Karl Reinhard (1769-1840) - Liebesgedichte

 



Karl Reinhard
(1769-1840)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 



Erinnerung

Hier, wo im Erlenschatten
Die Amsel Nester hatten,
Der Drossel Lied erscholl,
Wo wir zum Quell uns bückten
Und Merdelblümchen pflückten,
Hier war mir sonst so wohl!

Nun sitz' ich hier und klage
Am schönsten Maientage,
Mit meinem Gram allein,
Und grab' in jede Stelle,
In jeden Baum am Quelle
Ein Kreuz für Jenny ein.
(S. 5)
_____



Über Alles die Liebe

Glücklich, wem die stille Freude
Heiliger Natur genügt:
Seht, wie rings ihm Kränze blühen,
Wie ihm Lenz und Maiflur glühen,
Wie der Himmel vor ihm liegt!

Glücklich, wer den Pfad der Tugend
Reinen Herzens niederwallt:
Unschuldsvoll die Lust geniesset,
Die auf jeder Flur ihm spriesset,
Ihm aus jedem Hain erschallt!

Glücklich, wer den Gang des Ruhmes
Sichern Schrittes kommt und geht:
Sein Gedächtniss schwindet nimmer;
Ewig strahlt des Kranzes Schimmer,
Der in seinen Locken weht!

Glücklich, wen die süsse Freiheit
Rettet von des Drängers Spott:
Keinem Kaiser darf er weichen;
Göttern ist er zu vergleichen;
Selber ist er schon ein Gott!

Glücklich, glücklich, wem die Freundschaft
Ihre Hand der Treue gibt:
Wen ein Freund durch's Leben leitet,
Wie sein Genius begleitet,
Und auf nun und ewig liebt!

Aber glücklich, drei Mahl glücklich,
Wen die Liebe glücklich macht!
Alles Heil hat er empfahen;
Alle Seligkeiten nahen
Ihm bei Tage, wie bei Nacht!
(S. 7-8)
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Im Mai

Kühler wehn die Abendlüfte,
Von dem Hauch der Wiesendüfte
Und der Äpfelblüten schwer.
Leise Zephyrschwärme kräuseln
Diese Wellen. Linden säuseln
Schaurig über mir daher.

Einsam lausch' ich, Philomele,
Deiner Klage; meine Seele
Spricht die Klagelieder nach.
Seufzest du nach der Geliebten?
Fliehe! Wecke dem Betrübten
Nicht die eignen Schmerzen wach!
(S. 9)
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Grablied

Nimm in Jenny's Kämmerlein,
Stilles, kühles Grab, mich ein,
Wo kein Schmerz den Schlaf ihr stört,
Wo mein Klagen sie nicht hört.
Gib bei ihr, du liebes Grab,
Mir ein kleines Plätzchen ab.

Sehnend blick' ich um mich her,
Finde nirgend Freude mehr.
Traurig schleicht der März und Mai
Und die Rosenzeit vorbei.
Meinen Frühling sah ich fliehn;
Meine Rose früh verblühn.

Herz an Herz sass ich mit ihr
Oft am Silberquelle hier,
Wo im Antlitz der Natur
Sie den Liebesbund beschwur.
Weinend sitz' ich nun allein
Hier am öden Blumenrain.

Dieser Baum, der früh und spät
Uns Erquickung zugeweht,
Streuet seinen Blüthenduft
Nun auf eine Todtengruft,
Sieht in seinem Schatten nun
Mich allein mit Thränen ruhn.

Fromme Seelen, weint mit mir
An dem Grabeshügel hier.
Thränen sind es, was mir blieb.
Und die Thränen sind mir lieb.
Denn in ihnen nur allein
Find' ich Lindrung meiner Pein.

Aber bald erscheint der Tag,
Der die Thränen trocknen mag,
Der zur Freude für und für,
Jenny, mich vereint mit dir.
Süssre Thränen fliessen dann,
Als ich jetzt sie weinen kann.
(S. 10-11)
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Mailied

Lämmer springen
Um den Quell.
Vögel singen
Süss und hell.

Durch die Auen
Spielt der Bach
Kleinen blauen
Blümchen nach.

Flöten schallen
Silberrein,
Und verhallen
Durch den Hain.

Alle Wesen
Athmen frei,
Sind genesen
Durch den Mai.

Und erheben
Amor's Zeit
Durch ein Leben,
Ihm geweiht.

Herzen tauschen
Ihre Qual.
Küsse rauschen
Ohne Zahl.

Unter Rosen
Tief versteckt,
Wird das Kosen
Nicht entdeckt.
(S. 22-23)
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Vorsichtige Liebe

Verschwiegner Schatten dieser Gründe,
Von meiner Zärtlichkeit erfüllt,
Geliebter Hain, wo mir Selinde
Des Herzens heisse Sehnsucht stillt,
Wann wir dem Glück der Jugendfeste
In deinem Heiligthum uns weihn,
So schliesse dichter deine Äste,
Und hüll' uns jedem Auge ein.
(S. 29)
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Der Zufriedene

Wenn mich mein Röschen liebet,
So bin ich wohlgemuth;
Und Mancher ist betrübet
Bei allem Geld und Gut.

Und hätt' ich grosse Haufen
Von Perlen und von Gold,
So könnt' ich Kronen kaufen,
Doch nicht der Liebe Sold!

Was hülf's mir armen Zecher,
Säss' ich bei'm Austernmahl,
Bei'm Weinbekränzten Becher,
Und stürb' in Liebesqual?

Den Schatz der ganzen Erde
Nehm' ich nicht für mein Glück:
Mein Hüttchen, meine Herde,
Und Röschen's Liebesblick!
(S. 30)
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Der Traum der Mainacht

Des Maimonds Fülle
Umfing so rein
In hehrer Stille
Den Blüthenhain.

Von Nachtigallen
Wurd' allgemach
Ein Chor in allen
Gebüschen wach.

Es schwamm so milde,
So licht und blau
Das Lenzgefilde
Im Abendthau.

Und jeder Hügel,
Und jeder Strauch
Stand in dem Spiegel
Des Baches auch.

Die Sterne schienen
So klar am Hag,
Wo ich im Grünen
Voll Kummer lag.

Mit meinem Kummer
Allein, allein. -
Da wiegt' in Schlummer
Die Nacht mich ein.

Und hauchte Frieden
Und süsse Ruh'
Dem Lebensmüden
Mitleidig zu.

Der Schlummer drückte
Mein Auge kaum,
Ach! da entzückte
Mich hold ein Traum.

Ich ging am hellen
Verschwiegnen Bach
Den Silberwellen
Durch Blumen nach.

Ein Meer von Düften
Und Blüthenthau
Umfloss die Triften,
Die Frühlingsau.

Bei'm wonnelauten
Naturgesang
Wallt' ich im trauten
Gebüsch entlang,

Das unsre Spiele
So oft belauscht,
Und Duft und Kühle
Uns zugerauscht.

Und nun die Töne
Der Klage hört,
Seit Jenny's Schöne
Der Tod zerstört.

Ich fand die Stelle,
Wo ich so oft
Bei Mondenhelle
Auf sie gehofft.

Hier lag im Golde
Des Abends, tief
Im Hain, die Holde
Am Quell, und schlief.

Ich eilte näher,
Beschämt, herbei,
Dass ich nicht eher,
Als sie, hier sey.

Die Weste spielten
Um das Gewand
Der Unschuld, kühlten
Der Wange Brand.

Ihr Busen strahlte,
Nur halb verhüllt,
Hervor und mahlte
Der Jugend Bild.

In langen Zügen
Trank ich die Lust,
Berauscht zu liegen
An ihrer Brust.

"O, welch Entzücken,
Wann nun die Pracht
Von ihren Blicken
Mir wieder lacht!"

Doch, ach! noch immer
Hielt tiefe Ruh'
Voll Neid den Schimmer
Der Augen zu.

Ich ging verstohlen
Den Bach hinan,
Zerriss Violen
Und Majoran.

Und warf sie zagend
Ihr in's Gesicht.
Sie seufzte klagend,
Und merkt' es nicht.

Nun drückt' ich bange
Zum Morgengruss
Auf ihre Wange
Den Liebeskuss.

Da blickte wieder
So hell und klar
Auf mich hernieder
Ihr Augenpaar.

