Johann Gotthard Reinhold (1771-1838) - Liebesgedichte

 




Johann Gotthard Reinhold
(1771-1838)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 




Beim Antritt des Frühlings

Wenn vor des Augs erhellte Kreise
Sich eine Glanzerscheinung stellt,
In der auf wunderbare Weise
Sich spiegelt eine ganze Welt,
Wenn in begrenzten Lichtgestalten
Die Brust das Grenzenlose fühlt,
Das ist der ew'gen Schönheit Walten,
Die jeder Sehnsucht Flamme kühlt.

Wenn in des Herzens dunkler Stille
Ein unbekannter Puls sich regt,
Und eines Weltalls reiche Fülle
Dem Einzelnen entgegenträgt,
Daß er mit seliger Empfindung
Bis zu dem Unsichtbaren strebt,
Das ist die göttliche Verkündung
Der Liebe, die das All belebt.

Wenn durch den Kern der starren Erde,
Den fest des Winters Band umschlang,
Der Allmacht schöpferisches Werde
Im Hauch des neuen Lebens drang,
Und das erstandne Luftgefilde
Mit wohlbekannten Blüthen kränzt,
Das ist der Frühling, der im Bilde
Der Schönheit und der Liebe glänzt.

Aus tausend Knospen, tausend Zweigen,
Wie aus des Aethers klarem Blau,
Scheint eine Stimme sich zu neigen,
Die jedem Menschen zuruft: Schau!
Was nur dein reiner Trieb ersehne,
Blick um dich her, es ist nicht fern.
Empfind' es schön, so wird das Schöne
Dir zum Verkündiger des Herrn.

Und aus dem Kelch von jeder Blume
Dringt ein Gedanke in die Höh',
Daß in des Lebens Heiligthume
Eins durch das Andre nur besteh',
Und daß zum Urquell aller Triebe,
Worin der Puls des Daseins bebt,
Nichts so unfehlbar führt als Liebe,
Die ihren Frühling überlebt.

O du, der uns dem Strahl der Sonne,
Geliebter Frühling, näher bringt,
Der ein gemeinsam Band der Wonne
Und Lieb' um alle Wesen schlingt:
Wenn, bald entflohn, wir dich ersehnen,
So bleibe uns ein einzig Glück;
Die Liebe bleibe uns des Schönen,
Der Liebe Schönes uns zurück.
(S. 21-22)
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Lied
(1806)

Wenn beim Schimmer schöner Sterne
Und im Frieden der Natur
Wehmuth sich aus jener Ferne
Niedersenkt auf diese Flur;
Wenn dann lieberfüllte Augen
Freundlich in einander schaun,
Und sie saugen
Lieb' und inniges Vertraun
Aus sich selbst und aus den Sternen:
Wenn das Herz dann überfließt,
Und in leisen, weichen Tönen
Wonnezitternd sich ergießt,
Und ein Strahl des ewig Schönen
Blitzend trifft den feuchten Blick -
Mit dem Leben uns versöhnen
Kann der einz'ge Augenblick.
(S. 44)
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Hölty's Geist an Minna
(Später des Dichters Gattin, die vor allen Hölty's Lieder zu singen liebte)

Was lockt mich aus dem sel'gen Land,
Wo ich mit Geistern wohne,
Wo längst ich Glück und Ruhe fand,
Nah an des Ew'gen Throne?
Des Lichtes Urquell seh ich glühn,
Erhaben über Sternen;
Was kann mich noch hinunterziehn
In jene dunkeln Fernen?

Die Sehnsucht, die mein Herz gefüllt
Als ich dort unten wohnte,
Ist lang im Anschaun schon gestillt,
Das wonnevoll ihr lohnte.
Das Traumbild, das mir stets entwich,
Wo Wahn und Traum nur gelten,
Beglückt, ein schöner Engel, mich
Im Schooße bessrer Welten.

Und doch, ich kann nicht widerstehn
Dem Klang aus jenen Fluren,
Er konnt' im Busen nur entstehn
Verschwisterter Naturen.
Ich folge dem geheimen Zug,
Er lockt mich sanft hernieder.
Es rauscht entgegen mir im Flug
Ein Nachhall meiner Lieder.

O holder Ton, o süßer Klang,
Ich habe dich verstanden.
Du liebst das Lied, das mir gelang,
Umweht von ird'schen Banden.
Die Sehnsucht, die in ihm geglüht,
Gehörte nur dem Schönen,
Und wo ein schönes Herz erglüht,
Da muß sie wiedertönen.

