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Ferdinand Sauter
(1804-1854)
Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
An ***
Du mahnst mich an ein Frühlingslüftchen,
Das jählings aus dem Süden kam,
Urplötzlich fächelt's meine Wangen,
Verscheuchend allen Wintergram.
Du mahnst mich an die Schlüsselblume,
Die, wenn noch Schnee die Felder deckt,
Im Wald aus jungen Gräserspitzen
Sein zartes Stengelhälschen streckt.
Du mahnst mich an die erste Lerche,
Die sich aus feuchten Furchen schwingt,
Und unsichtbar im blauen Aether
Die unbewußte Hymne singt.
An Alles mahnst du mich, du Holde,
Was je mein junges Herz geliebt,
Was meinem müden Geiste Flügel
Und meiner Seele Tröstung gibt!
(S. 22)
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Marie
Dich lieb' ich, dich, Marie,
Mit meiner Jugend Feuerglut,
Denn einem Mädchen nie
Noch war mein Herz so innig gut
Als dir, Marie!
Im Wald bist du, Marie,
Mein erstes Wort, mein letztes Wort.
Bei Tageshitz' und Müh'
Mein Labequell, mein Ruheport
Bist du, Marie!
Dir bleib ich treu, Marie,
In weiter Fern', im bittern Tod,
Vergeß' dich Liebchen nie!
Mein Scheidewort sei: Du, o Gott!
Und du, Marie! (S.
37)
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Versagte Liebe
Du gabst mir, Himmel, Freunde
Von ächtem Schrot und Korn;
Nicht minder auch der Feinde
Verletzend scharfen Dorn.
Die Freunde sind zerstoben
Nach Süden, Ost und West,
Die Feinde doch erproben
Sich bleibend treu und fest.
Und oftmals füllt das Auge
Sich mit der Wehmuth Naß,
Des Schmerzes scharfe Lauge,
Sie brennt ohn' Unterlaß.
Nur selten schwebt die Freude
Vom Aether licht herab,
Die doch im Flügelkleide
Den Weihekuß mir gab.
Die Jugend ist vorüber,
Die Manches wohl verbaut,
Indeß der Mann schon trüber
Der Zukunft Schleier schaut.
Was mich entzückt, begeistert
Im goldnen Jugendtraum,
Das Leben hat bemeistert
Der frischen Kräfte Schaum.
So schwankt durch Nebeltage
Dahin der matte Fuß,
Wohl drücken Last und Plage,
Doch nimmer winkt Genuß.
Du, Liebe, bist der Bronnen,
Der wunderbar erquickt,
Wenn schwüle Glut der Sonnen
Uns auf den Scheitel zückt.
Du wärmst mit sanften Strahlen,
Wie Frühlingshauch im März
Die Matten küßt, die fahlen,
Das halberstarrte Herz.
Und in der Selbstsucht Wüste
Bist du die Labungskost,
Die an des Todes Küste
Noch spendet süßen Trost.
O Himmel voller Liebe,
O Erd' im Mittagsglanz,
Laßt freudenlos und trübe
Mich nicht verschmachten ganz.
Und führt nach Sturmesfahrten
Mich in das Paradies,
Wo blinkt im Zaubergarten
Der Herzen goldnes Vließ!
(S. 42-44)
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Mein Sonntagsmorgen
Keine Dichtung
Welches Glück, am Sonntagsmorgen
In den Tag hinein zu schlafen,
Ruhig liegen in dem Hafen,
Von der Alltags-Noth geborgen.
Langsam wird sich angekleidet
Unter Singen, unter Pfeifen,
Und kein Schmollen und kein Keifen
Unser Wohlsein uns verleidet.
Mit unsäglichem Vergnügen,
Angethan mit neuem Rocke,
Mit dem Hute, mit dem Stocke
Steigen wir hinab die Stiegen.
Doch um Eins nicht zu vergessen,
Stecken wir in uns're Taschen
Uns ein hübsches Buch zum Naschen,
Bis es später Zeit zum Essen.
D'rauf wird in dem Sonnenscheine
Hingeschlendert durch die Gassen,
Ganz gemütlich und gelassen;
Denn sie sind so blank und reine.
Jene grünen Jalousien
Sind geschlossen - ach die Schönen,
Die sich dort auf Flaumen dehnen,
Träumen wohl von Harmonien!
Laß sie träumen! - die Geliebte
Denket doch des treuen Schäfers,
In der Ruh' des Siebenschläfers, -
Daß ihr nichts den Frieden trübte!