Die Huldinn lachte
So freundlich nie.
Und ich - erwachte
zu früh, zu früh!

Warum, o Liebe,
Warum zerrann
Der Traum? Er hübe
Ein Daseyn an.
(S. 31-36)
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An Emma
Am Abend, als sie sang

Späte Nachtigallen schlugen
Durch das Waldgebüsch herein,
Und die Abendlüfte trugen
Den Gesang durch Flur und Hain.

Alles schwieg, die Triften schwiegen
Und der Nachtigall Gesang,
Als mit leisen Odemzügen
Deines Liedes Ton erklang.

Jeder helle Laut entschwebte
Wie ein Segen deiner Brust;
Jedes holde Wort durchbebte
Mich mit Schauern süsser Lust.

Ha! dein Auge, Mädchen, weinte,
Als dein Lied von Liebe sprach.
Sage, wen die Thräne meinte,
Die der Augen Glanz durchbrach?

Darf ich kühn dem Blicke trauen,
Der auf mich mit Lächeln sank,
Als ich sie von deinem blauen,
Grossen Auge lechzend trank?

Ach! das Lied von deinem Munde
Hallte tief in's Herz hinein.
Ewig soll mir diese Stunde,
Und diess Lächeln heilig seyn!
(S. 37-38)
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An ein Herbstlüftchen

Liebliches Lüftchen, woher
Über das Stoppelfeld,
Süss und duftig dein Odem,
Wie von tausend
Küssen der Maienflur?

Ha! ich ahnd' es;
Du sahest
Emma am Ufer des Okar,
Ihre glühende Wange
Sinnig und stillbetrübt
Auf ihren Schwanenarm gebeugt,
Und raubtest des rosigen Mundes
Heimlichen Seufzer.

Kehrst du zurück, so sag' ihr:
Ich fand im Dunkel
Des schaurigen Elmes
Deinen Geliebten,
Sein Auge in Thränen,
Und deinen Nahmen auf seinen Lippen.
(S. 39)
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An Laura

Languir per lei è meglio,
Che gioir d' altra
Petrarca

Darf mein Blick zum ew'gen Leben
Deiner Schönheit aus der Nacht
Der Verzweiflung sich erheben,
Die kein Hoffnungsstrahl durchlacht?
Darf ich's wagen, voll Vertrauen
Deiner Gnade, und voll Muth
Auf zu dir, hinauf zu schauen
In der Augen blaue Fluth?

Darf ich, wo im schönsten Bunde
Tausend Reitze Wunder thun,
Ungestraft auf deinem Munde
Mit der Liebe Wünschen ruhn?
Ruhn, wo um des Busens Fülle,
Den die Ahndung höher hebt,
Deiner Locken dunkle Hülle
Sich vergebens dichter webt?

Darf das kühne Lied dir sagen,
Was mein Herz in Seufzern bricht?
Darf es deinen Nahmen tragen,
Den diess Herz nur leise spricht?
Dass die Nachwelt spät erfahre,
Wie der Sänger trostlos stirbt,
Und das Mitleid ferner Jahre
Eine Thräne ihm erwirbt?

Nein, o Himmel, nein! Auf immer
Schleusst das Schicksal mir den Mund.
Meine Lippe thue nimmer
Meines Herzens Stimme kund!
Was ich fühle, zu verschweigen,
Bin ich immerdar verdammt,
Und es darf dess keiner Zeugen,
Was mein Innerstes durchflammt.

Ha! seit wann spricht mein Beginnen
Jeder lauten Warnung Hohn?
Ha! seit wann in allen Sinnen
Dieser irre Taumel schon?
Sind des Geistes reiche Blüthen
Frevelnder Begierden Spiel?
Bringt so rasch und früh das Wüthen
Wilder Leidenschaft an's Ziel?

Sagt, wer ist er, der vom Staube
Seiner Niedrigkeit hinan
Hoch vermessen nach dem Raube
Einer Göttinn trachten kann?
Hält nicht Dädal's Sohn den Spiegel
Seines Falls ihm schreckend vor,
Höb' er mit verwegnem Flügel
Sich zum Sonnenthron empor? -

Nein, ich darf es nicht bekennen,
Was an meinem Leben nagt!
Nein, ich darf das Wort nicht nennen,
Das mich laut vor dir verklagt!
Und du darfst das Wort nicht hören,
Das durch alle Welten klingt,
Das in hellen Wonne-Chören
Hin durch alle Zeiten schwingt.

Du, vor Tausenden zum Throne
Über Tausende erwählt,
Darfst nicht wissen, dass die Krone,
Welche Amor weiht, dir fehlt.
Dir zum Knecht bin ich berufen;
Und ich darf es nicht gestehn,
Was an deines Thrones Stufen
Meine Wünsche mehr erflehn.

Wie in tiefen Felsengründen
Ein verschlossnes Feuer glimmt,
Und dann schnell aus tausend Schlünden
Seine Bahn zum Äther nimmt:
So durchwühlen diese Flammen
Meines Herzens tiefsten Schacht.
Endlich stürzt der Bau zusammen,
Und die Gluth steigt aus der Nacht.

Sie durchbricht die letzten Schranken,
Die kein Gott zusammenhält;
Meine letzten Trümmer wanken,
Und der Aschenrest zerfällt.
Laura, Laura, ich bereue
Ein verlornes Leben nicht.
Laura, lebe wohl! Ich scheue
Nicht den Todesgang der Pflicht.

Ha! ich sinke! Ha, ich falle!
Ich vergesse, was ich litt.
Meine Freuden nehm' ich alle,
Mein Geheimniß nehm' ich mit.
Liebe wird mich nicht begraben,
Wo uns Liebe einst vereint.
Glücklich, deine Augen haben
Kein Erbarmen mir geweint!

Offen steht die enge Klause,
Und das grosse Todtenreich,
Hier in unsrer Mutter Hause,
Laura, macht der Tod uns gleich.
O, ich komme, o, ich neige
Mich voran die Nacht hinab.
Laura, folge mir, ich steige
Jauchzend in das Blumengrab.

Ach! wie selig wird der Müde
In der öden Kammer ruhn.
Welche Stille, welcher Friede
Nach dem langen Jammer nun.
Meine Sorgen, meine Klagen
Schlummern ewig mit mir ein,
All das Weh, das ich getragen,
All des kranken Herzens Pein.

Horch! es tönt zum letzen Mahle
Mir des Waldes Harmonie.
Horch! aus fernem Geisterthale
Ruft mich Schlummer-Melodie.
Ferner Donner hallt herüber,
Und der Wetterstimme Dräun;
Immer dämmernder und trüber
Hüllet mich das Dunkel ein.
(S. 53-58)
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An eine Rose

Späte Zierde des Gartens, du glühtest schöner und röther,
Als Elisa dich brach, zwischen den Lilien der Hand.
Als sie dich aber zum Purpur der Lippen und Wangen emporhob,
O, wie schwanden so schnell Schönheit und Röthe dahin!
(S. 66)
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An Elisa
Als sie glaubte, dass ich sie vergessen könnte

Wie könnt' ich, den Schwüren zum Hohn,
Dich, Schönste der Mädchen, vergessen,
Und dürfte doch kühn mich vermessen,
Zu fordern der Zärtlichkeit Lohn?

Wer Liebe und Treue verhiess,
Und wagt es, sie frevelnd zu brechen,
Den strafen, den Meineid zu rächen,
Die Himmlischen, die er verliess!

Kann Trennung den Seelenverein,
Den Frieden der Liebenden stören?
Wohl kann sie die Qualen vermehren;
Nicht hoffende Herzen entzwein!

Und bin ich denn wirklich dir fern?
Besucht nicht im mondlichen Schimmer
Mein Genius jetzo noch immer
Das Hüttchen der Liebe so gern?

Ja, Holde, mein Genius schwebt
Dir oftmahls mit heissem Verlangen
Entzückt um die rosigen Wangen,
Von Flammen der Sehnsucht belebt.

Bald flieget er dir an das Herz,
Und höret in liebenden Fragen,
In süsser Erwartung es schlagen,
Und süsser Erinnerung Schmerz.

Bald spielt er im lockigen Haar,
Und bald mit dem wehenden Bande
Am neidischen Busengewande;
Bald endet er kühner wohl gar.

Bald lässt er auf seidener Hand,
Und dann auf den Lippen sich nieder,
Und bringet sie alle dir wieder,
Die Küsse, die ich dir entwand.

