Ernst Rauscher (1834-1919) - Liebesgedichte



Ernst Rauscher
(1834-1919)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 

 




Erste Begrüßung

Als ich zum ersten Male
Im Garten vor ihr stand,
Da blühten alle Thale,
Da grünte alles Land.

Am blauen Himmel flogen
Die Wolken weiß und weich,
Zwei junge Schwäne zogen
Sich sonnend durch den Teich.

Es wogte in den Beeten
Ein farbig Blumenmeer,
Gewürzte Lüfte wehten,
Vom nahen Walde her.

Mein Herz hub an zu schlagen -
Denn süße Ahnung quoll
Mir auf von gold'nen Tagen,
Die ich erleben soll!
(S. 26)
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Entdeckung

Nicht will ich meine Liebe zeigen
In Worten, voller Kraft und Schwung;
Ich schweige lieber, doch dieß Schweigen
Ist innere Beseligung!

Was könnt' ich auch am Ende sagen,
Das du nicht selber lange weißt?
An Worten reich ist nur das Klagen,
Doch bettelarm die Freude meist!

Laß' in dein Auge meines senken,
Und laß' mich jeden Augenblick
Nur dieses Einzige bedenken:
Daß du mich liebst, mein süßes Glück!
(S. 27)
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Morgengang

Die Liebste ging beim frischen Hauch'
Der Morgenluft spazieren,
Mit Blumen, wie es Mädchenbrauch,
Sich Haar und Brust zu zieren.

Die Rose sprach: "Nicht hab' ich Lust,
Den Tod schon zu erwerben;
Doch muß es sein, an deiner Brust
Wär's minder hart zu sterben."

Die Nelke sprach: "Und müßt' ich je
Das junge Leben enden,
So wünscht' ich mir, daß es geschäh'
In deinen lieben Händen!"

Der Frühling sprach: "O raube nicht
Die Kinder, mein Entzücken -
Du bist so schön von Angesicht,
Was brauchst dich noch zu schmücken?"
(S. 29)
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An die Erröthende

Es möchte seiner Lieb' genießen
Dein Herz, geheim vor aller Welt;
Doch ob du noch so sehr beflissen,
Man merkt es wohl, wie schwer dir's fällt.

Als wollt' er dich gestehen heißen,
Erschreckt dich jeder fremde Blick,
Umsonst! zu heucheln und zu gleißen
Gab die Natur dir kein Geschick.

Sie duldete an einem Wesen,
Wie du, auch nicht den kleinsten Schein,
Will vom Geständnisse genesen,
Und sich um jeden Preis befrei'n.

Und ruht nicht eher, bis die Regung,
Der Aug' und Mund den Weg verschließt,
In purpurwogender Bewegung
Auf deine Wangen sich ergießt!
(S. 30)
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Unentschlossenheit

Ob ich bleibe? ob ich gehe?
Ach! wie ist die Wahl so schwer!
Traulich ist's in deiner Nähe,
Lockend blickt die Ferne her.

Sei es denn, wie ich's beschlossen,
Ehe dich mein Auge sah, -
Liebe wird im Herzen sprossen,
Ob ich ferne, ob ich nah!

Schöne Blumen, neue Lieder
Will ich bringen dir nach Haus',
Ruhe desto süßer wieder
Dann an deiner Seite aus!
(S. 31)
_____



Reisemorgen

Beginnt noch kaum zu tagen,
Die Sterne löschen aus,
Es rollt mein Reisewagen
Zum Städtchen frisch hinaus.

Zum Thor' hinaus und weiter
Hinauf die Pappelallee -
Schon glänzt im Morgengrauen
Zur Seite mir der See.

Noch Einmal hätt' ich gerne
Das liebe Schloß geseh'n! -
Doch Wald und Hügel hüllet
Der Nebel neidisch Weh'n.

Indeß noch Alles schlummert,
Ist sie gewiß erwacht,
Und hat mit leisen Händen
Das Fenster aufgemacht!

Nun blase laut und helle
Du junger Postillon,
Und fahre von dieser Stelle
Mich nur recht schnell davon!
(S. 32-33)
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Fern im Gebirge

Es kommt der Bach mit Rauschen
Gezogen durch die Nacht,
Wie lang' ich auch mag lauschen,
Kein and'rer Ton erwacht.

So zieht nur Ein Gedanke
Jetzt durch die Seele mir:
Daß mich so manche Schranke
Geschieden hält von ihr!

Und Eines wüßt' ich gerne:
Ob meiner sie gedenkt,
Und mir in diese Ferne
Ihr holdes Lieben schenkt?
(S. 34)
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Heimkehr

Wie muthest du mich wieder an,
Du Heimat, schön und traut!
Ist schöner, als ich sagen kann,
Auch viel, was ich geschaut.

Gebirg und Hügel, Wald und Stadt -
Wie Alles so beredt!
Und jeder Weg und jeder Pfad
Erinnerung-umweht!

Da drunten im Gebüsch versteckt
Das wohlbekannte Haus,
Der Baum dabei, der sehnend streckt
Die grünen Arme aus!

Dort wandelt sie im Abendlicht,
Nach der mein Herz begehrt -
Sie wandelt still und ahnet nicht,
Daß ich zurückgekehrt!
(S. 35)
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Reisebeschreibung

Ich soll von meiner Reise
Erzählen dir, mein Kind? -
Nach alter Dichterweise
Zur Sache denn geschwind!

Bei all' den blauen Seen
Hab' ich an dich gedacht,
Sah dich als Rose stehen
In öder Gletscherpracht.

Im Bachgetön des Grundes,
Im Wasserfallgesang
Vernahm ich deines Mundes
Geliebten Zauberklang.

Bei allen Blüthenauen,
Wo ich vorüberstrich,
Dacht' ich: da möcht' ich bauen
Ein Haus für dich und mich.

O wer beschreibt mit Worten
Der Städte Pracht und Zier?
Ach! schön ist's allerorten,
Doch heimisch nur bei dir!
(S. 36-37)
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Mit meinen Gedichten

Du zaudertest - dem holden Munde
War jeder Wunsch voraus gewährt,
O hättest du in jener Stunde
Doch Größeres von mir begehrt!

Ach! meinem dienstbefliss'nen Drange
Dünkt deine Bitte allzu klein,
Da längst ich selber schon verlange
Ein Wort des Herzens dir zu weih'n!

Doch schweigend mußt' ich's immer tragen,
Denn jeglich Wort erschien zu kalt,
Wo Schmeichelhaftes dir zu sagen
Sich drängt geschäftig Jung und Alt;

Wo sich so Viele flüsternd mühen,
Da ist der Dichter karg und arm,
Und mit verstummendem Erglühen
Verschwindet er im lauten Schwarm.

Umringt von tausend Huldigungen
Durchwandelst Garten du und Haus,
Und streuest heiter, ungezwungen
Die Blumen zarter Anmuth aus;

Es gehe Jeder, trüb im Herzen,
Zu dir, denn wer vermöchte nicht
Des Lebens Ernst hinwegzuscherzen,
Schaut er dein lächelnd Angesicht!

Es schwebt - ein blondgelockter Knabe -
Der Freude Genius vor dir hin,
Und weckt mit seinem Zauberstabe
Zur Lebenslust den stumpfsten Sinn;

Zu schützen dich vor jedem Leide
Folgt dir der Grazien Schwesterchor,
Doch schelmisch hinter deinem Kleide
Lauscht schon der kleine Gott hervor.

Wie freundlich hat an jenem Abend
Dein sinnig Auge mir geblaut -
Als wir am Fenster uns erlabend
Vom Schloß in's Thal hinabgeschaut!

Wie leuchtete im Rosenglanze
Dein Antlitz, als ersehnet lang,
Dich rufend zu dem Lieblingstanze,
Der erste Ton den Saal durchklang!

Im Geiste hör' ich noch erklingen
Der Töne Melodieenflug,
Als dich auf seinen Phönixschwingen
Der Walzer leicht von hinnen trug;

So lieblich ist der Elfen Schweben
In lauer Nacht um Busch und Baum,
Wenn sie für gute Menschen weben
Aus Mondesstrahlen einen Traum!