Ihr Ausdruck in dem reinen Blick
Kann selbst die Himmel rühren.
Sie hat die Macht, dem ew'gen Glück
Die Geister zu entführen.
Gelockt durch sie, erschein' ich heut,
Und bring zu frommer Weihe
Der Seele, die mein Lied erfreut,
Ein Opfer, das sie freue.


Ob zwar ein zweifelhaft Geschick
Das Leben dieser Erde,
Doch sehn die Geister drauf zurück
Als Keim des höhern Werde.
Und schon in seinem dunkeln Schooß
Erblüht so viel des Schönen,
Es könnte jedes Herz sein Loos
Zum Himmel sich verschönen.

Zwar flüchtig selbst, hängt sich die Brust
Oft fest an flücht'gen Wonnen,
Und kaum ist sie des Glücks bewußt,
So sieht sie es zerronnen.
Das ist des Schicksals stille Macht,
Die feindlich sich verkündet;
Es ist des Lebens dunkle Macht,
Wo sich kein Ausgang findet.

Dies Flücht'ge doch beglücke schön
Das Herz, das mit Empfindung
In ihm voll Ahnung hat gesehn
Des Bleibenden Verkündung.
Und was auf Erden schön erscheint,
Die Auswahl jeder Blume,
Zu einem einz'gen Kranz vereint,
Werd' ihm zum Eigenthume.

Der Wunsch, der aus dem Geisterreich
Erklingt in schöner Stunde,
Ertöne dem Gemüth zugleich
Als wie aus theuerm Munde.
Er rausche, ein geweihtes Pfand,
Zum Sitz der reinsten Triebe,
Als Zuruf aus dem ew'gen Land
Und Gruß der ew'gen Liebe.
(S. 59-60)
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Lied
(1806)

Wenn beim Leuchten der Gestirne,
In geheimnißvoller Nacht,
Denkend die erhobne Stirne
Aufblickt zu der ew'gen Pracht,
Und in dem gerührten Herzen
Sich das ganze Leben regt,
Und was Schmerzen
Und was Lust es je bewegt;
Wenn das Sehnen und das Wähnen
Alle aufwacht im Gemüth,
Und von neuem durch die Thränen
Zitternd, was einst war entblüht,
Und was tief im Herzen ruhte,
Glühender sich neu verklärt -
O die heilige Minute
Ist ein ganzes Leben werth.
(S. 61)
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Amulet

Ich denke dein,
Wenn mitten unter Andern
Von Bild auf Bild die Blicke unstät wandern;
Dann flüchtet von der Dinge falschem Schein
Das stille Herz zum einzig wahren Sein,
Und mitten unter Andern,
Denk ich nur dein.

Denk du an mich,
Wenn von den holden Wangen,
Umflort von herzbezwingendem Verlangen,
Der Freude Farbenschimmer von dir wich;
Dann male treu im schönen Auge sich
Wie auf den holden Wangen:
Ich denk an dich.
(S. 100)
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Frühling

Der Inhalt mancher Lieder,
Der Frühling kehret wieder;
Bald schmücke neu sich Wald und Flur,
Und unter wärm'rer Sonne
Erwacht mit Lust und Wonne
Die halbentschlummerte Natur.

Wann Blüthen sich erneuen,
Wann sich die Vögel freuen,
Und ihr Gesang die Luft durchdringt,
Soll da nicht laut vor allen
Aus Menschenkehl' erschallen
Das Lied, das sich gen Himmel schwingt?

Ich bin nicht von den Stummen,
Und kann ich auch nur summen,
Kein Ton verklingt im großen All,
Denn aller Lieder Weisen,
Die Lust und Leben preisen,
Begegnen sich im Wiederhall.

Es treibt zu schöner Feier
Mich ein geheimes Feuer,
Ein Trieb, der nie so lebhaft sprach.
Ich kann's nicht recht ergründen,
Doch strebt sich zu verkünden
Ein eigner Geist an diesem Tag.

Wol einst in andern Stunden
Hat er sich eingefunden,
Als auch so nah der Frühling war;
Und dunkel oder helle,
Strömt er aus gleicher Quelle,
Auf's neu hervor in jedem Jahr.