Doch ein winzig Kieselsteinchen
Will ich an's Gesimse schleudern,
Etwa, daß sie schon in Kleidern
Tänzelt niedlich auf den Beinchen.
Sieh, da öffnet sie die Balken
Mit den zarten Fingerspitzen,
Spähet furchtsam durch die Ritzen,
Wie die Taube auf den Falken.
Ha, nun hat sie mich erblicket,
Wirft mir mit dem lieben Händchen
Küsse zu als süße Pfändchen,
Wer ist wohl wie ich entzücket?!
Und ich wand're selig weiter
Bis hinaus zu den Alleen,
Die vor jenem Thore stehen,
Und das Glück ist mein Begleiter.
(S. 79-80)
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Ostergruß
Pflückt des Lebens frische Blume,
Schwärmt des Sommers Rest hinab,
In des Herzens Heiligthume
Betet wie an Christus Grab;
Denn des Höchsten höchster Orden
Heißt: du bist ein Mensch geworden.
Seid gegrüßt, ihr habt verstanden,
Was gemeint des Dichters Wort -
Schwebt das Herz in süßen Banden,
Schwinden Bild und Zeit und Ort.
Seid beglückt, der Liebe Flammen
Schlagen über euch zusammen!
(S. 103)
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An ein Mädchen
Sieh, es naht mir schon das Alter,
Doch mein Lieben blieb so jung,
Längst verblich der bunte Falter,
Kräftig blieb der Flügel Schwung.
Oede sind der Freude Hallen,
Wo ich schwärmte. Ach, du weißt,
Jugend möchte gern gefallen,
Was man so gefallen heißt.
Halbe Zeit verschlang das Mühen,
Und die zweite Frist der Ernst!
Lange magst du standhaft blühen,
Bis auch du verschmachten lernst.
Bräute schmücken sich mit Myrthen,
Scherz und Küsse birgt der Hain,
Schatten deckt die süß Verirrten,
Und die Sehnsucht zieht allein.
Lächle nicht des einsam Armen,
Spät noch weint er um das Glück -
Gib mit himmlischem Erbarmen
Ihm der Zeiten Raub zurück!
Sei's dir, Kind, nicht zum Verdrusse,
Wenn du mich ein Theilchen liebst,
Und mit einem Engelskusse
Mir das Leben wieder gibst! -
(S. 110-111)
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Gestilltes Herz
Ob Morgenglanz die Welt umfängt,
Ob Sternenmantel drüber hängt,
Ob sie erglüh' im Mittagsschimmer,
Des Herzens Glut erlöschet nimmer.
Ob Sturm die dunklen Wolken jagt,
Und Bergen gleich die Woge ragt,
Des Herzens Wellen höher steigen,
Sich tiefer seine Wolken neigen.
Der Erde Rund sich rastlos schwingt,
Und schnell die Jahreszeiten bringt,
Doch eil'ger Herzensschwingen ziehen,
Und schneller seine Blumen blühen.
Hat Liebverrath dich schier erstarrt,
Und Freundestreue nicht beharrt;
Will Schicksalstücke dich erdrücken,
Sie können nicht die Glut ersticken.
Und brach die Zeit des Körpers Kraft,
So blieb das Herz doch unerschlafft,
Es zehrt noch von vergangner Fülle
Und fragt nicht nach der morschen Hülle.
So ruht das rege Herze nicht,
Bis es die dunkle Schranke bricht,
Bis deine ewig trunk'nen Augen
Aus Gottes Anblick Ruhe saugen.
(S. 117-118)
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Erste und letzte Gunst
Als wir uns jung und unverhofft gefunden,
Von Blüten überschneit im Wonnemai,
Hat unser süß berauschtes Herz empfunden,
Daß ohne Liebe hier kein Leben sei.
Du gabst die erste Gunst; kein Widerstreben, -
Und meine Lippe sog der Seele Kuß,
Da warf die Zeit uns Schatten in das Leben,
Und um die Wonne tauschten wir Verdruß.
Die Jugend schwand, nicht weiser ward das Alter,
Die Sehnsucht floh, die Hoffnung selbst entwich,
Nun fleht die Rose zum verblich'nen Falter:
Als letzte Gunst, mein Freund, verlasse mich!
(S. 119)
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Ohne Liebe
Ohne Liebe! armes Leben,
Ohne Freude, ohne Qual!