Genug! - auch dieses Lied muß enden,
Es endet Lust und Spiel und Tanz,
Nur wen'ge Blumen wollt' ich spenden,
Und sieh! es ward ein voller Kranz!

So nimm ihn denn zum Abschiedgruße,
Von dem, der bald von dannen eilt,
Und zürne nicht, daß meine Muse
Vielleicht zu lange schon verweilt!
(S. 38-40)
_____



Herbst und Winter

Widmung
Wohl weiß ich, daß auf meine Lieder
Die liedersatte Welt nicht lauscht -
Herbstblätter sind 's, wie hin und wieder
Sie kommen vom Gezweig gerauscht;
Gleichgiltig sehen sie zu Füßen,
So Viele auch vorübergeh'n -
Sie können nimmermehr ihr Grüßen,
Das stille, heimliche, versteh'n!

Doch du, in deren Brust die Blüthe
Der Dichtkunst tiefe Wurzel schlug,
Dir wird so eigen im Gemüthe,
Der leise Wink ist dir genug;
Du wirst nicht kalt vorüberschreiten,
Denn ach! der Fall der Blätter mahnt
Lebendig dich an blüh'nde Zeiten,
Die Niemand außer uns geahnt!
(S. 45)


I.
Herbstabend! Durch den Garten
Wandelt mein Liebchen traut,
Am Felde schreit eine Krähe,
Das ist der einzige Laut.

Es weht von den hohen Bäumen
Manch' gelbes und rothes Blatt,
Es flattert still durch die Lüfte
Und fällt zur Erde matt.

Von Berg und Hügel hangen
Die Nebel tief herein
In's Thal, das stumm verdämmert
Im fahlen Abendschein.

Es scheint Natur zu zweifeln,
Was sie beginnen soll -
Wie lieb' ich diese Tage,
So ernst und schwermuthvoll!

Mein Liebchen wandelt einsam,
Das Köpfchen zu Boden gesenkt.
Es rascheln die dürren Blätter -
Ich weiß, woran sie denkt!
(S. 46-47)


II.
Wie konnt' ich dich so schnell verlassen
Und wieder in die Fremde geh'n!
Ich kann's nicht denken, kann's nicht fassen,
Nun aber ist mir Recht gescheh'n.

Ach! All', nach dem mein Herz begehrlich,
Ich hab' es endlich mein genannt!
Um Freuden ließ ich's, die entbehrlich
Und nichtig längst ich schon erkannt!

Nun geh' ich traurig durch die Gassen
Der alten, grauen Königsstadt -
Ein blöder Thor, der sinnverlassen
Sein eigen Herz bestohlen hat!
(S. 48)


III.
Was soll mir all' das Treiben?
Was soll mir all' die Welt?
Kein Einziger darf bleiben,
Wo's ihm gefällt.

Und Mancher, dem beschieden
Das schönste Glück zumal
Hat Alles schon gemieden
Aus eig'ner Wahl!

Dann muß er durch's Gewimmel,
Wie durch die Wüste, geh'n.
Das Herz sucht seinen Himmel,
- Es ist gescheh'n!

So wird es ewig bleiben:
Der wird gequält, der quält
Sich selbst. Was soll das Treiben,
Was soll die Welt?
(S. 49)


IV.
Das sind die Novembertage,
Die häßlichen, die grau'n!
Luft, Himmel, Häuser, Menschen
Sind gräulich anzuschau'n.

Mir macht es wenig Kummer,
Wie 's draußen stehen mag,
Da eine Welt voll Schimmer
Ich tief im Herzen trag'.

Da leuchtet deine Liebe,
Wie warmer Sonnenstrahl,
Da klingen meine Lieder,
Wie Bäche durch das Thal.

Da wächst die Purpurblume
Der Sehnsucht hoch empor -
Da singt vom Wiedersehen
Der Nachtigallenchor.

Und wenn mit seinem Dunkel
Herein der Abend bricht,
So läßt Erinn'rung glänzen
Ihr sanftes Mondenlicht!
(S. 50-51)


V.
Und eines Tages wieder
An deiner Seite ich stand -
Da stieg vom Berge nieder
Der Herbst schon in das Land.

Als Eine graue Wolke
Wies sich der Himmel dar,
Vom bunten Blumenvolke
Blieb nur 'ne kleine Schaar.

In Busch und Baum erwachte
Auf kahler Lagerstatt
Ein kühler Wind, und brachte
Zu Fall manch' welkes Blatt.

Mein Herz war voller Sorgen,
Ich dachte mit Verdruß,
Daß ich am nächsten Morgen
Dich schon verlassen muß!
(S. 52)


VI.
Es war mit Welt und Leben
Mein Herze lang entzweit,
Nun hat es aufgegeben
Den unnütz-bittern Streit.

Hat frei vom tollen Wahne
Die Waffen nun gestreckt,
Die weiße Friedensfahne
Der Liebe ausgesteckt!
(S. 53)


VII.
Gedenkst du noch des Festes,
Das man im Schlosse gab?
Wir lehnten still im Fenster
Und schauten lang hinab.

Nacht war 's - es zog ein Wetter
Den Wald herauf, und jäh
Erhellten stumme Blitze
Von Zeit zu Zeit den See.

Bis hinter'm Berge mälig
Der volle Mond sich hob -
Und Alles in der Runde
Mit Friedensglanz umwob.

Da schwand des Donners Grollen
Vor seinem Liebesblick',
Und langsam zog das Wetter
Sich hinter den Wald zurück.

Bald war kein einzig Wölkchen
Am Himmel mehr zu seh'n.
Ich dachte: Gleich dem Monde ...
Du wirst mich schon versteh'n!
(S. 54-55)


VIII.
Kaum ist noch ganz verklungen
Des Liedes letzter Ton,
Ist in der Brust entsprungen
Mir auch ein neues schon.

Von jener Zeit, da Blumen
Mir jede Stunde trug,
Wann könnt' ich je verstummen?
Wann säng' ich je genug? -
(S. 56)


IX.
Du hast vielschöner Gaben
Bezaubernden Verein -
Was reizen kann und laben,
In Fülle ist es dein!

In deinen Augen wohnet
Der Lieb' Beredsamkeit,
Auf deiner Stirne thronet
Der Seele Offenheit.

Das Roth auf deinen Wangen
Hat Ebbe bald, bald Fluth,
Und zärtliches Verlangen
Auf deinen Lippen ruht.

An sinnigen Gedanken
Ist nicht dein Köpfchen arm,
In deinem Herzen schwanken
Gefühle, weich und warm.

Mit inn'gem Wohlgefallen
Bedenk' ich, daß du mein,
Und iwrd bei diesem Allen
Doch auch die Treue sein!
(S. 57-58)


X.
Und wollt' dich ein Maler malen,
Er endigte nie das Bild,
Es würden die Farben strahlen
Ihm ewig wenig mild!

Und wollt' eine Hand dich schmücken,
Sie endigte nie den Kranz,
So viel sie thät' Blumen pflücken -
Ihr däuchte zu schwach der Glanz!

Und wollt' dich ein Sänger preisen,
Er endigte nie den Sang,
Versucht' er auch hundert Weisen,
Ihm klänge zu matt der Klang!
(S. 59)


XI.
So lang ich Athem habe,
Stimm' ich die Klage an:
Daß nie vom Wanderstabe
Die Zeit sich trennen kann!

Ach! uns'rer Sehnsucht Glühen
Hält nimmer ihren Lauf,
Hält nimmer das Verblühen
Nur Einer Blume auf!

Und zwischen Lust und Trauer
Schwankt unser Sein, zerstückt;
Das Hochgefühl der Dauer
Hat noch kein Herz beglückt!

Es lösen sich Entsagen,
Besitzen ewig ab -
Und dieses muß ich klagen,
So lang' ich Athem hab'!
(S. 60)


XII.
So Viel' bei Tische saßen
Es ist doch wundersam,
Daß ich an deine Seite
Zu sitzen immer kam!

Und gingen wir spazieren
Durch Garten, Feld und Wald,
So sahen sie mich wandeln
An deiner Seite alsbald!