In mehr als Einem Munde
Klang er zu dieser Stunde
Als frommer Wunsch in Wort und Lied.
O mög' er ferner tönen,
Vereint mit allem Schönen,
So oft der Frühling neu erblüht!
(S. 106)
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Glosse

Süßer Liebe ziemt das Schweigen,
Weil Gespräche sie erniedern.
Doch viel anders ist's mit Liedern,
Die sich vor der Liebe neigen.

Laut verkündet sich im Leben
Rauschend manches Erdenglück,
Und wenn Götter freundlich geben,
Bleibt die Lippe nicht zurück,
Ihre Gaben zu erheben.
Mit der Brust in schönem Bund,
Oeffnet dankend sich der Mund,
Würdig sich der Gunst zu zeigen.
Manch ein Glück macht so sich kund:
Süßer Liebe ziemt das Schweigen.

Für der Erde Dienst entkeimen
Güter aus der Erde Schooß;
Aber aus erhabnern Keimen
Windet sich die Liebe los,
Welche strebt nach höhern Räumen.
Ihres Adels sich bewußt,
Kann sie nicht die höchste Lust
Mindern Wonnen gleich zergliedern.
Sie verschließt sich in der Brust,
Weil Gespräche sie erniedern.

Doch wenn in gemeinen Tönen
Nie das Höchste wiederklingt,
Klänge giebt, es zu versöhnen
Alles, was nach Ausdruck ringt,
Und es tönend zu verschönen.
Eingehüllt ins todte Wort,
Welkt die Blüthe und verdorrt,
Und um nicht sich zu erniedern,
Fliegt die schöne Seele fort,
Doch viel anders ist's mit Liedern.

In dem Liede hört sich Liebe
In getreuem Wiederhall.
Was ihr selbst Geheimniß bliebe,
Deutet ihr der Zauberschall
Und veredelt ihre Triebe.
Wo der Strom der Dichtung rinnt,
Ist es Liebe, die gewinnt.
Ewig ist ihr jene eigen,
Und die höchsten Lieder sind,
Die sich vor der Liebe neigen.
(S. 118-119)
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An meine Braut
zu ihrem Geburtstage
(1808)

Wenn erfüllt von glühender Empfindung,
Sehnsuchtsvoll nach der Verkündung,
Mit dem Wort der volle Busen ringt,
Und wenn kämpfend mit den stummen Zeichen,
Die vor seinem heft'gen Andrang weichen,
Das Gefühl den Ausdruck ganz bezwingt,
Soll unrühmlich dann die Macht der Töne
Ganz sich dem gewagten Kampf entziehn,
Und verstummt das Liebende und Schöne
In die stille Heimath fliehn?

Nein, obgleich was in der Brust begraben
Reich mit Leben zu begaben,
Schöpfungskraft dem Sehnenden gebricht,
Doch sind Töne, welchen es gegeben,
Einer Offenbarung nachzustreben,
Wo die Gluth vereint ist mit dem Licht.
Und wiewohl nur in des Himmels Chören
Sonnengleich das inn're Leben strahlt,
Kann doch auch der Mensch ein Wort beschwören,
Das des Herzens Tiefen malt.

Welchem gütig die Natur verliehen,
Aus der Brust hervorzuziehen,
Was ihr stilles Heiligthum bewacht,
Dem ertheilte sie die hohe Weihung,
Daß er fände des Gemüths Befreiung
Durch der Dichtung zauberische Macht;
Gab ihm, daß wo seine Worte klingen,
Ihm sich neige jedes Hörers Ohr,
Und durch sie gelöst die Riegel springen
Von des Busens dunkelm Thor.

Hätte mir mit mütterlicher Güte
Diese schönste Lebensblüthe
Unter Wenigen Natur gegönnt,
Rauschen ließ ich auf geweihter Lieder
Melodientönendem Gefieder,
Was im Innersten der Seele brennt.
Alle Gluthen, die das Herz versengen,
Und der Lichtstrom, der dem Geist entquillt,
Ständen da verkündigt in Gesängen,
Und die Menschheit säh' ihr Bild.

Doch vor Allem schauten, frei vom Scheine,
Die ich liebe ganz das meine,
Wie es aus der Hand des Schöpfers kam.
Ihre Herzen säh' ich höher schlagen
Und mit Zuversicht könnt' ich sie fragen,
Was zur Mitgift ich von ihr bekam.
Freudig würden sie mich dann erkennen
In der Klarheit, die kein Irrthum trübt,
Und beglückt ein Eigenthum mich nennen,
Das sie lange schon geliebt.

