
      Ich will im Traume bei dir sein 
      Mit fröhlicher, seliger Kunde: 
      Von einem Tag, o träume du, 
      Wo ich in deinen Armen ruh', 
      Ja bis dahin gedenke mein, 
      Jetzt und in jeder Stunde! 
      (S. 54-55) 
      
      _____ 
       
       
      
      Mai 
       
      I. 
      Ja wohl, nun wird's noch einmal Mai, 
      Die Vögel singen wieder, 
      Und aus der Seele, kühn und frei, 
      Erblühen neue Lieder; 
      Die sollen sich vor deinen Fuß 
      Wie junge Blumen breiten, 
      Und sollen leise wie ein Kuß 
      In deine Seele gleiten. 
       
      Wohl war es eine schwere Zeit, 
      Die Du und ich erduldet, 
      Viel Unrecht hab' ich, vieles Leid 
      Ertragen und verschuldet. 
      Nun aber, da, ein Stern bei Nacht, 
      Dein Auge neu mir lächelt, 
      Nun fühl' ich, wie mit Jugendmacht 
      Genesung mich umfächelt. 
       
      Bedenk' es wohl: du bist das Licht, 
      Zu dem mein Blick sich wendet, 
      Es ist dein liebes Angesicht, 
      Das Trost und Kraft mir spendet; 
      In deinen Adern schäumt das Blut, 
      Von welchem ich mich nähre, 
      Aus deinem Busen quillt die Glut, 
      In der ich mich verzehre. 
       
      So zieh' noch einmal, kühn und frei, 
      Mich an dein Herz, das treue, 
      Daß unsers Lebens Wonnemai 
      Noch einmal sich erneue! 
      Schon fühl' ich, wie die Seele mir 
      Von neuen Liedern sprühet, 
      Und seh', wie Mund und Wange dir 
      Von neuen Küssen glühet! 
       
       
      II. 
      O Frühlingsluft, o Maienwinde, 
      O Sommerhimmel licht und klar, 
      Wie sprengt ihr endlich nun die Rinde, 
      Von der mein Herz umschlossen war! 
      Und wie der Erde junge Säfte 
      Aus tausend Quellen schäumend sprühn, 
      So schäumen meines Geistes Kräfte 
      Und wollen frisch in Thaten blühn. 
       
      Wohl war's im Winter öd' und strenge, 
      Die liebe Sonne war verbannt; 
      Inmitten einer kalten Menge, 
      Wie stand ich einsam, unerkannt! 
      Nach offnen Seelen, warmen Herzen 
      Verlangend sucht' ich rings im Kreis, 
      Doch alles steinern, alles erzen – 
      Da ward auch meines starr wie Eis. 
       
      Nun aber, da mit stolzem Prangen, 
      Geführt von milder Götter Gunst, 
      Ein neuer Lenz mir aufgegangen, 
      Der Lenz der Liebe und der Kunst; 
      Nun kenn' ich fürder kein Ermatten, 
      Nicht ängstigt mich der Tage Flucht, 
      Denn sieh, schon reift in Blätterschatten 
      Die köstliche, die Lebensfrucht! 
      (S. 271-273) 
      
      _____ 
       
       
      
      In der Ferne 
       
      Jetzt wird sie wohl im Garten gehen, 
      Der blüht und glüht im Sonnenlicht, 
      Und in die Ferne wird sie spähen, 
      Mich aber, ach, mich sieht sie nicht. 
       
      Und eine Rose wird sie brechen, 
      Mit stummer Wehmuth im Gesicht, 
      Und meinen Namen wird sie sprechen, 
      Ich aber, ach, ich hör' es nicht! 
      (S. 53) 
      
      _____ 
       
       
      
      Fiametta 
       
      Lächle nicht, 
      Lächle nicht, 
      Zauberisches Angesicht! 
      Deine Thränen, deine Schmerzen, 
      Kalt, mit ungerührtem Herzen, 
      Kann ich schweigend sie erdulden; 
      Aber ach, vor deinem Lächeln, 
      Wie der Schnee vorm Maienfächeln, 
      Schmilzt dein Unrecht, dein Verschulden – 
      Lächle nicht, 
      Lächle nicht, 
      Zauberisches Angesicht! 
       
      Lächle nicht, 
      Lächle nicht, 
      Zauberisches Angesicht! 
      Weinend hab' ich dich gesehen 
      Und verzweifelnd vor mir stehen, 
      Schönste dich von allen Frauen: 
      Doch dies Lächeln auf dem Munde, 
      Noch in meiner Todesstunde 
      Dieses Lächeln werd' ich schauen – 
      Lächle nicht, 
      Lächle nicht, 
      Allzutheures Angesicht! 
      (S. 64-65) 
      
      _____ 
       
       
      
      Trost 
       
      Laß der Erde ihre Sorgen, 
      Und der Liebe laß ihr Glück! 
      Jede Nacht hat ihren Morgen, 
      Und die Sonne kehrt zurück; 
      Angestrahlt von ihrem Scheine, 
      Fühlst du Flammen dich umwehn – 
      Glaub', das Niedre und Gemeine 
      Ist nur da, um zu vergehn! 
       
      Wird das arme Herz dir bange 
      In den Kämpfen klein und groß, 
      Deiner Seele tiefstem Drange 
      Gieb dich kühn und fessellos! 
      Ist doch Eines dir geblieben 
      In des Lebens Wüstenei: 
      Habe nur den Muth, zu lieben, 
      Und die Liebe macht dich frei! 
       
      Daß dein Mißgeschick sich wende, 
      Lege muthig, unverzagt 
      In der Liebe treue Hände 
      Jeden Kummer, der dich nagt. 
      Schon mit himmlischen Gesichten 
      Fächelt dich Begeisterung, 
      Und in Küssen, in Gedichten 
      Wird dein Herz noch einmal jung! 
      (S. 13-14) 
      
      _____ 
       
       
      
      Sommernacht 
       
      Leise Stimmen in den Lüften, 
      In den Blättern, in den Zweigen, 
      Welch' ein Blühen, welch' ein Düften, 
      Wonnevoller Liebesreigen! 
      Ganz in Seligkeit versunken, 
      Ruht die Welt und athmet kaum, 
      Und der Sterne goldne Funken 
      Glitzern leise, wie im Traum. 
       
      Löse deiner Locken Fluten! 
      Einen Schleier, laß sie sinken, 
      Daß der Augen nächt'ge Gluten 
      Heimlich nur dazwischen winken! 
      Mich verbrennt ihr süßes Leuchten, 
      Mich verzehrt ihr holder Strahl – 
      Augen, ach, ihr tiefen, feuchten, 
      Ach, was macht ihr mir für Qual! 
       
      Aber sieh, mit milden Armen, 
      Wie ich schmachte, wie ich flehe, 
      An den Busen, an den warmen, 
      Ziehst du sanft mich in die Höhe. 
      Leuchtet weiter, holde Sonnen, 
      Schleudert eurer Pfeile Brand, 
      Denn ein Ocean der Wonnen 
      Hält die Seele mir umspannt! 
      (S. 144-145) 
      
      _____ 
       
       
      
      Letzter Blick und letzter Gruss 
       
      Letzter Blick und letzter Gruß, 
      Herz, wer kann es fassen? 
      Letzter Seufzer, letzter Kuß, 
      Und dann dich verlassen; 
      Lassen dich aus diesem Arm, 
      Der dich oft umfangen 
      In der Mainacht lind und warm, 
      Da die Knospen sprangen! 
       
      Lassen dich von dieser Brust, 
      Die mit heißen Schlägen 
      In unendlich süßer Lust 
      Deiner schlug entgegen; 
      Aus dem Auge lassen dich, 
      Sonne mir und Leben, 
      Und in finstre Ferne mich 
      Freudelos begeben! 
       