Und wurde auf der Wiese
Manch' kindlich Spiel gespielt,
So wollt' es stets sich fügen,
Daß deine Hand ich hielt!

War jeden Tag gekommen
Zusammen fast mit dir,
Hatt' immer was zu sagen,
Ward nimmer fertig schier!

Nur Eines blieb verschwiegen,
Das Wort: ich liebe dich!
Was sollt' es auch im Grunde?
Von selbst verstand es sich!
(S. 61-62)


XIII.
Es spiegelt in der Welle
Sich treuer nicht der Mond,
Als mir im Herzen helle
Dein holdes Bildniß wohnt.

Ich seh' dich vor mir schweben
Mit deinem Lächeln mild -
Fehlt leider nur das Leben
Dem schönen Spiegelbild!
(S. 63)


XIV.
Mein Herz begeht die schönste Feier
In dämmerstiller Einsamkeit,
Da heb' ich sanft den leichten Schleier
Vom Marmorbild' entschwund'ner Zeit.

Betracht' es lange mit Erglühen,
Bis, tief von meinem Hauch durchbebt,
Die weißen Wangen rosig blühen,
Der starre Busen weich sich hebt.

Und wenn es endlich, gluthbezwungen,
Des Todes spröder Haft entfloh'n -
So halt' ich innig es umschlungen,
Ein seliger Pygmalion!
(S. 64)


XV.
Die Tage sind trüb, doch helle
Sind meine Träume all',
Erst heute sah ich wieder
Das allerschönste Thal.

Da schwebte in Sommerkleidern
Die blühende Mädchenschaar,
Mit blauen und schwarzen Augen,
Mit blondem und dunklem Haar.

Auf grünem Rasen tanzten
Die Einen im Abendschein,
Die Andern sangen im Schatten
Mit Stimmen, wie Glocken rein.

Zu Zweien gingen Manche
Dahin - im duft'gen Tann,
Vertrauten sich flüsternd sicher
Vielsüße Geheimnisse an.

Und Ein'ge fuhren scherzend
Auf einem kleinen See -
Es schwankte der Kahn, sie blieben
Hübsch in des Ufers Näh'.

Am Hügel saß Eine schweigend
Und blickte unverwandt
Hinüber zu blauen Bergen -
Ich hab' sie gleich erkannt!
(S. 65-66)


XVI.
Nun ich dir voll Vertrauen
Mein ganzes Herz erschloß -
Laß' mich auch deines schauen
Ganz frei und schleierlos.

Schon ahn' ich durch die Hülle,
Wie in getreuer Huth
Die schönste Liebesfülle
Dort unerschöpflich ruht!
(S. 67)


XVII.
So viel ich Lieder singe,
Mein Herz wird nimmer leer,
Nur Tropfen sind's, geringe,
Aus meiner Liebe Meer.

Und ob ich dich vergleiche
Mit Rose und Nachtigall
Nur Schatten sind sie, bleiche,
Die schönen Worte all!

Und fange dennoch immer
Das Spiel auf's Neue an,
Dieweil ich nun und nimmer
Von dir verstummen kann!
(S. 68)


XVIII.
Ich schau' hinaus, es glänzt in Pracht
Der Mond mit kaltem Schimmer,
Mein liebes Mädchen, gute Nacht!
Schlaf' wohl im trauten Zimmer!

Denk' Einmal noch der schönen Zeit
Des Sommers, meine Süße!
Und seiner auch, der ach! so weit
Dir sendet tausend Grüße!

Dann schließ' getrost die Augen dein,
Die lieblichen, die großen,
Und träume von gold'nem Sonnenschein
Und träume von rothen Rosen!
(S. 69)


XIX.
Es fallen die ersten Flocken -
O wären 's die letzten schon!
O weckten mich schon die Glocken
Des Frühlings mit hellem Ton!

O dürft' ich unter den Bäumen
Im duftenden Waldrevier
Schon wieder wandeln und träumen,
Und plaudern, mein Kind, mit dir!

Dem mürrisch neidischen Alten,
Ich bin ihm vom Herzen gram,
Der mit seinen Händen, den kalten,
So täppisch dazwischen kam.

Wohl kann er die Bäume entlauben;
Doch, wie er sich auch bemüht,
Er kann uns den Lenz nicht rauben,
Der fort uns im Herzen blüht!
(S. 70)


XX.
Es wird der Schnee verwehen
Die Plätze, lieb und traut,
Die uns're frohen Spiele
So manches Mal geschaut.

Das Schlößchen steht verlassen,
Die Zimmer stehen leer,
Im großen Saale klingen
Musik und Tanz nicht mehr.

Das Fenster ist geschlossen,
Das nach den Bergen geht,
Woraus nach meinem Kommen
Du oft herabgespäht.

Und unter jenem Baume,
Wo ich dir bot Ade,
Da wächst das erste Veilchen
Im Frühling aus dem Schnee.
(S. 71)


XXI.
Mir träumt von blauen Augen
Bei Nacht und Tag -
Mir will nicht fruchten und taugen,
Was thun ich mag!

Der Feste Schaugepränge
Ist mir verhaßt,
Das gaffende Gedränge
Des Volks zur Last.

Mich läßt der Lärm, das Schmettern
Der Oper kalt,
Indeß auf morschen Brettern
Die Muse wallt.

Vom Schwarme der Concerte
Da bleib' ich weit,
Mich eckelt der gelehrte
Prinzipienstreit.

Unangetastet bleiben
Die Bücher im Schrank' -
Und schreib' ich, kann ich schreiben
Mir nichts zu Dank!

Mir will nicht fruchten und taugen,
Was thun ich mag,
Mir träumt von blauen Augen
Bei Nacht und Tag!
(S. 72-73)


XXII.
Wie Wandervögel kreisen
Die Lieder mir im Sinn,
Und rüsten sich zu reisen,
Sie wissen schon, wohin.

Sie breiten die weißen Flügel
Und fliegen ruhelos
Wohl über beschneite Hügel
In deinen lieben Schooß!
(S. 74)


XXIII.
Nun ziehet, liebe Gedanken,
Und ruht nicht eher aus,
Bis lauschig zwischen Bäumen
Ihr seht das liebste Haus!

Wie ist so still und dunkel
Umher der ganze Raum!
Schneeflocken taumeln leise
Zu Boden, wie im Traum.

Ein Fenster ist beleuchtet -
Dort sitzt beim Lampenschein
Die Liebliche im Zimmer
Und schaut in's Buch hinein.

Sie liest schon eine Weile,
Und weiß nicht, was sie liest,
Weil sie die erste Seite
Zu wenden ganz vergißt!

Sie denkt, wie doch so langsam
Die unliebe Zeit vergeht!
Und an so manches And're
Was nicht im Buche steht.
(S. 75-76)


XXIV.
"Laß sein dein Singen und Dichten!
- So sagt mir der und der -
Es will die Welt Geschichten,
Nicht Lieder will sie mehr!"

Was frag' ich, was ihr heute
Und was ihr morgen fehlt -
Was kümmern mich die Leute!
Was kümmert mich die Welt!

Die hat zu allen Zeiten
Nicht, was sie will, gewußt,
Die soll mir nicht bestreiten
Die frische Liederlust!

Laßt and're Sänger sagen
- Sind ihrer ja genug! -
Von tapf'rer Helden Wagen,
Von Thaten, groß und klug!

Und was der großen Dinge
Noch mehr gewesen sind.
Nicht Männer, Waffen: ich singe
Mein blaugeaugtes Kind!
(S. 77-78)


XXV.
Sie werden kommen und sagen,
Und machen ein groß' Geschrei:
"In unsern praktischen Tagen
Wozu die Schwärmerei?

Zu vortheilhafteren Sachen
Verwend' er seine Zeit,
Und muß er Verse machen -
Nur bei Gelegenheit!"

O laß' dich nicht ernüchtern
Von ihrem kalten Sinn!
O werde nicht scheu und schüchtern
Du süße Schwärmerin!
(S. 79)


XXVI.
O laß uns lieben immerfort!
Was And're sagen, o beacht' es nicht,
Die herzensarm und siech.
Es bleibt ja doch das schönste Wort,
Wenn eine Seele zu der andern spricht:
Ich liebe dich!

