Georg Scheurlin (1802-1872) - Liebesgedichte

Georg Scheurlin



Georg Scheurlin
(1802-1872)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 



An ihr Auge

I.
Wie dein Auge - traumbewußt -
Senkt das schlummertrunkne Lid,
Wie sein Strahl um meine Brust
Ahnungsvolle Kreise zieht,
Wie es Sterne, Duft und Blüthe
Im Gemüthe -
Jeden Hauch erweckt zum Lied,
Und die Siegel löset sacht
Jeder Ahnung, die noch schliefe -
Nenn' ich es die stille, tiefe,
Unerschöpfte Frühlingsnacht.

Ach, und wenn in süßer Flut
Mir dein Auge überquillt,
Wenn sein Strahl dem trunknen Muth
Leuchtend Kuß um Kuß vergilt,
Wenn es aus dem Strom der Güte
Mein Gemüthe
Mit so reicher Labung stillt,
Daß der Rosen, die es pflag,
Tausend Knospen glühn und schwellen, -
Nenn ich es den freudehellen,
Unerschöpften Frühlingstag.


II.
Weide mich in deinem Bilde,
Süßes Auge, laß geschehn,
Daß die Wunder deiner Milde
Tief durch meine Seele gehn.

Aus dem Dunkel deiner Lider
Laß die stummen Melodien
Deiner Strahlen hin und wieder
Leuchtend durch mein Leben ziehn.

Fülle so mit deinem Frieden
Meiner Seele Traum und Thun,
Daß sie von der Welt geschieden
Mag in deinen Himmeln ruhn.

Oder laß mein Herz sich wiegen
In dem tiefsten aller See'n,
Selig durch die Wogen fliegen,
Oder taumelnd untergehn.
(S. 128-129)
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Seliger Tod

In deinen Augen möcht' ich sterben,
Im Herzen dir begraben sein;
Dir gäb' ich Leib und Seel' zu erben,
Und nur die Treue bliebe mein,
Und nur das tief gehegte Wissen,
Nichts mehr zu haben für und für,
Und mein - das selige Vermissen
Der Ruhe, die versenkt in dir,
Und mein zuletzt der Blume Schmerzen,
Die still um dein Verlangen wirbt,
Und - wenn gebrochen - dir am Herzen
Den süßen Tod der Treue stirbt.
(S. 130)
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Wettstreit

Erd' und Himmel wollten rechten,
Wer im schönsten Schmucke glänze,
Und der Himmel ließ sich flechten
Um das Haupt die Sternenkränze,
Und den Bogen spannt' er kühn,
Hieß den Mond, die Sonne leuchten,
Und aus dunklem Schoß die feuchten
Perlen ließ er niedersprühn.

Und die Erde schuf nur Eines,
Daß den Himmel sie besiege,
Nur dein Auge, tief wie keines,
Und der reinsten Seele Wiege;
Während aller Sterne Pracht
Matt nur seinen Zauber spiegelt,
Liegt in seinem Blick entsiegelt
Erd' und Himmel, Tag und Nacht.
(S. 131)
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Nachwirkung

Wenn ich deiner Blicke reinen
Aether dürste einzusaugen,
Bald, geblendet von den deinen,
Muß ich senken meine Augen;

Denn aus jenes Lichtes Bronnen
So viel Schimmer seh' ich fließen,
Daß sich wie vor tausend Sonnen
Zitternd meine Wimpern schließen.

Aber wie der Blendung Schmerzen
In geschloßnen Augenlidern
Wirkt dein Bild mir fort im Herzen,
Wenn du selbst mir längst geschieden.
(S. 132)
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Erscheinung

Sie schwebte hin, die himmlische Gestalt, -
Ich sah den Frühling wandeln durch die Matten,
Es war ein Bild voll Klarheit, ohne Schatten,
Ein Engel so voll Milde wie Gewalt.

