Minne
Ich denk' an Dich
in tiefster Leidenschaft,
Ich denk' an Dich mit ganzer Seele Kraft
Und will mein Denken so in Dich versenken,
Daß Du gezwungen bist, an mich zu denken.
I.
Ich weiß nicht, wie
mir ist!
Ich wandle einsam durch den Wald
Und bleibe steh'n und eile bald.
Ich zieh' bergauf und zieh' thalein
Und mag an keinem Orte sein,
Ich weiß nicht, wie mir ist.
Ich weiß nicht, wie mir ist!
Ich wach' bei Nacht und träum' bei Tag
Und wenn ich mich nun selber frag',
Warum sich Alles so verkehrt
Und was mein leichtes Herz beschwert,
Ich weiß nicht, wie mir ist.
Ich weiß nicht, wie mir ist!
Denn wenn ich jauchze voller Lust,
Bebt doch das Herz in tiefster Brust
Und was mich gestern noch gefreut,
Das hab' ich heute schon gescheut,
Ich weiß nicht, wie mir ist.
(S. 3-4)
II.
Mein Herz ist wie
ein tiefer See
Von Waldesgrün umsäumt,
In dessen Fluth die schönste Fee
Im Mondenscheine träumt.
Auf seinem Grunde steht ein Schloß
Von Edelstein und Gold,
Darin ich treu die Fee verschloß,
Mein Liebchen wunderhold.
(S. 4)
III.
Mein Herz ist wie
das weite Meer,
Das wechselnd steigt und fällt
Und fluthighoch und ebbeleer
Die Erd' umschlossen hält.
Geschwellt hat es die süße Lust
Und bitt'res Leid gepreßt,
Doch beides schloß an Liebchens Brust
Mich um so treuer fest.
(S. 4-5)
IV.
Mein Herz, das ist
das Leben,
So lang die Liebe quillt,
So lang der Schmerzen Beben,
So lang's die Lust nicht stillt.
Was nach dem Tode bliebe,
Das ist der Thoren Streit;
Das Leben ist die Liebe,
Die Lieb' die Seligkeit.
(S. 5)
V.
O Seligkeit der
Liebe,
Daß ich dich so gelebt,
Daß mir nichts übrig bliebe,
Wonach das Herz noch strebt.
Dann war es werth zu leben,
Dann ist der Tod Genuß
Und sterbend will ich geben
Dem Lieb den letzten Kuß.
(S. 5-6)
VI.
Auf und nieder mit
den Wellen
Hebt mich sanft mein leichter Kahn;
Nach dem Ufer, nach dem hellen
Fenster zieht er seine Bahn.
Leis am Kiel' die Wellen rauschen,
Leise wie ein Lied es klingt;
Scheint es doch bei läng'rem Lauschen,
Daß mein Herz es selber singt.
(S. 6)
VII.
Stromhinunter,
stromhinunter
Laß den Kahn ich langsam gleiten;
Mit dem Glüh'n der Abendsonne
Schon der Dämmerung Schatten streiten.
Stromhununter, stromhinunter
Tiefer noch die Buchten dunkeln;
Hie und da vom fernen Ufer
Lichter hell wie Sterne funkeln.
Stromhununter, stromhinunter
Sollt allein ihr Wellen rauschen;
Vor der stillen Fischerhütte
Will ich auf mein Liebchen lauschen.
(S. 6-7)
VIII.
Der Isar grüne
Wellen
Auf weißem Kiesgestein
Erglänzen wie Demanten
Im gold'nen Sonnenschein.
Ich sitze still am Strande,
Versenkt in süßen Traum;
Woran ich träumend dachte,
Das weiß ich selber kaum.
Mein Auge schweift zur Ferne
Durch lenzgeschmückte Au,
Wo stolz zwei Thürme ragen
In's lichte Aetherblau.
Ihr stolzen Frauenthürme,
Zum Trotz der Zeit gebaut,
Ihr gleicht getreuer Liebe,
Die fest auf sich vertraut.
(S. 7-8)
IX.
Ich brech' mir eine
Weide
Vom grünen Uferrand
Und schreibe einen Namen
Damit in feuchten Sand.
Die Züge in dem Sande
Verweht wohl bald der Wind,
Verwischt wohl bald das Wasser,
Wenn's rieselnd drüber rinnt.
Wenn auch im feuchten Sande
Die Zeichen bald vergeh'n,
So bleibt in meinem Herzen
Der Name ewig steh'n.
(S. 8)
X.
Deinem Auge lieh
die Nacht das Dunkel,
Die Sonne goß hinein das Licht,
Die Tiefe lieh der See und Liebe
Die Sprache, die es schweigend spricht.
O selig, wem dieß Auge leuchtet
In seiner tiefen, dunkeln Gluth,
Wenn strahlend wonnigsüße Freude
Erglänzt aus seiner klaren Fluth.
Doch sel'ger, wenn's die Thräne feuchtet,
Die zitternd heißem Schmerz entquillt;
Ihm ward das schönste Loos auf Erden,
Wenn er mit sanftem Kuß sie stillt.
(S. 9)
XI.
Die Liebe ist ein
Rosenstrauch
Voll reicher Blüthenzier,
Doch schmerzen seine Dornen auch,
Brichst du ein Röslein dir.
Wohl mancher ist, der Röslein bricht
Und bleibt von Schmerz befreit,
Doch kennt er auch die Liebe nicht
In ganzer Seligkeit.
(S. 9-10)
XII.
Jugendliebe, dein
gedenk' ich
In der stillen Winternacht,
Dein gedenkend noch versenk' ich
Mich in deine Zaubermacht.
Alles hattest du begossen
Mit des Frühlings ros'gem Licht,
Selbst die Thränen, die dir flosssen,
Leuchteten mir im Gesicht.
(S. 10)
XIII.
Noch seh' ich zum
Altare
Ein bleiches Mädchen schweben,
Mit blondem Lockenhaare,
Vom Myrthenkranz umgeben.
Im lilienweißen Kleide,
Ein Sträußlein über'm Herzen,
Wie schimmerte die Seide,
Wie flimmerten die Kerzen!
Ich stand am Domportale,
Wußt' nicht, wie es gekommen,
Daß mir mit Einemmale
Das Herz ward so beklommen.
Sie schlug die Augen nieder,
Die lieben, blauen Sterne;
Ich sah sie nimmer wieder,
Zog trostlos in die Ferne.
(S. 10-11)
XIV.
Sonnengoldne
Strahlen gatten
Sich mit Silbermondenschein
Und es fließt der Abendschatten
Dämmernd in das Thal hinein.
Auf der Berge Wolkengrenze,
Glühet noch das Purpurlicht,
Wie ein Mädchen Rosenkränze
In die schwarzen Locken flicht.
Doch die duft'gen Kränze bleichen,
Wie des Tages Auge sinkt,
Das der Wiederkehr zum Zeichen
Grüßend noch herüberwinkt.
Leuchtend kehrt die Sonne wieder,
Wenn sie in die Nacht versank
Und der Vögel Morgenlieder
Preisen sie mit frohem Dank.
Sehnend blick' ich in die Ferne,
In die leere, schwarze Nacht,
Denn erloschen sind die Sterne,
Die mir glühend sonst gelacht.
Meine Lieder sind verschlungen
Wie ein Seufzer in dem Wind;
Tiefer Schmerz hält mich umschlungen,
Und die heiße Thräne rinnt.
Alle Dinge seh' ich kehren
In dem Wechsellauf der Zeit,
Wenn auch von der Form, der schweren,
Für den neuen Geist befreit.
Wenn der Tod, die ew'ge Frage,
Lebensmüde Herzen stillt,
Hoff' ich, daß dem neuen Tage
Deiner Augen Licht entquillt.
(S. 11-12)
XV.
Mir war, als hätt'
der Wind geklopft
Heut' Nacht an's Fensterlein,
Als hätt' der Regen leis getropft
Zum Schindeldach herein.
Die Nacht, der Regen und der Wind
Sind der Gesellen drei,
Die gern, wo Jemand trauernd sinnt,
Ihm freundlich stehen bei.
Als mich gegrüßt der junge Tag,
Da ward ich's erst gewahr,
Daß es des Herzens Fieberschlag,
Die Fluth der Thränen war.
(S. 13)
XVI.
Drei Rosen und drei
Lilien,
Die steh'n auf einem Grab',
Darunter ich mein Schätzchen
Heut' früh begraben hab'.
Die Lilien und die Rosen,
Die blühen weiß und roth,
Und was noch gestern blühte,
Das bleichte heut der Tod.
Ein Vöglein kommt geflogen,
Setzt sich auf einen Baum,
Fängt an ein Lied zu singen,
Das klingt mir wie ein Traum.
Ja, dorten ist's gewesen,
Am Baum im grünen Gras,
Wo ich bei meinem Schätzchen
Im kühlen Schatten saß.
Wo durch die dunkeln Zweige,
Der Abendwind gerauscht,
Und ich auf ihre Worte
Beseligt still gelauscht.
Wo hell im Laubgewölbe
Der traute Finke sang,
Und ich um's knappe Mieder
Die Arme zärtlich schlang.
Drei Lilien, drei Rosen,
Die sind allein es jetzt,
Die ich mit meinen Thränen
Gar bitterlich benetzt.
