Christian Ludwig von Reissig (1784-1847) - Liebesgedichte

 



Christian Ludwig von Reissig
(1784-1847)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 




Mein Mädchen

Dort in meinem Vaterstädtchen,
Das mein Herz so innig liebt,
Wohnt ein holdes liebes Mädchen,
Wie's auf Erden wenig gibt.
Wenn der Himmel diesem Engel,
Alle Mädchen gleichen ließ,
Dann wär' diese Welt voll Mängel,
Schon ein blühend Paradies!

Selbst der Frühling scheinet jener
Huldin Lächeln nachzuzieh'n;
Wo sie wandelt, läßt er schöner
Thal und Höh' voll Blumen blüh'n.
Jede drängt mit frohem Lächeln,
Sich zu ihrem Busenstraus,
Haucht mit leisem Schmeichelfächeln,
Süß're Balsamdüfte aus.

Sittsamkeit und Himmelsgüte,
Mahlen sich in ihrem Blick!
Jedes Wort ist Scherz und Friede,
Schildernd Ruh' und inn'res Glück.
Wie der West mit Blüthenflocken,
Sanft um eine Rose wallt,
So umwallen blonde Locken,
Kunstlos diese Huldgestalt.

Lilienhügel schimmern blendend,
Durch den zarten Nebelflor,
Wie so keusch, wie herzentwendend,
Hebt sie Jugenddrang empor!
O es blühte einst Cythere,
Kaum so schön, so liebevoll,
Als sie auf Aegeens Meere,
Freundlich dem Geschäum' entschwoll.

Jeden Schmuck zum Fest der Freude,
Wählt Natur und Einfalt ihr;
Röschen sind des Haupts Geschmeide,
Veilchen ihres Busens Zier.
Statt der Assembleen und Bälle,
Freut sie sich im Wiesenthal,
Ruht bey einer Murmelquelle,
Lieber als im Opernsaal.

Rings umspannt von Himmelsbläue,
Mild vom stillen Mond umglüht,
Singt sie in der Abendweihe,
Gott ein sanftes Feyerlied.
In den Schmeichelhauch der Kühle,
Wallt sie dann in goldner Ruh,
Voll der zärtlichsten Gefühle,
Ihrer stillen Hütte zu.
(S. 7-9)
_____



Bewunderung

Sey im Wonnerausch umschlungen,
Süße Herzensköniginn!
Freundlich nimm die Huldigungen
Meiner trunknen Seele hin.

Komm, laß mich in deine blauen,
Zaubervollen Augen seh'n,
Wo auf stillen Veilchenauen,
Unschuld, Lieb' und Frühling gehn.

Zeige mir die Wunderscene,
Die zum Halbgott mich erhebt,
Wenn um deinen Mund das schöne
Selig heitre Lächeln schwebt.

Schön ist deiner Wangen Röthe,
Süß der Worte Silberklang,
Lieblicher als Dülons Flöte,
Tönt dein himmlischer Gesang.

Zephyrleicht sind deine Schritte,
Leicht als schwebtest du im Tanz,
Ja, du kämpfst mit Aphrodite,
Um der Schönheit Blüthenkranz.
(S. 21-22)
_____



Die Täuschung

Geküßt vom goldnen Abendstrahl,
Im Wehn der Blüthenbäume,
Ging ich in einem Wiesenthal,
Versenkt in süße Träume.

Als ich nun hier so einsam ging,
Wo Blüthen mich beschneiten,
Da hört' ich Schafe klinglingkling
Im Blumengrase weiden.

Ich dachte: schön ist Gotteswelt.
Doch mehr muß sie gefallen,
Wenn wir im grünen Blumenfeld,
Mit einem Mädchen wallen.

Nun wand ich meinen frohen Blick,
Zum Glockenspiel der Schafe,
Und fand, o Himmel welches Glück!
Ein Mädchen hier im Schlafe.

Des Abends Rosenlicht umfloß,
Die wunderschönen Glieder,
Und eine grüne Linde goß
Hier Blüthen auf sie nieder.

Die Blümchen drängten sich im Gras,
Ihr einen Kuß zu rauben,
So dacht' ich: ey den süßen Spaß
Darfst du dir auch erlauben.