Der Glaube ging, die Hoffnung floh -
Es zagt die Kraft, der Ruhm ist ungewiß;
Und heiß der Sehnsucht Glut!
O bleibe, Herz, der Liebe froh,
Sie blieb uns vom verlor'nen Paradies'
Als einzig Gut!
(S. 80)


XXVII.
Dem Feuerprasseln lauschen,
Indeß es stürmt und schneit,
Rückdenkend mich berauschen
An einer schön'ren Zeit;

Von Küssen träumen, süßen,
Die ich nicht geben kann,
In stiller Brust beschließen
Manch' gold'nen Zukunftplan;

Bald hoffen, bald verzagen,
Bald schaffen und bald ruh'n -
In diesen finster'n Tagen
Was soll ich ander's thun?
(S. 81)


XXVIII.
O tritt hinaus in's Schneegefild',
Den trägen Lenz zu wecken!
Der träumt von seinem Ebenbild,
Von dir, in weißen Decken.

O sprich! auf daß die Wangen, bleich,
Der Rosen schnell sich röthen,
Antwortend ihrer Schwester gleich
Die Nachtigallen flöten.

O lächle! daß der Nebel Grau
Entfliehe aus dem Thale,
Nacheifernd deinen Augen, blau,
Der Himmel wieder strahle.

O winke! daß die Blüthenpracht
Der Welt wir neu begrüßen,
Der schlummertrunk'ne Lenz erwacht
Und sinke dir zu Füßen!
(S. 82)


XXIX.
In deinem Lob' geschäftig
Verbring' ich manche Stund' -
Doch wird nur schwaches Ahnen
Von meiner Liebe dir kund!

Denn ach! ich mag nicht sagen,
Was Viele schon gesagt,
Die zierlich, zart und blumig
Der Welt ihr Minnen geklagt!

O wäre doch von Liebe
Gesungen noch kein Ton!
Wer jetzt noch singt, der erntet
Nur eitel Spott und Hohn.

Und was ich singe, hält man
Nur eben für Gedicht, -
Und Keiner will mir's glauben,
Vielleicht du selber nicht? -
(S. 83)


XXX.
Mein Herz! lass' dir genügen,
Was dein du nennst! -
Und trink' in vollen Zügen,
Wornach du brennst.

Noch sprudelt in dir helle
Der Lieder Quell,
Darfst fürchten nicht, daß die Welle
Versiegt so schnell.

Fühlst noch das Schöne und Große
Mit frischem Muth -
Schwärmst noch für eine Rose
Mit starker Gluth!

Wie dich mit ew'gem Schimmer
Das All' umgiebt! -
Und bist, o denk' es immer,
Und bist geliebt!
(S. 84)


XXXI.
Nur Eine Stunde wieder
In deiner Näh' zu sein!
Ich ließe all' die Lieder,
Die Sehnsucht singt allein.

O glaube mir, ich wüßte
Zu nützen die Eine Stund'!
Ich schwiege gern, und küßte
Dir nur den süßen Mund.

Und später ließ' sich plaudern
Manch' liebevolles Wort,
Und ginge dann mit Zaudern
Erquickten Herzens fort. -
(S. 85)


XXXII.
Genug! genug von Liebe schon
Der Leser wird ungeduldig,
Der Kritiker spricht im Feuilleton
Sein richterliches: Schuldig!

So mag er's sprechen immerhin -
Mein Sang soll mich nicht reuen,
Vermocht' er, holde Richterin,
Dein Herz nur zu erfreuen!

Der Blätter letztes ist verweht
Schon längst von allen Bäumen,
Das rollende Jahr zu Ende geht
Mit seinen Wünschen, Träumen.

Und neue Tage dämmern an,
Mit wechselnden Geschicken,
Das hindert nicht den Wandersmann,
Manchmal zurückzublicken.

Es lockt ihn, von den letzten Höh'n
Noch Einmal das Thal zu grüßen -
Ach! Alles dünkt uns doppelt schön
Erst, wenn wir 's lassen müssen!

Genug! das ist gar schlechte Zeit
Zu Liebes- und Sängerfahrten;
Der gute Frühling ist noch weit,
Will schweigend ihn erwarten.
(S. 86-87)
_____



Die Veilchen sprechen

Wir waren froh und wohlgemuth,
Das Gärtchen auszuschmücken -
Da kam der Mensch, der nimmer ruht,
Uns seinem Dienst zu pflücken.

In enger Vase mußten wir,
Im dumpfen Zimmer stehen;
Uns war so bang, wir wollten schier
Vor Herzeleid vergehen.

Nun packt ein Liebender uns gar
Als treuer Liebe Zeichen
In ein Papier, da muß fürwahr
Das Leben uns entweichen!

Und sollen auf der langen Bahn
Zu dir wir denn verenden,
So nimm dich, Mädchen, unser an
Mit schwesterlichen Händen!

Laß' deinen Odem, süß und warm,
Uns wonniglich umschweben -
Und wir ersteh'n aus Todesharm
Zu duftigerem Leben!
(S. 91-92)
_____



Von Weitem

Was schimmert dort den Weg entlang?
Sie ist's, das blonde Kind!
Um ihre Wangen flattert bang
Der laue Frühlingswind.

Die Lerche in den Lüften singt
Nun heller, als zuvor,
Aus allen Blüthenkelchen schwingt
Sich süß'rer Hauch empor.

Das ist ein Knospen, ist ein Blüh'n,
Wo sie vorüberschwebt! -
O erste Jugend, erstes Grün,
Wie hold ihr euch verwebt!

Nun knospen Leben, Liebe, Lust
In ihrem Herzen rein -
Und all' der Lenz der jungen Brust
Ist mein, ist einzig mein!
(S. 93)
_____



Verlangen

Ihre Lippen, kußverlangend,
Gleichen Rosenblättern, zarten,
Halb geöffnet, selig bangend,
Die den gold'nen Thau erwarten.

Komm' o Liebesmorgenstunde,
Der Erfüllung Gold im Munde!
Daß ich diesen Kelch mit Küssen
Fülle bis zum Überfließen.
(S. 94)
_____



Wiedersehen im Vorüberfahren

Nach langer Zeit als erster Gruß
Ein flüchtig nur erhaschter Blick!
Und doch! o welch' ein Überfluß
Lag nicht darin an Wonn' und Glück!

Der Liebe ganzes großes Gut,
In Tagen der Entbehrungsqual
Gespart, verschwendete die Glut
Von einem einz'gen Augenstrahl.

Erzählend von der Sehnsucht Pein,
Der langen Trennung bitt're Mähr',
Vom Deingedenken, still und rein,
Von froher, treuer Wiederkehr!

O käm' die Stunde bald genaht,
Wo dir die Lippe wiederholt,
Was schon der Blick verkündet hat,
Als du an mir vorbeigerollt!
(S. 95)
_____



Vielleicht doch!

Die Sonne ist hinunter,
Es feuchtet sich der Klee,
Die Wolke färbt sich bunter,
Und golden glänzt der See.

Will nach der Gegend gehen,
Wo die Geliebte wohnt,
Vielleicht, daß doch mein Spähen
Sich heute noch belohnt!

Die Luft, wie lau und labend!
Wie hell des Mondes Schein!
Es ladet sie der Abend
Gewiß zu schwärmen ein.

Ein Zug von grünen Sternchen
Fliegt lustig mir voran:
Leuchtkäferchen, Laternchen
Auf dunkler Waldesbahn.

Aus mancher Hütte schimmert
Ein schwaches Lichtlein traut,
Ihr bösen Hunde, wimmert
Und heulet nicht so laut!

Nun bin ich schon zur Stelle -
Mein pochend Herz, nur Muth!
O Mond! sei nicht so helle,
Du meinst es gar zu gut.

Im Schatten dieser Linde,
Hier halt' ich mich versteckt,
O hätte doch geschwinde
Mein Auge sie entdeckt!

So stille! Nur vom Grunde
Tönt ländlicher Gesang,
Die Schloßuhr in der Runde
Giebt feierlichen Klang.