(S. 14-15)
XVII.
Langsam sinkt der
Dämm'rung Schleier
Traumreich auf die Erde nieder,
Und ich stimme meine Leier
Für der Wehmuth stille Lieder.
Längst ist schon die Zeit vergangen,
Daß im Herzen tief verborgen,
Junge Lieb' war aufgegangen
Gleich des Frühlings Sonnenmorgen.
Daß die Knospe aufgesprungen
Und zur Blüthe sich erschlossen,
Daß von sel'ger Lust durchdrungen
Allzurasch die Zeit entflossen.
Wie sich jetzt die Schatten senken
Trüb und trüber auf's Gefilde,
Mag ich gern zurückgedenken
An der Jugend Traumgebilde.
Treue Lieb hatt' ich gefunden,
Die als Stern die Nacht erleuchtet,
Daß von jenen süßen Stunden
Noch mein Aug' die Thräne feuchtet.
Mählig sich die Berge düstern
Und die bleichen Nebel steigen
Und ich hör' den Herbstwind flüstern
In den rothbelaubten Zweigen.
Welke Blätter fallen nieder
Auf den reifbeglänzten Boden,
Doch es kommt ein Frühling wieder,
Der erwecket all' die Todten.
Zu des Sternes hellem Schimmer
Will ich blicken voll Vertrauen,
Bis das dunkle Grab für immer
Wird mich meiner Liebe trauen.
(S. 15-16)
XVIII.
Ich sah dich im
Frühlingsglanze
Im Goldhaar, lang und lose;
Dein Aug' war eine Romanze,
Dein Mund eine stolze Rose.
Du standest unter der Linde;
Es sanken dir zu Füßen
Die Blüthen, getragen vom Winde,
Dich, schönste Blume, zu grüßen.
Da bin auch ich gesunken
Bereuend vor Dir nieder
Und flehte liebetrunken:
Erhebe zu Dir mich wieder.
(S. 16-17)
XIX.
Es war ein Traum,
Ein schöner, gold'ner Traum.
Noch faßt' ich seinen Zauber kaum,
Da bin ich aufgewacht
Und ringsum war es Nacht,
Schwarze Nacht.
Ich sah Dich vor mir steh'n,
So schön wie einen Maientag,
Und fühlte Deines Odems Weh'n,
Da ich an Deinem Busen lag.
Es wuchs das Herz mir in der Brust,
Und wuchs und schwoll in sel'ger Lust,
Daß ich geglaubt in einem Meer
Von Wonne zu versinken.
Da bin ich aufgewacht
Und ringsum war es Nacht,
Schwarze Nacht.
Kein einz'ger Stern vom Himmel leuchtet
Kein Hoffnungsstrahl vom Himmel scheint;
Die Thräne, die mein Auge feuchtet,
Hab', Falsche, ich um Dich geweint.
(S. 17-18)
XX.
Ja, das waren
gold'ne Tage
Von des Lebens Lenz geschmückt,
Wo ich ohne Schmerz und Klage
Nur die Luft an's Herz gedrückt,
Wo ich ein bekränzter Zecher
Mich berauscht' in Feuerwein,
Und mein Lieb den leeren Becher
Schenkte unter Küssen ein.
Doch die Falsche hat gelogen,
Als sie treue Lieb' mir schwur
Und im Becher leergesogen
Blieb zurück ein Tropfen nur.
In dem Tropfen stirbt die Sonne
Mit dem letzten Abendstrahl
Und ich denk' in stiller Wonne,
Daß ich trank und küßt' einmal.
Ist der Tropfen eine Zähre,
Die mir in dem Auge stand,
Daß Erinn'rung sie verkläre
Nahe an dem Grabesrand?
Und im Becher klingt es wieder
Wie von längst entschwund'ner Lust,
Wo ich Wein- und Liebeslieder
Sang aus voller Jugendbrust.
(S. 18-19)
XXI.
Der ist des Tanzes
höchster Lust
Sich einzig und allein bewußt,
Der glühend ein Weib im Arme hält,
Das ihm gegeben die ganze Welt.
Dann blitzt das Auge und zittert und bebt
Des Busens wogender Hügel,
Und höher und höher zum Himmel erhebt
Die Liebe die rauschenden Flügel.
Sie schwingt sich und ringt sich beseligt empor
Bis über die glänzenden Sterne,
Bis sie von den Füßen den Staub verlor
Der Erde in göttlicher Ferne.
(S. 19-20)
XXII.
Ich trink' und
trinke immer zu
Von Deinem Mund den Kuß;
Je mehr ich trinke, flieht die Ruh,
Daß ich nun klagen muß.
Je mehr ich klage, lächelst Du,
Daß ich so thöricht bin,
Und trinke, trinke immer zu,
Bis all' mein Glück dahin.
(S. 20)
XXIII.
Ich hab' mein
ganzes Leben,
Die Seele Dir gegeben,
Ein Bettler steht vor Dir,
Und Du, was gabst Du mir?
(S. 20)
XXIV.
Dort blitzt im
Sonnenschein
Im Moos ein Diamant.
Welch' Glück! Den Edelstein
Wollt' fassen schon die Hand;
Betrachtet doch genau
War's nur ein Tropfen Thau.
So lang ich fern von Dir,
Schienst Du ein Diamant,
Doch in der Nähe mir
Dein ganzer Zauber schwand;
Du wunderschöne Frau
Gleichst sonnbeglänztem Thau.
(S. 21)
XXV.
Mein Stübchen hat
Ein Fenster,
Ein schmales Fensterlein;
Ich wollt' mich deß begnügen,
Ging's nicht zum Hof hinein.
Zum Hof hinein, wie traurig!
Wenn sich mein Blick erhebt,
Seh' ich, wie auf die Dächer
Der Schnee hernieder schwebt.
Seh', wie dem schwarzen Schlote
Der graue Rauch entsteigt,
Und sich der trübe Himmel
Auf dunkle Firsten neigt.
Wie war es sonst doch anders,
Konnt' ich zur Straße seh'n,
Wo stets in neuem Strome
Geschäft'ge Leute geh'n.
Da sprengt' auch wohl ein Reiter
Vorbei mit flücht'gem Gruß,
Dem sandt' ich dann verstohlen
Vom Fenster einen Kuß.
Den Reiter seh' ich nimmer;
Es fällt auf's Dach der Schnee,
Der Rauch qualmt aus dem Schlote,
Mein Herz erfüllt das Weh.
Zum Hof hinein wie traurig
Ist so ein Fensterlein,
Da fühl' ich so recht schaurig,
Was heißt Verlassenheit.
(S. 22-23)
XXVI.
O Mutter, willst Du
fragen,
Warum mein Auge naß?
Warum mein stilles Klagen
Und meine Wangen blaß?
Weil mich mein Lieb verlassen.
O Mutter, laß Dir sagen,
Warum mein Herz so schwer;
Nicht dulden und nicht tragen
Kann ich mein Leiden mehr,
Weil mich mein Lieb verlassen.
O Mutter, hilf mir tragen
Mein bitt'res Herzeleid,
Daß ich in jungen Tagen
Schon trag' das Sterbekleid,
Weil mich mein Lieb verlassen.
(S. 23)
XXVII.
Mein Gott, wie war
denn das,
Daß mich mein Lieb vergaß;
War doch so groß mein Schmerz,
Daß ihn nicht trug mein Herz.
Krank ich geworden bin,
Kränker noch werde ich,
Bis ich gestorben bin,
Zudeckt die Erde mich.
Deckt mich die Erde zu,
Hab' ich die ew'ge Ruh',
Werd' ich ein Engel gleich
Droben im Himmelreich.
Wüßt' er, wie elend ich
Durch ihn geworden bin,
Wüßt' er, wie's quälend mich
Treibt aller Orten hin.
Säh' er die Wangen blaß,
Säh' er die Augen naß,
Käm' er zu mir zurück,
Käm' er zurück. (S.
24)
XXVIII.
Wenn's Nacht ist
und die Straßen schweigen,
Dann knie' ich vor dem Gnadenbilde.
O heil'ge Jungfrau, thu' dich neigen
Und zeige dich in deiner Milde.
Der Rosenkranz von seinem Grabe
Ist nur als Opfer mir geblieben.
Ich bringe Alles, was ich habe,
Ich opf're dir mein ganzes Lieben.
Ich hab' den größten Schmerz erlitten,
O laß mich deine Huld erwerben,
Erhöre du mein heißes Bitten:
O heil'ge Jungfrau, laß mich sterben.
(S. 25)
XXIX.
(Nach einem fränkischen Volksliede)
Flieg' Vöglein,
flieg'!
Mein Schätzlein ist im Krieg,
Der Vater ist in Pommerland,
Daheim das Häuslein abgebrannt,
Flieh', Vöglein, flieg'!
Flieh', Vöglein, flieg',
Und helf' ihm zu dem Sieg.
Ich pflück' mir einen Myrthenstrauß,
Vielleicht kommt bald mein Schatz nach Haus,
Flieg', Vöglein, flieg'!
Flieg', Vöglein, flieg',
Daß ich mein Schätzlein krieg'.