      Aber aus der Seele, nein, 
      Nicht aus meinem Herzen! 
      Das ist Balsam in der Pein, 
      Das ist Trost in Schmerzen; 
      Daß, wie auch die Tage sich 
      Rasch und wechselnd treiben, 
      Ewig dennoch du und ich, 
      Ewig wir uns bleiben. 
       
      Können meine Arme sich 
      Nicht mehr um dich ranken, 
      Halten doch umklammert dich 
      Sehnende Gedanken! 
      Und dem Aug' entschwunden zwar, 
      Glänzt doch alle Stunde 
      Mir dein Bildniß hell und klar 
      In der Seele Grunde. – 
       
      Letzter Blick und letzter Gruß, 
      Herz, wer wollte weinen!? 
      Einen Blick noch, einen Kuß 
      Und noch einmal einen; 
      Bleibst du mir und bleib' ich dir, 
      O, so ist's kein Leiden, 
      Bleib' ich dir und bleibst du mir, 
      O so ist's kein Scheiden! 
      (S. 103-104) 
      
      _____ 
       
       
      
      Nachts 
       
      Löscht, o löscht, ihr Himmelslichter, 
      Die ihr wandelt durch die Nacht, 
      Schließ' in deinen Arm mich dichter, 
      Liebste du, in Zauberpracht: 
      Daß ein seliges Vergessen 
      Mir die heißen Schläfen kühlt, 
      Alles, was ich sonst besessen, 
      Weit mir aus der Seele spült. 
       
      Nur ein einz'ger Stern soll leuchten, 
      Mächtig wie der Sonne Glühn; 
      Deine Augen sind's, die feuchten, 
      Die in holden Flammen sprühn! 
      Und wenn sich die Lider neigen, 
      Leis von Schlummer übermannt, 
      Sagt dein Kuß mir noch mit Schweigen, 
      Was der Mund nur halb gestand! 
      (S. 141) 
      
      _____ 
       
       
      
      Himmel auf Erden 
       
      Mein Frühlingshauch, mein Rosenduft, 
      Mein Morgenthau an grünen Zweigen, 
      Du lindes Säuseln in der Luft, 
      Wenn sich der Tag beginnt zu neigen, 
      Du goldner Becher übervoll, 
      Den milde Götter mir kredenzen, 
      Der mir nun ewig schäumen soll 
      In ewig neuen, jungen Lenzen! 
       
      Und wieder drück' ich dich ans Herz, 
      Wie in der Jugend sel'gen Tagen, 
      Und wieder muß ich himmelwärts 
      Die frohbewegten Blicke schlagen: 
      Von wannen alles Gute kommt, 
      Der Sonne Glanz, der milde Regen 
      Und alles, was den Menschen frommt 
      In millionenfachem Segen. 
       
      Du bist mein Himmel, holde Frau, 
      In deinem Blick, dem tiefen, feuchten, 
      Seh' ich des Himmels goldnes Blau 
      Und sehe Mond und Sonne leuchten; 
      Gleich wie des Himmels weites Rund 
      Die Erde liebend hält umfangen, 
      So ruht in deiner Seele Grund 
      Mein innerst Hoffen und Verlangen. 
       
      Wohl senkt vom Sternenhimmel her 
      Ins Herz sich seliges Genügen, 
      Mir aber quillt ein Wonnemeer 
      Aus der Geliebten stolzen Zügen. 
      Nicht neid ich, Mond, dein Silber dir, 
      Zerstreuet euch, ihr goldnen Herden; 
      In der Geliebten wurde mir 
      Der ganze Himmel schon auf Erden. 
      (S. 191-192) 
      
      _____ 
       
       
      
      Der Liebsten Namen 
       
      Nach dem Namen der Geliebten fragen laut sie und im Stillen; 
      Nun wohlan, ihr Neubegier'gen, euren Wunsch will ich erfüllen. 
      Sonne heißet meine Liebste; denn mit sonnenhaftem Prangen, 
      Sonne meines Lebens, ist sie mir am Himmel aufgegangen; 
      Ueberall, wohin sich senken ihres Auges süße Strahlen, 
      Sprossen Blumen, tönen Lieder, blühen Wonnen mir und Qualen. 
      Mond und Sterne sind ihr Name: wie der Mond so süß beschaulich, 
      Wenn er Nachts am Himmel gleitet, wie die Sterne mild und traulich; 
      Frühlingsrose: denn so lieblich ist der Lippen rosig Lächeln; 
      Maienlüftchen: denn so würzig ihren Athem fühl' ich fächeln. 
      Schwan, mein Schwan, so soll sie heißen: denn wie eines Schwans Gefieder 
      Wogt ihr Busen süß und duftig, leuchten ihre weißen Glieder; 
      Taube unschuldvoll und schüchtern; Adler, mächtig und gewaltig; 
      Lamm und Löwe, süßes Wunder, unaussprechbar, vielgestaltig; 
      Königin, der alle Herzen sich in Demuth beugen müssen – 
      So, nun wißt ihr ihre Namen, schweigen laßt mich nun und küssen. 
      (S. 151-152) 
      
      _____ 
       
       
      
      Frage nicht! 
       
      O frage nicht, 
      Was auf des Auges stillem Grunde 
      Mir oft wie eine Thräne bebt, 
      Was schüchtern oft von meinem Munde 
      Wie ein verstohlner Seufzer schwebt! 
      Es ist ein Wort, unausgesprochen, 
      Ein selig goldnes Traumgesicht, 
      Und nur mein Blick, mein Herzenspochen 
      Verräth es dir – o frage nicht! 
       
      O frage nicht, 
      Was ruhelos in deine Nähe 
      Mich wie ein Zauber mächtig bannt, 
      Warum ich dennoch seitwärts stehe, 
      Wenn du mich lächelnd kaum erkannt! 
      Von Schmetterlingen rings umgaukelt, 
      Genährt vom ersten Sonnenlicht, 
      Ein Röschen du, vom West geschaukelt, 
      Entblättert ich – o frage nicht! 
       
      O frage nicht, 
      Zu welcher frühen Sonnenwende 
      Mein kurzes Leben sich gesenkt, 
      Zu welchem Abgrund, welchem Ende 
      Mein milder Fuß hinunterlenkt! 
      Dir sei die Welt ein ew'ger Morgen 
      Voll Maienglanz und Duft und Licht, 
      Was Schmerzen sind, dir sei's verborgen, 
      Leb' wohl, vergiß – und frage nicht! 
      (S. 60-61) 
      
      _____ 
       
       
      
      O hochgebenedeit der Mann 
       
      O hochgebenedeit der Mann, 
      Der, wenn ihm schon der Scheitel bleicht, 
      Und träger schon das Blut ihm schleicht, 
      Sich treue Liebe noch gewann! 
       
      Zum Himmel schaut er stolz und frei, 
      Und schaut zur Erde still beglückt, 
      Die sich für ihn mit Blumen schmückt, 
      In immer neuem, jungem Mai. 
       
      Jetzt lacht ihm erst der Sonne Strahl, 
      Der Sterne Glanz in stiller Nacht; 
      Ihn rührt der Rose junge Pracht, 
      Als säh' er sie zum ersten mal. 
       
      Kein Sehnen hält, kein wirrer Traum 
      Die klaren Sinne ihm gebannt; 
      Mit festem Schritt und sichrer Hand 
      Für seine Thaten schafft er Raum. 
       
      Den Strom der Tage sieht er ziehn 
      Gelassnen Muthes, sonder Harm; 
      Es trägt der Liebe starker Arm 
      Hoch über Sturm und Klippen ihn. 
       
