Ghasel
        
        Was Du mir warst, es ist vorbei! - Gott lohne Dich!
        Lust ist Dein Leben nur, der Schmerz verschone Dich!
        Wär' Fürst und König ich, fürwahr, - ich schenkte Dir,
        Mein Land, mein Königthum, erhöb' zum Throne Dich,
        Ging' einsam in den Wald und trüg' Dein Bild in mir;
        Ich schaute Dich im See, im sanften Mohne Dich!
        Rief klagend in die Au den holden Namen Dein,
        Das Echo hallte dann zurück im Hohne Dich,
        Ich aber weinte still, sänk' auf das Moosgestein,
        Und seufzte sterbend noch: "Kein Leben ohne Dich!" 
        (S. 8)
        _____
        
        
        
        
        
        Träume
        
        Mir war als sollt' ich tanzen
        Auf einem großen Ball,
        Es wirbelte mir in den Ohren
        Der fröhlichen Töne Schwall.
        
        Ich hielt ein fremdes Mädchen
        Im Arme, schlank und mild;
        Doch als ich sie näher beschaute,
        Da war es - Dein eigen Bild.
        
        Mir war, als sollt ich reisen
        In fernes, fremdes Land,
        Mich kettete ja an die Heimat
        Seit Dir kein theures Band.
        
        Ich fuhr am weiten Meere,
        Ringsum die blaue Luft -
        Da standest Du mir zur Seite
        Im zaub'rischen Nebelduft.
        
        Mir war, als sollt' ich sterben,
        Verlassen und allein,
        Es weinte kein Auge der Liebe
        Im einsamen Kämmerlein.
        
        Da kamst Du leisen Trittes
        Mit schmerzgenäßtem Blick,
        Ich öffnete selig die Arme
        Und sterbend sank ich zurück! 
        (S. 9-10)
        _____
        
        
        
        Was ist Liebe?
        
        Ein Morgentraum, geheimnißvoll durchschauernd,
        So zaub'risch hold, und sinnberauschend süß;
        Ein sanfter Schmerz, im tiefsten Busen trauernd,
        Und selbst im Leid' noch Himmels-Paradies; -
        
        Ein bleicher Kranz, von Lilien gewunden,
        Ein Nektartrank am Borne des Gefühls,
        Ein stiller Schatz, von Wenigen gefunden,
        Und Vielen nur der Preis verweg'nen Spiels.
        
        Ein Feenkuß, mit Wonneglut genossen,
        Der jeden Puls zum Doppenschlage weckt,
        Ein duft'ger Kelch, in Leid und Gram entsprossen,
        Ein schuldlos Kind, von Tiegern aufgeschreckt.
        
        Ein Diadem aus Perlen stummer Thränen,
        Ein Gürtelband aus blutendem Rubin,
        Ein Strauß, gesteckt aus Seufzen, Hoffen, Sehnen,
        Und mittend'rein des Grabes Rosmarin -
        
        Das ist die Lieb' in ihrem scheuen Zagen;
        Das ist die Lieb' in ihrer Lust und Qual,
        Und wer sie will in seinem Herzen tragen,
        Muß nippen auch vom bitteren Pokal! 
        (S. 13)
        _____
        
        
        
        Geheime Liebe
        
        Stehst Du vor mir, umringt von Festes-Prangen,
        Trägt kaum mein Herz des kalten Blickes Stich;
        Doch hält geheim mein Arm Dich voll Verlangen,
        Dann spricht es heiß: "Kein Leben ohne Dich!"
        
        Im Glanz des Saals fühlst Du nur öde Leere,
        Und sehnst Dich gern an meine Brust zurück;
        So lügst Du süß: damit ich nie entbehre
        Die inn're Ruh und des Vertrauens Glück!
        
        Denn daß Dein Herz vom süßen Lob umgaukelt,
        Zeigt mir die Lust, die Dir im Blicke schaukelt,
        Der Schelmenzug, der um die Lippe spielt; -
        
        Doch wenn Du laut Bewunderung errungen,
        Und halb Dein Herz vom Schmeichelwort bezwungen,
        Denk' auch an den, der - was Die sagen - fühlt! 
        (S. 23)
        _____
        
        
        
        Der Wechsel
        
        Wir saßen so traulich beisammen,
        Wir hatten einander so lieb,
        Da flohen die himmlischen Stunden,
        Daß keine zum Scheiden uns blieb!
        