Mir wird men armes Herz so schwer,
Als säh' ich meinen Schatz nicht mehr,
Flieg', Vöglein, flieg'!
(S. 26)
XXX.
"Einst hatt' ich
einen Liebsten,
Wie falsch die Herzen sind!
Ei sag' mein feines Bübchen,
Wo ich den Vater find'?
Mein Kind, das war ein Rabe,
Wie krächzte der so hohl!
Ich wollt', wir lägen im Grabe,
Da wär' uns beiden wohl!"
Es klopft der Wind an's Fenster,
Der Regen träufelt leis,
Auf's stille Bübchen rinnen
der Mutter Thränen heiß.
(S. 27)
XXXI.
Es wächst eine
Wunderblume
Tief unten im Meeresschooß;
Steht sie in voller Blüthe,
So trennt sich die Blume los.
Sie schwimmt herauf zu Lichte
Und bringt dem Schiffer Glück;
Sobald ihr Duft zerronnen
Sinkt wieder sie zurück.
So taucht vom Herzensgrunde
Dein rettend Bild empor,
Wenn ich in wilder Strömung
Den letzten Halt verlor.
(S. 27-28)
_____
Wach auf!
Wach' auf, mein Lieb, der Morgen graut,
Die Sonne lugt in's Thal,
Das Gras und Moos vom Duft bethaut
Erglänzt im gold'nen Strahl!
Wach' auf, mein Lieb, das Hüfthorn schallt,
Es zieht der Jäger in den Wald,
Wach' auf!
Die Hasen laufen bald vor Tag,
Zu Holze zieht das Reh;
Schon lockt im Wald der Amselschlag,
Die Wachtel schlägt im Klee.
Wach' auf, schlag' auf die Aeuglein blau,
Daß ich zuvor hinein noch schau,
Wach' auf!
Wach' auf, mach' auf dein Fensterlein
Und blick' herab zu mir;
Ich sollt' schon lang zum Forst hinein
Und steh' noch zögernd hier.
Doch eh' ich sah dein lieb' Gesicht,
Verlaß ich deine Schwelle nicht,
Wach' auf! (S.
55-56)
_____
Im Busch
Im Busch, da schlägt die Nachtigall,
Da ist es traulich dunkel,
Nur Käfer durch die Blätter sprüh'n
Mit bläulichem Gefunkel.
Im Busch, da schwillt das Moos so weich
Zum kräuterduft'gen Pfühle,
Da schaukeln zarte Kelche sich
Im Hauch der Abendkühle.
Im Busch, im traulich dunkeln Busch,
Da ist das schönste Plätzchen
Für mich, den flotten Jägerbursch,
Und Dich, mein schönes Schätzchen.
(S. 57)
_____
Der Falkner
Das Edelfräulein ritt im Wald
Und ritt verschwieg'ne Pfade;
Sie kam zum grünen Thalsee bald,
An's blühende Gestade.
Da hielt sie still und lauschte bang.
Es rauschten nur die Wellen;
Doch ferne jetzt ein Hüfthorn klang
Und ließ die Töne schwellen.
Es stand am See ein Weidenbaum
Mit tief gesenkten Zweigen;
Sie band daran des Rößleins Zaum
Und stand dabei in Schweigen.
Ein Falke durch die Lüfte flog,
Er folgt' allein dem Reiher;
Der Falkner, der am Ufer zog,
Sah fliegen ihren Schleier.
Dieweil der Falk' den Reiher fing
Und's Rößlein scharrt' im Moose,
Ein Stündlein bald vorüberging
Im traulichen Gekose.
"Herzliebster Buhle, nun ade,
Noch einmal laß dich küssen;
Ich wollt', ich läg' im tiefen See,
Als so zu scheiden müssen!"
Das Fräulein sprengt' zum Walde jach
Mit glühend rothen Wangen;
Der Falkner sah ihr lange nach
Mit sehnendem Verlangen.
"O wär' ich doch ein adlig Blut,
Ich wollt' sie wohl gewinnen;
Doch Niemand weiß, wie wehe thut
So hoffnungsloses Minnen!"
(S. 62-63)
_____
Der Falkonier
"O könnt' ich
Deinen Reizen
Allzeit ein Diener sein!
Den Reiher wollt' ich beizen
Herrin, für Dich allein."
Ferd. Freiligrath
I.
"Ich bin ein
Falkonier,
Ein frisch jung wildes Blut,
Und trug' die Reihezier
Auf meinem Krämpenhut,
Ich bin ein Falkonier!
Ich zieh' zum grünen Wald,
Den Falken auf der Faust;
Zur Beute wird mir bald,
Was dort gefiedert haust,
Ich bin ein Falkonier!
Mein Edelfalke streicht
Hinauf zum Wolkenzug,
Wohin kein Pfeil mehr reicht
Im stolzen Siegesflug,
Ich bin ein Falkonier!
Ich bin ein Falkonier
Und mag nichts and'res sein,
So lang im Waldrevier
Noch fliegt ein Federlein,
Bin ich ein Falkonier!"
(S. 87-88)
II.
Der Falkner kam zum
Schlosse,
Den Falken auf dem Ring,
Den er an Islands Küsten
In Felsenschluchten fing.
Der hat um seine Freiheit
Wie lange sich gegrämt,
Bis ruhelose Wache
Und Hunger ihn gezähmt.
So köstlich wie der Falke
War keiner je zu seh'n;
Im Schlosse blieb das Fräulein
Bewundernd vor ihm steh'n.
Der Falkner stand vor'm Fräulein
Und hat wie traumversenkt
Ihr mit dem Edelfalken
Zugleich sein Herz geschenkt.
(S. 88-89)
III.
Der Falkner hob auf
weißen Zelter
Das Edelfräulein stolz hinauf;
Sie sprengte kühn durch Wald und Felder,
Zum Strom hinab im wilden Lauf.
Aus Rohr und dunklem Erlenlaube
Ein Reiher strich im Morgenduft;
Dem Falken löst' sie rasch die Haube
Und warf ihn fröhlich in die Luft.
Und hoch am blauen Himmelsdome
Der tapfre Falk' den Reiher schlug;
Er sank in's grüne Schilf am Strome
Mit aufgehacktem Silberbug.
Das Fräulein sprach mit glühen Wangen:
"Wer hat dem Falk' die Beiz' gelehrt?
Der soll die gold'ne Kett' empfangen,
Die seine Kunst belohnt und ehrt!"
(S. 89)
IV.
Es sprengte das
Fräulein vom Jagen in's Schloß,
Ihr folgte der Falkner auf schnaubendem Roß;
Es wuchs ihm das Herz in dem knappen Gewand,
Die Schultern umblitzte das goldene Band.
Und als in dem Hofe das Eisen erklang,
Wie rasch aus dem Sattel der Falkner sich schwang!
Er hielt ihr den Bügel und hat sich gebückt
Und heimlich die Lippen auf's Füßlein gedrückt.
Da traf ihn ihr Auge mit blitzendem Strahl,
Das brannt' ihm im Herzen mit zuckender Qual;
Sie gab ihm den Falken mit lächelndem Mund
Und hielt ihn gefangen zur selbigen Stund.
(S. 90)
V.
"Fliege Falke,
fliege, flieg' in blaue Lüfte
Ueber Strom und Wald und Felsgeklüfte,
Flieg' nur immer fort,
Bis an jenem Ort
Du das Bergschloß siehst,
Das mein Lieb verschließt.
Wiege Falke, wiege, wieg' dich auf den Schwingen
Um das Schloß herum in engen Ringen,
Wenn dein Aug' sie schaut,
Flieg' herab vertraut
Zu der Liebsten fein
An ihr Erkerlein.
Schmiege Falke, schmiege, schmieg' dein weich' Gefieder
Schmeichelnd an ihr sanft geschwelltes Mieder,
Grüß sie tausendmal
Vom Gesell im Thal,
Der für alle Zeit
Ihr sein Herz geweiht!"
(S. 91)
VI.
"Den Edelfalken
trag' ich
Auf gelbbeschuhter Hand;
Den Silberreiher jag' ich
Am schilfbewachs'nen Strand;
Das stolze Fräulein frag' ich,
Wohin ihr Sinnen streicht, -
Um ihre Antwort klag' ich:
Wohin kein Jäger reicht!"
(S. 92)
VII.
"Wie oft schon
stand ich träumend da
Und harrte still am Weg,
Bis ich das Fräulein reiten sah
Zum Jagen in's Geheg!
Sie sprengte durch den Wald daher,
Sie sah mir in's Gesicht;
Doch, daß sie macht mein Herz so schwer,
Das sah die Stolze nicht."
(S. 92)
VIII.
Im Wald das
Köhlertöchterlein
Läßt still das Köpflein hangen;
Wie Rosen sonst im Sonnenschein
Sind lilienbleich die Wangen.
Die Amseln singen noch im Strauch,
Die Buchenhalden dunkeln;
Vom Meiler zieht hinweg der Rauch,
Die Kohlenbrände funkeln.
Das Mägdlein sieht dem Rauche zu,
Wie fern die Wölklein schwinden;
Verschwunden ist des Herzens Ruh',
Es kann sie nimmer finden.
"O Falkner, lieber Falkner mein,
Was nützt dir all' dein Jagen?