      Vergangne und zukünft'ge Zeit 
      Liegt klar vor seinem innern Blick; 
      Denn endlos, weiß er, wie sein Glück, 
      Ist seiner Liebe Ewigkeit. 
      (S. 171-172) 
      
      _____ 
       
       
      
      Der Jugend 
       
      O Jugend, liebe! lieb' und küsse, 
      Eh' dir der goldne Lenz entweicht! 
      Doch immer liebe so, das wisse, 
      Daß letzter Kuß dem ersten gleicht! 
      Drum liebe züchtig, liebe weise, 
      Wie es der Grazie Dienst dich lehrt, 
      Daß Liebe noch dereinst dem Greise 
      Das letzte Abendroth verklärt! 
       
      Denn wie der arme Mensch mag ringen, 
      Vom wüsten Drang der Welt umrauscht, 
      Er kann es doch nicht weiter bringen, 
      Als daß er Lieb' um Liebe tauscht; 
      Das ist der Anfang und das Ende, 
      Das ist der Aufgang und der Schluß, 
      Und aller Götter reichste Spende 
      Ist Liebesblick und Wort und Kuß. 
      O köstlich Altern, selig Sterben, 
      O holdes Wagen, stolz und kühn, 
      Wenn silbern sich die Locken färben, 
      Drin noch der Liebe Rosen glühn! 
      Das ist der wahre Jugendbronnen, 
      Daß man sich liebt und wieder liebt, 
      Ja, der nur hat sich selbst gewonnen, 
      Der ganz der Liebe sich ergiebt! 
      (S. 4-5) 
      
      _____ 
       
       
      
      Morgens 
       
      O Morgen still und feierlich! 
      O Berge ganz in Duft versteckt! 
      Der bleiche Mond verfinstert sich, 
      Von Morgenwölkchen überdeckt. 
       
      Ich aber schreite froh daher, 
      An meine Liebe denke ich, 
      Dem Morgen gleich so still, so hehr, 
      So friedevoll und feierlich! 
      (S. 181) 
      
      _____ 
       
       
      
      Letzte Sommertage 
       
      O Sommer, dein letzter, dein scheidender Blick, 
      Wie leuchtet so warm er, so sonnig! 
      Verspätete Rosen, verspätetes Glück, 
      Wie duftet ihr beide so wonnig! 
      Und färbt sich auch bald mir das flatternde Haar, 
      Und bleichen die schwellenden Wangen, 
      Doch halten wir spät verbundenes Paar 
      Uns nur um so inn'ger umfangen! 
       
      Die einst mir als schüchterne Knospe gelacht 
      Aus halb erschlossenem Laube, 
      Nun leuchtest du mir in üppiger Pracht, 
      Du reife, du goldene Traube! 
      Ich aber, in heiliger Trunkenheit, 
      Ich halte den schäumenden Becher, 
      Und selbst der Wermuth vergangener Zeit 
      Wird Nektar dem seligen Zecher. 
       
      So sprudle denn fort in unendlicher Lust, 
      O Liebe, du himmlische Quelle! 
      Es heilet die Wunde, frei athmet die Brust, 
      Das dämmernde Auge wird helle. 
      Wohl brauset der Kampf durch das staubige Feld, 
      Wohl mühen sich ringende Hände: 
      Wir aber, den ewigen Göttern gesellt, 
      Wir lieben und küssen ohn' Ende! 
      (S. 199-200) 
      
      _____ 
       
       
      
      Neue Gluten 
       
      O Stern der Liebe, längst versunken, 
      Verloschen hatt' ich dich geglaubt; 
      Was wirfst du heute deine Funken 
      Noch einmal auf mein alternd Haupt? 
      Aus Wetterwolken mitternächtig 
      Nahst du voll finstrer Majestät, 
      Wie ein Komet, verderbenträchtig, 
      Sein flammend Haupt zur Erde dreht. 
       
      Ich aber steh' und fühl' erschrocken 
      Und selig dennoch deinen Strahl: 
      O nicht auf mich, auf braune Locken 
      Gieß' deiner Gluten süße Qual! 
      Hab' Mitleid mit dem müden Herzen, 
      So viel geprüft von Gram und Noth, 
      Es hat verlernt, wie lang! zu scherzen, 
      Und wenn es liebt, so liebt's zum Tod. 
       
      Umsonst, umsonst! Schon nah und näher 
      Wälzt sich das gier'ge Element, 
      Und höher steigt und immer höher 
      Die holde Glut, die mich verbrennt; 
      Ich will entfliehen, kann nicht wenden 
      Den Fuß, gebannt von Qual und Lust, 
      Und drücke selbst mit beiden Händen 
      Den Flammenpfeil mir in die Brust! 
      (S. 135-136) 
      
      _____ 
       
       
      
      Liebesmacht 
       
      O wundervolle Liebesmacht, 
      Die alten Flammen neu entfacht, 
      Daß aus der Asche stumm und kalt 
      Dir neue Glut entgegenwallt! 
       
      Fühllos war meine Brust, wie Erz, 
      Gestorben wähnt ich längst mein Herz, 
      Einförmig rann der Tage Fluß, 
      Ich lebte, weil ich leben muß. 
       
      Da, wie aus Wolken dumpf und schwer 
      Herniederflammt ein Feuermeer, 
      So in die Seele mir hinein 
      Brach deines Auges Flammenschein. 
       
      Und wie im Lenz der Sonne Strahl 
      Das Leben weckt in Berg und Thal, 
      So sproßt aus meines Herzens Schacht 
      Ein neuer Mai in Blütenpracht. 
       
      Schon zittert leise durch die Brust 
      Ein Widerschein mir künft'ger Lust, 
      Schon tönen Lieder aus und ein; 
      Ich fühl's, noch kann ich glücklich sein. 
       
      Doch weißt du auch, daß auf den Mai 
      Der Sommer immer kommt herbei? 
      Doch ahnst du auch, o ahnst du schon, 
      Was diese Flammen noch uns drohn?! 
       
      Sei's - ! Ob zu Asche brennt dies Herz, 
      Gesegnet dennoch, süßer Schmerz! 
      Ja wenn die Glut mich tödten soll, 
      Auch solch ein Tod ist wonnevoll! 
      (S. 137-138) 
      
      _____ 
       
       
      
      Liebe übers Grab 
       
      Ob kalt und stumm, sie leben doch, 
      Die wir ins stille Grab versenkt, 
      So lang' Ein Herz auf Erden noch 
      In Liebe ihrer treu gedenkt; 
       
      So lang' ihr liebes bleiches Bild 
      Nur Einem Auge noch erscheint, 
      So lang' in Sehnsucht, ungestillt, 
      Noch Eine Thräne um sie weint. 
       
      Wie aus der Erde finsterm Schacht 
      Der Lenz die Blumen lockt hervor, 
      So schwingt sich aus des Grabes Nacht 
      Der Liebe Fittig kühn empor. 
       
      Und jeder Gruß und jedes Wort, 
      Das der geliebte Mund einst sprach, 
      Wie Engelstimmen, fort und fort, 
      Im tiefsten Herzen tönt es nach; 
       
      Und weht uns an, so süß, so still, 
      Gleich wie der Rose Duft im Mai, 
      Und wenn der Muth uns sinken will, 
      Die lieben Todten stehn uns bei. – 
       
      Drum lindre, Liebe, deinen Schmerz! 
      Die wir ins stille Grab versenkt, 
      Sie sind nicht todt, so lang' ein Herz 
      In Liebe ihrer treu gedenkt: 
       
      So lang' ihr liebes bleiches Bild 
      Nur Einem Auge noch erscheint, 
      So lang' in Sehnsucht, ungestillt, 
      Noch Eine Thräne um sie weint. 
      (S. 27-28) 
      
      _____ 
       
       
      
      Lenz und Licht 
       
      Rosenduft, du machst mich trunken, 
      Gleich wie Duft von edlem Wein; 
      Sonne, deine goldnen Funken 
      Sprühn mir tief ins Herz hinein! 
       