Es ist schon spät - die Liebe
Liegt wohl im Schlummer schon!
Ich schleiche gleich dem Diebe
Still, wie ich kam, davon.

Und habe ja entwendet
Den reichsten Schatz! O nein!
Sie hat mir selbst gespendet
Ihr Herze, schön und rein!
(S. 96-98)
_____



Im Mondenschein

Erhebe nur dein Angesicht,
Laß' mich dein Auge schauen,
Entziehe deine Lippe nicht
Dem Kuß', du darfst dem Mondenlicht,
Dem schweigenden, vertrauen!

Wie, nickend in den Weg herein,
Die gold'nen Aehren grüßen!
O laß' uns wandeln querfeldein,
Und wandelnd mich dein Händchen klein
Zu tausend Malen küssen!

Nur deiner Stimme Silberlaut
Ertönet in der Runde,
Die selig in dem Glanz' zerthaut,
Der dämmernd von den Bergen schaut
Auf diese Götterstunde.

O Balsamhauch der Sommernacht!
O Lispeln in den Bäumen!
Der Liebe Geister, haltet Wacht,
Daß keine unhold fremde Macht
Zerstöre süßes Träumen!

Doch, horch! die Uhr vom Schlosse ruft
Dich fort, geliebtes Leben!
Schlaf wohl! o dürft' ich wie der Duft
Der Lindenblüthe in der Luft
Um deinen Schlummer schweben!
(S. 99-100)
_____



Waldgeheimniß

O zaubervolle Helle
Der Waldeseinsamkeit!
Für immer ist die Stelle
Der Liebe nun geweiht.

Allüberall ist Schweigen,
Allüberall ist Ruh',
Die dunklen Fichten neigen
Sich flüsternd einander zu.

Neugierig zögert ferne
Der Mond auf seiner Bahn,
Und blinzelnd strengen die Sterne
Die hellen Aeuglein an.

O Bäume, Mond und Sterne!
Wenn ihr 's erlauschen könn't,
So lauscht nur, da ihr gerne
Ein Glück dem Menschen gönnt.

Doch nimmer soll es wissen
Die neiderfüllte Welt,
Was hier ein Mund mit Küssen
Mir Glücklichem erzählt!
(S. 101-102)
_____




Glück im Fragen

Und weiß ich 's ohne Frage auch,
Ich frage doch, ob du mich liebst,
Ach! gar zu lieblich klingt der Hauch
Der Antwort, die du immer giebst!

Ich möchte fragen fort und fort,
Ich möchte fragen ewiglich,
Wann hört' ich je genug das Wort,
Das himmlische: Ich liebe dich!

Das ist die köstlichste Musik,
Die zauberisch mein Herz umflicht!
D'rum frag' ich alle Augenblick',
Ich frage, doch ich zweifle nicht!

Ich frage nur, wie Einer frägt,
Der Einem Ton' am liebsten lauscht,
Und stets die gleiche Saite schlägt,
Weil ihn ihr gold'ner Klang berauscht.
(S. 103)
_____



Beim Gewitter

Wie traulich weilt es sich allhier
Im stillen Kämmerlein!
Wo könnt' ich besser, als bei dir
Mein Lieb', geborgen sein?

Der wolkenbange Himmel grollt,
Im Thale dämmert's schon,
Und näher, immer näher rollt
Des Donners dumpfer Ton.

Ein Blitz erhellt von Zeit zu Zeit
Dein holdes Angesicht,
Aus dem die reinste Seligkeit
In tausend Strahlen bricht.

Laß' wüthen draußen Sturm und Wind,
Wir sind in sich'rer Huth,
Wir lieben uns; trotz Sturm und Wind
Ist uns gar wohl zu Muth!

Und wie es mächtig Hand zu Hand,
Und Lipp' an Lippe drängt,
So fühlen wir, daß uns ein Band,
Ein ewiges, umfängt.

Und schauen, da in Finsterniß
Und Nacht die Welt versinkt,
Der Zukunft rosig Paradies,
Das uns entgegenwinkt!
(S. 104-105)
_____



In ihr Tagebuch

Wie viele Stürme hast du schon ertragen,
Du junges, reiches Herz!
Und hast in Trauer, Leid und Schmerz
Dem Edlen und dem Rechten nur geschlagen!

Zu Ende sind der Prüfung schwere Stunden,
Wohl dir, daß du vertraut!
Ich hab' entzückt dein Inneres erschaut,
Und ewig, ewig bleib' ich dir verbunden.

Nun soll in Freude hin dein Leben fließen,
- So will es dein Geschick -
Im Glückesglanze leuchte nur dein Blick
Und keine Thräne sollst du mehr vergießen!
(S. 106)
_____



Was du mir bist

Wie herrlich mir, durch dich geschmückt,
Ein neues Leben lacht!
Ich bin geliebt, ich bin beglückt,
Wie nimmer ich's gedacht;
Mein Herz, berauscht vom Freudenglanz',
Der deinen Blick umfließt,
Ist so beseligt, daß es ganz
Sein eigen Glück vergißt!

O glaube nicht, ich sei verstimmt,
Wenn Schweigen mich erfaßt!
Gib mir das Wort, das von mir nimmt
Zu große Glückeslast, -
Das Wort, nach dem mein Dichten all'
Ein fruchtlos Suchen ist,
Das alles sagt mit Einem Schall,
Was du, nur du mir bist!

Du bist die Sonn', vor der sogleich
Des Ruhmes Stern erbleicht,
Du bist der Quell, erquickungsreich,
Den wandernd ich erreicht,
Du bist das Licht am Küstenthurm,
Nach dem ich längst begehrt,
Nach dem mein Schiff, aus Drang und Sturm
Die Segel sehnend kehrt!

Du bist die Blume, die ich oft
Gesucht, von Land zu Land,
Die Perle, die ich unverhofft
Am Strande liegend fand;
Bist meines Lebens Schmuck und Zier,
Mein Hoffen, Stolz und Muth,
Ach! Alles, alles bist du mir,
Was schön und hold und gut!

Du bist mein einziger Gesang,
Mein erster, letzter Laut,
Du bist, o vielgeliebter Klang!
Mir treue Herzensbraut;
Du bist der Tag, der morgenroth
Mein schlummernd' Aug' berührt,
Die Schwesterseele, die ein Gott
Der meinen zugeführt!
(S. 107-108)
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Im Walde

O Wonnestunde, nur mit dir
Im kühlen Wald zu sein!
Mir ist zu Muth, als wären wir
Auf dieser Welt allein.

Die Mücke schwirrt, der Käfer summt
Im dunklen Moose nur,
Denn nirgend ganz und gar verstummt
Das Leben der Natur.

Und alles, was da tönt und singt,
Wird Himmelsmelodie,
Die wunderbar zusammenklingt
Zu Einer Harmonie.

Du sprichst so hold, das Wasser rauscht
Dazwischen her von fern,
Du blickst und sprichst so hold! Wie lauscht
Dir meine Seele gern!

Denn jedes Wort und jeder Blick
Aus deinem treuen Sinn
Erhöht das namenlose Glück,
Von dem ich trunken bin.
(S. 109-110)
_____



Gebeth

Du güt'ge Macht! du ließest nimmermehr
Uns diese Seligkeit gedeih'n,
Wenn 's nicht dein stillbeschloss'ner Wille wär',
Ihr lange Dauer zu verleih'n!

Blick' nicht auf mich, der erst verdienen soll
Das schöne Loos, das ihm bescheert,
Auf ihre Seele blicke liebevoll,
Die längst des reichsten Glückes werth!

Blick' nicht auf mich! O blicke einzig nur
Auf der Geliebten reines Herz,
Und banne d'raus jedwede leise Spur
Von Zweifel, Kummer, Angst und Schmerz.

Ja, diesem Herzen will ich ewiglich
Mein Leben, meine Liebe weih'n!
Laß' dieses süße Werk vollenden mich,
Und laß' uns Beide glücklich sein!
(S. 111)
_____



Wasserfahrt

Tiefschlummernd nun im Vollmondschein
Des Teiches Wasser ruht,
Ringsum verneigen sich herein
Die Bäume auf die Fluth.