        Dann saßen wir später beisammen,
        Doch Du, - Du blicktest zerstreut,
        Sprachst viel von Ball und Brillanten,
        Da stockte das Wort und - die Zeit!
        
        Nun wandle ich still und alleine
        Des Abends voll düsterem Muth; -
        Die Stunde - sie will nicht kommen,
        Wo Alles verlischt und ruht. 
        (S. 26)
        _____
        
        
        
        Vergessen!
        
        Sie ging an mir vorüber,
        Als kennte sie mich nicht,
        Als wär' ihr längst entschwunden
        Mein ernstes Angesicht;
        
        Als hätt' sie nie beschworen
        Der Liebe süßen Bund,
        Als hätt' sie nie gehangen
        An diesem stummen Mund.
        
        Da konnt' ich mich nicht halten,
        Mein Angesicht erblich,
        Und in das treue Auge
        Mir eine Thräne schlich.
        
        Und als sie dies gewahrte,
        Da lächelte sie kalt,
        Und flüsterte zur Freundin
        Von "Sentiments" und - "alt!"
        
        Doch ich - ich wankte weiter,
        Und sah nicht mehr zurück; -
        So hab' ich denn verloren
        Auch der Erinn'rung Glück! 
        (S. 28)
        _____
        
        
        
        Die alte Geschichte
        
        
        (Jänner)
        
        Sie hat mich angesehen
        Mit einem süßen Blick,
        Ich muß es Euch gestehen,
        Das war mein ganzes Glück!
        
        Und seitdem sah ich sie nimmer;
        Doch blieb der süße Blick
        Mit seinem Sternenschimmer
        In meiner Brust zurück.
        
        
        (Februar)
        
        Sie flog mit mir im Kreise
        Voll Seligkeit dahin,
        Noch klingt die frohe Weise
        Mir tief im Herzen drin.
        
        Sie lag in meinen Armen,
        Sie lag an meiner Brust,
        Da fühlt' ich süß erwarmen
        Das Herz zur höchsten Lust.
        
        
        (Mai)
        
        Sie hat mir die Hand d'rauf gegeben,
        Sie liebe nur mich allein,
        Ich sei ihr einziges Leben -
        Bei mir nur wolle sie sein.
        
        So wahr der Mondschein lächelt
        Auf ihrer Thränen Fluth
        So wahr der Zephir fächelt
        Der heißen Triebe Gluth! -
        ***
        
        Der Mond, der lächelt noch immer,
        Der Zephir wiegt die Flur;
        Doch sie - sie liebt mich nimmer,
        Vergaß den heißen Schwur! 
        (S. 31-32)
        _____
        
        
        
        Trennung
        
        Besser ist es, daß wir scheiden,
        Besser ist's für Dich und mich,
        Lieber jähen Tod erleiden,
        Als verenden welk und siech!
        
        Hab' ein Straucheln Dir vergeben,
        Was du warst, bist Du mir noch;
        Aber ich bin nicht Dein Leben,
        Und - gestrauchelt war es doch.
        
        Wenn ich auch mein Leid ertrüge
        Bis zum stillen Grabesrand,
        Bleibt dein Kuß doch immer Lüge,
        Und Gewohnheit unser Band!
        
        Laß die Fesseln uns zerbrechen,
        Denn kein Epheu ist Dein Herz!
        Jede Täuschung muß sich rächen,
        Und am bittersten der Schmerz!
        
        War Dein Flügelpaar gebunden,
        Laß es flattern wieder frei,
        Will vergessen all' die Stunden
        Deiner süßen Heuchelei.
        
        Will vergessen, daß Dein Himmel
        Nicht allein der meine war:
        Droben über'm Sterngewimmel
        Strahlt ein and'rer rein und klar. 
        (S. 33-34)
        _____
        
        
        
        Stumme Frage
        
        Ich kenne einen lieben Garten,
        Dort grüßt mich jede Rasenbank,
        Dort ist's so still, dort ist's so heimlich,
        Dort war mein Busen sehnsuchskrank.
        
        So viel der Sternlein lieblich flimmern,
        So viel die Thauflur Perlen eint,
        So viel der Küße ward getauschet,
        So viel der Thränen ward geweint.
        
        Und wenn ich jetzt vorüber ziehe,
        Läßt mich der Reiß der Rosen kalt,
        Weil unter jenen duft'gen Sträuchern
        Ein unbekanntes Wesen wallt.
        