Ich hatte kaum aus Herzensgrund,
Ein Küßchen ihr gestohlen,
So spitzt' ich lüstern schon den Mund,
Um mir noch eins zu hohlen.

Allein das süße Himmelsbild,
Erwachte ganz erschrocken,
Denn ihre Brust war unverhüllt,
Und weiß von Blüthenflocken.

Ja, um ein Härchen wäre sie
Mir Glücklichen entsprungen,
Allein vergebens war die Müh,
Ich hielt sie fest umschlungen.

Nun wurde mir vom jungen Tag
Der süße Traum entrissen,
Und statt des lieben Mädchens lag
In meinem Arm das Kissen.
(S. 30-32)
_____

An Lina

Dein gedenk' ich, wenn die Morgenfeyer
Auf die Lenzgefilde niederthaut;
Und der stillen Abenddämm'rung Schleyer,
Sanft den goldgestreiften Himmel graut.

Eos schlingt mit kleinen Rosenwölkchen,
Deinen Nahmen in des Aethers Blau,
Und ein farbenreiches Blumenvölkchen,
Mahlt ihn auf der zart begrünten Au.

Lina! rauscht des Waldstroms Silberwelle,
Lina! murmelt sanft der Wiesenbach,
Lina! ruft im Feyertanz, die Quelle,
Und das Echo hallt es schmeichelnd nach.

Jede Rose mahlt dich holden Engel,
Mahnt mich an dein blühendes Gesicht,
Deinen Wuchs wähn' ich im Lilienstengel,
Und dein Auge im Vergißmeinnicht.

Wenn ich längst mein Ziel errungen habe,
Wird für dich mein Herz noch zärtlich glühn,
Nährt es Blumen einst auf meinem Grabe,
Wird auf jedem Blättchen Lina blühn.
(S. 33-34)
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Sehnsucht

Die stille Nacht umdunkelt
Erquickend Thal und Höh';
Der Stern der Liebe funkelt,
Sanft wallend in dem See.

Verstummt sind in den Zweigen,
Die Sänger der Natur,
Geheimnißvolles Schweigen
Ruht auf der Blumenflur.

Ach mir nur schließt kein Schlummer,
Die müden Augen zu;
Komm lindre meinen Kummer,
Du stiller Gott der Ruh.

Sanft trockne mir die Thränen,
Gib süßer Freude Raum,
Komm täusche hold mein Sehnen,
Mit einem Wonnetraum.

O zaubre meinen Blicken,
Die Holde die mich flieht,
Laß mich an's Herz sie drücken,
Das edle Lieb' entglüht.

Du Holde, die ich meine,
Wie sehn' ich mich nach dir!
Erscheine, ach, erscheine,
Und lächle Hoffnung mir.
(S. 35-36)
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Huldigung

Gutes Mädchen, könnt' ich Blumen finden,
Die kein Herbst des Schmucks beraubt,
Würd' ich sie zu einem Kranze winden,
Und er blühte dir um's Haupt.

Wär' mir Philomelens Loos beschieden,
Und dich quälte banger Schmerz,
O dann säng' ich süßen Himmelsfrieden,
In dein liebevolles Herz.

Knieten tausende vor meinem Throne,
Wär' der ganze Erdball mein!
Dir zu Füssen legt' ich meine Krone,
Ach um nur geliebt zu seyn.

Mädchen, das den Himmel mir enthüllte,
Fodre was ein Gott mir gab!
Winkten selbst Elysiums Gefilde,
Ging ich doch für dich in's Grab.
(S. 48)
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Serenade

Komm' an's Fenster, holde Schöne!
Wo kein Horcher uns belauscht,
Wo in meiner Laute Töne,
Nur das Abendlüftchen rauscht.
Horch dem goldnen Saitenspiele,
Das die bittern Schmerzgefühle,
Meiner Seele wiederklingt.

Ach, einst lebt' ich ohne Sorgen;
Kannte Freude nur und Scherz;
Aber nun gießt jeder Morgen
Neue Trauer in mein Herz.
Seit ich ferne von dir weile,
Hat der Gram die schärfsten Pfeile
Auf mich Armen abgedrückt.