Wohl kehret er wieder zurück.
Doch schneller, mit zärtlicher Reue,
Enteilt er, und suchet auf's neue
Bei dir das verlorene Glück!
(S. 67-68)
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An die Ilse
Sonett

Dahin, wo deine reinen Silberwellen,
O Ilsebach, mit süssem Sprudelklang
Das Thal, worin Elisa wohnt, entlang
In holden Zauber-Melodieen quellen;

Da, wo zuerst an deinen Wasserfällen
Der Schönsten Blick allmächtig mich durchdrang,
Wo ich zuerst dir meine Hoffnung sang
Und meinen Schmerz an ihren Lieblingsstellen:

Dahin, o heil'ges Angedenken! trägt
Noch stündlich mich der Phantasieen Flügel.
Dann seh' ich noch, wie deiner Welle Spiegel

Von meinen stillen Thränen sich bewegt,
Und wie sie froher an den Blumenhügel
Bei deinem Nahmen, o Elisa, schlägt.
(S. 69)
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Man liebt nur ein Mahl
Triolett

Ein Mahl, Ein Mahl liebt man nur.
Ein Mahl nur und für das Leben
Kann man treu sein Herz vergeben.
Ein Mahl, Ein Mahl liebt man nur!
Und zu Göttern nur erheben
Kann der ersten Liebe Schwur.
Ein Mahl, Ein Mahl liebt man nur,
Ein Mahl nur und für das Leben!
(S. 70)
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Der offene Himmel
An Elisa
Sonett

O selig, wann mein Herz, von Lieb' erglühet,
Mit heisser Inbrunst an das deine fliegt,
Und, deine Brust an meine Brust geschmiegt
Mich rund und fest dein Lilienarm umziehet;

Wann hoch entzückt mein trunknes Auge siehet,
Wie sich dein Busen auf und nieder wiegt,
Wie vor mir da der Rosengarten liegt,
Der weiss und roth auf deinen Wangen blühet:

Dann schwindet Alles rund um mich in Nacht;
Ich fühle, wie die Sinne mir vergehen,
Und glaube schon den schönen Tod zu sehen.

Schon fühl' ich mich zum neuen Seyn erwacht,
Und schaue hell den Himmel offen stehen,
Den Himmel, der in deinen Augen lacht!
(S. 71)
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An Elisa

Kannst du stolz und grausam es verhehlen,
Was für mich in deinem Herzen spricht?
Diesem Herzen, gönn' ihm, frei zu wählen,
Eh' das meine in Verzweiflung bricht!

Lass zu deinen Füssen mich erscheinen,
Und in deinem Arm mich auferstehn!
Willst du länger schweigen, und mich weinen,
Willst du schweigen, und mich sterben sehn?

Hört' ich Ein Mahl nur ein Wort der Liebe,
Sagt' es Ein Mahl mir dein Zauberblick,
Ach, Elisa, selbst der Himmel bliebe
Dann für mich nicht mehr ein neues Glück!

Lass der eiteln Hoheit ihre Ketten!
Sieh ein Wunder, das die Liebe schafft.
Denn ein Wort kann mich vom Tode retten.
Und diess Wort hat nur durch dich die Kraft!
(S. 72)
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Das höchste Gut
Triolett

Hätt' ich aller Götter Gaben,
Und Elisa fehlte mir,
Sagt, was könnt' ich Frohes haben?
Hätt' ich aller Götter Gaben,
Und die schönste nicht in ihr?
Bettelarm würd' ich begraben
Hätt' ich aller Götter Gaben,
Und Elisa fehlte mir!
(S. 74)
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An Elisa
Triolett

Mädchen, gib mein Herz zurück,
Oder schenke mir das deine!
Kannst du sehen, wie ich weine:
Mädchen, gib mein Herz zurück!
Herz um Herz und Glück um Glück,
Oder Jeglichem das Seine!
Mädchen, gib mein Herz zurück,
Oder schenke mir das deine!
(S. 75)
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Mein Mädchen

Ich hab' ein Mädchen,
Es ist das schönste
Auf unsern Fluren;
Aber ich nenn' es euch nicht!

Ich lieb' ein Mädchen,
Es ist die Rose
In unserm Garten;
Aber ihr findet sie nicht!

Ich lieb' ein Mädchen,
Sein Nahme klinget
Süss, wie Gesänge;
Aber ich sag' ihn euch nicht!

Ich lieb' ein Mädchen,
Es folgt den Hirschen
Kühn, wie Diane;
Aber ihr kennet sie nicht!

Ich bin verrathen!
Denn keinem Mädchen,
Als nur Elise'n,
Gleichet das freundliche Bild!
(S. 77-78)
_____



Die Eine
Sonett

In welcher Phantasie, in welchem Götterhain
Erschien das Ideal, von welchem Form und Leben
Die Meisterinn Natur an Laura's Bild vergeben,
Um hier Beweis, was sie dort oben kann, zu seyn?

Wo liessen je im Waldgebüsch, am Wiesenrain
Ein Haar so golden und so zart die Nymphen schweben?
Wo wallt die Brust, die so viel Tugenden erheben? -
Und Alles, Alles das zu meiner Todespein!

Der ist noch nicht zum Reitz der Götterwelt verwöhnet,
Der sie nicht sah, der Augen holde Liebespracht,
Und wie ihr Lebensstrahl der Sonne Licht verhöhnet.

Er weiss nicht, wie die Liebe heilt und elend macht,
Der es nicht weiss, wie süss ihr stiller Seufzer tönet,
Wie süss sie koset, und wie süss die Eine lacht!
(S. 79)
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An Hippolyta

Hörst du auch so wunderschön
Dort die Nachtigallen schlagen,
Wie sie hier in frohen Tagen
Mit dem lieblichsten Getön
Und den süssesten der Klagen
Diese Maienlust erhöhn?

Horch, wie jubelt er empor!
Horch, es grüsset dich der Chor
Unsrer tausend Nachtigallen!
Ihre Harmonieen schallen
Deinem Feste zu Gefallen
Durch die Blüthen fern und nah,
Gleich, als wärst du selber da!

O, dass du nicht auch hier bist,
Wo mein Herz dich still vermisst!
Heute nicht die Liebe singen,
Nicht die Sehnsucht rufen hörst,
Und allein die Freude störst,
Die so gern auf leichten Schwingen
Dir zu folgen willig ist.
O, dass du nicht auch hier bist!

Ha, wie schön ist diese Flur!
Welch ein Regen, welch ein Weben,
Welch ein Schaffen, welch ein Leben
Durch die Pulse der Natur!
O, wie ist auf jeder Spur,
Von des Maimonds Licht umflossen,
Jede Anmuth ausgegossen!
Und von dir bleibt Alles nur
Ungesehn und ungenossen -

Ungenossen auch von mir,
Wann ich, Freundinn, mir gestehe:
Ach, es war einst schöner hier!
Alles, was ich hör' und sehe,
Jedes Plätzchen, wo ich gehe,
Mahnt mich an die Seligkeit
Heiliger Vergangenheit.
O, wie war ich zu beneiden
Hier in holder Einsamkeit
Einer süssen Jugendzeit,
Denn ich suchte noch nicht weit
Nach des Lebens stolzen Freuden.
Jedes Glücks hatt' ich genug;
Blutete noch nicht an Wunden,
Die die Welt dem Herzen schlug;
An diess Thal war ich gebunden;
Meine Welt war diese Flur;
Und die grosse träumt' ich nur. -

In die Weite fortgezogen,
Liess ich hier mein stilles Glück.
Ärmer kehrte ich zurück,
Und um jeden Wunsch betrogen.
Tief im Busen blieb der Schmerz;
Matt und krank erbebt mein Herz.
O, wie soll diess Herz genesen? -
Lieblich ist mein Jugendtraum
In Arkadien gewesen.
Aber ich begann ihn kaum,
Da verschwand der schöne Traum!

Hier am stillen Allerstrand,
Wo mich sonst der junge Morgen
Neu erwacht zur Freude fand,
Hier verwein' ich meine Sorgen
An des trauten Baches Rand.
Mitleidsvoll rauscht er dazwischen,
Wann mein Klagelied erschallt.
Seine Silberwellen mischen
Zu den Thränen sich, um bald
Ihr Gedächtniss fortzutragen.
Nur die Echo wiederhallt,
Was ihr meine Seufzer sagen.