So schritt sie sicher, züchtig, unbewußt
Der Wunder, die in ihrem Wesen lagen;
Sie schien ein Krönlein auf dem Haupt zu tragen,
Und trug nur eine Rose auf der Brust.

Ein Lied voll stummer Sehnsucht war ihr Gang,
Der Hauch der Anmuth floß um ihre Hüfte; -
Mein Auge folgt' ihr wie durch Abendlüfte
Das Echo folgt der Laute weichem Klang.

So zog sie hin, - mein schöner Tag entfloh!
Nun fragt mein Herz nach seinem süßen Lichte;
Die Rosen nur und die Vergißmeinnichte
Aus eitler Scham, sind ihres Scheidens froh.

Sie zog dahin, so wie im Morgenland
Erhaben - mild die heil'ge Frauen wallten;
Vor ihr die Hände gläubig mußt' ich falten:
"Nimm auf mein Herz in deine fromme Hand!"
(S. 134)
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Versenkung

Ich hab' in eine Seele,
In deine Seele geschaut;
Sie leuchtete vom Juwele
Der Wehmuth überthaut,
Blau wie des Himmels Helle
Und tiefer als das Meer;
Ich schöpfte Well' um Welle
Und schöpfte sie nimmer leer.

Sie lag in deinen Augen
Mir offen bis zum Grund,
Ich träumte, sie zu saugen
Von deinem süßen Mund;
Deß trag ich Herz und Sinne
Verwirrt in trunkner Schau;
Heile mit holder Minne,
Heile mich, schöne Frau.
(S. 135)
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Zauber der Liebe

I.
O nenne mir die süße Macht,
Die mich in deine Nähe bannt,
Und mit dem milden Hauch der Nacht
Die trunkne Seele übermannt!

Du hast den Frieden, der mir fehlt;
Wenn nicht bei dir, wo find' ich Ruh?
Denn jedes Glück, das mich beseelt
Und jeder Segen kommt wie du.

In deinem Wesen zieht ein Ton,
Von Sehnsucht, Traum und Duft beschwingt,
Ein ahnungsreiches Wort, davon
Mein tiefstes Innre widerklingt.
(S. 136)


II.
Du leuchtest auf - mein Frühlingsbild,
Und füllst mein Herz mit Duft und Schall,
Dann blüh'n die Veilchen im Gefild,
Im Walde tönt die Nachtigall.

Und wendest du dein Angesicht,
So bleicht der Rose süßes Roth,
Der holde Tag verliert sein Licht,
Die weite Welt ist stumm und todt,

Und alle Lieder schlummern ein,
Die je mein träumend Herz bethört:
Du bist das Licht, der Ton allein,
Darin die Seele sieht und hört.
(S. 137)


III.
Du wandelst in des Morgens Pracht,
Durch meinen Himmel wandelst du;
Du ruhst, indeß mein Sehnen wacht,
In meinem Herzen deine Ruh.

Da schmückst du mit der Rosen Flaum
Dein märchenhaftes Schlafgemach,
Da küßt dein Lächeln mir den Traum,
Den Frühling erster Liebe wach.

Da legst du wohl die linde Hand
Auf manche Wunde, tief und weh,
Und holest dort herauf zum Strand
Der Perlen manche aus der See.

Du wandelst in des Morgens Pracht,
Durch meinen Himmel wandelst du;
Du ruhst, indeß mein Sehnen wacht,
In meinem Herzen deine Ruh.
(S. 138)
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Warum

Warum nur du, nur du allein
Der Himmel meines Lebens bist,
Warum in dir nur Frühlingsschein
Und ohne dich der Winter ist?