Du gehst beim Zuge hinterdrein
Und mußt den Reifen tragen."
""Geh' ich beim Zuge hinterdrein
Und trag' ich nur den Reifen,
So kann's dabei doch möglich sein
Ihr Sammtgewand zu streifen.""
"Das Edelfräulein sitzt zu Roß,
Sieht nur den Falken fliegen,
Du ziehst bei dem gemeinen Troß,
Kannst bei der Jagd nicht siegen."
""Sitzt auch das Fräulein stolz zu Roß,
Sieht nur den Falken fliegen,
So bin ich doch ihr Jagdgenoß,
Seh' meinen Falken siegen.""
"Es steht ein Blümlein tief im Wald,
Muß früh verwelkt bald scheiden,
Bin ich nur einmal bleich und kalt,
So endet auch mein Leiden."
""Steht auch ein Blümlein tief im Wald
Und hat's ein Reif getroffen -
Viel besser ist's, zu sterben bald
Als Lieben ohne Hoffen."" -
(S. 93-94)
IX.
"Ich wollt' am
Schloß vorüber geh'n,
Den Falken auf der Hand;
Ich blieb vor ihrem Erker steh'n
Und war wie festgebannt.
Sie schlug die Harfe zum Gesang,
Das klang so wundervoll,
Das mir vor sehnend heißem Drang
Das Herz bezaubert schwoll.
O Falk', ich mag nicht jagen mehr,
Mich lockt die Haide nicht;
Ich trag' wie du jetzt Fesseln schwer,
Die keine Macht zerbricht."
(S. 94-95)
X.
"O Falke, du kannst
fliegen
Soweit dein Auge reicht,
So weit der Sturmwind streicht,
O Falke, kannst du fliegen.
Du schwingst dich in die Lüfte,
Bis tief die Erd' versinkt
Und dir die Freiheit winkt,
Schwingst du dich in die Lüfte.
Mich hält ihr Blick gefangen
Gleich einem Zauberbann,
Daß ich nicht scheiden kann,
Hält mich ihr Blick gefangen.
O Falke, trag' mein Sehnen
Hinauf in's Wolkenmeer
Und kehr' zurück nicht mehr,
O Falk', mit meinem Sehnen."
(S. 95-96)
XI.
"Flieg' Falke,
flieg' soweit der Himmel reicht!
Mir ist von meinem Lieben
Ein wundes Herz geblieben,
Das heilet nimmermehr;
Und fort will ich nun wandern
Von einem Ort zum andern
Weit über Land und Meer.
Flieg' Falke, flieg', soweit der Himmel reicht!
Was hilft mir's, wenn ich scheide,
Wenn ich die Stolze meide,
Verfolgt von ihrem Bild!
Sie hat mich so gekettet,
Daß keine Flucht mich rettet
Und meine Sehnsucht stillt.
Flieg' Falke, flieg', soweit der Himmel reicht!
Wohin den Schritt ich lenke,
Ich ihrer stets gedenke,
Die meinen Frieden nahm.
Mir sagt des Herzens Beben,
Daß bald mein junges Leben
Verzehrt der bitt're Gram."
(S. 96-97)
XII.
"Könnt' ich wie du,
mein Falk', mich schwingen
Hinauf zur blauen Himmelsluft,
Ich wollt' um eine Beute ringen,
Von der mich scheidet weite Kluft.
Daß tief im Thal ich bin geboren,
Wo hoch ihr Schloß auf Felsen steht,
Daß mir kein Wappenschild erkoren
Und Nacht der Väter Grab umweht.
Dort über'm Schloß schlüg' ich's Gefieder,
Wohin kein spähend Auge blickt,
Im jähen Schusse stieß ich nieder
Und hielt die Beute fest umstrickt.
Das Edelfräulein wollt' ich fassen
Bei ihrem gold'nen Ringelhaar
Und im Gebirg' mich niederlassen,
Ein stolzer, königlicher Aar!"
(S. 97-98)
XIII.
"Bin ich ein wilder
Falke,
Hat Wachen mich gezähmt,
Daß mir zum Siegesfluge
Der Fittig ist gelähmt?
Ich bin ein wilder Falke
Mit Fängen scharf und spitz,
Und treffe meine Beute
So sicher wie der Blitz.
Und trägt sie Gold und Seide
Und Perlenschmuck im Haar,
So trag' ich Wehr und Waffen
Und trotze der Gefahr.
Die Waffen will ich schwingen
Im blutigen Gefecht
Und Rittersporn verdienen
Dem niedern Jägerknecht."
(S. 98-99)
XIV.
"Steig' auf mein
Falk', schwing' dich hinauf,
So hoch der Himmel blaut,
Bis auf dem Berg' am Stromes Lauf
Ein Schloß dein Auge schaut,
O Falke, mein Stolz,
Beim Jagen im Holz!
Steig' auf mein Falk', im Rittersaal'
Das Edelfräulein sitzt,
Die höhnt die Freier all' im Thal,
Ihr schwarzes Auge blitzt,
O Falke, mein Stolz,
Beim Jagen im Holz!
Steig' auf mein Falk' und grüße mir
Des Ritters ad'lig Kind,
Bin ich auch nur ein Falkonier,
Hab' ich sie doch geminnt,
O Falke, mein Stolz,
Beim Jagen im Holz!"
(S. 99-100)
XV.
Drei Ritter mit
Falken die sitzen zu Roß
Und grüßen am Söller das Fräulein vom Schloß.
Sie reiten hinunter in's duftige Moor
Und leise gesteht es der jüngste zuvor:
"Ich liebe das Fräulein!" - ""Wir lieben es auch!""
Da rauscht es, ein Reiher sich schwingt aus dem Strauch.
"Weß Falke da droben den Reiher bezwingt,
Als Sieger vor Allen das Fräulein erringt!"
Streich' Reiher, drei Geier, das kostet dein Blut,
Und Fräulein, drei Freier, das endet nicht gut!
Es steigen die Falken hinauf in das Blau
Und schlagen den Reiher herab in den Thau.
"Der Sieger bin ich, denn mein Falke, der schlug
Dem Reiher die Fänge zuerst in den Bug!"
""Der Reiher ist mein, denn es hat ihm zuletzt
Mein Falke die tödtliche Wunde versetzt!""
"""Nein! mein ist der Reiher, und wer ihn begehrt -
Und siegte mein Falk' nicht, sieget mein Schwert!"""
Da blitzen die Schwerter zugleich aus der Scheid'
Und schlichten wie immer verworrenen Streit.
Sie stoßen dem jüngsten in's Herz hinein. -
"Wer soll von uns Beiden der Sieger nun sein?"
""Der Sieger sei der, dem das Fräulein zum Sold
Für treuliches Minnen ein Zeichen gezollt.""
Der löst sich die Schleifen am Wammse, da war
Verborgen am Herzen ihr goldenes Haar.
Der streift sich den Stulpen herab von der Hand,
Da hielt seinen Finger ihr Ringlein umspannt.
Die Ritter erblassen und blicken sich an:
"Verflucht sei die Falsche, die dieses gethan!"
Die Beiden, sie schieden und grüßen sich nicht,
Wohin sie gekommen, weiß Keiner Bericht. -
(S. 100-102)
_____
Oliva, die Zigeunerin
"- Herrliches
Zigeunerkind!
Schnell hast du geliebt, und welkst geschwind!"
Nikolaus Lenau
I.
Oliva, wie reizend
und schön bist du
Vom Dunkel des Hages umsponnen!
Ich eile mit seligem Blick dir zu,
Zum springenden, klingenden Bronnen.
Ich eile mit seligem Blick zu dir,
Du flammende Rose der Haide,
Und flüsternd umweht mich das Waldrevier,
Als suchten wir sehnend uns Beide.
(S. 105)
II.
Wie schlagen die
Amseln im Buchengrün,
Wie nimmer im Wald sie geschlagen!
Wie duften die Rosen am Strauche und glüh'n,
Wie nimmer ein Lenz sie getragen!
Mir ist, als hätte den Sang gelehrt
Seit gestern den Vögeln die Liebe,
Und hätte in schwellende Lippen verkehrt
Die Rosen am schwankenden Triebe.
(S. 106)
III.
Es springen die
Hirsche im Wiesengrund
Und haben vor'm Jäger kein Bangen:
Sei still, sei still mein treuer Hund,
Es hat mich die Liebe gefangen.
Und küßt' ich nur wieder den Purpurmund
Und küßt' ihre Augen und Wangen,
So konnte kein Jäger im Waldesrund
Sich edlere Beute erlangen.
(S. 106)
IV.
Ich habe im Forste
den Hirsch gehetzt,
Weil nimmer mich Anderes freu'te:
Die Blätter und Blumen vom Thaue benetzt,
Die sehe zum Ersten ich heute.
Ich streifte beim Jagen die Blätter vom Ast
Und schlug in die Blüthen und Ranken -
Mir ahnt, ich zerschlug in der wilden Hast
Der Liebe die schönsten Gedanken.
(S. 107)
V.
Es neigen die
Gipfel sich hin und her,
Gewiegt vom säuselnden Winde;
Ich neige mein Haupt, mein Herz ist schwer,
Wie schwindet die Ruhe geschwinde!