Aber dieser Tag ist dein!
Heute will ich fröhlich seyn,
Und mit Andern Blumen streun.
Ist mir doch der Trost geblieben,
Fremden Glückes mich zu freun! -
Morgen will ich nur allein
Meine Schatten wieder lieben.
Morgen will ich mich betrüben,
Dass ich heute fröhlich war,
Einen schönen Tag im Jahr!
(S. 80-83)
_____



Trennung
Sonett

Stunden dehnen sich zu Ewigkeiten,
Die mir sonst im Nu mit ihr entflohn.
Und die Sehnsucht und der Schmerz begleiten
Mich durch tausend Ewigkeiten schon!

O, wann kehren jene goldnen Zeiten,
Die mir wieder auf der Liebe Thron
Alle Opfer reicher Huld bereiten,
Und des treuen Dienstes neuen Lohn?

Süsse Hoffnung, neu den Lohn zu finden,
Lass mich fest um deinen Arm mich winden,
Und mit dir Minuten glücklich seyn!

Wiege du das Herz zum Frieden ein.
Lass das Bild der Gegenwart verschwinden,
Und die Zukunft bleibe mir allein!
(S. 84)
_____



Wiedersehen
Sonett

O süsser Wonnetraum vom Wiedersehen,
Verlass der Freude schönes Feenland,
Umschmeichle meine Stirn, wie Frühlingswehen,
Und führe mich an jenes Baches Rand,

Wo meiner Liebe erstes, leises Flehen
Sich aus dem hochgeschwellten Busen wand,
Und ich zuerst es wagte, zu gestehen,
Was lang' und still für sie mein Herz empfand.

Dort lass mich ihr nach bittern Trennungstagen
Der Liebe thränenwerthes Missgeschick,
Und meiner Seele heisse Schmerzen klagen.

Ich weiss, Elisa lässt mich nicht verzagen.
Ein Druck der Hand, ein himmelvoller Blick
Gibt mir den Muth, den sie mir nahm, zurück.
(S. 85)
_____



Die Rückkehr auf das Land

Also bin ich wieder da,
Wo ich einst die schönsten Stunden
Meines Frühlings schwinden sah;
Wo die Freude mich gefunden,
Und am Bache fern und nah
Tausend Kränze mir gewunden!

Also bin ich wieder hier,
Wo Natur und Liebe mir
Schwesterlich im Frühlingsgrünen
In verwandter Harmonie
Und mit jedem Reitz erschienen,
Wo mit lieblicher Magie
Mich an eine schöne Welt
Freier Dienst gefesselt hält!

Nach dem stillen Heimverlangen
Kehr' ich in das Paradies,
Das die Sehnsucht nie verliess;
Und es hat mich froh empfangen.
Froh kam ich zu dir zurück;
Und du biethest mir mein Glück,
Meine Harfe, meine Lieder,
Du, mein Eldorado, wieder.

Schön, wie sonst, lacht die Natur
Meinen Blicken hier entgegen.
Rings verfolg' ich ihre Spur,
Suche sie auf tausend Wegen
Durch die ganze Blumenflur.
Überall ist sie zu finden,
Wie sie wirkt und wie sie schafft,
Und in reicher Jugendkraft
Auf den Höhen, in den Gründen,
An den Ufern frischer Quellen,
Liebevoll um sie bemüht,
Ihre Kinder auferzieht,
Amaranth und Immortellen. -

Aber fried- und freudeleer,
Ohne Lust und ohne Leben
Ging' ich durch die Flur einher,
Blühten nicht die Reitze mehr,
Die der Schöpfung Anmuth geben.
Öd' und traurig wär' es hier,
Winkte nicht Elisa mir!

Alle Schönheit wär' erstorben,
Aller Zauber dieser Flur!
Denn von ihr, der Holden, nur
Hat sie Licht und Glanz erworben.
Ihre Fülle bleibt sich gleich,
Was sie auch davon verschwendet.
Alles Andre macht sie reich,
Und ihr selbst wird nichts entwendet.

Hüllte gleich des Winters Trübe
Ewig diess Gefilde ein,
Wahrlich! diess Gefilde bliebe
Schön und anmuthsvoll allein.
Nur ein Lächeln ihrer Liebe,
Und es hätte Sonnenschein! -

Konnte sie dem Fremdling wehren,
Der sein Glück hier wiederfand,
Ihre Sclaven zu vermehren?
Sein geliebtes Vaterland,
Jenen Himmel süsser Freuden,
Jedes traute Liebesband,
Alles will er ewig meiden
Um das Glück an ihrer Hand!
Von der Freundschaft weggenommen,
War er, fremd und unbekannt,
Unter Thränen hergekommen.
Seinen Gram hat sie verbannt,
Abgetrocknet seine Thränen,
Und gestillt sein banges Sehnen.
Was vermochte sie aus ihm,
Aus dem jungen Ungestüm,
Aus dem Wildfang nicht zu machen?
Scherze kannt' er nur und Lachen.
Plötzlich wandelt sie ihn um,
Macht ihn ernst und macht ihn stumm.
Welch ein rasches Pulseschlagen,
Welches Toben, als er kam,
Welche Gluth in jenen Tagen!
O, wie wurd' er bald so zahm,
Als sie an das Herz ihn nahm!

Unter welcher Göttinn Bilde
Singt der Jünger des Apoll,
Ihrer hohen Wunder voll,
Euch das Urbild aller Milde?
Welchen Himmelsnahmen nennt
Er an diesen Dankaltären,
Wo der Heiligen zu Ehren
Die geweihte Flamme brennt?
Sagt, o sagt, wenn ihr ihn wisst,
Welcher Nahme höher ist,
Welcher holder, süsser schalle,
Als der Götter Nahmen alle?

Nein, ihr wisst den Nahmen nicht,
Der der Göttlichsten gebühret,
Keinen, der allein sie zieret,
Der von ihrer Allmacht spricht,
Der den Reichthum aller Gaben,
Aller Herrlichkeit ermisst,
Wie sie selber hocherhaben,
Und bescheiden, wie sie ist! -

O, ihr Nahm' ist überall!
Seines Zaubers süsser Schall,
Seines Wohllauts Wiederhall!
Hier am Quell im Lindenbaume
Flötet ihn die Nachtigall.
Dort im silberweissen Schaume
Rauschet ihn der Wasserfall.
In der Schöpfung weitem Raume
Hör' und seh' ich ihn allein.
Er erwecket mich vom Traume;
Wiegt zu neuen Träumen ein.

Hoch am hohen Äthersaume
Flammet er im Sternenschein.
Wonnevoll steigt er empor
In der Erde Lustgesange.
Ihn empfängt der Sphären Chor
Im verliebten Wiederklange.
Alle Harmonie der Saiten
Lispelt mir den Nahmen vor;
Alle Wohllusttöne gleiten
Mit dem Nahmen in mein Ohr.
Alle Dichter aller Zungen
Von der Schönheit Gluth entbrannt,
Haben ihren Ruhm gesungen.
Aber Keinem ist's gelungen!
Denn von mir allein gekannt
Ist der Schönsten Heimathland,
Welcher ich zu Lieb' und Lohne
Nach des höchsten Ruhmes Klang,
Nach des höchsten Lobes Tone,
Nach der reichsten Ehrenkrone
Dennoch nur vergebens rang!
(S. 87-92)
_____



An die Entfernte
Auf dem Brocken

Hoch im Schoosse der Wolken gedenk' ich deiner voll Wehmuth;
Denn sie trennen mich weit, meine Geliebte, von dir.
Nimmer verlass' ich deinen Himmel um jenen dort oben.
Denn ich wäre von dir weiter, als jetzt, noch getrennt!
(S. 96)
_____



Der Abend
An Elisa

Durch die Kirschblüthen schien
Luna's Silberglanz im Kühlen.
Ihre Liebesblicke fielen
Lächelnd auf das Wiesengrün.

Mädchen, weisst du's noch? Ich ging
Wonnebebend dir zur Seiten
Bis ich, stumm vor Seligkeiten,
Weinend dir am Busen hing.

Welch ein Glück an deiner Brust!
Welches Heil an deinem Munde!
Ach, Elisa, welche Stunde
Voll erhabner Götterlust!