Du die unter Millionen
Ich der Liebe würdig fand;
Ja ich höhnte alle Kronen,
Wenn mein Arm dich leis' umwand.
Und du kannst den Jüngling hassen,
So gefühllos ihn verlassen,
Der dich wie sein Leben liebt?

Spräch'st du: Jüngling den ich liebe!
Komm in meinen Arm zurück,
Der Besitz des Erdballs bliebe
Dann für mich kein höh'res Glück!
In Kamtschatka's öden Zonen,
Wollt' ich lieber mit dir wohnen
Als im Himmel ohne dich!

Ach, wie träumt' ich einst vergebens,
Meiner Zukunft Glück so schön,
Traulich mit dir durch des Lebens
Holden Rosenhain zu gehn.
Huldinn komm, laß dich versöhnen,
Trockne freundlich meine Thränen,
Eh' mich noch das Gras umhülle.
(S. 51-52)
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Der Jüngling in der Fremde

Der Frühling entblüht dem Schoos der Natur,
Mit lachenden Blumen bestreut er die Flur.
Doch mir lacht vergebens das Thal und die Höh,
Es bleibt mir im Busen so bang und so weh.

Begeisternder Frühling du heilst nicht den Schmerz,
Das Leben zerdrückte mein fröhliches Herz;
Ach, blüht wohl auf Erden für mich noch die Ruh,
So führ' mich dem Schoose der Himmlischen zu.

Ich suchte sie Morgens im blühenden Thal,
Hier tanzten die Quellen im purpurnen Strahl,
Und Liebe sang schmeichelnd im duftenden Grün.
Doch sah' ich die lächelnde Ruhe nicht blühn.

Da sucht' ich sie Mittags, auf Blumen gestreckt,
Im Schatten von fallenden Blüthen bedeckt,
Ein kühlendes Lüftchen umfloß mein Gesicht,
Doch sah' ich die schmeichelnde Ruhe hier nicht.

Nun sucht' ich sie Abends im einsamen Hain,
Die Nachtigall sang in die Stille hinein,
Und Luna durchstrahlte das Laubdach so schön,
Doch hab' ich auch hier meine Ruh' nicht gesehn!

Ach Herz, dich erkennt ja der Jüngling nicht mehr,
Wie bist du so traurig, was schmerzt dich so sehr?
Dich quälet die Sehnsucht, gesteh es mir nur,
Dich fesselt das Mädchen der heimischen Flur!
(S. 53-54)
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Frauenwürde

Beglückt! beglückt! wer stets zufrieden,
Im Arm der süßen Liebe ruht!
Wem Gott ein frommes Weib beschieden,
Dem raubt kein Sturm den frohen Muth!
Sein Herz ist immer frühlingsheiter,
Bleibt Amor lächelnd sein Begleiter,
Durch's mühevolle Prüfungsthal.

Der arme Wandrer lebt vergebens,
Den keine treue Gattinn liebt,
Da sie zum Kranz des Götterlebens,
Die schönsten Frühlingsblumen gibt.
Denn lieben und geliebt zu werden,
Ist unser höchstes Glück auf Erden,
Es schafft die Welt zum Paradies.

Wie himmlisch ist der Gruß Aurorens,
Wie süß die laue Vollmondnacht,
Wie schön das bunte Völkchen Floren's,
Wenn Thal und Höh' in Blüthen lacht;
Allein das Weibchen in der Blüthe,
Voll Unschuld, Reiz und Seelengüte,
Ist doch dein schönstes Bild, Natur!
(S. 55-56)
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Der Jüngling am Grabe seiner Braut

Mädchen, Jünglinge und Greise wallten
Seelerschüttert an das off'ne Grab;
Thränen floßen, Sterbeglocken hallten,
Blüthen schwebten auf den Sarg herab.
Wie so schmerzlich klagte Philomele,
In der Sterbeglocken dumpfen Klang,
Bittre Wehmuth drang in meine Seele
Bey des Zuges Grabgesang.