      Duft der Liebe, still und leise 
      Fächelst du mich nah und fern; 
      Ziehe leuchtend deine Kreise, 
      Lebenssonne, Liebesstern! 
      (S. 17) 
      
      _____ 
       
       
      
      Schön ist die Liebste 
       
      Schön ist die Liebste, wenn ihr Mund, 
      Der lächelnde, von Küssen glüht, 
      Wenn aus des Auges feuchtem Grund 
      Verliebte Schalkheit Funken sprüht. 
       
      Doch schöner, wenn die Wetternacht 
      Des Zorns von ihrer Stirne droht. 
      Aus ihrer Blicke Flammenpracht 
      Vernichtung dir entgegenloht. 
       
      Am schönsten, wenn, wie Mondeslicht 
      Sich schaukelt auf verschwiegner Flut, 
      Auf ihrem süßen Angesicht 
      Der Kindheit sel'ger Friede ruht. 
      (S. 159) 
      
      _____ 
       
       
      
      Sei nicht so schön 
       
      Sei nicht so schön! Nicht diese Funken 
      In meine Seele schleudere du! 
      Die heißen Sinne machst du trunken 
      Und mordest meines Herzens Ruh'! 
      Es träuft ein seliges Erbangen, 
      Es weht ein wonnevolles Weh 
      Vom Rosenschimmer deiner Wangen, 
      Von deiner Schulter duft'gem Schnee. 
       
      So war es, da zum erstenmale 
      Dein Herz besiegt an meines sank, 
      Da ich zuerst die volle Schale 
      Des Glücks von deiner Lippe trank; 
      So ist es all die Zeit geblieben 
      Und bleibt so jeden Augenblick – 
      Mit deinen Küssen wächst mein Lieben, 
      Mit meiner Sehnsucht wächst mein Glück. 
       
      O holdes Feu'r, das still verborgen 
      In zween getreuen Herzen glüht, 
      Das jeden Abend, jeden Morgen, 
      Aufs neue seine Funken sprüht! 
      Es strahlt ein ewig blauer Himmel 
      Vom Auge meiner Königin, 
      Und lächelnd schreiten durchs Gewimmel 
      Der Menschen wir gleich Göttern hin. 
       
      Und kommt des Alters Frost geschlichen, 
      Dem ersten Reife gleich bei Nacht, 
      Und ist der Wange Schmelz erblichen, 
      Der jetzt so süß, so lockend lacht: 
      Wir bleiben dennoch, die wir waren, 
      Da dich mein Aug' zuerst gesehn, 
      Und prächtig soll zu grauen Haaren 
      Der Liebe Rosenkranz uns stehn! 
      (S. 210-211) 
      
      _____ 
       
       
       
      
      Und hast du je einmal geliebt 
       
      Und hast du je einmal geliebt, 
      Und weißt du, was für Seligkeiten 
      Die Liebe ihren Treuen giebt, 
      Bist du beglückt für alle Zeiten. 
       
      Es kann das Dornenreis der Pflicht 
      Die müden Schläfen dir zerwühlen, 
      Unglücklich aber kannst du nicht, 
      Nicht ganz verlassen je dich fühlen. 
       
      Von jedem Kummer, jeder Pein 
      Läßt dich Erinnerung genesen, 
      Und kannst du nicht mehr glücklich sein, 
      So weißt du doch, du bist's gewesen. 
       
      Wie tief im Wald ein Vogel singt, 
      Tönt dir ein tröstend Lied im Herzen, 
      Und was die Zeit nun immer bringt, 
      Mit Lächeln kannst du es verschmerzen: 
       
      Seitdem der Liebe Lust und Qual 
      Dein bebend Herz zuerst verspürte, 
      Seit ihres Heil'genscheines Strahl 
      Zuerst dein junges Haupt berührte. 
      (S. 31-32) 
      
      _____ 
       
       
      
      Erinnerung 
       
      Und hast du recht geliebt einmal, 
      Sei dir's zur Freude, sei's zur Qual, 
      O halte das Gedächtniß fest, 
      Auf daß es nimmer dich verläßt! 
       
      Gieb ihm, als deinem besten Schatz, 
      Im tiefsten Herzen einen Platz, 
      Gleich wie ein liebes Grab man pflegt 
      Und es mit Blumen eng umhegt. 
       
      Und jeden Gruß, den du geschickt, 
      Und jeden Kuß, der dich erquickt, 
      Und selbst der Trennung bittern Schmerz, 
      O schließ' es alles treu ins Herz! 
       
      Auf daß, wenn einst nach Jahren spät 
      Der Frost des Alters dich umweht, 
      Du an verschwundner Tage Glück 
      Noch laben magst den müden Blick. 
       
      Und wie von Weines edlem Naß 
      Den Duft bewahrt das leere Faß, 
      So spielt um dich Erinnerung 
      Und macht das alte Herz dir jung. – 
       
      Die Rose welkt wohl über Nacht, 
      Vergänglich ist der Erde Pracht, 
      Nur was du liebst, o Herz, ist dein; 
      Das soll dein Trost im Sterben sein. 
      (S. 23-24) 
      
      _____ 
       
       
      
      Vertrauen 
       
      Und ist das Herz dir kummerschwer, 
      Und wenn dich bange Zweifel nagen, 
      O neig' dich, Liebste, zu mir her, 
      Mir alles, was dich quält, zu sagen. 
       
      Das ist nicht Liebe, die allein 
      Am Rausch der Freude sich entzündet; 
      Die Thräne ist der Nachtmahlwein, 
      Der treue Herzen eng verbündet. 
       
      Wie mag dein wonnig Lächeln doch 
      Die müde Seele mir erfrischen! 
      Doch süßer ist und heil'ger noch 
      Ein Kuß, in den sich Thränen mischen. 
      (S. 187) 
      
      _____ 
       
       
      
      Erneute Wonnen 
       
      Und wieder halt' ich dich umfangen, 
      Du meines Lebens liebstes Gut, 
      Und wieder leuchten deine Wangen 
      Von meiner Küsse Wonneglut; 
      Es hüllen deine duft'gen Locken 
      In holde Dämmerung mich ein, 
      Und wieder fühl' ich, froh erschrocken, 
      Wie süß es ist, geliebt zu sein! 
       
      Die dich durch Wetternacht und Wogen 
      In meinen Arm zurück geführt, 
      Die Sterne haben nicht gelogen, 
      Mein heißes Flehn hat sie gerührt; 
      Es stillen sich die bittern Thränen, 
      Die in der Ferne dich gesucht, 
      Und meinem Hoffen, meinem Sehnen 
      Blüht der Erfüllung goldne Frucht. 
       
      So stiegst du einst nach trübsten Jahren, 
      Ein segenspendend Meteor, 
      Aus Schuld und Irrthum und Gefahren 
      An meinem Himmel mir empor; 
      So zeigst du dich auch heute wieder 
      Dem staunenden, dem trunknen Blick, 
      Du bringst mir Küsse, bringst mir Lieder, 
      Bringst meine Jugend mir zurück! 
       
      Die Götter haben wollen zeigen, 
      Was Liebe kann, was Treue heißt, 
      Drum gaben sie mir dich zu eigen, 
      Die du so süß zu lieben weißt; 
      In deiner Unschuld Heil'genscheine, 
      In deiner Güte tief und klar, 
      Du bist, o Herz, die einzig Eine, 
      Wie nimmer eine Zweite war! 
       