Heimlich wurde uns vergönnt,
Aus des Paradieses Lauben
Früher den Genuss zu rauben,
Der uns ewig dort durchbrennt.

Aber schnell verschwand das Glück. -
Denn nach kurzer Götterweide
Nahm der Himmel seine Freude,
All sein Eigenthum zurück!
(S. 97-98)
_____



Trost an Elisa
Madrigal

Nein, du darfst an meiner Seite,
Nein, du darfst nicht furchtsam seyn,
Wann ich heimlich und allein
Durch das Mühlenthal dich leite,
Und der Sterne Silberlicht
Und des Mondes Angesicht
Auf den Rasen, wo wir gehen,
Freundlich zu uns niedersehen.
Gib mir Küsse ohne Zahl;
Scheue nicht des Himmels Zeugen.
Schwöre mir noch tausend Mahl;
Mond und Sterne werden schweigen!
(S. 99)
_____



Fragen an Elisa

Denkest du meiner auch in stillen Stunden,
Wann der Einsamkeit Dunkel dich umziehet,
Wann vor deinen Blicken der Herbst die Blätter
Traurig herabreisst?

Gehet dann auch das Bild der schönen Tage
Deiner Seele vorüber, als wir sorglos
Uns des Schattens freuten und seiner Kühle,
Welche dahin sind?

Rinnet von deinen Wangen eine Thräne,
Dass die Schatten der Bäume nicht mehr grünen,
Dass die Frühlingsblüthen gewelkt sind, und die
Blumen der Freude?
(S. 100)
_____



Der Tanz

Welch ein taumelndes Vergnügen,
Bei der hellen Kerzen Glanz
Sich im bunten Reihentanz
An des Mädchens Brust zu wiegen,
Arm in Armen sich zu liegen,
Und verschlungen gar und ganz,
Selig Eins dahin zu fliegen!

Erde, Mond und Sterne drehen
Sich mit jedem trunknen Sinn
Rund im Kreise wirbelnd hin!
Wo ist Raum, um still zu stehen?
Wo ist Mass und Ziel zu sehen?
Soll ich, kühne Tänzerinn,
In dem Rausche untergehen?

Welch ein Glühen, welch ein Heben,
Welch ein Regen neuer Lust!
Welch ein Toben Brust an Brust!
Schlag auf Schlag, diess Wonnebeben!
Götter, Götter, ah, wir schweben,
Keines Wechsels uns bewusst,
In ein andres Freudenleben!

Komm hinaus zur Nacht der Linden;
Sinke nieder auf das Moos.
Deine Brust ist athemlos;
Deine letzten Kräfte schwinden.
Her! ihr Lüfte aus den Gründen,
Kühlt Elise'ns heissen Schooss!
Helft, die Schleifen aufzubinden!
(S. 107-108)
_____



An Elisa
Nach der Trennung

Ach, wie konnt' ich dich verlassen,
Und dein Auge weinen sehn?
Ach, wie konnt' ich selbst mich hassen,
Und aus deinem Himmel gehn?
Ach, wie konnt' ich von dir scheiden,
Um den tausendfachen Tod
Der Verzweifelung zu leiden,
Den der Trennungskuss mir both?

Soll ich das Geschick verklagen,
Das zu ewig langem Gram
Und zu öden Trauertagen
Mich aus deinen Armen nahm?
Soll ich selber mich verdammen,
Dass ich mich erschüttern liess,
Als das Unglück seine Flammen
Über mich zusammenblies?

Welchen Frevel will es rächen?
Welche Schmach hab' ich geübt? -
War es wirklich ein Verbrechen,
Dass ich dich zu sehr geliebt?
O, so bin ich wahrlich schuldig!
Meine Strafe war verdient!
Büssen will ich dann geduldig,
Was der Götter Zorn versühnt.

Stolz will ich den Blick erheben,
Auch geächtet und verbannt;
Muthig tragen noch das Leben;
Muthig ziehn in fernes Land.
Denn ich duld' um deinetwillen,
Weil dein Herz mir theuer war,
Als die Wünsche, die im Stillen
Eine fremde Brust gebar.

Nur verschwiegen lass mich weinen,
Dass ich dich so früh verlor,
Die ich einzig zu der Meinen
Mir aus einer Welt erkor,
Der ich lange treu geblieben,
Trotz der Andern Neid und List,
Nur berufen, dich zu lieben,
Wie du mir geboren bist!

Ach, ich kann ihr ja nicht wehren,
Sie nicht dämmen, diese Fluth
Heisser, glühend heisser Zähren,
Die auf jeder Zeile ruht,
Die aus immer frischen Quellen
Sich von meinem Herzen presst,
Und in ungestümen Fällen
Meine blasse Wange nässt!

Rinnt, ihr traulichen Gefährten
Meines Kummers, immer neu,
Dem Gedächtniss der Entbehrten,
Der Ersehnten immer treu!
Ihr nur wisst, warum ich klage,
Und warum ich traurig bin.
Rinnt ihr Zähren! Denn die Tage
Meines Friedens sind dahin!

Ehmahls nahm ich euch zu Zeugen
Jenes Glücks, das ich verliess,
Wann das Übermass mich schweigen,
Mich die Lust verstummen hiess.
Ehmahls durftet ihr um Freuden,
Deren Dauer ewig schien,
Mich um all die Wonnen neiden,
Die mich nun so grausam fliehn! -

Ach, wie waren jene Zeiten
Unermesslich freudenreich!
Alle Himmelsseligkeiten
Machten mich den Göttern gleich!
Als ich bei dir leben konnte,
Als ich Liebe dir gestand,
Mich in deinen Blicken sonnte,
Und dein Auge lächelnd fand.

Hin, ach! hin sind jene Zeiten,
Als ich ging und als ich kam,
Und den Thron an deiner Seiten,
Kaum verlassen, wieder nahm.
Als ich zu verschmachten glaubte,
Wann ein trüber Tag verfloss,
Der mich deinen Armen raubte,
Der dein Eden mir verschloss.

Und nun miss' ich schon so lange
Deine süsse Gegenwart;
Und nun hab' ich schon so bange
Meine Tage durchgeharrt!
Und wann soll mein Jammer enden,
Schweigen meiner Klage Ton?
Wann nehm' ich aus deinen Händen
Der geprüften Liebe Lohn?

Fern von deinem Angesichte
Wird mein Daseyn hingeweint,
Wo kein Strahl von jenem Lichte
Deiner Herrlichkeit mir scheint.
Wo mich Alles sonst erfreute,
Folgen meine Schmerzen mir.
Irrend schweif' ich in die Weite,
Ach! und such' umsonst nach dir.

Deines Herzens fromme Milde,
Deines Geistes heller Strahl
Lächeln nicht auf diess Gefilde,
Leuchten nicht in dieses Thal.
Nirgends find' ich solche Güte,
Solcher Schönheit reiche Pracht,
Solcher Anmuth holde Blüthe,
Welche deinen Fluren lacht.

Ha, das Glück, das ich verloren,
Gibt kein Wechsel mir zurück!
Ernste Mächte, seyd beschworen,
Gönnet mir mein erstes Glück!
Alles Gut und alle Habe,
Was kein Traum so schön ersann,
Alles hatt' ich, was vom Grabe
Noch die Todten rufen kann! -

Die Erinnerung des Glückes
Blieb mir Armen nur allein.
Sie soll jedes Augenblickes
Freundliche Genossinn seyn.
Innig wird sie mich umfangen,
Schmeichelnd mir zur Seite gehn;
Und mein Sehnen, mein Verlangen,
Meinen Wunsch wird sie verstehn.

Sie verstreute manche Blume
Auf den dornenvollen Pfad,
Den ich fern von dir zum Ruhme,
Um dein werth zu seyn, betrat.
Sie nimmt mich an ihre Rechte,
Die geliebte Trösterinn,
Und geleitet durch die Nächte
Meiner Zukunft mich dahin. -

Bis es endlich mir gelungen,
Bis mein heisser Durst gestillt,
Bis ich kühn den Preis errungen,
Der mit Muth die Brust erfüllt!
Bis ich dann im Kranz der Ehre,
Erster, sel'ger Hoffnung voll,
Dir zu Füssen wiederkehre, -
Theures Mädchen, lebe wohl!