Du aber lenkest anmuthvoll,
Geschickt den kleinen Kahn,
So holder Schiff'rin traute wohl
Noch nie ein Mensch sich an!

Ich höre dich, ich sehe dich,
Genug! ich bin bei dir!
Und Herz und Herz verstehen sich,
Was sollen Worte hier?

Verwundert schau'n vom Himmelszelt
Der Mond, die Sterne d'rein,
Daß so beglückt auf dieser Welt
Zwei Menschen können sein!
(S. 112)
_____



Genuß der Gegenwart

Einst strebt' ich in der Zukunft Ferne
Mit ungeduldiger Begier,
Doch nun verweile ich so gerne
Du gold'ne Gegenwart, bei dir!
Im ganzen, weiten Reich der Träume
Ist kein so schönes Glück verhüllt,
Wie 's nun im Schatten dieser Bäume
Lebendig, wirklich mich erfüllt.

Was in Gedichten und Romanen
Mir sehnsuchtreizend vorgeschwebt,
Und mich durchbebt mit süßem Ahnen,
Ich hab's erfahren, hab's erlebt.
Zu jeder Stunde möcht' ich sagen:
Du bist so traut, verweile noch!
Um jede Stunde möcht' ich klagen,
Entflieht sie trotz der Bitte doch!

Denn nun umglänzt mich hell und heller
Der Liebe voller Sonnenschein,
Es schlägt mein Herze schnell und schneller:
Das beste, reichste Herz ist mein!
Ein unerschöpflich tiefer Bronnen -
Und jeder neue Morgen weckt
Mich auf zu neuer Schätze Wonnen,
Die meine Seele d'rin entdeckt!
(S. 113-114)
_____



Immer mehr!

Daß meine Liebe wachsen mag,
Es fiel mir oft zu glauben schwer;
Doch sagt mir 's jeder neue Tag:
Ich liebe mehr und immer mehr!

Und immer mehr entzück'st du mich!
Und immer mehr nenn' ich dich mein!
Und immer wärmer schließ' ich dich
In meine tiefste Seele ein!

Das ist der echten Liebe Zug,
Daß es in ihr nicht Stillstand giebt!
O sag'! wann liebt' ich je genug!
Wann wär' ich je genug geliebt!
(S. 115)
_____



Liebesstärke

Wie stark ich liebe, dir zu sagen,
Reicht nimmer eine Stunde hin,
Du fühlst es erst in spätern Tagen,
Wie ganz ich dir ergeben bin!

Ach! meinem glühenden Empfinden
Hat noch kein Ausdruck sich geschmiegt:
Ein neues Wort möcht' ich erfinden,
Worin die ganze Seele liegt!

Und fänd' ich es, und könnt' es geben,
Was keines noch gekündet hat,
Ein Schall, ein Hauch doch wär' es eben,
Und lieben möcht' ich durch die That!

Wenn Jahre sind dahin geschwunden,
Erkennest erst mein Lieben du!
Denn solche Liebe zu bekunden,
Ein ganzes Leben braucht 's dazu!
(S. 116)
_____



An ihre Augen

Wie strahlt dein Auge wunderbar
Im blauen Himmelsglanz!
So sternenhell, so unschuldklar,
So treue Liebe ganz!

So wie gebannt den Fischer hält
Die Fluth, und niederwinkt,
So fesselt mich die inn're Welt,
Die d'raus entgegenwinkt.

Und wie 's dem Fischer in der Fluth
- Nach jenem Lied - gescheh'n,
So möcht' in deines Auges Gluth
Die Seele untergeh'n!
(S. 117)
_____



Einziger Gedanke

O Hochgefühl! das mich belebt,
Und gleich der Luft, die mich umgiebt,
Mich ohne Unterlaß umschwebt:
Ich liebe und ich bin geliebt!

Ich denk' es jeden Augenblick,
Ob nahe, ob entfernt von ihr;
 Ein frevler Raub an meinem Glück
Scheint jedes and're Denken mir.

Wie jeden Tag am Himmel steht
Die Sonn', ob öfters auch verhüllt;
So meine Lieb', die unerspäht
Von fremdem Blick', mich doch erfüllt!

Ob auch der vielgeschwätz'ge Schwarm
Der Leute lästig uns umgiebt;
Ich zeig' es nicht, doch fühl' ich warm:
Ich liebe und ich bin geliebt!
(S. 118)
_____



Der Braut

I.
O achte nicht der Menschen, die sich quälen
Mit Zweifel uns're Herzen zu umstricken!
Wir fühlen ja mit wachsendem Entzücken:
Ich konnte dich, du konntest mich nur wählen!

Die thöricht wollen unser Glück vergällen,
Sie werden einst mit tiefbeschämten Blicken
Von uns'rem gegenseitigen Beglücken,
Von wandelloser Lieb' und Treu' erzählen!

Sie naht, ob zögernd sich die Tage dehnen,
Die Zeit, wo wir die That zum Worte fügen,
Und zeigen: Liebe sei kein eitel Wähnen!

Dann strafen wir die Welt, die kalte, Lügen,
Die nie begreift der Seele liebend Sehnen,
Die nur zerstören, zweifeln kann und rügen!


II.
(In ihr Album)
Ein Zaubergarten ist dein reich' Gemüthe,
Worin viel Blumen sprossen, auserlesen,
Ihr frischer Hauch erquickt und bringt Genesen
Dem Herzen, das in heißer Sehnsucht glühte.

Der Einmal ihn empfand, vergebens mühte
Er scheidend sich, den Zauber zu vergessen,
Und pflückt zum Zeichen, daß er dagewesen,
Ein Blatt im Gehen oder eine Blüthe.

Mir aber kam der Genius entgegen,
Und gab den ganzen Garten mir zu eigen -
Ich darf beglückt der holden Blumen pflegen!

Der Blumen, die in Liebe sich mir neigen,
So oft ich mich ergehe auf den Wegen,
Bewundernd jede mit entzücktem Schweigen!
(S. 119-120)
_____



Dem Ziele nah

Noch einen kurzen Flug
Fliege, mein Sehnen!
Wirst ja an's Ziel mit Fug
Flügel bald lehnen;

Stillen den Durst am Quell
Süßer Erfüllung,
Schauen mit Augen hell
Glückes-Enthüllung!

Glückes, von dem hinfort
Nimmer ein Trennen,
Weil du an keinem Ort
Größ'res magst kennen!
(S. 121)
_____



Der Geschmückten

Laß' And're sich mit Flittergold,
Mit Demant sich und Bändern schmücken,
Bist ohne sie nicht minder hold,
Wirst ohne sie mich doch entzücken!

Verließ die Perle gern das Meer,
Sich wiegen an deiner Brust zu lassen,
War 's nicht zum Schmucke dir so sehr,
Als: sich in höher'n Glanz zu fassen!

Dich ziert Natur, an deiner Hand
Braucht Kette nicht, noch Ring zu glänzen;
Kein kunstgeschnitzter Blumentand
Soll bunt das blonde Haar dir kränzen!

Die frische Rose mag allein
Noch höchstens solche Gunst erlangen,
Sie mag die dritte Schwester sein
Von jenen zarter'n deiner Wangen!
(S. 122)
_____



Lenz und Liebe

Nun sind die Veilchen ausgegeben,
Vorüber der Narcissenflor!
Doch sieh', des Maies Glöckchen heben
Die weißen Köpfchen schon empor!

Der Frühling will nicht geizig hüten
Sein Gut, er lebt in Saus und Braus,
Und streut die Gold- und Silberblüthen,
Ein reicher Erbe, lustig aus.

So liebt auch Liebe zu verschwenden,
Weil sie das Kind des Frühlings ist;
Ich kann mit Kuß und Wort nicht enden
Zu sagen, wie du lieblich bist!

Und würde jeder Kuß zur Blume,
Zum Blatte jedes Wort, o sprich!
Wär' nicht mit allem seinem Ruhme
Der Lenz ein Bettler gegen mich?
(S. 123)
_____



Fern von dir!

Fern von dir, geliebtes Leben,
Fern von deinem Angesicht,
Kann es keine Freude geben,
Die zu meiner Seele spricht.
Selbst der Lenz, was soll er mir
Fern von dir?