Dort fluthet die Quelle und springt und schäumt
Und schimmert wie Sternengefunkel;
Es fluthet mein Herz und singt und träumt
Von Sternen, von Augen so dunkel.
(S. 107)
VI.
Es rinnt in dem
Stamme der Saft so leis,
Verborgen von moosiger Rinde,
Bis endlich er dringt aus dem treibenden Reis
Als duftiges Blättergewinde.
Es schlummert im Herzen die Liebe so leis,
Zugleich mit dem Menschen geboren,
Daß ehe er's ahnt und selber noch weiß,
Sie springt aus verschlossenen Thoren.
(S. 108)
VII.
In zitternden
Perlen blitzt der Thau
Am Lattich und rankenden Hopfen,
Doch spiegelt sich Himmel und Erde genau
Im einzigen, winzigen Tropfen.
O zitterndes Herz, wie bist du so klein,
Und wieder von Allem das größte,
Wenn zog von dem Himmel die Liebe hinein
Und dich von der Erde erlöste.
(S. 108)
VIII.
Es sang mir ein
wandernder Troubadour
Von glühenden Frauen im Süden,
Doch was er gesungen, das dünkt mir nur
Die Blätter und nimmer die Blüthen.
Doch Blüthen und Blätter zu Einem Kranz
In prangender Fülle gebunden,
Das hab' ich, geblendet von Gluth und Glanz,
In dir, Oliva, gefunden.
(S. 109)
IX.
Es klingt aus den
Blättern so süß mich an
Und wird mir so träum'risch zu Sinne,
Als würd' ich zum Berge gezogen die Bahn,
Darinnen verschlossen Frau Minne.
Frau Minne, wie flimmert das Edelgestein,
Wie schimmern die schneeigen Glieder!
Doch lock'st du mich nimmer zu dir hinein,
Vergebens erklingen die Lieder.
(S. 109)
X.
Frau Minne, du
bleiches, du blendendes Weib,
Du konntest den Tannhäuser stricken;
Vergangen am schönen, sündigen Leib,
Gefangen an gläsernen Blicken.
O hätt' er die Augen Oliva's geseh'n,
So blieb er dir nimmer verfallen,
Er wäre gegangen und ließ dich vergeh'n
In deinen entzauberten Hallen.
(S. 110)
XI.
Wie brennt's mir im
Herzen so heiß, so heiß,
Fast kann ich es nimmer bezwingen;
Ich grüße ein jegliches Blatt und Reis,
Die flüsternd das Haupt mir umschlingen.
Und weil ich nun selber es nimmer weiß,
Mich los von dem Drängen zu ringen,
So stoß ich in's Hifthorn, laut und leis,
Im Liede, da soll es verklingen.
(S. 110)
XII.
Durch Thäler und
über die Höh'n im Wald
Sich heben und senken die Klänge,
Holdseliges Lieb, ich küsse dich bald,
Schon grüßen dich meine Gesänge.
Wie schön ist's im Hage, wie grünt es da,
Vom Glanze der Liebe umsponnen,
Seit ich in die leuchtenden Augen sah,
Der Wonne ungründliche Bronnen. - -
(S. 111)
XIII.
Ich sah sie vor mir
steh'n, die Tochter der glühenden Zone,
Das schwarze Haar geschmückt mit blühender Haidekrone,
Den Busen leicht verhüllt mit silbergesponnenem Schleier,
Im stillen Waldesgrund am binsenbewachsenen Weiher.
Das Haupt vom Laub umweht, die Füße auf moosigem Sammte;
Auf jedem Blatt und Halm mit zitternden Lichtern noch flammte
Der Abendsonne Gluth und farbig gebrochene Streifen
Umschlossen ihr Gewand mit schillerndem Gürtel und Reifen.
Ich sah sie vor mir steh'n im plätschernden Wellengekose;
Es hob zu ihr den Kelch die duftig prangende Rose,
Es schlug die Nachtigall im Hage, dem zauberisch dunkeln,
Der Mond ging auf im Ost, die Sterne begannen zu funkeln.
Sie hob des Scharlachs Saum und tauchte die schwellenden Glieder
In's klare, frische Naß und blickte wie träumend nieder;
Es floß herab ihr Haar in üppigen, glänzenden Wogen,
Sie wand es um den Hals, zum Spiegel lächelnd gebogen.
Sie preßte d'raus die Fluth, daß blitzend noch träuften die Perlen
In's eingedrückte Moos, beschattet von flüsternden Erlen,
Und lässig nun gelehnt zum eppichumschlungenen Stamme
Das feuchte Haar sie strählt', die Finger gespreitet zum Kamme.
Ich sah sie vor mir steh'n von kletternden Ranken umflochten,
Den Odem hielt ich an, die brennenden Adern pochten;
Wie schön, wie schön sie war, die Tochter der glühenden Zone,
Zum Schmucke nur im Haar die blühende Haidekrone.
(S. 112-113)
XIV.
Ich kann dich nicht
vergessen,
Zigeun'rin mit den rabenschwarzen Strähnen;
Ich möcht' mein armes Herz zusammenpressen,
Bis endlich stürbe all' sein heißes Sehnen.
Ich kann dich nicht vergessen,
Zigeun'rin, mit den dunkeln Sternenaugen;
Ich könnte eh'r des Meeres Fluth ermessen,
Als all' die Thränen von den Wimpern saugen.
Ich kann dich nicht vergessen,
Zigeun'rin, mit dem grossen, stolzen Herzen;
Ich weiß es nicht, vielleicht ist's unterdessen
Gebrochen längst an seinen bitt'ren Schmerzen.
(S. 113)
XV.
Da kam die braune
Zigeunerin
Im dunkelnden Buchenhag gegangen;
So schön, wie Wetterleuchten schön
Aus schwarzen Augen die Blitze sprangen.
Zigeunerin, du gießt die Gluth
Mir wieder über die bleichen Wangen;
Du warst so schön, so bezaubernd schön,
Mich faßte unaussprechlich Bangen.
Mir bebte das Herz, Zigeunerin,
Mich hielten die schwarzen Augen gefangen,
Und doch so schön, so schön du warst,
Du stilltest nimmer der Seele Verlangen.
(S. 114)
Oliva
XVI.
Ich denk' an dich,
Wenn golden auf die Sonne geht
Und fröhlich jeder Vogel singt;
Wenn mir im Aug' die Thräne steht
Und Niemand einen Gruß mir bringt,
Denk' ich an dich.
Ich denk' an dich,
Wenn langsam lang der Tag verstreicht
Und traurig jede Stund' verfließt;
Wenn bleicher meine Wange bleicht
Und stummer Schmerz die Lippe schließt,
Denk' ich an dich.
Ich denk' an dich,
Wenn düster dann der Abend nah't
Und dämmernd Berg und Wald verschwimmt;
Wenn mir auf einsam stillen Pfad
Die Sehnsucht jede Ruhe nimmt,
Denk' ich an dich.
Ich denk' an dich,
Wenn niedersinkt die schwarze Nacht
Und Alles, Alles schlafend ruh't;
Wenn thränenlos mein Auge wacht
Und heiß im Herzen wogt das Blut,
Denk' ich an dich.
Ich denk' an dich
An jedem Ort und alle Zeit,
So lang' mein zitternd Herz noch schlägt,
So lang, bis man im Todtenkleid
Mich in der Fremd' zu Grabe trägt,
Denk' ich an dich.
(S. 114-116)
XVII.
Sei still mein
Herz!
Was soll dein bebend Schlagen,
Was soll dein zitternd Pressen?
Du mußt dein Leiden tragen,
Verlassen und Vergessen;
Sei still mein Herz!
Sei still mein Herz!
Was soll dein wildes Wogen,
Was soll dein drängend Beben?
So weit ich auch gezogen,
Kann dir die Ruh' nicht geben;
Sei still mein Herz!
Sei still mein Herz!
Lösch' aus dein heiß Verlangen,
Seit er von mir geschieden,
Hält dich die Nacht umfangen,
Im Grabe wird dir Frieden;
Sei still mein Herz!
(S. 116-117)
XVIII.
Einsam steh' ich
auf der Haide,
Einsam und im Herzen Pein;
Traurig blick' ich in die Weite,
Schaurig ist Verlassen sein.
Eine blaue Mandelkrähe
Seh' ich durch den Nebel schweben,
Doch ich seh' in ihrer Nähe
Eine and're sich erheben.
Fern am Saume streifen Rehe
Rudelweise scheu vorüber,
Nur für mich, soweit ich sehe,
Wird die Haide trüb und trüber.
Endlos öde liegt die Haide,
Endlos öd', soweit ich sehe,
Wie ein Bild von meinem Leide,
Wie ein Bild von meinem Wehe.
(S. 117)
XIX.
Schlumm're Kind, es
weht der Wind,
Welke Blätter weht der Wind.
Wie sie fliegen, wie sie schweben,
All' mein Lieben, all' mein Leben
Welke Blätter, weht der Wind.
Schlumm're Kind, es rinnt der Bach,
Trüb' und trau'rig rinnt der Bach.
Wie die Wellen rieselnd rinnen,
All' mein Sehnen, all' mein Sinnen
Rinnt in Thränen, mit dem Bach.