Lebe wohl! Der Bund der Treue
Überdaure diese Zeit!
Ich gelobe dir auf's neue
Opfer der Beständigkeit.
Tausend mögen mehr gefallen,
Schöner, reicher, weiser seyn,
Aber treuer soll von Allen
Keiner dir ein Leben weihn!
(S. 109-116)
_____



An Lina
Nach einem Balle

Du schwangst dich zauberisch im Kreise,
Und jedes Auge folgte nach,
Und mancher Busen seufzte leise
Ein tiefes, halb ersticktes Ach!

Von deiner Reitze Macht gebunden,
Von deiner Schönheit stolzem Blick
Stand jedes Mädchen überwunden,
Blieb huldigend der Neid zurück,

Und alle Jünglingsherzen flogen
In deine süsse Allgewalt,
Magnetisch von dir angezogen,
Von deiner Graziengestalt.

Bald sah ich von den Mädchen allen
Nur dich, die Königinn, allein;
Bald wünscht' ich dir nur zu gefallen,
Und deines Blickes werth zu seyn.

Nur deine Tritte sah ich schweben,
Wie Frühlingsathem rein und leicht;
Nur dann fühlt' ich ein stilles Beben,
Wann du mir deine Hand gereicht.

Der Himmel schien herab zu steigen,
Denn alles Irdische verschwand,
Als ich mich selbst im bunten Reigen
An deinem Arme taumelnd wand!
(S. 117-118)
_____



An die Gespielinn

Von allen Mädchen unsrer Flur,
Von allen, die ich kenne,
Liegt keins mir so, wie du, im Sinn,
Ist keins, bei dem ich lieber bin,
Und das ich lieber nenne.

Und keinem möchte ich so gern,
Als dir, nun auch gefallen.
O, wüsst' ich doch, du wärst mir gut,
Ich trüge wohl mit frohem Muth
Den Neid und Hass von allen.

Wo ist ein Mädchen noch, wie du,
So freundlich und bescheiden?
Blickst du so hold und süss mich an,
Ja, Mädchen, ja, ich weinte dann
Oft gern vor lauter Freuden!

Ich könnte Tag' und Jahre lang
An deiner Seite stehen,
Und an dem dunkeln Lockenhaar
Und deinem hellen Augenpaar
Doch nimmer satt mich sehen.

Ich könnte bis in Ewigkeit
Dein süsses Reden hören,
Und horchte sorgsam immerfort,
Dass meine Sinne ja kein Wort,
Auch noch so klein, verlören.

O, dürft' ich täglich bei dir seyn,
Und immer um dich leben,
Ich wollte alles Glücks Genuss
Um deinen Blick, um deinen Kuss,
Um deine Liebe geben.
(S. 120-121)
_____



An Venus
Ein Epithalamium

Göttinn, aus dem Meer geboren,
Froh umtanzet von den Horen,
Venus Amathusis,
Komm aus Cypern's Rosenwäldern,
Komm aus Paphos Myrtenfeldern,
Sey dem heil'gen Bunde nah!

Schweb' in deinem Muschelwagen,
Von dem Taubenpaar getragen,
Zu dem Fest der holden Braut.
Schöner ist zu deiner Ehre
Dir auf Gnidus und Cythere
Nimmer ein Altar gebaut!

Wähle selbst die Blumenkränze,
Die vom schwelgerischen Lenze
Flora's reiner Schooss gebar.
Schlinge sie zu süssen Ketten,
Streue sie zu Wohllustbetten
Für das junge Liebespaar.

Winde du die Myrtenkrone
Zu dem lang' ersehnten Lohne
In die blonden Locken ihr,
Um das Bündniss der Getreuen
Für die Ewigkeit zu weihen,
Und zu neuem Ruhme dir!

Komm, o komm in deiner Schöne,
Im Geleite deiner Söhne,
Der Gefährten deiner Macht,
Mit dem Zepter milder Güte,
Mit dem Stab von Lilienblüthe,
In des Himmels ganzer Pracht!

Nimm die Glücklichsten zu Zeugen!
Alles lass vor ihr sich beugen,
Vor des Tages Königinn!
Alles folge ihren Blicken;
Alles theile das Entzücken
Deiner jüngsten Priesterinn!

Aber, dass aus deinem Reiche
Nicht der goldne Friede weiche
Und der langen Eintracht Glück,
O, so höre noch die Bitte,
Göttinn, lass aus unsrer Mitte
Deine Grazien zurück!

Dass sie nicht in Neid entbrennen,
Wenn sie diese Reitze kennen,
Wenn sie diese Schönheit sehn,
Oder deinen Himmelstagen
Und dem Dienst bei dir entsagen,
Um den Wettstreit zu bestehn!
(S. 122-124)
_____



Der bescheidene Liebhaber

Wohin so spät allein?
Du könntest dich verlieren!
Komm, Kind, ich will dich führen.
Du musst hübsch artig seyn!

Fall' ja hier nicht hinein!
Wart', allerschönstes Leben,
Ich will dich überheben.
Du musst hübsch artig seyn!

Halt doch mit Laufen ein!
Du brauchst dich nicht zu schämen.
Lass mich ein Küsschen nehmen.
Du musst hübsch artig seyn!

Der Mond birgt seinen Schein.
Lass uns bei jenen Buchen
Den Flüchtling wiedersuchen.
Du musst hübsch artig seyn!

Hier ist es weich und rein.
Hier lass uns niederlegen,
Und uns der Ruhe pflegen.
Du musst hübsch artig seyn!

Es weht so kalt im Hain.
Lass uns zusammenrücken,
Uns an einander drücken.
Du musst hübsch artig seyn!

Vergebens wirst du schrein.
Was hilft es, dich zu wehren?
Es kann dich Niemand hören.
Du musst hübsch artig seyn!

Du bist nun einmahl mein.
Doch, Liebchen, sey nicht bange,
Dass ich zu viel verlange.
Ich kann auch artig seyn!
(S. 126-127)
_____



An Karla
Sonett

Ich liebe dich! Wie soll diess Herz es hehlen?
Es lebt nur noch in deinem Sonnenlicht!
Ich würde länger noch mich sprachlos quälen,
Und doch verschwieg' ich das Verbrechen nicht.

Vermöcht' ich auch, mit Worten nicht zu fehlen,
Sind denn diess Ach, die Thrän' im Angesicht,
Die Seufzer, die sich meiner Brust entstehlen,
Nicht auch ein Hochverrath an deiner Pflicht?

Du wirst sie selbst an dem Verräther rächen!
Sieh, er gesteht die Sünde knieend ein.
Er büsst verdient; doch kann er nichts bereun!

Dein Blick wird ihm das Todesurtheil sprechen.
Und darfst du Gnade nicht für Recht verleihn,
So fleht er nur, ihm bald den Stab zu brechen!
(S. 128)
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Entschluss
Sonett

Ich will sie fliehn; mit Sinnen und Gedanken
Will ich aus ihrem Zauberkreise fliehn!
Ich darf nicht mehr in ihren Fesseln knien;
Hinweg, hinweg aus diesen Sclavenschranken!

Wie werd' ich los von ihren Buhlerranken,
Die fester mich und fester mich umziehn?
Soll ich zu Asche von dem Kelche glühn,
Den Tausend schon mit ihrem Gifte tranken?

Wer spricht mich von des Weibes Zauber ab?
Wer mag, wer kann mich von dem Banne lösen?
Wer hat, wer hat der Kräfte Meisterstab?

Ihr Geister all, ihr guten und ihr bösen,
Wer lehrt mich einen Spruch aus eurer Welt,
Vor dem die Kunst der Gauklerinn zerfällt?
(S. 129)
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An Sophie
Madrigal

Was fragst du mich mit Blick und Munde:
Wie lang' ich dich im Herzen tragen,
Und halten will an unserm Bunde?
Du hast wohl Unrecht, so zu fragen!
Wie kann ich dir die Wahrheit sagen?
Wer sagt mir meine Todesstunde?
(S. 144)
_____



Wechselliebe

Wer hägt das heilige Gefühl,
Das ewig unsre Brust durchlodert;
Wer nährt das süsse Flammenspiel,
Das ewig neue Nahrung fodert?

Es hägt und nähret sich allein
Die Liebe braucht nicht Huth und Pflege.
Das Flämmchen spielt von selbst so rein,
Von selbst so ewig jung und rege.