        Der alte Mond allein, der bleiche,
        Schaut mir in's Auge, sanft bewegt,
        Als wollt' er freundlich-staunend fragen,
        Warum kein Herz an meinem schlägt? 
        (S. 35)
        ______
        
        
        
        Nehmt Euch ein Exempel d'ran!
        
        Du hattest zu kommen versprochen,
        Ich sandte zur Ferne den Blick,
        Er kehrte, ein trauriger Bothe,
        Mit stummem Schmerze zurück.
        
        Ich wandelte auf und nieder,
        Ich zählte den Lauf der Zeit,
        Sie brachte statt Wonnen der Liebe
        Der Täuschung unsägliches Leid!
        
        So stand ich, allein und verlassen,
        Sah' trüb' in die lautlose Nacht;
        Da hab' ich - zum ersten Male -
        Das Wesen der - Liebe bedacht! 
        (S. 36)
        _____
        
        
        
        Hochverrath
        
        Grolle zehnmal des Tages mit deiner Geliebten, noch eh' der
        Freundliche Hesperus winkt, eint die Versöhnung Euch doch.
        Treibe der Eifersucht Spiel: sie verzeiht Dir. - Lohne mit Untreu',
        Was die Treue Dir gab: ach! sie verzeihet auch das.
        Läst're des Liebchens Gestalt - doch halt! das ist Hochverrath. Diesen
        Rächet das Mädchen gewiß; diesen verzeihet kein Weib. 
        (S. 45)
        _____
        
        
        
        Wunden der Liebe
        
        Es dringt im Leiden der Liebe
        Ein blanker Dolch ins Herz,
        Das Blut, das sind die Thränen,
        Die Seufzer künden den Schmerz.
        
        Ein bitt'rer Dolch ist das Scheiden,
        Die Spitze getaucht in Gift;
        Denn schmerzlich zehrt noch die Wunde,
        Wenn lange kein Blut mehr trieft.
        
        Und wenn der Tod sie entführet,
        Die Theure, aus unser'm Arm,
        Da gräbt der Dolch sich zerreißend
        Ins Herzblut, rosig und warm.
        
        Doch weher, als Tod und Scheiden,
        Durchzückt den Busen der Stahl,
        Vergilt sie die opfernde Liebe
        Mit treulosen Hohnes Qual. 
        (S. 53)
        _____
        
        
        
        Zweifelnde Liebe
        
        Wenn ich voll süßer Liebe Schmerz
        Ins Himmels-Aug' Dir seh',
        Däucht mir, als fühle Liebchens Herz
        Ein gleiches stilles Weh'!
        
        Und wenn Dein Mund auf meinem brennt,
        Regt sich der Zweifel scheu,
        Ob uns auch nie das Schicksal trennt,
        Ob Du mir ewig treu?
        
        Da lächelst Du so hold und still,
        Erheiterst mir den Sinn,
        Und in der Liebe süßem Spiel
        Flieht Gram und Zweifel hin.
        
        Dann neigst Du ernst Dein dunkles Haupt,
        Dein blaues Auge bricht:
        Ob Dir kein Weib mein Herz geraubt?
        Sinnst Du - doch sprichst Du's nicht.
        
        Du schmiegest an mich warm und weich
        Die Wange, lilienweiß,
        Und über ihren Sammt, so bleich,
        Perlt eine Thräne heiß.
        
        Die Thräne preß' ich an mich fest
        Mit bänglicher Gewalt,
        Daß nie das Herz vom Herzen läßt,
        Bis Beide starr und kalt. 
        (S. 55-56)
        _____
        
        
        
        Mädchenliebe, Frauenliebe
        
        Der jungen Liebe süß' Erwachen -
        Es gleicht dem ersten Morgenstrahl,
        Hell glänzt der See, die Berge lachen,
        Im Rosenlichte wogt das Thal!
        
        Als ob es ewig Frühling bliebe,
        Weht lauer Zephir Hochgenuß,
        Das ist des Mädchens reine Liebe,
        Das ist der ersten Liebe Kuß.
        
        Doch immer heißer glüht die Sonne
        Und sengt das Grün mit wildem Stich;
        Es lechzt das Herz nach Kühlungswonne,
        Nach Ruhe sehnt die Lerche sich.
        
        Gewitterschwere Wolken hangen
        Am Himmel unsrer Jugendlust,
        Und Seufzer, Thränen, Schmerz und Bangen
        Durchkreuzen die zerriss'ne Brust.
        