Keinen Lohn für alles Streben
Gibt der langen Monden Zahl!
Bleiern lasten die Secunden
Auf des Busens öder Nacht,
Keine Seele zählt die Stunden,
Bis der Abendstern erwacht.
Gleich den kühlen Salamandern
Frierst du in des Mittags Glut,
Und von einem Tag zum andern
Suchst du das ersehnte Gut.
Um dein feuchtgeweintes Lager
Schleicht die träge Zeit herum,
Deine Sehnsucht härmt sich hager,
Doch die Mitternacht ist stumm.
So enteilen dir die Tage,
Deinem Herzen unbewußt,
Und du fühlst des Lebens Plage,
Aber nicht des Lebens Lust.
Endlich müde solcher Kette
Findet dich ein früher Tod,
Und an deinem Sterbebette
Weinet sich kein Auge roth!
(S. 120-121)
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Süße Ahnung
Ich trug im Herzen längst ein stilles Träumen,
Zu finden eine gleichgestimmte Seele,
Die liebend mit der meinen sich vermähle:
Ich fand sie nicht in dieser Erde Räumen!
Da sah ich dich - du kamst nach langem Säumen -
Und fühlte - ob's mir fromme, ob's dich quäle,
Unmöglich scheint es, daß ich dir's verhehle, -
Der Liebe Rosenflor im Busen keimen.
Du weißt es gut, du bist die Frühlingssonne,
Die solchen Keim zur Blüte kann entfalten;
Sei nur so freundlich, mild ihn zu bescheinen.
O schon die Ahnung füllt mein Herz mit Wonne,
Und wie mir Lust und Qual die Seele spalten,
Muß ich der Freude süße Thränen weinen!
(S. 154)
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Liebe
Auch ich empfand in wonniglichen Stunden
Der Liebe tiefgefühlte Seelenfreude;
Die ganze Welt erglänzt' im Frühlingskleide,
Und Tage wurden flüchtige Secunden.
Von süßen Banden fühlt' ich mich gebunden,
Verschloß mein Ohr der Menschen Haß und Neide,
Und wähnte, daß mein Lieb und ich, wir beide
Des Lebens Glück alleinig nur empfunden.
Da streute Groll und Zwietracht bösen Samen,
Und mächtig lösten sich die festen Schlingen,
Die uns so selig froh verbunden hatten.
Wir löschten aus im Herzen unsre Namen,
Die Pfänder tauschend, die wir einst empfingen,
Und wurden Feinde statt beglückte Gatten.
(S. 155)
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Henriette
1.
Als jüngst mein Aug' erblickte Henrietten,
Da wurden locker der Besinnung Quadern,
Glutströme quollen rings durch meine Adern,
So wie sie qualmen in des Aetna Betten.
Wer schmachten dürft' in ihren Blumenketten,
Er sollte nimmer mit dem Leben hadern;
Von solcher Reize stürmenden Geschwadern
Kann dich, o Freund, nur schnelle Flucht erretten.
Mairosenbeete blüh'n auf ihren Wangen,
Aus deren Grübchen Amoretten scherzen,
Und Nelken glühen auf den frischen Lippen.
O selig, wer von solchem Reiz umfangen,
Vergessend aller Qualen, aller Schmerzen,
Darf weltentrückt der Liebe Nektar nippen!
2.
Du bist von jedem Zauberreiz umflossen,
Sowie vom Maienhauch der duft'ge Flieder,
Der Schönheit Wellen fließen auf und nieder,
Von meiner Sehnsucht Flammenblick umschlossen.
Da liegst du, auf das Sopha hingegossen,
Die Lilienkeime sprengen schier dein Mieder;
Die Demantpfeile deiner Augenlider,
Sie haben meiner Ruhe Rest erschossen.
Hinweg aus diesem märchenhaften Kreise,
Wo tausend Qualen durch die Glieder wühlen,
Hinaus ins Freie, wo die Sterne leuchten.
Durchirrend ferner Fluren Furchengleise,
Will ich in Feld und Wald, den nebelfeuchten,
Der Sinne wilde Lavagluten kühlen.
(S. 159-160)
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Aus: Gedichte von
Ferdinand Sauter
Mit des Dichters Lebensskizze
aus dem Nachlasse herausgegeben
von Julius von der Traun
Wien Verlag von Tendler und Comp. 1855
Biographie:
http://de.wikipedia.org/wiki/Ferdinand_Sauter
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