Welk sind schon die Blumen deines Lebens,
Eh' du sie noch pflücktest dir zum Kranz',
Ach, die frohe Jugend ruft vergebens
Dich in's Wiesenthal zum Mayentanz.
Lieb' ich war der Frühling deiner Jahre,
Rein wie Lilien starbst du holdes Kind;
Von der Wiege warst du bis zur Bahre,
Fromm und gut wie Engel sind.

Quellenthal, dein werd' ich nie vergessen,
Wo wir von der Blumenzeit berauscht,
Ach, so liebetrunken oft gesessen,
Und dem Jubel der Natur gelauscht.
Aus dem Rosenkelch der Morgenröthe
Träufte kaum der erste Perlenthau,
Schwebten wir beym Nachtigallgeflöte,
Durch die holde Frühlingsau.

Sie umfloß ein zarter Purpurschimmer,
Hauchte Lieb' und Friede rings umher,
Wogte sanft mit blitzendem Geflimmer,
Wie ein stilles Diamantenmeer.
"Gute Sonne, wirst du morgen glänzen?"
Sprach sie mit dem zärtlichsten Gefühl,
"Wiß', der Liebe Myrthe soll mich kränzen,
O, mir winkt ein schönes Ziel!"

Aber schwarze Nachtgewölke hüllten
Bald den heitern Morgenhimmel ein,
Stürme rauschten, ferne Donner brüllten,
Banges Dunkel barg nun Flur und Hain.
Hingegossen auf entwehte Blüthen,
Unter einem alten Eichenbaum,
Sah'n wir furchtlos die Orkane wüthen,
In dem schauerlichen Raum.

Schnell fuhr in die dürrgezackte Eiche,
Irren Laufs, ein rothgeflammter Blitz,
Schlängelte sich wüthend durch die Zweige,
Und traf Chloe auf den Blumensitz.
Plötzlich war des Wetters Macht verflogen,
Und versöhnet schien nun die Natur,
Freundlich kam der holde Friedensbogen,
Schöner blühten Hain und Flur.

Ruhe sanft du schöne Himmelsblüthe,
Gutes Mädchen, schlummre sanft und süß;
Früchte deiner stillen Herzensgüte,
Winken freundlich dir im Paradies.
Frühlingsblumen, schön wie deine Jugend,
Will ich stets auf deinen Hügel streu'n,
Und dein Engelsinn für jede Tugend,
Soll mir unvergeßlich seyn.
(S. 57-60)
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An den fernen Geliebten

Einst wohnten süße Ruh und goldner Frieden
In meiner Brust,
Nun mischt sich Wehmuth ach! seit wir geschieden,
In jede Lust.

Der Trennung Stunde hör' ich immer hallen,
So dumpf und hohl,
Mir tönt im Abendlied der Nachtigallen
Dein Lebewohl!

Wohin ich wandle, schwebt vor meinen Blicken
Dein holdes Bild,
Das mir mit banger Sehnsucht und Entzücken,
Den Busen füllt.

Stets mahn' es flehend deine schöne Seele,
Was Liebe spricht,
"Ach Freund, den ich aus einer Welt erwähle,
Vergiß mein nicht!"

Wenn sanft ein Lüftchen deine Locken kräuselt
Im Mondenlicht;
Das ist mein Geist, der flehend dich umsäuselt,
Vergiß mein nicht.

Wirst du im Vollmondschein dich nach mir sehnen,
Wie Zephyrs Weh'n,
Wird dir's melodisch durch die Lüfte tönen:
"Auf Wiedersehn."
(S. 63-64)
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An die Rose

Wen du nicht entzückst: o Rose,
Aller Blumen Königinn!
Der hat für das edle Große,
Und für Schönes keinen Sinn.

Holdes Bild der frohen Jugend,
Hier in deinem Kelche scheint:
Jede Schönheit, jede Tugend,
Wie in Liebchens Herz vereint.

Röschen komm, ich will dich pflücken
Für mein Liebchen das dich liebt,
Sieh', ein Mädchen sollst du schmücken,
Wie's auf Erden wenig gibt!