Aber singend mit entflammterm Triebe
Alle Gegenstände meiner Liebe,
Machte ich ihr Wesen offenbar.
Was an göttergleichen Lichtgestalten
Menschheit und Natur und Zeit entfalten,
Was auf Erden Schönes ist und war.
Lenzenhauch durchwehte meine Lieder,
Und der Schönheit Glanz durchstrahlte sie,
Und der Himmel stieg zur Erde nieder
Und das All wär' Harmonie.

Und das Einzelne, das unvollkommen,
Wenn auch ganz nicht weggenommen,
Strahlte milder im Gesang zurück.
Durch den Flor besänftigender Thränen
Zeigte sich dem ungestillten Sehnen
Diesseit schon ein höheres Geschick,
Und die früh das Erdenland verließen,
Blickten freundlich durch der Wolken Zug,
Deutend Allen, die sie hier noch ließen,
Ihrer Seelen Sternenflug.
(S. 125-126)
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Die Stimme

Was sagt die Glocke von dem Thurm,
Die traurig dumpf erschallt?
Was spricht die Stimme in dem Sturm,
Der furchtbar wiederhallt?
"Die treusten Herzen sterben,
Das wärmste Herz wird kalt.
Solch Schicksal müßt ihr erben,
Die ihr hienieden wallt."

Was sagt der Mond, der dort so bleich
Durch trübe Wolken scheint?
Was bringt uns aus dem Geisterreich
Die Stimme die da weint?
"Die Herzen sind empfänglich;
Es trüget, was erscheint.
Das Schöne ist vergänglich,
Das Grab ist euer Freund."

Was spricht als wie aus weiter Fern'
Mit sanftem Laut mich an?
Was sagt der freundlich milde Stern
Auf hoher Himmelsbahn?
"O laßt aus höhern Räumen
Ein schönes Wort euch nahn:
Die Sehnsucht ist kein Träumen,
Die Liebe ist kein Wahn."
(S. 137)
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Sehnsucht

Wie dürftig ist die Menschenbrust,
Die nicht die Sehnsucht kennt,
Und ihre wundersüße Lust
Ein eitles Träumen nennt!
Des Schönen in der Ferne
Verkündendes Gefühl,
Hat jenseits aller Sterne
Sie ihr erhabnes Ziel.

Auf Erden zwar ist auch ein Glück,
Das feurig sie ersehnt,
Doch nur vom hocherhobnen Blick
Veredelt und verschönt.
Das Schöne hier ersehnen,
Geziemt dem Herzen wohl,
Als des unsterblich Schönen
Untrügliches Symbol.

Welch Schicksal wird uns auf der Welt?
So weit reicht nicht der Blick.
Nur was das Herz verschlossen hält,
Hebt über das Geschick.
Das Glück kann wenig geben,
Bald schwindet, was es giebt;
Doch wollt ihr himmlisch leben,
So sehnet euch und liebt.
(S. 138)
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Glückwunsch
(1812)

Wo die Pomeranzen reifen,
Und an Myrten Rosen streifen,
Möcht' ich gerne mit dir schweifen,
Und dir froh ins Auge sehn.
Aber auch in andern Zonen
Blühen schöner Früchte Kronen,
Können Lieb' und Freundschaft wohnen,
Und die Herzen sich verstehn.

Darum laß die stummen Zeichen,
Ob sie auch vor schönern weichen,
Doch den schönsten sich vergleichen,
Wenn du deutest ihren Sinn,
Und die Wünsche, die sie tragen,
Wie zum Glück von künft'gen Tagen
Sie dir selbst im Herzen schlagen,
Nimm sie freundlich liebend hin.
(S. 141)
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Das Bleibende

Vergänglich sind des Lebens schönste Loose,
Die Blüthen fliehn im schnellen Stundentanz;
Vergänglich ist die Pracht der schönen Rose,
Des Frühlings Milde und des Sommers Glanz.
Vergänglichkeit bedeckt mit stillem Moose
Den Rausch des Glücks, des Schicksals höchsten Kranz;
Und ach! der theure Hauch, das süße Leben,
Ist es nicht auch zum Raub ihr hingegeben?

Doch dauernd ist, was jedem Erdenglücke
Den wahren Werth und die Bedeutung leiht.
Es dauert, trotz des Schicksals böser Tücke,
Die Hoffnung, der die fromme Brust sich weiht.
Nicht unterthan vergänglichem Geschicke,
Schwingt sich der Glaube jenseits aller Zeit,
Und ob in Trümmer Alles auch zerstiebe,
Es rettet sich das Herz und seine Liebe.

