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Dina von Salmuth
(1826-1900)
Ali's Lied
Verstummt, ihr Nachtigallen!
Es zieh'n Fatima's süße Lieder,
Ihr Wogen, laßt das Wallen!
Fatima's Locken spielen nieder.
Verhüllet euch, ihr Rosen,
Vor meines Mädchens Rosenwangen!
Ihr Weste, laßt das Kosen!
Mich hält ihr frischer Arm umfangen.
Entflieht, ihr Blumendüfte!
Ich trinke süß're Atemzüge.
Verschließt euch, Todesgrüfte!
Denn Grab und Tod sind eitle Lüge.
O, Sonnenlicht, entfliehe!
Fatima's Antlitz leuchtet heller.
O Blitz, nicht länger sprühe!
Fatima's Blicke zünden schneller.
O Meer, nicht länger schäume!
Viel weißer sind Fatima's Glieder.
O Maid, nicht länger träume!
Dich küßt dein treuer Ali wieder.
(S. 385)
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Du ahnst nicht, was ich leide
Du ahnst nicht, was ich leide,
Seit du so fern mir bist,
Wie ich den West beneide,
Der Stirn und Wang' dir küßt;
Die süße Ätherwelle,
Die deine Stimme trägt,
Die mächt'ge Dichterquelle,
Die hoch um's Herz dir schlägt!
O heilig reine Liebe,
Die mir im Herzen wohnt,
Wird denn dein hold Getriebe
Mit Schmerz mir nur gelohnt?
Reiß von dem Blütenstamme
Die zarte Ranke los,
Die schwache Lebensflamme
Erstirbt im kühlen Moos.
Der Stern herabgesunken
Vom blauen Himmelszelt,
Erlischt als kleiner Funken,
Und war dort eine Welt. -
Im Himmel schwebt' ich trunken,
Im Strahle deines Licht's,
Ich bin herabgesunken -
Ein Meteor - ein Nichts.
(S. 385-386)
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Wechsel
Steh' still, du große Sonne,
Halt mit dem Machtspruch ein:
Es soll auf dieser Erde
Nur Rück- und Fortschritt sein.
Halt ein mit dem Gesetze,
Das schier das Herz mir bricht,
Mein Lieben darf nicht sinken,
Und steigen kann es nicht.
(S. 386)
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Gedichte
aus: Unsere Frauen in einer Auswahl aus ihren Dichtungen
Poesie-Album zeitgenössischer Dichterinnen
Von Karl Schrattenthal
Mit zwölf Porträts in Lichtdruck
Stuttgart 1888
Biographie:
Salmuth,
Dina (Abkürzung v. Bernhardine), Freifrau von, Excellenz, Ps. Dina und
Bernhard von Salma, Berlin W, Kleiststrasse 39, wurde am 31. Mai 1826
auf dem Rittergute Briesen bei Friesack in der Mark Brandenburg geboren.
Sie war die jüngste Tochter des damaligen Rittmeisters, späteren Majors
von Bredow und seiner Gemahlin Bernhardine geb. von Wulffen aus dem
Hause Grabow (Provinz Sachsen). Sie genoss auf dem Lande die Erziehung
ihres Standes durch Hauslehrer und Erzieherinnen und schliesslich in
einem Mädchenpensionat in Berlin. Mit 16 Jahren der Schule entwachsen,
ergriff das junge Mädchen, von einem rastlosen Wissensdrange getrieben,
jede Gelegenheit, ihr Wissen zu erweitern. Der Theologe Ernst Hoche
lehrte sie Hegel, Fichte, Kant und Jean Paul kennen, mit dem
italienischen Professor Fabrucci studierte sie Dante und Petrarca, und
mit dem irischen Dichter Concanon Byron und Thomas Moore, während sie
ihr poetisches Talent an den neueren
deutschen Dichtern bildete. Der bekannte Recensent Rellstab sagte über
ihre Gedichte: "Man empfindet ein Vollsaugen der Dichterin von dem
Besten unserer Litteratur, ohne dass sie an ihrer Eigenart etwas
verloren hat." – Ihre musikalische Ausbildung erhielt sie von dem
Pianisten Gustav Schumann. 1847 veröffentlichte sie eine Sammlung von
Gedichten unter dem Titel "Jugendblüten" von Dina. Diese Gedichte
verdanken ihre Entstehung zum Teil ihren Reisen im Süden Europas. – 1848
vermählte sie sich mit Ludwig Freiherrn von Salmuth, einem jungen
Offizier. 1852 erschienen die "Jugendblüten" in zweiter verbesserter
Ausgabe unter dem Namen "Dina von Salmuth". Für Musik begabt und von
ihrem vortrefflichen Meister gefördert, widmete sie sich dieser Kunst in
hohem Masse. Doch 1861 veröffentlichte sie einen dreibändigen Roman
"Graf Mocenigo" unter dem Pseudonym Bernhard von Salma. Mit dem
Heranwachsen ihrer Kinder und der Stellung ihres Gemahls wuchsen die
Pflichten für Haus und Familie, denen sie sich mit vielem Ernste
widmete. Veröffentlicht hat sie in der Zeit nur Gedichte zu
verschiedenen Gelegenheiten, in der deutschen Dichterhalle, in
Sammlungen etc. und ein Weiteres sich vorbehalten. 1887 trat ihr Gemahl
– jetziger General der Kavallerie – als Generallieutenant in den
Ruhestand und seither wohnt sie in Berlin.
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Jugendblüten. Dichtgn. 1. Aufl. 1847 2. Aufl. 1852. Berlin
aus: Lexikon
deutscher Frauen der Feder.
Eine Zusammenstellung der seit dem Jahre 1840 erschienene Werke
weiblicher Autoren, nebst Biographieen der lebenden und einem
Verzeichnis der Pseudonyme. Hrsg. von Sophie Pataky
Berlin 1898
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