Wer fodert, was er geben kann,
Darf nicht umsonst nach Freude wandern:
Ein Flämmchen facht ein andres an,
Ein Herz erwärmt sich an dem andern.

Die Liebe nimmt und gibt zugleich;
Sie gäbe selber gern das Leben.
Sie ist so wunder- wunderreich,
Und wird nur reicher noch durch Geben.

Wenn solcher Segen darauf ruht,
Wer wollte nicht zu geben eilen?
O Herzen, spendet Gut um Gut.
O eilet, euer Glück zu theilen!
(S. 145-146)
_____



Inschrift in eine Linde

Vertrauter Baum, in dessen Heimlichkeit
So sicher Lieb' und Sehnsucht eilen,
Nimm, was ein treues Herz dir weiht,
Nimm und bewahre diese Zeilen.
Und sag' es Allen, die in diesem Hain
Die Zuflucht suchen, die er uns vergönnte:
Wenn man vor Wonne sterben könnte,
So würd' ich hier gestorben seyn.
(S. 152)
_____



Trennung
An Luise

Noch eh' das Frühroth tagt,
Weint schon mein Herz, und fragt
Nach dir den Morgen.
Es ruft um Mitternacht
Dir sehnend zu, und wacht
Mit seinen Sorgen.

Ich irr' in Flur und Hain,
Und finde mich allein
Im Raum des Lebens.
Das Echo hört mein Ach,
Es hallt gerührt es nach;
Und, oh, vergebens!

Mein armes Herz erträgt
Die Leiden nicht, und hägt
Sie dennoch alle.
Der stille Bach belauscht
Mein Unglück, und entrauscht
Mit schnellem Falle.
(S. 153)
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Treue

Fürchtest du im Ernst, ich bliebe
Fern von dir nach eigner Wahl?
O, so kennst du nicht die Liebe,
Nicht getrennter Liebe Qual!
Wo du weiltest, ja, ich fände
Deinen stillen Aufenthalt!
Unsre Trennung hat wohl bald,
Aber Liebe nie ein Ende.

Denk' einmahl des wackern Alten,
Der sich auf den Wein verstand,
Der, die Menschheit zu erhalten,
Das gepries'ne Schiff erfand.
Müde, mit der Fluth zu ringen,
Suchend sein verlornes Haus,
Sendet er den Tauber aus,
Bothschaft ihm herein zu bringen.

Aber mit Bedacht und weise
Hält das Täubchen Noah fest.
Schickt' er Beide auf die Reise,
Kehrte Keiner heim zu Nest!
Sieh doch! Treulich kommt auf's neue
In die Knechtschaft Er zu Ihr.
Wiss', er ist ein Bild von mir,
Und - empfing den Lohn der Treue!
(S. 158-159)
_____



Amor
Aus der Griechischen Anthologie

Jüngst fand ich, Kränze bindend,
Den Amor in den Rosen.
Ich hascht' ihn bei den Flügeln,
Und taucht' ihn in den Becher,
Und trank ihn mit dem Weine.
Nun schlägt in meinem Busen
Er immer mit den Flügeln!
(S. 161)
_____



Frühling und Liebe
Von Sadi. Aus dem Persischen

Drei Mahl glückliche Nacht! Ersehnter Morgen!
O gesegneter Herold neuer Wonne!
Schöner Tag, der des Frühlings Rückkehr kündet,
Und die Seligkeit, welche nimmer sättigt.
Schlagt die Cymbel! Ihr Melodieen, redet
Von den Segnungen, die der Lenz verstreuet!
Düfte werden auf jedem Hauch schweben,
Junge Blüthen umher den Boden mahlen.

Doch verstummet nun! Welche Himmelsschönheit,
Sanften Schimmer verbreitend, gleich dem Monde?
Eines Engels Gestalt trägt die Erscheinung.
Süsses Mädchen, sie ist, sie ist dein eigen!
Lass die Bossheit doch unsern Leumund schmähen,
Und die Zunge des Neides afterreden!
Hägen wollen wir unsre reinen Flammen,
Und der Tod nur soll unsre Liebe enden.
Zu dem neidischen Feind des Dichters sage:
"Wirf dein giftiges Aug' ihm nicht entgegen;
Sadi, glücklicher ist er, als die Menschen,
Denn die Liebe erhebt ihn in den Himmel!" -

Ganze Nächte sind mir in Seufzern schwunden,
Und in Trauer und Weh um die Entfernte.
Doch sie kommt, - und des Herzens Kummer fliehet,
Und die Freude begrüsset ihre Rückkehr!
Denk' ich jetzo der heim gegangnen Zeiten,
Und der Schmerzen, die mich zu Klagen zwangen,
Heisser freu' ich mich nun des Augenblickes,
Und des Wechsels der Wonne und des Jammers!
(S. 170-171)
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Der Liebende an seine Kerze
Aus dem Arabischen

Seh' ich, wie sich die Kerze selbst verzehret,
Ruf' ich: Unser Geschick ist ja dasselbe!
Eine wüthende Gluth, wie du, ernähr' ich,
Alles fürchtend, was sie verlöschen könnte.
Gleich dem deinen, ist diess Gesicht voll Thränen;
Gleich der deinen, ist bleich und blass die Wange;
Gleich dem deinen, verschliesst kein Schlaf diess Auge;
Gleich dem deinen, - wird hier ein Herz zerschmelzen!
(S. 172)
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Das Traumbild
Von Jami. Aus dem Persischen

Vergangne Nacht umschloss der Schlaf mein Auge;
Allein mein gutes Glück war wach und auf:
Die ganze Nacht, die lebenslange Nacht
Stand der Geliebten Bild vor meiner Seele.

Die Melodieen ihrer sanften Stimme,
Sie schwingen fort in meiner Seele noch.
O Himmel, welche honigsüssen Worte
Entflossen da von ihren süssern Lippen!

Ach! Alles, was sie mir im Traume sagte,
Entfremdet ist es meinem Angedenken,
Obwohl ich bis zum Tagesanbruch sorglich
Mir ihre milden Reden überhörte.

Der Tag, den ihre Schönheit nicht erhellet,
Ist meinen Augen dunkel, wie die Nacht.
O segenreicher Tag, da ich zuerst
In dieses himmelvolle Antlitz blickte!

Mag Jami's Auge lange noch beglückt
Mit lieblichen Gesichten seyn, seitdem
Vergangne Nacht sie ihm die Holde zeigten,
Für die er wachend in Erwartung lebte.
(S. 173-174)
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Schicksal der Liebe
Aus dem Indischen

Schreckliche Wüsten hab' ich durchwandert, aber der Liebe
Herzdurchbohrender Dorn haftete fest in der Brust.
Reisen hab' ich gemacht, und manche Beschwerden erduldet,
Aber kein heimisches Land, oder mein Liebchen gesehn.
Gleich dem Weberschiffe, war mir an jeglicher Stätte
Weder Ruhe noch Rast eine Minute vergönnt.
(S. 175)
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Weinlied
Von Hafiz. Aus dem Persischen

Es ist ein Fest, es ist die Zeit der Rosen!
Auf, Knabe, bringe Wein! Wer sah zur Zeit
Der Rosen ohne Wein den Becher stehn?

Mein Herz erstarrt bei niedrer Gleissnerei
Verstellter Mässigkeit. Verspende Wein,
O Knabe, dass mein Herz sich wieder öffne!

Ihn, der den Liebenden so ernste Lehren
Noch gestern gab, ihn sah ich heut berauscht.
Hin in den Wind war seine fromme Würde.

Für diese kurzen Tage plündere
Die Rosen! Suche, so du liebst, die Wonne
Der Lieb' im Schwärmen mit den schönen Mädchen.

Die Ros' ist nun dahin! Allein warum,
O Freunde, sitzt ihr schlaff und unbelebt,
Und ohne Melodie der Harfensaiten,
Und ohne Mädchen, ohne Wein im Becher?

Ihr wisst, wie uns bei unserm Fest der Trunk
Am Morgen labt, wenn sich die Rosenwange
Des Becherträgers in dem Weine spiegelt!

O Sänger, wann du spielst, und deine Stimme
Sich zu den Saiten mischet, so beginne
Diess Lied von Hafiz bei des Fürsten Gastmahl.
(S. 176-177)
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Andenken

Hier irrte Molly unter Buchenzweigen.
Die Buchen rauschten ihre Seufzer oft zurück.
Sie wissen ihr Geheimniss zu verschweigen,
Und die verstehn mein Glück.