      Und hüllen jetzt noch Nebelstreifen 
      Der Zukunft ungewissen Pfad, 
      Die Knospe der Verheißung naht! 
      So reich' noch einmal mir die Hände 
      Und neig' noch einmal mir das Haupt! 
      Es kommt gewiß zu gutem Ende, 
      Wer an der Liebe Wunder glaubt! 
      (S. 276-277) 
      
      _____ 
       
       
      
      Liebesuhr 
       
      Wann ist zum Küssen die rechte Stunde? 
      Wenn der Morgen, von purpurnen Wolken bedeckt, 
      Sich hebt aus dämmerndem Sunde, 
      Dann rasch die Geliebte mit Küssen geweckt, 
      Dann koste, wie süß solch Morgenbrot schmeckt 
      Von dem rosig knospenden Munde! 
       
      Wann ist zum Küssen die rechte Stunde? 
      Wenn der Mittag auf dampfenden Feldern ruht, 
      Die Sonne brennt in der Runde, 
      Dann rücke du näher, dann liebt es sich gut, 
      Dann kühle mit Küssen das schäumende Blut 
      In der heißen, der lässigen Stunde. 
       
      Wann ist zum Küssen die rechte Stunde? 
      Wenn der Abend von blühenden Zweigen thaut, 
      Die Nachtigall flötet im Grunde, 
      Dann hältst du im Arme die schüchterne Braut, 
      Dann kost es, dann küßt sich's noch einmal so traut 
      In wonniger Dämmerstunde. 
       
      Wann ist zum Küssen die rechte Stunde? 
      Wenn die Sterne erglänzen in nächtlicher Pracht, 
      Mit dem Mond, dem getreuen, im Bunde; 
      O liebliches Dunkel, o selige Nacht! 
      Nichts rührt sich, nichts regt sich, die Liebe nur wacht, 
      Die Sterne machen die Runde. 
       
      Dann ist zum Küssen die rechte Stunde, 
      Wenn das Herz dich treibt, wenn die Sehnsucht glüht 
      Auf dem lieblich schwellenden Munde; 
      So liebe und küsse mit frohem Gemüth, 
      So lange das Leben, das goldne, dir blüht, 
      Es enteilet die flüchtige Stunde! 
      (S. 214-215) 
      
      _____ 
       
       
      
      Liebeskalender 
       
      Wann ist zum Lieben die beste Zeit? 
      Wenn der Frühling sich schwingt in den Lüften, 
      Wenn der Kuckuck ruft so weit, so weit, 
      Wenn die Bäume blühen und düften; 
      Du aber am Arme der lieblichsten Frau, 
      Du wandelst mit Neigen und Grüßen 
      Und windest zum Kranze die Blumen der Au' - 
      O seliges Lieben und Küssen! 
       
      Wann ist zum Lieben die beste Zeit? 
      Wenn der Sommer lächelt, der holde, 
      Es stehen die Fluren in festlichem Kleid, 
      Die Ähren prangen im Golde. 
      Da sitzt die Geliebte im blühenden Feld, 
      Du ruhest ihr kosend zu Füßen, 
      Und über euch dämmert das wogende Zelt - 
      O seliges Lieben und Küssen! 
       
      Wann ist zum Lieben die beste Zeit? 
      Wenn der Herbst sich neiget zu Ende, 
      Wenn die Buche sich färbt und das Rebhuhn schreit, 
      Es färbt sich der Wein am Gelände. 
      Die Kleine, die Feine, die hat sich versteckt, 
      Sie wirft dich mit Trauben und Nüssen, 
      Du aber, du hast sie im Fluge entdeckt - 
      O seliges Lieben und Küssen! 
       
      Wann ist zum Lieben die beste Zeit? 
      Wenn der Winter knirscht auf dem Eise; 
      Die Wälder begraben, die Wege verschneit, 
      O süße beschwerden der Reise! 
      Nun sitzt du im Stübchen so traulich und warm, 
      Es labt dich die Liebste mit Küssen, 
      Sie hält dich, sie wiegt dich im schwellenden Arm - 
      O seliges Lieben und Küssen! 
       
      So ist zum Lieben jedwede Zeit 
      Die echte, die rechte, die beste, 
      So halte, o Herz dich immer bereit, 
      Zu empfangen die himmlischen Gäste! 
      Und hast du die flüchtige Stunde verträumt, 
      Mit Thränen wirst du es büßen, 
      So leere den Becher, solang' er dir schäumt - 
      O seliges Lieben und Küssen! 
      (S. 212-213) 
      
      _____ 
       
       
      
      Unersättlich 
       
      Warum dein Kuß, so warm, so süß, 
      Doch meiner Seele Durst nicht stillt? 
      Weil immer neu der Liebe Born 
      Mir aus der tiefsten Seele quillt; 
       
      Weil unter meines Kusses Glut 
      Stets ros'ger deine Lippe blüht, 
      Dein Auge mir, dein lächelndes, 
      Stets leuchtender entgegen sprüht. 
       
      So zündet Stern an Stern sich an 
      Am Himmelsdom in nächt'ger Zeit, 
      Und brausend gießt dir in das Herz 
      Sich flammende Unendlichkeit. 
      (S. 193) 
      
      _____ 
       
       
      
      Bei der Nacht 
       
      Warum duften doch die Rosen 
      So viel schöner bei der Nacht? 
      Warum schmecken doch die Küsse 
      So viel süßer bei der Nacht? 
      Wenn durch braune Dämmerungen 
      Hell der Liebsten Auge lacht, 
      Und wie eines Schwanes Fittich 
      Leuchtet ihrer Glieder Pracht. 
       
      Ja, der Tag gehört den Menschen, 
      Aber Gottes ist die Nacht! 
      Klar und mild, wie Auge Gottes, 
      Tausend Sterne sind erwacht; 
      Durch die Thäler, durch die Höhen 
      Weht's wie Mailuft mild und sacht, 
      Und den Saum von seinem Kleide 
      Hörst du rauschen durch die Nacht. 
       
      Was die Seele dir belastet, 
      Was dein Auge weinen macht, 
      Leg' es ab denn, müder Wandrer, 
      In den frommen Schoß der Nacht. 
      Knospen werden sich erschließen, 
      Früchte reifen über Nacht, 
      Und die Thränen sind getrocknet, 
      Ehe du noch aufgewacht. 
       
      Darum duften auch die Rosen 
      So viel schöner bei der Nacht, 
      Darum schmecken auch die Küsse 
      So viel süßer bei der Nacht: 
      Wenn durch braune Dämmerungen 
      Hell der Liebsten Auge lacht, 
      Und du fühlst an ihren Küssen: 
      Gott und deine Liebe wacht. 
      (S. 197-198) 
      
      _____ 
       
       
      
      Liebe 
       
      Was die Liebe kann begehren, 
      Liebe darf es frei gewähren. 
       
      Was von Liebe ward verschuldet, 
      Gern von Liebe wird's geduldet. 
       
      Alles Fehlen, alles Irren, 
      Liebe weiß es zu entwirren; 
       
      Trägt mit seliger Geberde 
      Alle Noth und Schuld der Erde; 
       
      Am Geliebten jeden Flecken 
      Weiß sie sorgsam zu verdecken; 
       
      Ja, ihn völlig freizusprechen, 
      Lächelnd theilt sie sein Verbrechen. 
      (S. 182) 
      
      _____ 
       
       
      
      Dämmerstunde 
       
      Was hauchst du, braune Dämmerstunde, 
      Du Trost dem müdgehetzten Mann, 
      Gleichwie ein Kuß von liebem Munde 
      Die fieberheiße Stirn mir an? 
      Du senkst dich leis mit lindem Schmeicheln 
      In mein verschlossnes Herz hinein, 
      Wie treuer Hände sanftes Streicheln, 
      Wie Kinderathem süß und rein. 
       