Schlumm're Kind, es singt ein Schwan,
Sterbend singt im Schilf ein Schwan.
Von der Täuschung Pfeil getroffen
All' mein Glauben, all' mein Hoffen
Sterbend, sterbend singt ein Schwan.
(S. 118)
Cingal
XX.
In den Höfen der
Alhambra
Castagnetten, Cymbeln klingen,
Zu dem Klang der Mandoline
Lieder die Zigeuner singen.
Auf zerbroch'nen Marmorsäulen
Dicht gelagert in der Runde
Schlürfen sie des Weines Süße
In der kühlen Dämmerstunde.
Den Fandango tanzt Oliva
Zierlich schwebend auf und nieder,
Schmiegt und biegt den zarten Tönen
Die gelenken, feinen Glieder.
Aller Blicke haften trunken
Auf dem schönen Königskinde,
Ihre rabenschwarzen Flechten
Fliegen aufgelöst im Winde.
Voller tönen jetzt die Saiten,
Rascher rauscht die wilde Weise
Und begeistert von dem Liede
Schwingt Oliva sich im Kreise.
Zitternd fließt der Glanz der Seide
Um der Formen üpp'ge Fülle
Und des Busens schwellend Wogen
Hebt und senkt die leichte Hülle.
Leis und leiser wie das Flüstern
In dem Laube der Cypressen,
Schwinden mählig sanft die Klänge
Hin in trunkenem Vergessen.
Wie in süßer Lust verschmachtend
Hingesunken auf dem Moose,
Knüpft sie flüchtig jetzt den Schleier,
Streicht zurück das Haar, das lose.
Jauchzend bricht der Sturm des Beifalls
Aus der hochentzückten Runde,
Freude strahlt in allen Augen,
Jubel strömt von jedem Munde.
Einer nur steht still und schweigend
In dem Schatten einer Mauer,
Cingal, der Oliva liebte,
In dem Herzen tiefe Trauer.
(S. 119-121)
XXI.
In dem Garten von
Kastilien
Unter dem Citronenlaube,
Glühen Rosen, glänzen Lilien,
Reift die feurig süße Traube.
Durch der Ranken duft'ge Blüthen
Sah ich schwarze Augen blitzen,
So die scharfen Pfeile glüh'ten,
Die mir tief im Herzen sitzen.
Ihrer Nacht mit gold'nen Sternen
Bin getreu ich nachgezogen,
Wo in nebelkalten Fernen
Wälzt der Main die trüben Wogen.
Von dem Ebro, der da rauschte
Silbern durch die Sonnenmatten,
Bis ich auf den Herbstwind lauschte
In des Odenwaldes Schatten.
Rothe Blätter seh' ich fallen
Auf den feuchten Boden nieder,
Und im Winde leis verhallen
Meine stillen Klagelieder.
(S. 121-122)
XXII.
Tausend gold'ne
Sterne blitzen
Hoch am blauen Himmelszelte,
Doch von allen, die da glänzen
Keiner meine Nacht erhellte.
In zwei Sterne möcht' ich blicken
Unter schwarz gewölbten Bogen,
Die mit ihren stillen Gluthen
Meines Herzens Blut gesogen.
Doch die Sterne, so ich meine,
Sind mir niemals aufgegangen
Und die ungestillte Sehnsucht
Bleichte meine braunen Wangen.
Wo die beiden Sterne leuchten,
Bin ich immer nah' zu finden,
Will in ihre Flammen blicken,
Bis die Augen mir erblinden.
(S. 122)
XXIII.
Deine Wiege war die
Haide,
Wiegte dich auf weichem Moose,
Perlen Thau's war dein Geschmeide,
Schmuck allein die wilde Rose.
Lieder sangen dir die Winde,
Sangen leise dich in Träume,
Kosten mit den Blumen linde,
Weh'ten flüsternd durch die Bäume.
Priesen lieblich in Romanzen
Spaniens Sonnengoldgefilde,
Wo geglänzt der Mauren Lanzen,
Wo geflammt die runden Schilde.
Brachten viele Tausend Grüße
Von den Gärten in Kastilien,
Wo gereift der Traube Süße,
Wo geblüht die Feuerlilien.
Tausend Grüße send' ich heute
Jenem schönen Land zurücke,
Wo mein junges Herz sich freute
An der Liebe stillem Glücke.
Schwarzer Tannen moos'ge Rinde
Ist der Führer dir geworden,
Jetzt umbrausen dich die Winde
Schneidend aus dem eis'gen Norden.
Doch sie singen keine Lieder,
Wiegen nimmer dich in Träume,
Welke Blätter streu'n sie nieder,
Streifen klagend durch die Bäume.
Deine Haare netzt der Regen,
Deine Augen netzen Thränen -
Trauernd folg' ich deinen Wegen,
Thränenlos in heißem Sehnen.
(S. 123-124)
XXIV.
Wend', Oliva, deine
Blicke
Fernhin nach dem gold'nen Süden,
Wo der Schönheit Frühlingsknospen
Auf zu vollen Rosen blüh'ten.
Wo die Strahlen heißer Sonne
Bräunten deine zarten Wangen
Und ich dir die Stirne schmückte
Mit der Blumen Duft und Prangen.
Wo ich dir die Mandoline
Spielen zum Gesange lehrte,
Und des Stammes schönste Tochter
Mit den schönsten Weisen ehrte.
Dorten hast du noch gestanden
Lauschend auf des Liedes Worte,
Die zum Paradiese öffnen
Sollten die verschloss'ne Pforte.
Dorten, wo die Mondennächte
Silberhell die Wogen säumen,
Durft' ich noch von stillen Wünschen,
Selig von der Liebe träumen.
Wend', Oliva, deine Blicke
Fernhin nach dem gold'nen Süden,
Wo die Herzen neu erwarmen,
So im kalten Nord verglüh'ten.
(S. 124-125)
Püsterich
XXV.
Meine Mutter, die
braune Zigeunerin,
Saß Nachts bei Lagerbrand,
Da trat ein Jäger zu ihr hin
Und faßt' sie bei der Hand.
Er zog sie in den Tannengrund,
In's hohe Farrenkraut,
Und küßte ihr die Lippen wund,
Bis früh der Morgen graut'.
Und wie der Wind so feucht und kühl
Ihm durch die Locken strich,
Da sprang er auf vom moos'gen Pfühl
Und wandt' zum Abschied sich.
"O Jäger sprich, an wessen Brust
Hab' ich die Sommernacht
Heißblütig in lieb'trunkner Lust
Mit feuchtem Aug' verbracht?"
""Neugierig Weib, was fragst Du mich,
Woher, wohin ich zieh'.
Ein wilder Jäger liebte Dich,
Der kehrt zurück Dir nie.""
Ein rother Hirsch flog jach daher,
Die Meute hintendrein,
Der Jäger griff zum blanken Speer
Und sprang zum Wald hinein.
Das Feuer auf dem Lagerheerd
War über Nacht verglüh't,
Das Feuer, das im Herzen zehrt',
Verbrannt' ihr schwarz' Geblüt.
Meine Mutter trug im Schooß davon
Von dieser Nacht ein Kind;
Ich bin des wilden Jägers Sohn,
Mein Vater ist der Wind.
(S. 126-127)
XXVI.
Meine Mutter, die
braune Zigeunerin,
Die führt' mich an der Hand,
Sie schritt wie eine Königin
So stolz im Bettlergewand.
Als ich einmal sie fragte,
Wer denn mein Vater sei,
Da seufzte sie und sagte:
"Sieh', dort zieht er vorbei!"
Und als ich nach der Seite
Die Blicke wandt' geschwind,
Sah' ich, wie auf der Haide
Hinstrich der Morgenwind.
Hei, ist der Wind mein Vater,
So singe ich sein Lied!
Ein windig Büblein hat er,
Das mit ihm weiter zieht.
Meine Mutter saß verlassen
Und weinte im Haidekraut,
Sie hat mir auf den Straßen
Vergebens nachgeschaut.
(S. 127-128)
XXVII.
Im Wald bin ich
gezeugt,
Im Wald bin ich geboren,
Dort haben braune Brüste
Mein wildes Blut gesäugt.
Dort schoß ich wie die Tanne
In Wind und Wetter auf,
Und übte mit dem Hirsche
Die Kraft im schnellen Lauf.
Dort hat die Morgensonne
Mich glühend angelacht
Und mich der Sternenhimmel
Begrüßt mit gold'ner Pracht.
Dort hat der Wind und Regen
Mein schwarzes Haar gefegt
Und sich der Nächte Schauer
Kühl um das Herz gelegt.
Im Walde will ich leben,
Im Wald' begraben sein,
Dort singen mich die Vögel
In's grüne Grab hinein.
(S. 128-129)
Die Zigeuner
XXVIII.
Fröhliche Stunden
Leben Zigeuner,
Kinder der Haide, so frei wie der Wind.
Eilend und weilend,
Nimmer gebunden
Schwindet mit Wandern das Leben geschwind.
Bald in dem Süden,
Bald in dem Norden
Schlagen wir flüchtig das luftige Zelt.
Pflücken im Fluge,
Sonder Ermüden
Blüthen, dem Ort und der Stunde gesellt.