Sag' ihm: daß der Jugend Blüthe
Schnell wie deine Schönheit flieht,
Daß der Myrtenkranz der Güte
Unschuldseelen ewig blüht.
(S. 67)
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An Lina
Bey Uebersendung eines Vergißmeinnicht

Ich wandle oft einsam im duftenden Grünen,
Vom traulichen Schimmer des Vollmond beschienen,
Und zaub're mit Freude dem sinnenden Blick,
Die seligsten Stunden des Lebens zurück!

Mag immer die trennende Ferne den Blicken,
Holdseliges Mädchen, dein Bildniß entrücken,
So trag' ich's doch liebend mit Flammen geprägt,
Im klopfenden Herzen das ewig dir schlägt!

Wie träum' ich im Grünen so gerne die Stunden,
Wo himmlische Freude mir Kränze gewunden,
Doch senket mein blühendes Mädchen den Blick,
Wohl auch auf die Stunden der Liebe zurück?

Den einzigen Wunsch deines Jünglings zu kennen,
Darf Liebchen dieß' flehende Blümchen nur nennen,
Im traulichen Dunkel des Wäldchens gepflückt,
Wo träumend er oft an den Busen dich drückt.
(S. 68-69)
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An ein junges Mädchen
Bey Uebersendung eines Topfes mit Veilchen

Längs dem Bach im Wiesenthale,
Ging ich froh im Morgengold,
Sieh', und fand im Purpurstrahle
Diese Blümchen sanft und hold.

Freundlich lächelte der Morgen
Auf den thaubeperlten Pfad,
Wo sie blühten so verborgen,
Wie des Edlen schöne That!

Nimm die kleine Frühlingsgabe,
Wunderholde Zauberinn!
Als das Schönste was ich habe,
Mit der Güte Lächeln hin.

Sie sind deiner holden Jugend,
Deiner schönen Seele Bild, -
Prunklos, wie dein Sinn für Tugend,
Wie dein Herz im Stillen mild.
(S. 74)
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Aufmunterung an Adelhaid

Mit des Zephyr's Rosenflügel
Kommt der Blumengeber May;
Lächeln macht er Thal und Hügel,
Was da athmet, sorgenfrey!

Rings die ganze Schöpfung tauchet
In der Liebe Feuermeer,
Alles, Alles, was nur hauchet,
Trinkt den Kelch der Freude leer!

Und du Eine fühlst noch Leiden?
Huldinn! warum schließest du
Dem Genuß der schönsten Freuden
Deinen sanften Busen zu?

Lächle deinem trüben Loose,
Komm in's Mayenparadies,
Ruhe der Natur im Schoose,
Denn der Mutter Kuß ist süß.

Sieh', dir biethen die Gefilde
Ihre Blumen schmeichelnd an;
Alles was der Lenz enthüllte,
Streut dir Blüthen auf die Bahn.

Aber wisse, Maylust webet
Um dich wenige Tage nur,
Chronos' scharfe Sense mähet
Bald die blumenreiche Flur.

So flieht auch dein Lenz des Lebens,
Der so Himmlischschön dich schmückt!
Drum genieß ihn, eh vergebens
Einst dein Auge nach ihm blickt.

Wankst du einst gebeugt am Stabe,
Ist's noch Trost und Seligkeit,
Wenn du denkest: o ich habe
Mich in dieser Welt gefreut!
(S. 77-78)
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Der Traum im Wiesenthal

Im Gold der Abendsonne
Ging ich am Wiesenbach,
Und sah mit Herzenswonne
Dem sanften Scheiden nach;
In Phantasie'n versunken,
Der Einsamkeit im Schoos,
Von Blumendüften trunken,
Sank ich auf weiches Moos.

Entzückt vom schönen Abend,
Umarmt von süßer Ruh,
Schloß mir der Schlummer labend
Die müden Augen zu. -
Mich führte Morpheus fröhlich
In einem Thal herum,
Da war ich, ach! so selig,
Wie im Elysiusm.

Sanft brach die Morgenröthe
Durch goldgestreiftes Blau,
Ein leises Lüftchen wehte
Durch die beperlte Au.
Bald blich der Rosenschleyer
Die Sonne blitzt' hervor,
Und stieg in sanfter Feyer
Am Horizont empor.