O frage, frag' die Nachtigall,
Das Röslein frage dort am Hag,
Warum ihr süßer Duft und Schall
Nur mit dem Lenze gehen mag;

Und so den Stern, warum er nur
An seine Nacht mit Sehnen denkt, -
Den Bach, warum auf jeder Spur
Sein Gang hinab zum Strome lenkt? -

Und theilest du die holde Qual,
Die mir das Herz zu deinem zieht,
Du folgest sonder Ziel und Wahl,
Und fragest nie wie das geschieht.
(S. 139)
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Wie du so lieb mir bist

Es duftet's jede Blüthe,
Wie du so lieb mir bist;
Weiß nicht, wie mein Gemüthe
So gar verrathen ist;
Ich hab's allein der Nacht vertraut,
Daß sie es treu behüte:
Wie du so lieb mir bist.

Wußt nimmer, daß zu schweigen
Der Wald so leicht vergißt;
Nun singen's in den Zweigen
Die Vöglein alle Frist,
Und auch die Blätter flüstern leis,
Die sich im Winde neigen,
Wie du so lieb mir bist:

So Laub als Vöglein trieben
Mit mir wohl schlimme List,
Weil allerstillstes Lieben
Kein glücklich Herz ermißt;
Denn nur auf einer Rose Saum
Mit Schmerz hab ich's geschrieben:
Wie du so lieb mir bist.
(S. 140)
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Angedenken

Nicht einsam lebst du mir im Herzen,
Mit deinem Bilde kommt und flieht
Ein süßes Spiel von Lust und Schmerzen,
Ein Sternenblick, ein Schwanenlied;

Mit dir ein Schauern, wie's im Walde
Das erste Veilchen still erlauscht,
Wenn mit dem Gruße: bald, o balde -
Der Frühling durch die Wipfel rauscht;

Mit dir der Wellen leises Wogen,
So ruhelos, so leuchtend auch;
Mit dir durch meine Brust gezogen
Kommt aller Sehnsucht Traum und Hauch.

Es ist dieß süße Deingedenken
Ein Frieden, der mich überwacht,
Ein frommes, sinnendes Versenken
In das Geheimniß stillster Nacht,

Ein Opfer, wie es im Juwele
Des feuchten Auges je zerfließt,
Ein leises Wort, das meine Seele
Im Buche der Entsagung liest.
(S. 141)
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Phantasie der Liebe

Ich möchte ziehn im Mondenlicht,
Das um dein süßes Antlitz fließt,
Dich grüßen im Vergißmeinnicht,
Das deiner Augen Sprache liest,

Und baden mich in seinem Thau,
Wenn sich's an deinen Busen schmiegt,
Und mit ihm schwelgen in der Schau
Des Himmels, der ihm offen liegt,

Und ach versinken ganz und gar
Mit Allem was die Welt umschließt,
Möcht' ich an jenem Rosenpaar
Das schwellend dir am Herzen sprießt.

Und doch, der allerschönste Tod
Mir Auferstehung würd' er sein,
Wenn deine Lippe, blüthenroth,
Mir hauchte: Ewig bin ich dein! -
(S- 142)
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Mein Herz und du

Mein Herz und du: - so ruhet überwacht
Vom lichten Mond die traumbeglückte Nacht.

Wie dir mein Herz - so folgt der Abendstern
Dem Gang der Sonne einsam, sehnend, fern.

Mein Herz und du - so küssen unbewußt
Sich Aug' und Thräne bald in Leid, in Lust.

Wie dich mein Herz - so wiegt den süßen Klang
Die Aeolsharfe bei der Lüfte Gang.

Mein Herz und du: - die Sehnsucht und ihr Bild;
Es blüht ihr Schmerz, doch ewig ungestillt!
(S. 143)
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Das Leid, das du verkünden mußt

Du ziehest mild und gnadenreich;
Von deines Auges Strahl berührt,
Erschrickt mein Herz, der Blume gleich,
Die ihres Lenzes Odem spürt.

Du kommst, - und meine Nacht erhellt
Der milde Mond; du ziehst davon
Und von den Blüthen meiner Welt
Entfällt die schönste mir - der Ton.