Und wann geschieht's, daß die erhabne Wahrheit
Am rührendsten, am hellsten sich entschleiert?
Da strahlt sie in der höchsten Offenbarheit,
Wo ein geliebtes Haupt den Ursprung feiert.
Da blinkt's im Augenstern mit Sonnenklarheit,
Da wird von tiefer Rührung es betheuert:
"Der Tag, der war, ist deß der sein wird Beute;
Doch für die Liebe blüht ein ew'ges Heute."
(S. 168)
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Glosse

Wenig Dank von seiner Lieben
Kommt dem zu, dem Hoffnung blüht;
Doch wer eifersüchtig glüht,
Hat die Lieb' in Erz geschrieben.

Alle Welt hört man verkünden,
Liebe blüh' in allen Welten,
Doch die Herzen sind nur selten,
Die die Liebe ganz ergründen.
Wo die furchtbarn Flammen zünden,
Da soll kämpfend mit den Trieben,
Heißt's, Vernunft die Herrschaft üben,
Und das warmerglühte Herz
Erntet oft für bittern Schmerz
Wenig Dank von seiner Lieben.

In dem Sturme der Gefühle
Kennt die Liebe keine Schranken,
Und sie dränget die Gedanken
Alle zu dem einz'gen Ziele.
Wo von holdem Mitgefühle
Einen Strahl sie schimmern sieht,
Hoffend lebt sie da und glüht.
Mit der Sehnsucht Glühn und Leben,
Gänzlich ihr sich hinzugeben,
Kommt dem zu, dem Hoffnung blüht.

Bei dem Brand der höchsten Gluthen
Mögen Stürme wohl und Blitze
Rasen in des Lebens Sitze,
Qual und Weh das Herz durchfluthen.
Rühmlich wird die Wunde bluten,
Wenn im lodernden Gemüth
Eifersucht in Funken sprüht.
Denn ob Weisheit streng verdamme,
Darum glüht in schöner Flamme
Doch wer eifersüchtig glüht.

Liebe zwar kann viel vergönnen;
Aber gänzlich sich vereinen,
Ewig Eins sein mit dem Einen,
Solches übersteigt ihr Können.
Dennoch für ein Glück zu brennen,
Welches unerreicht geblieben,
Zeugt von einzig schönem Lieben.
So ist Eifersucht entbrannt,
Und weß Busen sie empfand,
Hat die Lieb' in Erz geschrieben.
(S. 180-181)
_____



Seele und Liebe

Alles, was die Zeit geboren,
Das ist flüchtig, so wie sie;
Eines nur ist auserkoren,
Das vergeht und altert nie.

Welchen Namen führt dies Eine,
Und wo sieht man seine Spur?
Lebt es wo im Sonnenscheine,
Blüht es wo in der Natur?

Nein, was in des Tages Glanze
Seines Daseins sich erfreut,
Ist vergänglich wie die Pflanze,
Die des Herbstes Hauch verstreut.

Auch ein flüchtig Kind der Hore,
Blickt er gleich zu jenen Höhn,
Muß der Mensch im großen Chore
Gleich den andern untergehn.

Doch es ist sein nichtig Leben
Durch ein unauflöslich Band
Und ein überirdisch Streben
Jenem Einen anverwandt.

Und das Band, es heißt die Seele,
Sie verknüpft ihn mit dem All,
Und in seines Busens Höhle
Tönt des Einen Wiederhall.

Und des Strebens Nam' ist Liebe,
Sie des Einen Gegenbild;
Die, ob jeder Wahn zerstiebe,
In den Schooß des Ew'gen quillt.

Und das unvergänglich Eine
Offenbaret seine Spur
Für die große Weltgemeine
Selbst in Seel' und Liebe nur.

Und der Mensch, in dem die Beiden
Sich verschlungen und verwebt,
Sieht das Flücht'ge ruhig scheiden,
Weil er so im Ew'gen lebt.
(S. 195)
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Glosse
(1813)

Nachtigall wohnt in des Waldes Frieden,
Eingesperrt läßt sie ihr süßes Singen.
Sklavenfurcht die läßt sich wol erzwingen,
Aber Liebe läßt sich nicht gebieten.