Ach! wie bang' die Stunden schleichen
Ohne dich! Da dacht' ich mir:
Trauer muß dem Liede weichen,
Und ich dichtete von dir.
Doch es tönte, wenn 's gelang,
Ach! wie bang'!

Komme bald! Im großen Garten
Irr' ich einsam und allein -
Laß' mich nicht zu lange warten,
Komm' in deiner Anmuth Schein'
Wie die Sonne über'n Wald.
Aber bald!
(S. 124)
_____



Zur Verständigung

Wie des Mondes nahe Milde
Doch zumeist die Erd' erfreut,
Ob unzähl'ge Sterngebilde
Auch am Himmel ausgestreut;
Also stehst du lieblich waltend
Meinem Herzen doch zunächst,
Wenn der Blick auch vielgestaltend
In Unendlichkeiten wächst!

Fülle aller Zärtlichkeiten
Bleibt gewidmet einzig dir,
Segelt auch mein Geist zu Zeiten
In's entlegenste Revier;
Aus der Dichtung gold'nen Landen
Sehnt er mit erhöhtem Glück,
Doppelt freudig nach den Banden
Deiner Liebe sich zurück.

Schweift auch nach den warmen Zonen
Phantasie, der Kunst hinaus;
Nicht im griech'schen Tempel, wohnen
Läßt sich nur im schlichten Haus';
Laß' ohne Eifersucht mich wallen
Nach dem zweifelhaften Kranz' -
Mag den Musen wohl gefallen,
Doch nur dir gehör' ich ganz!
(S. 125-126)
_____



Im November

Das Abendroth des Jahres liegt
Nun scheidend auf den Wäldern,
Der Wanderzug der Vögel fliegt
Hin, über braunen Feldern!

Am Rebenstock vergessen hängt
Die letzte, kalte Beere,
Mit Müh' die matte Sonne drängt
Zurück die Nebelheere.

Wehmüthig glänzt der erste Schnee
Von fernen Bergeszinnen -
Das Menschenherz beschleicht ein Weh,
Ein ahnungsvolles Sinnen.

Wohl dem, der in so rauher Zeit
Ein trautes Nest gefunden,
In dem er ruhet allbereit,
Vom Arm' der Lieb' umwunden!

Ich fand es, ach! das treu'ste Herz
Fühl' ich an meinem schlagen.
Nun komme Winterfrost und Schmerz -
Will Alles gern ertragen!
(S. 127-128)
_____



Am lieblichsten!

Lieblich bist du, wenn du am Morgen,
Auf der Stirne Hausfrausorgen,
Durch die Zimmer waltend geh'st -
Mit dem Blick', dem nichts verborgen,
Nach dem Geist der Ordnung späh'st!

Lieblich, sitzend mir am Schooße,
Wenn mit Küssen und Gekose
Uns die Dämmerung umgraut,
Und von deines Mundes Rose
Süße Liebeskunde thaut.

Lieblich - wenn du elfenleise
Mit anmuthigsicher'm Fleiße
Nach dem Walzerrhythmus schwebst -
Wenn beim Schlittschuhlauf am Eise
Zagend du die Füsse hebst! -

Doch die Lieblichste der Frauen,
Wenn du deiner Augen Blauen
Auf die kleine Tochter senkst,
Und vertieft in lächelnd Schauen
Mutterliebesglück bedenkst!
(S. 132-133)
_____



An ihrem Geburtstage

O mag wie Lerchenjubel schweben
Mein heutig' Lied auf dich herab!
Wie einsam irrt' ich durch dies Leben
Wenn nimmer diesen Tag es gab!
Den herrlichsten von allen Tagen,
An welchem du zum ersten Mal'
Den Blick zum Lichte aufgeschlagen,
Dem Veilchen gleich im Wiesenthal.

Ein Kind des Frühlings! All' sein Prangen,
Dein holdes Wesen trägt's zur Schau:
Die Lilienstirn', die Rosenwangen,
Der Augen reines Himmelsblau!
Man merkt es an der Liebesfülle,
Von der dein Herze überfließt -
So wie vom Duft' der Blume Hülle,
Daß du ein Kind des Frühlings bist!

Du Reichbegabte, welche Gabe,
Die deiner werth, soll ich dir weih'n?
Ach! alles, was ich bin und habe,
Ist dein ja längst, auf ewig dein!
Die Schätze, die du mir gegeben,
O ford're nimmer sie zurück!
Und bleibe für ein langes Leben
Mein Trost, Entzücken, größtes Glück!
(S. 137-138)
_____



Mondnacht

Mondesaufgang. Schweigend brütet
Über'm Thal die Sommernacht,
Wünsche, lange still gehütet,
Sind mir in der Brust erwacht;
Geist der Vergangenheit!
Wehest voll Innigkeit,
Weckst mir im Innern
Leises Erinnern.

Muß der Tage wieder denken,
Da ich noch ein Knabe war -
Den ein träumend Selbstversenken
Oft ergriffen wunderbar;
Zukunft ward Gegenwart -
Was ich erstrebt, erharrt,
Ist es dem jungen
Herzen gelungen?

Aufgegangen meinem Leben
Herrlich ist der Liebe Stern,
Doch die andern seh' ich schweben
Noch im Nebel, klein und fern. -
Länger, ach! länger nicht
Werde ihr funkelnd Licht
Mir von dem bangen
Zweifel verhangen!

Wär's auch nur ein eitel Wähnen,
O so laßt mir solchen Wahn:
Ein beharrlich glühend Sehnen
Zieht Erfüllungsglück heran!
Was noch die Nacht umfängt,
Was sich zum Leben drängt,
Laßt sich 's gestalten,
Liebesgewalten!
(S. 139-140)
_____



An eine zertrümmerte Bank

Traute Waldbank, liegst in Trümmer
Ganz zerfallen, kalt und naß,
Wo ich in des Mondes Schimmer
Oft mit der Geliebten saß!

Hat muthwill'ge Hand zerschlagen
Dich? der Schnee dich eingedrückt?
Die noch jüngst in Sommertagen
Eine holde Last beglückt.

Daß so niedrig du geendet,
Nimmer kann ich's glauben, nein!
Was so schönen Dienst gespendet,
Kann so schlecht belohnt nicht sein.

O gewiß, die guten Elfen,
Die uns jedesmal belauscht,
Die so gerne nützen, helfen,
Kamen nächtlich still gerauscht;

Lösten sachte deine Glieder,
Betteten sie sanft zur Ruh' -
Liebesweisen, Schlummerlieder
Sangen leise sie dazu:

"Recht so! schauen soll man Keinen
Fürder sitzen mehr auf dir,
Seit die Zwei nicht mehr erscheinen,
Die so zart geliebt sich hier."
(S. 166-167)
_____



Sehnsucht

In Abenddämmerung verschwimmt
Gebirg und Thal gemach,
Der Stern der Liebe still erglimmt,
Und leiser geht der Bach.

Mit süßem Heimweh denk' ich dein -
Kaum daß ich mich entfernt,
Von dir, mein All', getrennt zu sein
Mein Herze nimmer lernt!

Mir ist, als müßt' ich durch die Nacht!
Flugs! ziehen in die Welt,
So drängend ist der Sehnsucht Macht,
Die jählings mich befällt.

Vom End' der Welt, vom fernsten Pol'
Durch jegliches Revier
Viel hundert Meilen zög' ich wohl
Für Einen Kuß von dir!
(S. 175)
_____



Auf der Heimfahrt

Rößlein! Lauf' im Mondenschein,
Führe mich zur Lieben!
Jahre scheinen mir's zu sein,
Daß ich von der Trauten mein
Schon hinweggeblieben.

Rößlein! Jeder Schritt von dir
Ist dem Herzen Segen,
Immer näher pocht es ihr,
Will die Brust zersprengen schier
Mit den Sehnsuchtschlägen.

Rößlein! Deiner Hufe Ton
Kennt sie auf der Stelle,
"Horch! ja horch! da kommt er schon!"
Ruft's und eilt geschwind davon
An des Thores Schwelle.