      Du holde Zeit versteckter Wonnen, 
      Da alle Blumen duft'ger blühn, 
      Indessen flammend mir als Sonnen 
      Die Augen der Geliebten glühn! 
      In ihre weichen Arme sink' ich, 
      Von Tages Last und Qual befreit, 
      Von ihrer ros'gen Lippe trink' ich 
      Den Balsam deiner Einsamkeit. 
       
      O säumet euch, ihr goldnen Sterne, 
      Verzögre dich, geliebter Mond! 
      In dieser Dämm'rung bleib' ich gerne, 
      In der die Liebe sichtbar thront; 
      Von ihrem weichen Netz umsponnen, 
      Von ihrem süßen Hauch umschwebt, 
      Sind Erd' und Himmel mir zerronnen, 
      Und einzig meine Liebe lebt! 
      (S. 195-196) 
      
      _____ 
       
       
      
      Sommernacht 
       
      Was ist das für ein Düften 
      Die blühende Welt entlang! 
      Es jubelt in den Lüften 
      Wie Nachtigallensang; 
      Die rothen Rosen glühen, 
      Hoch steht der Lilien Pracht, 
      Und ihre Kelche sprühen 
      Und leuchten durch die Nacht. 
       
      Ihr schlagenden Nachtigallen, 
      Du blühender Lindenbaum, 
      Was soll dies Wogen und Wallen? 
      Ich wandle wie im Traum. 
      Von allen Zweigen bebt es, 
      Als ob es Funken thaut, 
      Um meine Lippen schwebt es 
      Wie Kuß vom Mund der Braut. 
       
      O wohl, das ist die Stunde, 
      Wo Lieb' an Lieb' sich schmiegt, 
      Indessen tief im Grunde 
      Die Welt in Schlummer liegt; 
      Nun schlafen alle Schmerzen 
      In treuen Armen ein, 
      Nun lernen junge Herzen, 
      Wie süß es ist zu Zwei'n. 
       
      O komm herab, du Holde, 
      Der meine Seele brennt! 
      Schon steht im Abendgolde 
      Das nächt'ge Firmament; 
      Rosen und Lilien blühen 
      Die düftende Welt entlang, 
      Und meine Lippen sprühen 
      Von Küssen und Gesang! 
      (S. 208-209) 
      
      _____ 
       
       
      
      Drei Sonette 
       
      I. 
      Was wol die schwerste sei von allen Plagen, 
      Die Götterzorn dem Liebenden kann schicken? 
      Mit zweien Worten wag' ich's auszudrücken: 
      Auf stumme Bitte schweigendes Versagen. 
       
      Ein Nein thut weh, doch läßt es sich ertragen, 
      Wird es versüßt von mitleidsvollen Blicken; 
      Doch kalt und stumm mit Eis die Glut ersticken, 
      Das macht zuletzt das treue Herz verzagen. 
       
      Bedenk' es wohl: es flieht die rasche Stunde, 
      Nie wird, was du versäumt, dir wiederkehren, 
      Und ungestillt verblutet sich die Wunde. 
       
      Drum laß, o Herz, ein andres Wort dich lehren, 
      Es heißt – und also küss' es mir vom Munde: - 
      Auf stumme Bitte lächelndes Gewähren. 
       
       
      II. 
      Es ist die Lieb' ein Kind, nach Kinderweise 
      Lehnt sie die Wange gern an liebe Wangen, 
      Läßt gern von weichen Armen sich umfangen, 
      Spielt gern in duft'gen Locken lind und leise. 
       
      Auch liebt sie, gleich den Kindern, süße Speise; 
      Hat sie zu küssen einmal angefangen, 
      So bleibt sie fest am Purpurmunde hangen, 
      Gleich wie ein Stern sich wiegt in ew'gem Gleise. 
       
      Und doch, wiewohl ein Kind in allen Stücken, 
      Erträgt sie muthig Kummer und Beschwerden 
      Und würgt, ein Herkules, der Feinde Tücken. 
       
      Es ist kein Held, kein König ist auf Erden, 
      Der nicht, demüth'ger Sclav', sich müßte bücken 
      Vor dieses Kindes lächelnden Geberden. 
       
       
      III. 
      Und läßt du, daß die Lieb' ein Kind ist, gelten, 
      So muß sie auch als Kind sich dürfen zeigen; 
      Drum wenn sie plaudert, heiße sie nicht schweigen, 
      Und weint sie, tröste sie, so weint sie selten. 
       
      Auch sollst du nicht Verschwenderin sie schelten; 
      Holdsel'ger Leichtsinn ist der Kindheit eigen, 
      Sie liebt, sich zu den Sternen zu versteigen, 
      Und spielt, als wären Kiesel es, mit Welten. 
       
      Doch ist auch nichts, was Lieb' nicht kann entbehren, 
      Freiwillig, die Geliebte zu beglücken 
      Und ihres Herzens Wunsch ihr zu gewähren; 
       
      Sie läßt die Rose, ohne sie zu pflücken, 
      Den Becher läßt sie, ohne ihn zu leeren, 
      Und selbst das Elend wird ihr zum Entzücken. 
      (S. 116-118) 
      
      _____ 
       
       
      
      Gesetz der Liebe 
       
      Wenn du dein Herz der Liebe willst ergeben, 
      So acht' auf Eins: daß es sich völlig giebt 
      Und ungetheilt; es lebt nur, wer da liebt, 
      Drum klingt so ähnlich lieben auch und leben. 
       
      Drum wenn du liebst, so habe nichts daneben, 
      Woran dein Herz noch hängt; die Welt zerstiebt 
      Der Seele, die sich innigst weiß geliebt, 
      Und welche selbst in Liebe will verschweben. 
       
      Wer aber unter des Geliebten Küssen 
      Noch ängstlich seitwärts nach den Leuten schielt, 
      Was sie wol meinen, denken, sagen müssen, 
       
      Der ist, wie fromm er sich auch sonst verhielt, 
      Rebell zuwider göttlichen Beschlüssen, 
      Und eitel Täuschung ist, was er erzielt. 
      (S. 114) 
      
      _____ 
       
       
      
      Atlantis 
       
      Wer sie zu finden wüßte, 
      Glückseligster Pilot, 
      Die wundervolle Küste, 
      Wo uns kein Schmerz mehr droht! 
      Wo nimmer Mund vom Munde, 
      Vom Herzen Herz sich reißt, 
      Wo keine letzte Stunde 
      Uns bittern Abschied heißt! 
       
      Wo nicht das Flügelrauschen 
      Der Zeit uns mehr erschreckt, 
      Kein Spähen mehr, keine Lauschen 
      In unserm Glück uns neckt; 
      Wo wie in Meeresgrunde, 
      Versteckt von tiefster Flut, 
      Unendlich ew'ge Stunde 
      Mein Herz an deinem ruht! 
       
      Es ist kein falsch Gelüste, 
      In eitlem Hirn erdacht, 
      Die wundervolle Küste, 
      Sie ist kein Traum der Nacht; 
      In deinem Aug' und Mienen, 
      Da fand ich ihre Spur, 
      Da ist sie mir erschienen, 
      Die Paradiesesflur! 
       