Lasset die Thoren
Sorgen für morgen,
Selig zu werden, verachten das Heut'!
Einmal für immer
Sind wir geboren,
Was wir verloren, uns nimmer sich beut.
Was wir genossen,
Nennen wir unser;
Was wir genießen, hat Werth nur allein.
Künftige Zeiten
Liegen verschlossen,
Sind wir von hinnen, ist Alles nur Schein.
Neige die Lippen
Liebliches Mädchen,
Spende dem Zecher den süßesten Kuß;
Springen die Fluthen
Ueber die Klippen,
Sinkt mit der Ebbe der wallende Guß.
Heilige Leuchte,
Wechselnde Sichel,
Zürnend verdunkelt und liebend erhellt,
Gieße gestaltend
Thauende Feuchte
Ueber die Geister im Schatten der Welt.
(S. 130-131)
XXIX.
Du fröhliche,
selige Wanderlust,
Wir bleiben dir immer ergeben,
So lange wir singen aus voller Brust,
So lange die Herzen sich heben.
Es wandern die Sterne am Himmelszelt
Und wandert der Mond und die Sonne;
Wir Alle durchwandern die weite Welt,
Bis endet der Schmerz und die Wonne.
O glücklich, wen immer die Freude umwebt,
Wem träumend die Stunden entschwinden,
Dann hat er das Höchste des Lebens erstrebt
Und gönne das and're den Winden.
(S. 132)
XXX.
Wir wandern die
Berge hinab und hinauf
Und kümmern uns nimmer um's Ende,
Es folgt ja die Quelle des Thales Lauf,
Wohin es sich biege und wende.
Es trinkt sie der Strom, den trinket das Meer,
Zu Wolken verdunsten die Wellen,
Die fliegen im wehenden Winde daher,
Um wieder die Quelle zu schwellen.
So war es schon lange, so wird es sein,
Ein Wechsel von Einem zum Andern,
Wenn längst wir vermodern mit morschem Gebein
Und drüber die anderen wandern.
(S. 133)
XXXI.
Wir nahen mit
jeglichem Schritte dem Ziel,
Das Sterblichen sicher beschieden,
Und fallen wie welkende Blätter vom Stiel,
In Farbe und Form nur verschieden.
Die schmücken den Frühling mit lieblichem Grün
Und boten den kühlenden Schatten
Und lassen dem Winter getrost das Bemüh'n,
Sie unter dem Schnee zu bestatten.
Noch grünen die Bäume mit duftigem Kranz,
Noch schimmern die blühenden Wiesen;
D'rum lasset uns wandern, mit Spiel und Tanz
Das Leben, das kurze, genießen.
(S. 134)
XXXII.
Wir tragen ein
Sehnen in drängender Brust,
Ein Sehnen zu dämmernden Fernen,
Als wäre ein ewiges Ziel uns bewußt
Dort über den leuchtenden Sternen.
Wir ahnen es dunkel und wissen es kaum,
Ob dort in der blauenden Klarheit
Vergänglichen Lebens befangener Traum
Sich strahlend verwand'le zur Wahrheit.
Wir wandern vielleicht in dem Weltenall
Von Stufe zu Stufe zum Guten,
Bis einst mit dem Lichte im Sonnenball
Für ewig zusammen wir fluthen.
(S. 135)
XXXIII.
Es blickt aus den
Blumen so wunderbar
Ein träumendes, stilles Verlangen,
Als wären vom prangenden Zaubertalar
Leis schlummernde Geister umfangen.
Es zittern die Blätter und taumelnd schwebt
Ein schimmernder Falter vom Strauche,
Ein schwankender Kelch, der beseelet nun lebt,
Wie trunken vom duftenden Hauche.
Wir wandern durch's Leben mit leichtem Sinn,
Durch Thäler und über die Hügel
Und sinken wir endlich ermattet dahin,
So wachsen zum Wandern uns Flügel.
(S. 136)
XXXIV.
Es starren die
Felsen gebannt an den Ort,
Im Winde die Bäume sich wiegen;
Es ziehen die Rehe und weiter fort
Die wandernden Kraniche fliegen.
So steigert sich jeglichem Sein die Kraft
Zur schließenden Kette gegliedert,
Vom Grase zum ragenden Palmenschaft,
Zum Fächer der Wüste gefiedert.
Wir rollen ein Tropfen im Strom der Zeit,
Doch sind wir ein Glied in der Kette,
Die stets das Vergang'ne zum Künftigen reih't
Im Alles verschlingenden Bette.
(S. 137)
XXXV.
Wir brechen den
blühenden Zweig vom Ast,
Die Krämpe des Hutes zu schmücken
Und gönnen den Thoren die schnöde Last
Der Güter, die nimmer beglücken.
Wir ködern mit Körnern die Fische zum Strand
Und wissen das Wild zu berücken;
Wir brauchen nur auszustrecken die Hand,
Um Früchte vom Baume zu pflücken.
Zum Wandern der Stab und der leichte Muth,
Zum Wandern die Fiedel am Rücken,
Sind unsere Habe und einziges Gut,
Die nimmer mit Sorgen uns drücken.
(S. 138)
XXXVI.
Es schwinden die
flüchtigen Stunden dahin,
Für immer und immer verloren,
Wenn ängstlich wir suchen der Güter Gewinn,
Wie darbende, geizige Thoren.
Die schleppen der Sorgen erdrückende Last,
An klebender Scholle gebunden
Und haben von Gierde zum Golde erfaßt
Die Herzen mit Eisen umwunden.
Im Wandern gehört uns die weite Welt
Mit all' ihren Schätzen und Gaben;
Wir haben genug, um im gastlichen Zelt
Den müden Pilger zu laben.
(S. 139)
XXXVII.
Wir wandern am
klingenden Silberbach,
Im Schatten der rauschenden Bäume;
Die Zweige verschlungen zum luftigen Dach
Umdunkeln die duftigen Räume.
Die Blätter vergoldet das Sonnenlicht
Mit farbenschillernden Rändern;
Der Eppich vom Stamme zum Stamm' sich flicht
Mit schwankenden Rankengeländern.
Es schlagen im saftigen Laub so hell
Die Sänger mit buntem Gefieder;
Wir lauschen den Sängern und lernen schnell
Im Wandern von ihnen die Lieder.
(S. 140)
XXXVIII.
Ein jeder der Vögel
hat anderen Sang,
Soviel auf den Zweigen sich schwingen,
Doch werden sie alle vom gleichen Drang
Gezwungen zu singen, zu singen.
Sie grüßen den klingenden Morgenstrahl,
Der schwellenden Knospen Erschließen,
Die sonnigen Häh'n, das dunk'le Thal,
Die Wälder, Wässer und Wiesen.
Ihr Sänger, wir grüßen mit euch zugleich
Das flammende Auge des Tages,
Das träumende Dunkel im Zauberreich
Des schweigenden, schlummernden Hages.
(S. 141)
XXXIX.
Wie flötet so
lieblich die Nachtigall
In jauchzenden, klagenden Klängen,
Als könne sie nimmer in's Lied den Schwall
Der fluthenden Sehnsucht drängen.
Als wäre die trillernde Brust zu klein
Zu fassen die Gluthen der Liebe,
Wenn zitternd sie schwebt im Mondenschein
Auf Rosen umdufteten Triebe.
O Lied von der Liebe, wie klingst du so schön,
Wie's nimmer in Worten geklungen!
Wir lauschen im Wandern auf waldigen Höh'n
Vom Zauber der Liebe bezwungen.
(S. 142)
XL.
Die Fiedel vom
Rücken, den Bogen zur Hand,
Es locken die Saiten zum Tanze;
Fandango! Wie flattert und fliegt das Gewand,
Wie flirren die Blätter vom Kranze.
Fandango! Wie funkelt im Auge die Gluth,
Wie dunkeln die Rosen der Wangen!
O Liebchen! Mir siedet im Herzen das Blut,
Ich halte dich trunken umfangen.
O Liebchen, wie duftet der Rosenstrauch,
Erfülle mein glühendes Werben
Und lasse mich trinken vom Munde den Hauch,
Um selig vor Wonne zu sterben!
(S. 143)
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Schön Else
Am Bronnen, der so dunkel quillt
Im schattig kühlen Tann,
Da traf ein holdes Frauenbild
Der junge Jägersmann.
Schön Else strählt' ihr feuchtes Haar
Mit einem gold'nen Kamm,
Das lockig und wie Gold so klar
Bis auf die Füße schwamm.
Er grüßte fein, sie bot ihm Dank,
Er wußte nicht, wie's kam,
Daß er an ihre Seite sank
Und um den Leib sie nahm.
Und als er nach dem ersten Kuß
Von Liebesgluth entbrannt,
Da schöpfte sie vom Quellenguß
Den Born mit hohler Hand.
"Mein Jäger traut, des Kusses Gluth
Brennt dir die Lippen roth;
Aus meiner Hand trink' von der Fluth,
Sonst bringt er dir den Tod."
Er trank und trank in Einem Zug
Ihr bleiches Händlein leer,
Er trank und hatte nicht genug
Und schmachtete nur mehr.
"Und löscht der Born den Durst dir nicht,
So stürze dich hinein,
Hier oben unter'm Tageslicht
Kann ich dein Lieb nicht sein."