Auf einer grünen Weide,
Wie fließend Gold entglüht,
Blies sanft in's Heerdgeläute
Der Hirt' sein Morgenlied.
Und jene Wiesenfläche,
Im schönsten Blumenkleid,
Durchschlangen Silberbäche,
Mit Blüthen überschneit.

Still ruhte lang' mein Auge,
Auf diesem Zauberbild;
Von der Begeist'rung Hauche,
Ward nur die Brust erfüllt.
Da sang ich wonnebebend:
"O gütige Natur!
Wie schön, wie seelenhebend,
Schmückst du die holde Flur."

Kaum waren diese Töne
Im Zauberthal verhallt,
So naht' sich eine schöne
Sanft lächelnde Gestalt.
Ein Mädchen himmlisch blühend,
Wie Hebe hold und frisch,
Entschwebte freudeglühend
Dem säuselnden Gebüsch.

Ein süßer Engel blickte
Aus ihrem Augenpaar;
Ein Veilchenkränzchen schmückte
Das blonde Lockenhaar.
Dem blüh'nden Rosenpförtchen,
Der Liebe Paradies!
Entschlüpften Schmeichelwörtchen,
Wie Veilchenodem süß.

Sanft sprach sie: "Guter Sänger!
Vom Blumenfest berauscht,
O singe mir doch länger,
Dir hab' ich froh gelauscht."
"Wie drang in meine Seele,
Dein wundersüßer Laut;
So lockt kaum Philomele,
Die liebevolle Braut."

"Dort im Violengrunde,
Entzückte mich dein Lied;
Sieh' dort, wo jenes bunte
Cyanenvölkchen blüht."
"Da las ich sanft gerühret,
Die Lieblichsten heraus,
Und dachte, ihm gebühret
Der schönste Blumenstraus."

"Nimm hin von meinen Händen,
Des Dankgefühles Sold,"
Dir würd' ich Schätze spenden,
Wär' mir das Glück nur hold.
Mit tief gesenkten Blicken,
Stand ich vor ihr beschämt,
Es hatte Hochentzücken,
Die Zunge mir gelähmt.

Sie sah mir's an und lachte,
Sanft drückend mir die Hand,
Daß ich vom Schlaf' erwachte,
Ach, und mein Traum - verschwand.
Nun irr' ich trauernd immer
Durch Wiese, Flur und Wald,
Noch spät bey Mondenschimmer
Und seh' die Huldgestalt.
(S. 79-83)
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An Cäcilia

Huldinn mir wie meine Ruh' so theuer,
Ewig bist du diesem Herzen nah',
Seit es dich in stiller Seelenfeyer
In dem Tempel bethen sah.

Groß und edel hob sich dieser schöne
Gott geweihte Unschuldsblick empor,
Und es trat die stille Herzensthräne
Wie ein Friedensgeist hervor.

Friede Gottes, Huldigung und Wonne,
Thronten still auf deinem Angesicht;
Edler strahlt die seligste Madonne
Raphaels und Guidos nicht!

Hingesunken wäre selbst die wilde:
Schon zum Mord empor geschwungne Hand,
Hätt' der Unmensch diesem Himmelsbilde
Seine Blicke zugewandt.
(S. 91)
_____



An die zukünftige Geliebte

Unter Wonnemelodien
Ist der holde May erwacht,
Wiese, Thal und Hügel blühen,
Und der goldne Aether lacht.
Alles jubelt Liebe! Liebe!
Wie berauscht von Götterlust!
Der allmächtigste der Triebe,
Hebt auch zärtlich meine Brust.

Ach, in welchem Blumenraume
Wandelt wohl dieß Himmelsbild,
Das mir wachend und im Traume,
Meine Brust mit Wonne füllt!
Du, die ich von Gott erbitte,
Der dieß Herz voll Treue schlägt,
Komm in meine Halmenhütte,
Wo das Leben Blumen trägt.