Und ich halte ewiglang
Selig sie umfangen,
Lausche ihrer Stimme Klang,
Küsse ihr im Freudedrang
Augen, Mund und Wangen.

Rößlein! Lauf' im scharfen Trab
Nur noch eine Weile,
Hügelan und hügelab -
Weißt mein liebes Rößlein, hab'
Heute große Eile!
(S. 176-177)
_____



Vorfreude

Mitternacht ist längst verflossen -
Es erlosch der Lampe Licht;
Halt' die Augen festgeschlossen,
Aber schlafen kann ich nicht.

Nicht weil Kummer, oder Sorgen
Mich bedrücken; 's ist allein,
Weil ich selig denke: Morgen,
Liebste, bist du wieder mein!
(S. 186)
_____



Auf ein Zimmer

Gegrüßt in der Erinn'rung Schimmer
Du Kämmerlein, so schlicht und traut!
Hier wohnte sie, die nun für immer
Mein eigen ward, als holde Braut!
Du neidest nicht die Sammttapeten
Dem städt'schen Prunkgemach' - beglückt
Ist dieser Raum, den sie betreten
Und unvergänglich ausgeschmückt!

Mir weht von Boden, Wand und Decke
Ein Hauch, lebendig, zauberfrisch -
Dort stand ihr Schrank, in jener Ecke
Ihr Bett, beim Fenster hier der Tisch;
Der liebe Tisch, wo wir gesessen
So manche Stund', wenn draußen ging
Der Alpensturm, und weltvergessen
Uns Liebesdämmerung umfing! -

Die Thüre da, an deren Schwelle
Des Morgens voll Erwartungspein
Ich pochte, bis von drinnen helle
Erklang ein liebliches "Herein!"
Und hier das Plätzchen, wo sie täglich
Zum "Gute Nacht" mir bot die Hand,
Wo, ich noch lange unbeweglich
Der Zögernden nachblickend, stand!

All' jener Tage Sehnsuchtsterben
Rufst du auf's Neue mir zurück -
O Zimmer! Theil von ihrem Leben,
Von ihrem Wesen du ein Stück!
Heil dir! es schließen deine Räume
Beglückte Liebe wieder ein!
Leb wohl! die Stätte süßer Träume
Magst du für alle Zeiten sein!
(S. 187-188)
_____



Dürre Blätter

Friede sei in allen Reichen!
Sei geschlichtet jeder Streit! -
Seht! es pflanzt Vergänglichkeit
Wiederum als Siegeszeichen
Ihr zerriss'nes Banner auf! -
Eine Dohle sitzt am Knauf
Und es krächzt ihr Feldgeschrei
Uns ein spöttisches: Vorbei!

Diese Blätter, die umschattet
Hold ein junges Liebespaar,
Einer muntern Vögelschaar
Wonnekühle Rast gestattet -
Nun am Boden nebelfeucht
Liegen sie, dein Fuß nur scheucht
Nur der Wind von ungefähr
Schonungslos sie vor sich her!

Was so groß uns dünkt und wichtig -
Uns're Thaten, noch so kühn:
Dieser Tage Drang und Müh'n
Fällt, als dürre Blätter, nichtig
Einst von der Geschichte Baum,
Und die Nachwelt kümmert 's kaum! -
Alles, Alles wird verweh'n,
Nur die Liebe wird besteh'n!
(S. 201-202)
_____



Sonette

I.
Im  Festgewühl' des Balles, in der Mitte
Von all' den Frauen, Mädchen, welche hier
Wetteifern, dir gebührt er, einzig dir
Der Kranz der zarten Weiblichkeit und Sitte!

Wie gerne auch so Manche ihn erstritte
Mit Pomp und Prunk, und schmachtender Begier
Vergebens! Als die unschätzbarste Zier
Erreichest du ihn ohne Wunsch und Bitte;

Erreichest ihn, wie Anmuth, Geist und Schöne
Und jedes Höchste, ohne deren Streben
Die Götter schenken an die Erdensöhne -

So wie sie, daß mein liebbedürftig Leben
Die reinste Seelenharmonie durchtöne,
Dich ganz und gar zu eigen mir gegeben!
(S. 232)


II.
Mitleidig lach' ich Jener, die da lehren:
"Daß Liebe sich vermind're mit den Jahren;
D'rum möge man mit ihrem Gute sparen,
Auf daß man späterhin nicht müss' entbehren!"

O wüßten sie, wie sie in dem Begehren
Des eig'nen Fühlens Armuth offenbaren! -
Wer reichen Herzens ist, der muß erfahren:
Der Schatz der Liebe kann sich nur vermehren.

Du schwelgst im Überflusse, so beglücke
Freigebig mich; was du mit vollen Händen
Mir gibst, ich geb' es dreifach dir zurücke.

Und ob wir noch so viel davon verschwenden,
In uns'rer Fülle merkt sich keine Lücke -
Wir haben Ewigkeiten dran zu spenden!
(S. 233)


III.
Mich freut es nicht, wenn dich die Leute preisen
In ihren Worten, Blicken liegt Entweih'n -
Wie ich dein Herz verstehe ganz allein,
Möcht' ich allein dir Huldigung erweisen!

Auf eine ferne Insel möcht' ich reisen,
Die Allen unzugänglich sollte sein -
Mit dir. Denn da erst könnt' ich völlig mein
Mit ganzem Rechte dich, Geliebte, heißen!

Und selber da nicht! Dürften doch die Lüfte,
Die Sonnenstrahlen leuchten um dich her,
Die Erde deines Kleides Saum noch küßen!

Es böten noch die Blumen ihre Düfte
Dir schmeichelnd an, aufrauschend läg' das Meer
In ungestümer Sehnsucht dir zu Füßen! -
(S. 234)
_____


Aus: Gedichte von Ernst Rauscher
Wien Verlag von Herm. Markgraf 1864

 

Biographie:

Ernst Rauscher von Stainberg (* 3. September 1834 in Klagenfurt, Kärnten; † 18. August 1919 ebenda), war ein österreichischer Schriftsteller.

Ernst Rauscher entstammte einer alten Familie von Eisengewerken; er besuchte das Gymnasium der Benediktiner seiner Heimatstadt. Zwischen 1852 und 1856 studierte er am Wiener Polytechnikum und 1857 an der Bergakademie in Leoben. U.a. hörte er auch Vorlesungen an der Universität Wien.

Nach seinem Studium ließ sich Rauscher von Stainberg dann als freier Schriftsteller in seiner Heimatstadt nieder. Man machte ihn zum Ehrenbürger von Klagenfurt und 1884 wurde er in den Adelsstand erhoben. Von den Schriftstellern Robert Hamerling und Karl von Holtei gefördert, fand er bald als Lyriker, Dramatiker und Epiker seinen eigenen Stil. Nach eigenem Bekunden beeinflusste ihn dabei auch der Münchner Dichterkreis Die Krokodile.

Mit diesem teilte er auch die übersteigerte deutsch nationale Gesinnung. Seine „Elegien vom Wörther See“ werden 1866 zum Ausdruck seiner Trauer über die Niederlage in der Schlacht von Königgrätz. Mit einem pathetischen Bekenntnis zum Deutschtum, Liebe, Freundschaft und Natur setzt er auch weiterhin einen Schwerpunkt in seinen lyrischen Werken.

Von den philosophischen Modeströmungen seiner Zeit hielt er nicht allzu viel: den Pessimismus von Arthur Schopenhauer lehnte er ebenso ab („Am Hochkar“, 1877) wie Karl Robert Eduard von Hartmanns Philosophie des Unbewußten („Antimor“, 1873).

Neben seinem eigenem literarischen Schaffen übersetzte Rauscher von Stainberg auch Werke von Henry Wadsworth Longfellow und Ugo Foscolo.

Werke (Auswahl) Gedichte (1861)
Gedichte (1864)
Elegien vom Wörther See (1866, 1867)
Nora (1869)
Gedenkbücher (1871)
Neue Gedichte (1881)
Die weiße Rose von Arnoldstein (Neuaufl. o.J.)
Im Wolschart (1894)
Die Erzählung des Werksherrn (1896)
Poetische Erzählung (1912)

aus: http://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Rauscher_von_Stainberg

 



 

 


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