Ich möchte fragen, ob du sei'st
Der Friedensengel, ob sein Traum;
In deiner Hülle schwebt der Geist
Der Liebe durch den Erdenraum.

Du aber wandelst unbewußt
Der Sehnsucht, die dein Kommen giebt;
Das Leid, das du verkünden mußt,
Ist nur mein Schmerz, der still dich liebt.
(S. 144)
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Wirkung

Ein Kindlein, das im Nachtgebet
Sein Herz dem Himmel hat vertraut,
Weiß nun, daß es zur Ruhe geht,
Von ihm behütet und beschaut.

So zieh' auch ich zur Ruhe ein,
Und fühle, daß mein Engel wacht,
Weil ich aus tiefster Seele dein,
Du süße Heilige, noch gedacht.
(S. 145)
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Der Liebsten Schmuck

Wohl Frühlings ging ich durch die Au
Zur Seite der allerschönsten Frau:
Was streust du nun, o Blüthenhag,
Damit die Holde sich schmücken mag? -
Er gab ihr Veilchen und Rosen,
Darin die Glut des Maienmorgens lag.

Und als wir an des Baches Rand
Lustwandeln gingen Hand in Hand:
Was hast du, Silberflut, bereit,
Zu schmücken die wunderschönste Maid?
Sie gab mir lichte Perlen,
Daß also köstlich prangte kein Geschmeid.

Und als wir ruhten am Erlenbühl:
Was spendest du nun, mein Wald so kühl,
Das werth der Liebsten sei als Preis? -
Da sang's im Laube, da klang durch's Reis
Das schönste aller Lieder,
Davon mein Herz noch je zu singen weiß.

Nun trägt die allerschönste Frau
Im Augenpaar der Veilchen Blau,
Der Rosen Schmelz im Angesicht,
Im süßen Mund die Perlen licht
Und Philomelens Stimme,
Wenn sie der Liebe hohes Wunder spricht.
(S. 146-147)
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Der Treue Sieg

Dich hab' ich längst in Lieb' getragen,
Mir still im Herzen lebtest du;
Dir weiht' ich nächtlich meine Klagen
Und dir am Tage Glück und Ruh.
Ich ging, mit deinem Stolz zu kriegen,
Doch ward mir keiner Hoffnung Schein: -
Ich wollt' im Sturme dich besiegen,
Und nur die Treue siegt allein.

Da griff ich in die volle Laute,
Mein tiefstes Fühlen klang im Ton;
Du lauschtest mild, dein Auge thaute,
Und dich mein eigen träumt' ich schon;
Du sahst mich dir zu Füßen liegen,
Doch meinem Flehen sprachst du "nein!" -
Ich wollte dich im Lied besiegen,
Und nur die Treue siegt allein.

Als nun der Blick zerfloß in Trauern,
Der immer fromm zu dir geschaut,
Da mußte dich die Treue dauern,
Die dir so wandellos vertraut;
Du sankst an meine Brust verschwiegen
Und hauchtest leis das erste "Dein!" -
"Du wolltest stolzen Muthes siegen,
Doch nur die Treue siegt allein!" -
(S. 148-149)
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Verlangen

An deinen Busen laß mich sinken,
Die Alpenrosen unter'm Schnee
Im Kusse pflücken, laß mich trinken
Aus deiner Augen tiefem See;

Laß meine Blicke sich verklären
In jener Sterne sel'ger Schau;
Laß mich verglüh'n in ihren Sphären,
Wie in der Lilie stirbt der Thau.

O süßes, seliges Versiegen! -
Doch süß'rer Taumel, traumbewußt
Der Sehnsucht leisen Kahn zu wiegen
Auf jeder Welle deiner Brust!