Wo zum Aether ragt der Schmuck der Bäume
Und die grünen Zweige liebend streben,
Sich der reinen Bläue zu verweben,
Da auch heben gern in höh're Räume
Süße Klänge sich und Himmelsträume.
Wen der Erde Hoheit lockt hienieden,
Den stellt Menschendienst und Gunst zufrieden;
Aber auf der Stille goldne Spur
Locket ihre Lieblinge Natur:
Nachtigall wohnt in des Waldes Frieden.

Doch der Einsamkeit erhabnem Schweigen,
Wo ihr Schönes Erd' und Himmel tauschen,
Um das Herz mit Wonne zu berauschen,
Würde nicht die Sängerin sich neigen,
Wäre nicht ein höh'res Gut ihr eigen.
Soll des Liedes Zauberton erklingen
Und bis in der Seele Tiefen dringen,
So hat Freiheit sich dazu gesellt:
Freiheit ist's, die ihre Kehle schwellt;
Eingesperrt läßt sie ihr süßes Singen.

Wo sich aus des Lebens ew'ger Fülle
Ein besondres Leben hat entfaltet,
Da nur lebt es, wo es zwanglos waltet,
Daß in ihm sich jede Sehnsucht stille,
Und sein ganzes Dasein sich enthülle.
Wann sich um der Seele zarte Schwingen
Frevelnd roher Willkür Bande schlingen,
Dann erstarrt das Herz, verstummt der Mund;
Scham thut die gesenkte Stirne kund:
Sklaverfurcht die läßt sich wol erzwingen,

Doch das Freieste von allem Freien,
Das im menschlich reinen Auge strahlet,
Wenn der Seele Ursprung dort sich malet,
Kann nur wie die Rose schöner Maien,
Wie das Lied der Nachtigall gedeihen.
Macht kann toben und Gewalt kann wüthen;
Zu zerknicken, ach, sind alle Blüthen.
Auf der Erde glückgeweihten Au'n
Läßt des Glückes Grabmal sich erbau'n,
Aber Liebe läßt sich nicht gebieten.
(S. 214-215)
_____



An Marie
(Zum 2. März 1836)

I.
Was in dem Herzen je der Wunsch der Liebe
Geboren hat des Guten und des Schönen;
Was nur erlaubt ist, menschlich zu ersehnen,
Das wünscht an diesem Tag dir unsre Liebe.

Doch ohne Grenze ist nicht Glück wie Liebe;
Wer lebt, muß auch an Leiden sich gewöhnen,
Womit ein Einziges nur kann versöhnen:
Ein demuthreiches Herz, voll reiner Liebe.

Dies hat verliehen dir die höchste Gnade,
Und Bessres kann die Welt dir nicht gewähren,
Nichts Schönres wünschen dir die wärmste Liebe.

Ein milder Stern bescheine deine Pfade;
Doch ahnend blicke stets zu jenen Sphären,
Wo ew'ges Glück entströmt aus ew'ger Liebe.


II.
Vollkommnes ist hienieden nicht zu finden,
Der Mängel viel hat jedes Erdenloos.
Den Launen des Geschicks steht Alles bloß,
Abwehren kann man nicht sie, nicht ergründen.

Dem Herzen ward, was schön ist, zu empfinden,
Und Schönes viel keimt aus der Erde Schooß;
Doch oft erblüht es für die Sehnsucht bloß,
Um unerreichbar vor ihr zu verschwinden.

Zu finden ist Vollkommnes nicht hienieden;
Wie aber hätte Glück Vollkommenheit,
Da sie dem eignen Werth nicht ist beschieden?

Nur Liebe kann, die fromme Wünsche weiht,
Das liebende Geliebte ganz befrieden,
Als einzig frei von Unvollkommenheit.


III.
Am Tage, der zur Erde dich sah kommen,
Hebst du zum Himmel deinen Blick empor;
Dem Aug' des Geistes öffnet sich sein Thor,
Doch mehr noch öffnet sich's der Brust des Frommen.

Da zeigt sich dir, woher du bist gekommen,
Und deines Seins Bestimmung ohne Flor;
Es strahlt das Ewige dir heller vor,
Und in dem Strahl siehst Alles du vollkommen.

So ist dein Ziel für immer dir gefunden;
Du weißt, was du sollst lieben und verehren,
Und was allein ist würdig deines Strebens.

Die Hoffnung heitert deines Daseins Stunden,
Der Glaube zieht dich zu den höchsten Sphären,
Die Liebe bleibt der Leitstern deines Lebens.