Du klarer Bach, von Schatten rings umhangen,
In deinen Spiegel fiel ihr Bild so rein und zart.
Verdientest du, die Reitze aufzufangen? -
Du hast sie nicht bewahrt!
(S. 183)
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Lebewohl

Geliebte Hirtinn, lebe wohl, ich scheide!
O lebe wohl, du, die mich nicht verstand!
Verlassen will ich dich und diese Weide,
Wo ich dich schöner jeden Morgen fand.

Verbannt an jenes Ufer, will ich klagen,
Von meiner Treue reden dort, wie hier.
Doch, ach! die Stimme meines Schmerzens tragen
Vertraute Lüfte nicht mehr hin zu dir!

Lass keinen Seufzer deinen Busen heben.
Nach kurzen Tagen enden Gram und Noth.
Denn Gram und Noth, sie enden mit dem Leben:
Und wer dich flieht, der eilt in seinen Tod.
(S. 184)
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Die Narzissen

Das Mädchen, an Unschuld euch gleich,
Hat hier im Gebüsch euch verloren.
Euch hatte die Liebe erkoren;
Der Liebe bewahre ich euch!

Seit Molly mit glücklicher Wahl
Und lieblicher Hand euch gepflücket,
Stehn Rosen und Lilien gebücket;
Euch huldigend neigt sich das Thal.

Ihr Blumen, mein Reichthum allein!
Ich will euch im Leben nicht missen,
Euch sehen, euch athmen, euch küssen,
Das soll nun mein Tagewerk seyn.

Gern würdet ihr, stolzer, als hier,
Am Busen der Holden euch wiegen.
Doch, kommt, mir am Herzen zu liegen:
Da seyd ihr ja immer bei ihr!
(S. 185)
_____



Nachruf

Vergebens, Molly, willst du mir entfliehen.
Die Liebe und die Eifersucht sind wach!
Mein Herz, mein Leben, meine Wünsche ziehen
Dir überall, froh ihrer Sonne nach.

Du suchst umsonst die kleinste Schäferhütte,
Von Menschen fern und meiner Liebe fern.
Der ganze Himmel folget deinem Schritte;
Und er empfängt getreue Liebe gern.

Sieh immer ohne Thränen meine Leiden,
Verlache meine Hoffnung, meinen Schmerz:
Von meinem Herzen kannst du dich nicht scheiden!
Denn nimmer scheidet sich von dir mein Herz.
(S. 186)
_____



Der Liebe Wünsche
Von Rafia'addin. Aus dem Persischen

Ich wollte die Vernunft und meinen Glauben
Verscherzen für die Wonne, die Gestalt
Der Lieblichen in meinem Schlaf zu sehn.

Nur einen Nu möcht' ich mich niederwerfen
Zu ihren Füssen, und ich wollte dann
Auf dieser Erde fürder nichts mehr anschaun.

Und spräche sie: "Er ist der letzte Sclave
An meinem Hofe," - auf die neunte Sphäre
Der Himmel würd' ich stolz den Fuss nun setzen.

Zerstöre dir nicht diese Locken, duftig
Und lieblich, wie Jasmin. Beschäme nicht
Den Balsam China's und der Tartarei.

So bin ich in den Ocean der Liebe
Versenket, dass ich, gleich dem Blinden, nicht
Den Himmel von der Erde unterscheide.

Oh, Rafieddin, mit dem Angesicht
Voll Redlichkeit und Treue, wirf die Stirn
Zum Staub des Pfades, den sie wandelt, nieder!
(S. 187-188)
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Lyndor an Marie

Mein Herz schlug dir für tausend Ewigkeiten;
Ich liebte dich mit jeder Seelenkraft.
Mir träumt' ich Glück; und dir es zu bereiten,
Vermass ich mich im Wahn der Leidenschaft.

Noch schlägt diess Herz; es wird in Sehnsucht schlagen,
Bis es das letzte Lebewohl dir spricht.
Noch liebt diess Herz, bis es um dich in Klagen
Und Seufzern spät getäuschter Hoffnung bricht.

Du liebtest mich; als du mit schöner Reue
Dich mir ergabst, da sprach dein Herz den Schwur.
Da heiligte das Bündniss ew'ger Treue
Die Zärtlichkeit am Altar der Natur.

Der Traum ist hin! Du hast den Schwur gebrochen,
Der unser Freudenleben schuldlos pries.
Zu bald, warum? hast du mich los gesprochen
Von Allem, was ich frei und froh verhiess.

Du hattest Alles, Alles mir gegeben,
Was Liebe Höchstes, Letztes geben kann;
Und ach! umsonst both ich mein freies Leben
Zur Sühne dir und zur Vergeltung an.

Du hast mein Herz, du hast sein Glück vergessen;
Vergiss denn, kannst du's, seinen Jammer nun,
Und ohne Thränen blick' auf die Cypressen,
Wo meine Treu' und meine Wünsche ruhn.
(S. 213-214)
_____



An einen Freund
Bei der Entfernung seiner Geliebten

Der Tag erwachte, zögernd, euch zu trennen.
Schon weint sie fern von hier.
Ach! Herzen, die der Herzen Glück nicht kennen,
Entführen kalt sie dir.

Doch sie liess dir ihr eignes Herz zum Pfande,
Auf ewig dein zu seyn,
Auch fern von dir, auch in dem fremden Lande,
Auch unter Thränen dein.

Auch unter Thränen bleibt der Bund ihr theuer,
Den erste Liebe schwur;
Auch von der Welt umrauscht, füllt ihr Getreuer
Das Bild der Zukunft nur.

Sie ist von uns, doch nicht von dir geschieden,
Die dort in dir nur lebt.
O, ahnde sie, wann sie mit ihrem Frieden
Den Trauernden umschwebt!

Und wann im Lenz die Blumen auferstehen,
Die jetzt sie welken lässt,
Dann feiert ihr ein Fest dem Wiedersehen,
Und eurer Lieb' ein Fest!
(S. 215-216)
_____



Macht der Schönheit

Die Stimme aller Zeiten
Verkündet, süsse Chloe,
Die Allgewalt der Schönheit.
Verführt von ihren Reitzen,
Entsagte Vater Adam
Den Herrlichkeiten Eden's.
Verblendet setzte Paris
Ganz Asien in Flammen,
Den Troern zum Verderben.
Ein unglücksel'ger Apfel,
Verhängnissvoll für Beide,
Er lud den Zorn des Himmels
Auf sie und späte Enkel.
Bei'm Anblick all der Wunder,
Womit die Charitinnen
Dich schmückten, hätte Adam
Ihn von dir angenommen,
Und Paris dir gegeben.
(S. 218)
_____



Gewalt der Liebe

Es ist ein Gott, der mächtig
Als Herr der Welt gebiethet,
Vor dessen Zepter selber
Sich alle Götter neigen.
Er ist ein Kind. Doch seufzet,
Ein leichtes Spiel der Laune,
In seinen Fesseln schmachtend,
Es seufzt der ernste Weise.
Sein Wink verwandelt Alles.
Der König wird ein Schäfer,
Von seinem Geist gereget;
Der Schäfer steigt zum Throne.
Doch dieser Gott der Götter
Vermag nichts über Daphne,
Und würde ohne Daphne
Nichts über mich vermögen.
(S. 219)
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An Serena

O, der seligsten der Stunden,
Als ich ahndend zu dir trat,
Als ich alles Heil gefunden,
Mehr, als meine Sehnsucht bath!

Alles, was, es zu beglücken,
Mir das Leben noch verlieh,
Las ich froh in deinen Blicken;
Meine Zukunft sprachen sie.

Von den Wolken in der Ferne
Meiner Tage sah ich nichts;
Träumend stand ich vor dem Sterne
Milder Liebe, milden Lichts.

Lichtvoll ist der Stern geblieben;
Und die Wolken dunkeln doch.
Leben will ich, um zu lieben.
Denn die Liebe winkt mir noch!
(S. 221)
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Aus: Gedichte von Karl Reinhard
Neue Ausgabe Altona
Bei Johann Friedrich Hammerich 1819

 


Biographie:

http://de.wikisource.org/wiki/ADB:Reinhard,_Karl_(Polyhistor)



 

 


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