Du aber ziehst - ein Lenz voll Blüthen,
Zu Füßen liegt dir jede Huld, -
Ein Eden, das die Engel hüten -
Und mein Verlangen nennst du Schuld.
(S. 150)
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Im Traume selig

Nun kannst du fröhlich fort ins Weite,
Nun Herz ist alles wohl und gut;
Hat doch die Liebste mir zur Seite,
An meiner Brust hat sie geruht.
Ihr Sternlein schlaft nur - müd' und trübe,
Mir leuchtet andrer Sonnen Schein:
Ich trank den Himmel ihrer Liebe,
Denn ach, sie war im Traume mein.

Und wenn ich wandre heut und morgen,
Mich trübet nimmer ein Verlust,
Mir ruht das schönste Glück geborgen
Erinnrungs-selig in der Brust;
Bis wieder mich die Sterne grüßen,
Bis mich die Dämmrung säuselt ein;
Dann lächelt mir das Bild der Süßen,
Und dann im Traume wird sie mein.

Nur träumend geht mein Herz zu minnen,
Doch treuer als das Leben gibt;
Ist alles Trug und schwebt von hinnen:
Mir bleibt was ich im Traum geliebt.
Am Tage sehnend dich vermissen,
Um Abends selig dein zu sein: -
Und bliebst du ewig mir entrissen,
In Träumen ewig bist du mein.
(S. 151-152)
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Glück der Liebe

I.
Nun hält mein Herz umfangen
Der Liebe reichen Hort,
Nun ist ihm aufgegangen
Ihr holdes Gnadenwort.

Das las ich ausgesprochen
In zweier Augen Grund,
Das hab' ich frisch gebrochen
Von einem süßen Mund.

Nun quillt mein Freudenbronnen,
Nun tränkt mich solche Huld,
Daß jeder Hauch zerronnen
Von Qual und Ungeduld.

Wie strömt durch meine Sinne
Ein Lenz voll Duft und Thau;
Das thut mit ihrer Minne
Die wunderholde Frau!

II.
Nun weicht ihr güldnen Sonnen,
Nun Mond, beschließe deinen Lauf;
Zwei hellre Strahlenbronnen
An meinem Himmel leuchten auf!
Zwei Augen voller Treue,
Zwei Sterne voller Pracht,
Zwei Blumen so voll Bläue,
Daß ihres Thau's ein Tropfen trunken macht.

Ihr Englein auserkoren
Zu Hütern an der Himmelsthür,
Euch ist das Reich verloren,
Ein süßres Auge wacht dafür.
Wer dort um Einlaß riefe,
Dem spräch' es: Sei nicht bang; -
In meines Grundes Tiefe
Ist aller Himmel Auf- und Niedergang.

Nun denn, du lichte Quelle,
So wundersüßer Wonnen voll,
Laß strömen Well' an Welle,
Davon mein Herz genesen soll;
Laß Thau und Sonne fließen
Auf mich, du Frühlingstag;
Die Rosen fühl' ich sprießen,
Nun hilf, daß ich sie fröhlich pflegen mag.
(S. 153-155)
_____



Ständchen

Wach auf, wach auf, du liebe Maid!
Und hörst du nicht des Freundes Lied,
Das durch die Stille im Geleit
Der sehnenden Akkorde zieht?
Die Sterne schaaren sich zu Hauf,
Daß küssend dich ihr Strahl berühre;
O laß mich nicht vor deiner Thüre
Vergessen flehn: wach auf, wach auf!

Wach auf, wach auf, du schönes Kind,
Und fühlst du nicht auf weichem Pfühl,
Wie süßen Zaubers dich umspinnt
Der Schein des Mondes lind und kühl?
Die Wolken auch, in leisem Lauf
Beschauen dich mit sel'gem Blicke,
Indeß ich süße Seufzer schicke
Zu deinem Ohr: wach auf, wach auf!