      Herz, breite deine Schwingen! 
      Es gilt ein köstlich Gut, 
      Zu kämpfen und zu ringen, 
      Wohlauf und habe Muth! 
      Gieb dich getrost den Winden, 
      Nicht scheue Sturm und Riff, 
      Du wirst dein Eden finden; 
      Führt Liebe doch dein Schiff! 
      (S. 90-91) 
      
      _____ 
       
       
      
      Offenbarung der Liebe 
       
      I. 
      Wie auch das spröde Herz mag widerstreben, 
      Und wie er vor sich selber sich verstelle, 
      Es kann der Mensch nicht ohne Liebe leben. 
       
      Die Liebe ist die große Lebensquelle, 
      Daraus des Daseins ew'ge Ströme fließen, 
      Endlos, unstillbar, wie des Meeres Welle. 
       
      Sie läßt die Blumen auf dem Felde sprießen, 
      Die Lerchen lehrt sie und die Nachtigallen, 
      Daß sie in Wohllaut jubelnd sich ergießen. 
       
      In todten Steinen, fühllosen Metallen 
      Läßt sie verborg'ne Lebensfülle wogen 
      Und blüht empor in leuchtenden Krystallen. 
       
      Ja droben selbst am blauen Himmelsbogen, 
      Die ew'gen Sterne selbst, die milden, guten, 
      Sie fühlen wie von Liebe sich gezogen. 
       
      Es brennt der bleiche Mond in keuschen Gluten, 
      Er spiegelt sich im Meer und zwingt die Wellen, 
      In Liebesdrang zu ebben und zu fluten. – 
       
      Strömt Liebe so aus hunderttausend Quellen, 
      Wie willst denn du, o Mensch, von allen Wesen 
      Nur außerhalb dich ihres Zaubers stellen? 
       
      O du, von Gott zum Ebenbild erlesen 
      Und doch gesetzt in dieses Thal der Leiden, 
      Wie willst du ohne Liebe je genesen? 
       
      Du kannst mit Erz die starre Brust umkleiden 
      Und kannst dein Selbst in schnöde Fesseln schlagen, 
      Doch kannst du nie von Liebe ganz dich scheiden. 
       
      Wie lang' es währt, einst muß der Morgen tagen, 
      Wo dich erfaßt ein schmerzlich süßes Sehnen 
      Nach einem Ohr, dem du kannst alles klagen, 
       
      Nach einer Brust, dich schweigend dran zu lehnen, 
      Nach weichen Armen, die dich mild umfassen, 
      Nach einem Aug', das weint in deine Thränen! 
       
      Und bist du dann von aller Welt verlassen, 
      Indessen rings im Schatten grüner Buchen 
      Verliebte Paare zärtlich sich umfassen: 
       
      Dann wirst du einst, gieb Acht, dir selber fluchen 
      Und wirst bei Blumen, Vögeln, Katzen, Hunden, 
      Armsel'ger Thor, nach jener Liebe suchen, 
      Die nie ein Menschenherz bei dir gefunden! 
       
       
      II. 
      Vernehmt die köstlichste von allen Lehren, 
      Die je sich offenbart hat ird'schen Sinnen, 
      Und neiget euch, sie dankbar zu verehren! 
       
      Willst du, o Mensch, dich selber recht gewinnen, 
      Mußt du dich erst in Liebe ganz verlieren; 
      Es liegt der Weisheit tiefster Kern darinnen. 
       
      Drum will dein Herz sich selber recht regieren, 
      So mußt der Liebe du die Zügel geben; 
      Mit milden Händen leitet sie die Ihren. 
       
      Stets klebt der Erde Staub an ird'schem Streben, 
      Doch hast du dich in Liebe rein gebadet, 
      Wird leicht und frei der Fittig sich erheben. 
       
      Drum preise sich jedweder hoch begnadet, 
      Der aus der Liebe heil'gem Born darf trinken; 
      Es giebt für ihn kein Gift mehr, das ihm schadet. 
       
      In reinerm Glanz sieht er die Sterne blinken; 
      In öder Nacht, durch Finsterniß und Grauen, 
      Hört er es leis wie Geisterstimme winken. 
       
      Es hat Natur in liebendem Vertrauen 
      Vor seinem Blick der Schleier sich entkleidet, 
      Er darf sie frei in nackter Schönheit schauen. 
       
      Und was kein Witz des Forschers unterscheidet, 
      Der Weltenuhr tiefinnerstes Getriebe, 
      Er kennt es, ungesucht und unbeneidet. 
       
      Denn dieses ist die Wunderkraft der Liebe, 
      Daß sie dem Geist verleihet neue Schwingen 
      Und weckt im Herzen ungeahnte Triebe. 
       
      Drum alles Große, das die Dichter singen, 
      Und alles Edle, das die Menschen preisen, 
      Die Liebe war's, sie lehrte es vollbringen. 
       
      Den Helden waffnet sie, sie lehrt den Weisen; 
      Wer ohne sie im Dunkeln stets geblieben, 
      Den hebt sie zu des Ruhmes lichten Kreisen. 
       
      Denn also steht's von Götterhand geschrieben: 
      Hast du nur erst dich Einem recht ergeben, 
      So lernst du bald die ganze Menschheit lieben. 
       
      Kalt ist und fremd die Welt, voll Kampf das Leben; 
      Kein Lorber wird die Schläfe je dir krönen, 
      Als den die Hand der Liebe dir gegeben. 
       
      Drum sollst du früh das starre Herz gewöhnen, 
      Den Widerstreit feindseliger Naturen 
      In ihrem keuschen Dienste zu versöhnen. 
       
      Wohl sehn wir Gott in allen Kreaturen, 
      So weit der Schöpfung linder Athem fächelt: 
      Doch findest du die reinsten seiner Spuren 
      Im Weibe, das in Lieb' und Schönheit lächelt. 
       
       
      III. 
      Von allem, was da ist und lebt auf Erden, 
      Ist nichts so fromm und heilig im Gemüthe 
      Und nichts so keusch und lieblich von Geberden: 
       
      Als wie ein Weib in seiner Schönheit Blüte, 
      Daß sich dem Manne will zu eigen geben, 
      Aus Liebe halb und halb aus milder Güte. 
       
      Denn ja, sie liebt ihn, heißer als ihr Leben, 
      Und doch ein Etwas flammt in seinen Blicken, 
      Das macht die Seele heimlich ihr erbeben. 
       
      Was will er nur? Was fehlt, ihn zu beglücken? 
      Ihr wär's genug, zu sitzen lange Jahre 
      Zur Seite ihm in schweigendem Entzücken, 
       
      Mit leisem Finger streicheln seine Haare, 
      Nach Kinderart an Wange Wange lehnen 
      Und in das Aug' ihm sehn, das sonnenklare. 
       
      Doch höher wogt sein ungeduldig Sehnen, 
      Sie fühlt den Gluthauch seines Kusses wehen 
      Und duldet ihn, halb lächelnd, halb in Thränen. – 
       
      Wem dies auf Erden einmal ist geschehen, 
      Der fühlt beglückt sich für sein ganzes Leben, 
      Weil er der Menschheit Köstlichstes gesehen: 
       
      Selbstlose Liebe, die ihr ganzes Streben, 
      Ihr ganzes Wollen richtet auf das Eine: 
      Sich dem Geliebten völlig hinzugeben. 
       
      Und solche Liebe, solche innigst eine, 
      Als sichre Zuflucht bei der Stürme Tosen, 
      Beut nur das Frauenherz, das starke, reine. 
       
      Drum streut das Schicksal Dornen in die Rosen 
      Und bleicht der Schmelz der jugendlichen Wangen, 
      Berührt vom Frost der Zeit, der mitleidlosen: 
       
      So sollst du doch, ob Jahre auch vergangen, 
      Unwandelbar in deiner Seele Grunde 
      An dem Gedächtniß dieses Tages hangen. 
       
      Vergiß es nie, daß einst an diesem Munde, 
      Dem knospenden, der ach, so früh verblühte, 
      Du dich berauscht in wonnevoller Stunde! 
       