        Da naht voll Sanftmuth, still und labend,
        Der Frauenliebe milder Traum,
        Er gleicht dem holden Sommerabend,
        Vergoldet von Hesperens Saum.
        
        So zieht er über Berg und Matten
        Der Ruhe keusches, heil'ges Bild,
        Und wirft noch scheidend seine Schatten
        Auf uns're müden Herzen mild.
        
        Und wieder kehrt ein sanfter Frieden
        In die durchtobte Brust zurück,
        Je mehr die Sonne scheint geschieden,
        Je treuer winkt des Abends Glück.
        
        Die Schatten aber werden länger
        Umfangen uns mit Zaubermacht,
        Und Frauenliebe beut dem Sänger
        Die Hand zur sanften Lebensnacht. 
        (S. 61-62)
        _____
        
        
        
        Schwache Augen
        
        Ich sah zu oft in's rothe Licht
        Beim nächtlichen Studieren,
        Bekam davon ein kurz' Gesicht
        Und mußt' es suspendiren!
        
        Warf Bücher und Schartecken weg,
        Und trat hinaus in's Leben,
        Ich dachte: Gottes grüner Fleck
        Wird neue Kraft mir geben!
        
        Da kam ein Mädchen wunderhold,
        Mit Augen, blau und lieblich,
        Darin ein sanftes Feuer rollt,
        Wie das bei solchen üblich.
        
        Nun sitz' ich ganze Tage lang,
        Und les' in ihren Blicken,
        Mir wird um's Herz so schwül und bang:
        Ich könnte Euch ersticken!
        
        Kurios! ich sah in's rothe Licht
        Und konnt' es nicht gewöhnen;
        Nun schau' ich auf Vergißmeinnicht,
        Und weine helle Thränen. 
        (S. 66)
        _____
        
        
        
        Mein Schmuck
        
        Drei Perlen, drei Thränen,
        Die brennen mein Herz!
        Mein Dulden, mein Sehnen,
        Meiner Eifersucht Schmerz;
        Drei Perlen: die Treue,
        Sie halte ich fest
        Mit der Zärtlichkeit Weihe,
        Bis das Leben mich läßt.
        
        Zehn dunkle Granaten,
        Zehn Wunden voll Blut,
        Mein Leiden verrathen
        Die Strahlen der Glut!
        Zehn Flammen der Brust,
        Für Die, die ich meine,
        Glüht zehnfache Lust. 
        (S. 67)
        _____
        
        
        
        Isa's Perspektive in Ischl
        
        Welch' ein zauberisches Wehen
        Säuselt mild durch Hain und Flur
        Könnt' ich tausendfältig sehen,
        Liebe doch erblickt' ich nur.
        
        Liebe grünt im Felsenmoose,
        Liebe flüstert sanft der Bach,
        Und die holdverschämte Rose
        Küßt des Lenzes Liebe wach.
        
        Liebe rauscht in duft'gen Zweigen,
        Liebe perlt der grüne Fluß;
        Seht, die Blütenäste neigen
        Sich zum wonnetrunk'nen Kuß!
        
        Auf die Gletscher malet Liebe
        Sanft des Abends Rosenlicht;
        Und das Echo rufet Liebe
        Bis der Hall sich ferne bricht.
        
        Komm, getäuschte Lieb'! und weine
        Hier um deines Lebens Ruh'
        Suche Liebe hier, die reine,
        Und die Liebe findest Du.
        
        Wirst der wahren Liebe leben,
        Und der falschen Lieb' verzeih'n:
        "Allen Sündern soll vergeben
        Und die Hölle nicht mehr sein!" 
        (S. 77-78)
        _____
        
        
        
        Beim Hause der Capuleti in Verona
        
        (Jetzt eine Fuhrmanns-Herberge: al capello)
        
        
        In dieses Hauses düstern Räumen,
        Die nun des Pöbels Lärm durchtobt,
        Hat Julie in Wonneträumen
        Der Treue süßen Eid gelobt.
        
        Hier trat sie Nachts aus ihrem Kerker
        Hinaus in den lazurnen Dom,
        Und harrte, bis zum stillen Erker
        Romeo voll der Sehnsucht klomm.
        
        Hier unter Seufzen, Küssen, Thränen
        Ergoß sich ihrer Liebe Macht,
        Hier brach ihr Herz im wilden Sehnen
        Hier sank ihr Leben in die Nacht.
        