Sie schwand dahin im Dämmergrau'n,
Der Jäger saß und sann,
Mocht' lange in das Brünnlein schau'n,
Wie's lockend weiter rann.
Da weckt's ihn auf der Hörnerklang
Und frohes Jagdgeschrei,
Ein Rothhirsch durch die Büsche sprang,
Da ward der Jäger frei.
Der Born ist tief, der Born ist tief,
Viel tiefer als er scheint,
Wer weiß, wenn nicht das Hifthorn rief,
Wen jetzt sein Grund vereint. -
(S. 171-173)
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Frau Venus
"Die schönste Lust auf Erden,
Die wächst im grünen Tann,
Wenn ich auf frischen Fährten
Den Hirsch verfolgen kann!"
So singt ein Waidgeselle
Und streift durch Busch und Dorn,
Und stößt dabei so helle
Zum Jagen in das Horn,
Tajoh!
Sobald der Ruf erklungen,
Ist auf ein Hirsch gesprungen.
Er setzt hinab zum Grunde,
Zur wilden Bergesschlucht,
Der Jäger löst die Hunde
Und folgt des Wildes Flucht.
Da leuchtet's durch die Schossen
Mit wundersamen Schein,
Frau Venus, glanzumflossen
Tritt aus dem Felsgestein,
Tajoh!
Der Jäger vor Entsetzen
Vergißt den Hirsch zu hetzen.
"Die schönste Lust auf Erden,
Die wächst im grünen Tann,
Doch nicht auf Wildesfährten,
Mein lieber Jägersmann.
Beseligt mir zu sinken
An die lieb'trunk'ne Brust,
Den Kuß vom Mund zu trinken,
Das ist die schönste Lust,
Tajoh!"
Sie spricht's und ist verschwunden
Gleichwie der Hirsch den Hunden.
Der Jäger glaubt zu träumen,
Weiß nicht, wie ihm gescheh'n;
Er sieht in dunkeln Bäumen
Nur noch ein lichtes Weh'n.
Er steht und sieht verschwimmen
Den letzten Rosenschein,
Und fühlt im Herzen glimmen
Schon heißer Sehnsucht Pein,
Tajoh!
Das Jagdhorn ist verklungen,
Die Lieb' hat ihn bezwungen.
(S. 192-194)
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Heimliche Liebe
Fräulein Kunigunde stickte
Eine Schärpe roth mit Gold
Ihrem Ritter zum Turniere
Als getreuer Minne Sold.
Ihr zu Füßen saß der Page;
Wie sie an der Schärpe stickt',
Hat er mit den dunkeln Augen
Heimlich zu ihr aufgeblickt.
"Wär' ich doch wie Er ein Ritter
Säß' gewappnet ich zu Roß,
Daß ich dürft' zum Feste reiten
Stolz aus meiner Ahnen Schloß.
Ihre Farben sollten siegen,
Ihre Farben, Gold und Roth,
Oder ich läg' selbst erschlagen
Auf dem gold'nen Sande roth."
Kunigunde schlang die Schärpe
Ihrem Pagen um die Brust,
Die sich vor des Herzens Schlägen
Hob in bebend süßer Lust.
"Halte fein, mein Edelknabe,
Möchte nur die Farben seh'n,
Wie sie meinem tapf'ren Ritter
Zu den schwarzen Locken steh'n."
Blaß ist da der Page worden,
Doch sie hat es nicht geseh'n,
Sah schon um des Liebsten Schulter
Siegreich ihre Schärpe weh'n.
(S. 345-346)
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Die Brautfahrt
Es ritt Herr Walter wohl auf die Freit',
Auf stolzem Roß, im schmucken Kleid;
Er ritt durch Feld und Wald den Weg,
Er ritt wohl über die Brücken und Steg
Und konnt' sein Lieb nicht finden.
Er kam auch vor des Müllers Haus,
Da schaut' eine blonde Maid heraus,
Die war wie eine Lilie blaß,
Von Thränen ihre Augen naß
Und konnt' ihr Lieb nicht finden.
Die Maid hat um den Weg gefragt
Herr Walter und gar keck gesagt:
"Ich bin Herr Walter auf der Freit',
Auf stolzem Roß, im schmucken Kleid
Und kann mein Lieb nicht finden."
"Herr Walter, ach, ich kenn' Euch gut,
Ihr trankt aus meinem Herzen das Blut,
Ihr ließ't mir nichts als bitt'res Leid
Und reitet zu andern auf die Freit'
Ein besser Lieb zu finden. -
Herr Walter, ach, ich kenn' Euch nicht
Und wenn es mir das Herz auch bricht,
Ich kann ja Euer Weib nicht sein,
Ihr müßt ein ad'lig Fräulein frei'n
Und mögt die beste finden!"
Da sprang Herr Walter schnell vom Roß
Und trat in's nied're Erdgeschoß:
"Herr Müller, Euer Töchterlein,
Das soll mein herzig Weibchen sein,
Kein bess'res kann ich finden!"
(S. 347-348)
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Lorelei
"Ich glaube,
die Wellen verschlingen
Am Ende Schiffer und Kahn."
H. Heine
Ein Schifflein reich beladen
Schwimmt auf den Wellen hin.
Laß Steuermann dir rathen,
Hab' Acht mit wachem Sinn.
Frei ist der Rhein!
Horch wie am Loch bei Bingen
Die Fluth am Felsen braust
Und wie auf schwarzen Schwingen
Der Sturmwind d'rüber saust!
Frei ist der Rhein!
Steh', Steu'rer, fest am Rade,
Halt' aus mit letzter Kraft,
Sonst gebe Gott dir Gnade,
Vom Strudel weggerafft.
Frei ist der Rhein!
Bezwungen sind die Wogen,
Vorüber die Gefahr;
Das Schifflein kommt gezogen
Auf Wellen sanft und klar.
Frei ist der Rhein!
Doch weh', dort steht im Rheine
Ein Schlagbaum aufgestellt,
Das Schiff im Sonnenscheine
Daran den Bord zerschellt.
Frei ist der Rhein!
(S. 357-358)
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Suleima
I.
Vor der Pforte des
Serailes
Liegt der buntbemalte Kahn
Und die schwarzen Ruderknechte
Harren auf Suleima's Nah'n.
Tief gehüllt in seid'ne Schleier,
Reich in Gold und Edelstein,
Tritt sie aus der hohen Pforte,
Tritt in's schwanke Boot hinein.
Unter'm rothen Baldachine,
Auf der Kissen Purpurfließ
Ruht sie träumend, eine Houri
Aus der Sel'gen Paradies.
Lautlos heben sich die Ruder,
Senken sich auf Einen Zug;
Durch die Wogen schwebt die Gondel
Mit der Möve leichten Flug.
Von den Rudern träufeln Perlen
Blitzend in demant'nem Glanz;
Leise schaukelt sich die Gondel
Auf der Wogen Silberkranz.
Fern von Asia's Küste senden
Myrthenhaine süßen Duft,
Lieblich zieht ein wonnig Beben
Durch die milde Maienluft.
Glühend sinkt die Sonne nieder
In die klare, grüne Fluth,
Doch Suleima's Augensterne
Glühen noch in tief'rer Gluth.
Sehnend späh'n sie nach dem Franken,
Der in stiller Mondennacht
Vor des Harems engen Gitter
Süße Ständchen ihr gebracht.
Endlich, dort auf dem Verdecke
Lehnt er an dem schlanken Mast.
Einen Selam wirft Suleima
In die Fluth in scheuer Hast.
Wie ein Adler auf die Beute
Stürzt der Franke sich hinab,
Hascht der Lieb geheimes Zeichen
Aus dem flücht'gen Wellengrab.
Rasch hat er den Bord erstiegen
Und den Blick zu ihr gewandt
Drückt er voller Gluth die Lippen
Auf's ersehnte Liebespfand.
Arge Tücke tief im Herzen
Sitzt im Boote der Eunuch;
Seinem Herrn dieß zu verrathen
Schwört er sich mit grimmen Fluch.
II.
Nacht ist's und die
Wogen branden
Gegen des Serailes Thor,
Schlagen aus den dunkeln Tiefen
Hoch ihr weißes Haupt empor.
Werfen einen schwarzen Nachen,
Der dort an der Treppe liegt,
Auf und nieder, daß das Steuer,
Aechzend hin und wider fliegt.
Stumme, unbarmherz'ge Mohren
Kauern auf dem Rudersitz,
Fletschen ihre weißen Zähne,
Hellt die Nacht ein greller Blitz.
Der Eunuch schleppt aus dem Thore
Keuchend einen Sack in's Boot.
Lautlos heben sich die Ruder
Und das Steuer führt der Tod.
Wollen treiben vor dem Monde,
Bergen ganz sein fahles Licht.
In dem Nachen stöhnt's und wimmert's,
Doch die Sklaven hören's nicht.
An der Stelle, wo der Selam,
Duftend noch, das Zeichen gab,
Oeffnet sich im Meeresschooße
Schon ein spurlos, weites Grab.
(S. 363-367)
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Aus: Gedichte von
Heinrich Reder
Memmingen Oskar Besemfelder 1859
Biographie:
https://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_von_Reder