Hier soll jeder Blick dich segnen,
Goldne Ruhe dich erfreu'n,
Süße Liebe dir begegnen,
Und dir Hoffnung Rosen streu'n.
Blüh' indessen schön wie Floren,
Mit der Unschuld Kranz geschmückt,
Bis die lieblichste der Horen,
Mich in deinem Arm beglückt.
(S. 94-95)
_____



Nachtständchen

Der Mond erhellt
Die müde Welt,
Bedeckt mit grauer Hülle,
Die Abendluft
Ist wie die Gruft
So schauerlich und stille.

Erquickt dich schon
Des Schlummers Mohn,
Du Holde, die ich meine?
Holla mein Kind!
Erwach' geschwind!
Erscheine, ach erscheine!

Auch ich trank schon
Des Schlummers Mohn,
Da wollt' ich mich ermorden!
Denn denke dir,
Es träumte mir,
Du wärest treulos worden.

Mich hat der Traum
Vom weichen Flaum
Voll Angst zu dir getrieben,
Nicht wahr mein Kind,
Du bist gesinnt
Mich ewig treu zu lieben? -

Komm öffne mir
Die falsche Thür,
Dich an mein Herz zu drücken!
Ach, der Genuß
Von deinem Kuß,
Ist himmlisches Entzücken!
(S. 98-99)
_____



An die Auserwählte

In der feyerlichen Abendstunde
Lag ich sinnend im Violengrunde,
Und der stille Gott der Ruh,
Schloß mir sanft die Augen zu.

Träumend führt' ich da im Abendgolde
Durch ein Maythal, dich geliebte Holde,
Und du sprachst: ich liebe dich,
Trauter Jüngling küsse mich.

Liebe! Liebe! wie kannst du beglücken,
Keine Sprache schildert dieß Entzücken:
Wenn ein Mädchen hold und gut,
In dem Arm des Jünglings ruht.

Wie berauscht von Engelsmelodieen,
Wähnt' ich diesem Thale zu entfliehen,
Und von Paradieseshöh'n,
Unter mir die Welt zu seh'n.

Ist's dein Wille mich beglückt zu wissen,
O so laß in's Paradies mich küssen;
Oder soll ich hier allein
Nur im Traume glücklich seyn?
(S. 100-101)
_____



Romanze

Im Irrhaus dadrüben am Waldsee erbaut,
Beweinte ein Jüngling die treulose Braut,
Wie klirrten die Fesseln so grau'nvoll und bang,
In dieses Verlassenen Trauergesang.

Er klagte: "o Götter wie quält ihr mein Herz,
Ich trage nicht länger im Busen den Schmerz,
Herab mit den Fesseln! die Welt zu durchzieh'n,
Und meiner Geliebten entgegen zu flieh'n!

Jetzt sucht sie wohl Blumen im kühlenden Hain,
Hier möcht' ich die flötende Nachtigall seyn,
Dann säng' ich voll Wehmuth mit schmelzendem Laut,
Komm, tröste den Jüngling des Elends, o Braut!

Auch möcht' ich als duftendes Veilchen hier steh'n,
Und sanft, wie das Lüftchen der Maynacht sie fleh'n,
O Wunsch meiner Seele pflück liebend mich ab; -
Dann würde ihr Busen mein seliges Grab.

Doch nein, jede Scene des Glücks sey verhüllt,
Verwischt sey im Herzen ihr mahnendes Bild!
Ha! grausames Schicksal! wie quälst du mein Herz,
Komm Engel des Friedens, entnimm mich dem Schmerz."

Schon lange verstummte sein Jammer und Weh,
Dort schlummert er friedlich am Quell auf der Höh;
Wenn zwölfmahl die Glocke der Mitternacht hallt,
Kniet bethend am Grabe des Mädchens Gestalt.
(S. 102-103)
_____



Der Abschied
(Ein Wechselgesang)

Sie
Bald, ach bald schlägt mir die bange Stunde,
Wo ich trauernd dich verlassen muß,
Komm Geliebter, nimm von meinem Munde
Nun den letzten Feuerkuß!


Er
Mit der leisen Frühe Purpurschimmer,
Muß ich zwar den Pfad der Trennung geh'n,
Doch das Schicksal trennt uns nicht auf immer,
Liebe spricht auf Wiederseh'n.


Sie
Wie so nichtig sind des Lebens Freuden,
Thränen säugen seine Kinder groß,
Frohes Finden, ach, und banges Scheiden,
Ist hienieden unser Loos.