      Dies Auge, müd' von Thränen jetzt, es sprühte 
      Von Wonnen einst, die du hast angezündet, 
      Da noch dein Herz in erstem Feuer glühte! 
       
      Und hast du dies im Geiste recht ergründet, 
      So wirst du dir auch selber müssen sagen, 
      Daß du dich ihr auf ewig hast verbündet, 
       
      Und daß in guten wie in bösen Tagen, 
      Und wie der Neid der Götter dich mag hetzen, 
      Du alles für sie dulden mußt und wagen. 
       
      Nie kann, und wär' es mit des Nabobs Schätzen, 
      Ja gäb' er selbst die Sterne ihr zu eigen, 
      Ein Mann der Frau, was sie ihm gab, ersetzen. 
       
      Ihm bleibt nur Eines, sich dankbar zu erzeigen: 
      Daß er die Liebe lerne recht erwidern, 
      Gerührten Sinns, mit andachtsvollem Schweigen, 
      Doch ist's ein Dichter, preis' er sie in Liedern. 
      (S. 33-40) 
      
      _____ 
       
       
      
      Weihnacht 
       
      Wie sonst zu frohem Weihnachtsfeste 
      Das Haus von Lichtern sich erhellt, 
      Da tönt Gesang, da jubeln Gäste, 
      Da jauchzt die sel'ge Kinderwelt; 
      Die Kinderwelt, die, gleich den Dichtern, 
      Den Himmel noch im Herzen führt 
      Und noch an Tand und bunten Lichtern 
      Ein köstliches Behagen spürt. 
       
      Heut' du und ich im dunkeln Hause, 
      Kein Dritter soll uns nahe sein – 
      Heut' du und ich in stiller Klause, 
      Von allen wir, wir ganz allein! 
      Die sonst mit mir dies Fest begangen, 
      Sie sind nicht da, sind weit von hier, 
      Dich halt' ich, meine Braut, umfangen, 
      Mein Alles dich – nichts fehlet mir. 
       
      Laß flammen denn die Weihnachtskerzen! 
      So golden flammt die Sonne kaum, 
      Als stolz und froh in unsern Herzen 
      Der Liebe goldner Weihnachtsbaum! 
      Und wie sonst Naschwerk, bunte Nüsse 
      Man von des Baumes Zweigen pflückt, 
      So haben Blicke, haben Küsse 
      Uns unsern Weihnachtsbaum geschmückt. 
       
      Nur du und ich! O laß sie glühen, 
      Die Kerzen nicht, die Herzen auch 
      Laß flammen, glühen und zersprühen, 
      Das ist der Liebe Festgebrauch! 
      Nur du und ich! In unsre Mitte 
      Nie dränge sich ein fremder Fuß, 
      Stets zwischen dir und mir der Dritte 
      Sei unsrer Liebe Genius! 
      (S. 101-102) 
      
      _____ 
       
       
      
      Lied 
       
      Wol viele tausend Vögelein 
      Wohnen und singen im grünen Hain, 
      Sie haben all' zwei Flüglein schön, 
      Zu fliegen über Land und Seen, 
      Sie haben alle süßen Mund, 
      Zu singen hell aus Herzensgrund – 
      O bitt' euch, liebe Vögelein, 
      Will keins von euch mein Bote sein? 
       
      Ich will euch senden in ein Thal 
      Mit lust'gen Quellen ohne Zahl, 
      Da blühen Blumen süß und lind 
      Und wiegen sich im Abendwind; 
      Ich will euch senden vor ein Haus, 
      Da lacht der Frühling selbst heraus – 
      O bitt' euch, liebe Vögelein, 
      Will keins von euch mein Bote sein? 
       
      Am liebsten flög' ich selber hin, 
      Und sagt' ihr, wie so treu ich bin, 
      Und klagt' ihr meine lange Pein, 
      Daß ich von ihr muß ferne sein; 
      Da läg' ich auch an ihrer Brust, 
      Und Kuß um Kuß und Liebeslust – 
      O bitt' euch, liebe Vögelein, 
      Will keines mir zwei Flügel leihn? 
      (S. 56-57) 
      
      _____ 
       
       
      
      Amor als Arzt 
       
      "Wundgeküßt" – so klagte jüngst die Liebste – 
      "Wundgeküßt von deinen Flammenküssen 
      Ist die Lippe mir, du Lieber, Böser! 
      Kommt der West, der lose, angegaukelt, 
      Will es treiben, der verliebte Schwärmer, 
      Wie er es von dir gesehn, du Wilder, 
      Muß ich zucken wie von Nadelstichen; 
      Schmerzen macht sogar das kühle Naß mir, 
      Das krystallhell ich vom Brunnen schöpfe; 
      Will ich aber sprechen, zieh' ich Mäulchen, 
      Daß die Leute, die mich ansehn, lachen; 
      Und nur daß ich dich, du Heißgeliebter, 
      Liebe, liebe über alle Maßen, 
      Dies allein kann ohne Schmerz ich sagen. 
      Heile denn, den du hast angerichtet 
      Heile du den Schaden, Lieber, Böser, 
      Heile mir die wundgeküßte Lippe!" 
       
      Ich darauf: "Was du verlangst, ist billig, 
      Heilen muß ich dir die wunde Lippe, 
      Und der Künste, glaub' mir, bin ich Meister. 
      Doch nicht helfen Balsam hier und Salben, 
      Noch was weise Frauen künstlich doctern; 
      Helfen kann allein hier, dieses wisse, 
      Was zuerst den Schaden angerichtet. 
      Hast am heißen Herd, geschäftig waltend, 
      Wie es ziemt dem immer flinken Weibchen, 
      Du verbrannt das Fingerchen, das zarte; 
      Rasch noch einmal dem verruchten Eisen 
      Näherst du den liebe weißen Finger, 
      Klüglich mit dem Brand den Brand erstickend. 
      Gleicherweise heil' ich deine Lippe! 
      Ward sie wund von meinen Flammenküssen, 
      Flugs aufs neue, Liebste, laß uns küssen, 
      Endelos und stets von neuem wieder, 
      Und der Künste, glaub' mir, bin ich Meister. 
      Küsse laß uns tauschen, mild und schmelzend, 
      Wie die Rose duftet im Verscheiden; 
      Süßer, denn der Fleiß der kleinen Biene; 
      Länger ach und heißer, sehnsuchtvoller, 
      Als die Nacht zween Liebenden dahinschleicht, 
      Welche ferne von einander schmachten; 
      Zahllos, wie die Regentropfen fallen, 
      Wenn des Himmels Schleusen aufgezogen; - 
      Solch ein Regen, Liebste, wird erfrischen 
      Deines Mundes holde Zwillingsknospen, 
      Daß sie frischer denn zuvor erblühen – 
      Küssen laß uns, immer neue Küsse, 
      Küssen nur heilt wundegeküßte Lippen." 
       
      Sprach's – und in die Arme, schalkhaft lächelnd, 
      Sank die Liebste mir mit holdem Beben, 
      Durch des Mundes brennende Korallen 
      Sah ich hell die weißen Zähnchen leuchten; 
      Heißer, tiefer, süßen Wahnsinns trunken, 
      Wühlten in einander sich die Seelen – 
      Und mit Küssen, immer neuen Küssen 
      Heilten wir die wundgeküßte Lippe. 
      (S. 165-167) 
      
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        Gedichte aus: Robert Prutz Buch der Liebe  
      Leipzig Verlag von Ernst Keil 1869 
      
       
          
      
        Biographie: 
       
      
      http://de.wikipedia.org/wiki/Robert_Eduard_Prutz 
           
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