IV.
Indeß die Brust an diesem Feiertage
Empfindungen von reiner Lust durchdringen,
Will plötzlich eine Wehmuth mich bezwingen,
Die mich zurückführt in vergangne Tage.

Nicht darf ertönen heut die Schmerzensklage;
Doch wie könnt' ich ein Liebesopfer bringen
Und nicht zugleich das theure Bild umschlingen,
Das unvergeßlich ich im Herzen trage?

Vereinigt Liebe nicht die Welten beide,
Und kann nicht zu der höhern, aus dem Staube
Der niedern, dringen eine fromme Bitte?

O so darf heiligen des Tages Freude
Der über allen Schein erhabne Glaube,
Daß du, o Sel'ge, bist in unsrer Mitte.
(S. 230-231)
_____



Vier Sonette
(Zum 13. Januar 1838)

I.
Schicksal
Man preiset dich allmächtig, hohe Liebe,
Und Wunder schreibt man deiner Allmacht zu,
Daß über alles irdische Getriebe
Du deine Jünger führst dem Himmel zu.

Ein schöner Lohn des edelsten der Triebe;
Doch bleibst ein Trieb, ein Kind der Erde, du,
Und ob geweiht das reinste Herz dir bliebe,
Die Erde stört sein Glück und seine Ruh.

Ach, seiner Ohnmacht sich zu sehr bewußt,
Wenn ihm des Lebens Prüfungen erscheinen,
Die seine Blindheit nicht vorher gewußt;

Was bleibt, bis bessrer Sonne Strahlen scheinen,
Ihm übrig, als an die geliebte Brust
Vor Wehmuth hinzusinken und zu weinen?


II.
Hoffnung
Du Himmlische, die mit dem milden Blicke
Sich liebevoll auf unsre Bahnen senkt,
Und im Bedrängniß feindlicher Geschicke
Das Herz zu einer bessern Zukunft lenkt:

In dem Vertrauen, das dein Anblick schenkt,
Bestärke huldvoll uns zu unserm Glücke,
Damit, von wo sich auf uns niedersenkt
Gewährung, froh hinauf das Auge blicke.

O Hoffnung, - denn du bist's, auf die wir bauen -
Ein Hauch von dir durchwehet unsre Brust,
Was du versprichst, das soll gewähret werden.

O mache uns des Glaubens Kraft bewußt,
Und laß uns gnädig die Erfüllung schauen,
Das Ziel der höchsten Sehnsucht uns auf Erden!


III.
Glaube
Ich glaube, daß in dieses Erdeleben
Ein unerforschlich Wesen mich gesetzt,
Und daß in tiefer Brust es mir geätzt,
Wozu er mir dies Dasein hat gegeben.

Den Millionen, welche mit mir leben,
Hat er das gleiche Ziel wie mir gesetzt:
Nicht Zukunft träumend, aber wachend jetzt,
Nach Andrer Wohl und eignem Werth zu streben.

Daß Liebe, unser seligster Gewinn,
Die Hoffnung uns der Ewigkeit erlaube,
Dies glaube ich mit demuthsvollem Sinn.

Ach, unsre höchste Bürgschaft ist der Glaube,
Und darum ist, daß ich dir theuer bin,
Das Festeste und Schönste, was ich glaube.


IV.
Liebe
Wer wagte wol die Schilderung der Liebe?
Wer nur, sie in Gedanken zu erfassen?
Der kühnste Genius muß vom Wahne lassen,
Daß er das Unbeschreibliche beschriebe.

Man nenne sie den edelsten der Triebe,
Das Band, mit uns die Gottheit zu umfassen,
Das einz'ge Gut, wenn Alles uns verlassen;
Doch unerschöpft bleibt das Gefühl der Liebe.

Der Weise rühmt sich, Alles zu erkennen;
Und will auch ihr nicht auf der höchsten Höhe
Ihr unaussprechliches Geheimniß gönnen.

Mir sei genug, daß mich ein Herz verstehe,
Das selbst ergriffen von der Liebe Brennen,
Mit mir vereint sich fühlt zu Wohl und Wehe.
(S. 232-233)
_____


Aus: Dichterischer Nachlaß
von Johann Gotthard von Reinhold
Herausgegeben von K. A. Varnhagen von Ense
Erster Band
Leipzig F. A. Brockhaus 1853
 



Biographie:

https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Gotthard_Reinhold



 

 


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