Er
Laß den Sturm in deiner Seele schweigen,
Der die Rosen deiner Wangen bleicht,
Denn dem Schicksal sich gehorsam zeigen
Macht des Lebens Bürde leicht.


Sie
Ach, wenn mein Geschick die Trennung bliebe,
Bis der Tod vom Schauplatz weggebeut!


Er
Dann vereinet uns ein Gott der Liebe,
In dem Schoos der Ewigkeit!


Zusammen
Deine treue Liebe läßt mich heiter
Den bedornten Pfad der Trennung geh'n:
Gottes Friede bleibe dein Begleiter
Bis zum frohen Wiedersehn!
(S. 104-106)
_____



Meine Geliebte

Töne sanft, geliebte Laute;
Wie der West die Veilchen küßt,
Der ich es allein vertraute,
Wer mein holdes Liebchen ist.

Du Geliebte bist die Blume,
Die zu meinem frohsten Spiel
Aus dem schönen Heiligthume
Seliger Naturen fiel!

Lächelst du vor meinen Blicken:
Holde Schöpferinn der Lust! -
Herzberauschendes Entzücken
Gießt sich dann in meine Brust.

Trübte mein Genuß der Wonne
Nie durch Liebchens Trennung sich,
Dann wär' unter Gottes Sonne,
Keiner glücklicher als ich!

Kommt, ihr sollt mein Liebchen kennen, -
Wollt ihr auch verschwiegen seyn? . . .
Nun so will ich es euch nennen,
Seht, es ist mein - Fläschchen Wein!
(S. 106-107)
_____



An Christine

Holdes Mädchen, dein Polarstern unter allen Zonen,
Sey dein Herz, so oft der Nachen deiner Jugend irrt,
O dann fährst du sicher nach den bessern Regionen,
Wo dich ferner kein Orkan verschlagen wird.
(S. 107)
_____



Meine höchste Wonne

Schön ist's, wenn Natur zur Frühlingsweihe
Sich das junge Haupt mit Blumen schmückt,
Und Aurora durch des Aethers Bläue,
Auf die grünen Fluren blickt.

Lieblich ist's, wenn im Kristall der Bäche
Still das Huldgestirn der Liebe glimmt,
Auf des Erlenweihers sanfter Fläche
Lunen's Silbernachen schwimmt.

Aber himmlischer sind die Gefühle:
Wenn die Holde, die ich meine, winkt,
Und mich schmeichelnd wie die Abendkühle,
Mit dem Lilienarm umschlingt.

Denn wer diesen Himmel in der Miene,
Diese Gottheit in dem Blick geseh'n,
Dem bleibt auf der großen Wesenbühne,
Selbst das Schönste nicht mehr schön!
(S. 114)
_____



Die Verlassene

Es sauste bang der Abendwind,
Als trüg' er einen Fluch,
Da klagte laut ein armes Kind,
Das einen Säugling trug.

"Voll Glanz ist meines Vaters Haus,
Hier war ein Jüngling mein,
In's Leben folgt' ich ihm hinaus,
Doch ließ er mich allein.

Was diese Welt nur Frohes gibt,
Genoß mein schwaches Herz,
Den Falschen hat es treu geliebt,
Und liebt ihn noch im Schmerz."

Sie hob zum blauen Sternenzelt
Den jammervollen Blick,
Und fleht nun: "o Herr der Welt!
Dein Kind nimm hier zurück."

Vor einem See stand sie voll Schmerz,
Verschwiegen wie das Grab,
Den Säugling drückte sie an's Herz,
Und stürzt' mit ihm hinab.

Nun ist die Arme, wie es heißt,
Um Mitternacht zu seh'n,
Als blaue Flamme soll ihr Geist
Im Uferschilfe geh'n.
(S. 115-116)
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Aus: Blümchen der Einsamkeit
von Christian Ludwig Reissig Wien 1809
auf Kosten und im Verlag bey Johann Baptist Wallishausser


 

Biographie:

https://de.wikipedia.org/wiki/Christian_Ludwig_von_Reissig


 

 


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