Wach auf, du meiner Seele Traum!
Im Laube tönt des Sprossers Schlag,
Bald lüftet an der Berge Saum
Den Schleier auch der junge Tag.
Die Laute noch zu dir hinauf
Entsendet zärtlich ihre Weise: -
Und horch, dein Fenster regt sich leise, -
Mein süßes Lieb wacht auf, wacht auf! -
(S. 156-157)
_____



Getrennte Herzen

Es stehn zwei Stern' am Himmel,
Im Norden und im Süd;
Wie doch getreue Liebe
So gar in Trauer blüht!

In Trauer, weil geschieden
Zwei Herzen hier und dort,
Wie von dem Stern im Süden
Der bleiche Stern im Nord.

Und wenn ich dein gedenke,
So träum ich tief und schwer,
Daß zwischen uns sich senke
Der Himmel und das Meer.

Und schied' uns unterdessen
Nur Meer und Himmel weit; -
Doch daß du mein vergessen,
Trennt uns in Ewigkeit.
(S. 159)
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Untreue

Du küßtest mich, und eine Ros' entsprang,
Ein Harfenton voll Sehnsucht grüßt' und klang,
Ein Ton, der bebend durch die Saiten schlug,
Wohl hell genug,
Daß durch die Himmel all sein Jauchzen drang.

Mein Herz die Harfe, du des Windes Hauch;
Der Frühling du, mein Herz der Rosenstrauch; -
Du küßtest mich, das war der Wetterstrahl,
Der tief im Thal
Die Blume trifft, doch sie vernichtet auch.

Ein kurzer Traum, und alles zog vorbei,
Der Ton, die Rose und ihr süßer Mai;
Du küßtest mich; o sprich: ob mich allein! -
Mein Herz war dein;
Nun brach sein schöner Glaube ihm entzwei.
(S. 163)
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Lieb' und Leid

Was wäre Liebe sonder Leid?
Was - ohne Nacht - der Sterne Heer!
Und ohne Thränen manche Zeit,
Wie stünd' ein Auge still und leer!

Die lichte Perle nährt den Tod,
Das Gold im Feuer wird bewährt,
Und wenn die Liebe geht in Noth,
Das ist der Schmuck, der sie verklärt.

Und wenn ein Herz in Liebe bricht,
Dann küßt ein Engel tief verhüllt -
Der stille Tod - es auf und spricht:
So wird ein göttlich Wort erfüllt!
(S. 164)
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Der Liebe Leid

Eine Seele, welche liebt,
Darf von Trauer nimmer scheiden;
Liebe, wenn sie nimmt und giebt,
Ist ein bitter-sel'ges Leiden.

Denn die Rosen, die sie bricht,
Muß sie bald mit Thränen weiden;
Und sie sollte anders nicht
Als in dunkles Grün sich kleiden.

Nur wer ungeliebt verkam,
Ohne Scheiden, ohne Meiden,
Muß in solchem tiefen Gram
Um ihr Leid die Liebe neiden.
(S. 164)
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Verlassene Liebe

In Liebe gehn, ist aller Schmerzen Tod
Und aller Wonnen Auferstehn,
So färbt kein Glück die bleichen Wangen roth
Als Freud' und Noth -
O Lieb', du stolze Blüthe! -
Sehnender Herzen, die in Liebe gehn.

Und gehn in Liebe ist das tiefste Leid,
Wenn Brust an Brust zum Scheiden fertig stehn,
Das Meer hat Ufer, schiffst du noch so weit,
In Ewigkeit -
Der Trauer nimmer müde -
Sehnen zwei Seelen, die in Liebe gehn.

Bis einst ein Herz an deinem Herzen bricht,
Dann fragst du nimmer, was noch mag geschehn -
Nun sink' o Sonne, Mond verbirg dein Licht,
Vertrocknet nicht
Ihr Brunnen im Gemüthe,
Verlassne Liebe muß in Thränen gehn.
(S. 171)
_____


Aus: Heideblumen
Gedichte von Georg Scheurlin
Heidelberg Universitätsbuchhandlung von Karl Winter 1858

 

Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Georg_Scheurlin




 

 


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