        Noch hallt von den entsetzten Wänden
        Des Vaters Zorn, der Mutter Gram,
        Auf die man mit profanen Händen
        Jetzt Namen kritzelt ohne Scham.
        
        Es wiederhallt aus jenen Nischen
        Ein rauhes Johlen, laut und wirr;
        Pokale ruhen auf den Tischen,
        Und auf dem Erker Pferdgeschirr.
        
        Neugierig glotzt mit großen Blicken
        Die Magd mir in das Angesicht,
        - - Dieß Herz mit Liebe zu umstricken
        Bedürft' es wohl Romeo's nicht!! 
        (S. 100-101)
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        Aus!
        
        Hold geschmückt die Lockenhaare
        Mit dem keuschen Myrthenkranz,
        Steht verschämt am Hochaltare
        Eine Braut im Strahlenglanz;
        
        Und mit pochendem Verlangen
        Blickt der Bräutigam auf sie;
        Ach! es glüht auf seinen Wangen
        All' der Liebe Poesie.
        
        Sanft gerührt in heil'gen Wonnen
        Kniet der Frauen frommer Kreis,
        Wie ein Himmel voll Madonnen,
        Im Gebete mild und heiß.
        
        Nur im Dunkel einer Ecke
        Steht ein fremder, bleicher Mann,
        Daß kein Fröhlicher erschrecke
        Blickt er den Verstörten an.
        
        Daß kein Mensch die Seufzer höre
        Ob des Herzens Mißgeschick,
        Daß den heil'gen Akt nicht störe
        Sein verweinter, starrer Blick.
        
        Jetzo bebt aus zartem Munde
        Still des Jaworts süßes Band,
        Und zum ewig treuen Bunde
        Faßet sich die warme Hand.
        
        Doch als sie das Ja gesprochen,
        Seufzt auch Jener sterbend, "Ja!"
        Lautlos war sein Herz gebrochen -
        Eine Leiche lag er da! 
        (S. 113-114)
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        Liebe und Vaterland
        
        Warum steht der Jüngling traurig
        Vor dem Mädchen, mild und schön?
        Ach! ihm ist so bang und schaurig,
        Weil er muß von dannen geh'n.
        
        Denn das Vaterland zu retten
        Rufet ihn der Kriegsgesang,
        Horch! es dröhnen die Drommetten
        Schon das Schlachtgefild' entlang.
        
        Mit dem kaum gebornen Tage
        Heißt es scheiden, wehmuthsvoll,
        Keine Thräne, keine Klage
        Fließet ihm zum Lebewol!
        
        "Laß uns, Liebchen, zärtlich scheiden! -
        Doch Du blickst so starr und kalt!
        Kennst Du nicht der Trennung Leiden
        Und der Sehnsucht Allgewalt?"
        
        "Hast wol nie für mich, den Armen,
        Wahrer Liebe Glut gefühlt?
        Kann dein Herz denn nicht erwarmen,
        Du geliebtes Marmorbild?"
        
        Also seufzt er leise klagend
        Mit verstörtem Angesicht;
        Und aus seinem Aug' verzagend
        Eine helle Thräne bricht.
        
        Zürnend spricht sie, doch gelassen:
        "Welche Pflicht ist's, die gebeut,
        Das Geliebte zu verlassen
        Jemals und in Ewigkeit?"
        
        "Was ich liebe, ist mein Himmel,
        Alles and're Täuschung nur!
        Schwur's beim lichten Sterngewimmel,
        Und kein Gott lös't meinen Schwur!"
        
        "Hast Du da nicht mitgeschworen
        In der einsam-stillen Nacht?
        Und nun fliehst Du zu den Thoren
        In die blut'ge Menschenschlacht?"
        
        Und der Jüngling sieht entschweben
        Schmerzlich seinen schönsten Traum,
        Stürzt hinaus in's Schlachtenleben,
        Gönnt nicht süßer Liebe Raum!
        
        Dringt hinein mit tollen Schaaren
        In der Feinde wilde Flut,
        Kraftlos fliehen die Barbaren -
        Doch es gilt sein eigen Blut.
        
        Sinkend krönt man ihn als Sieger,
        Dankt ihm laut des Tages Glück,
        Trägt den ruhmbekränzten Krieger
        Jubelnd in die Stadt zurück.
        
        Und als still ein milder Schlummer
        Unsern Helden überflog,
        Und ihm all' des Lebens Kummer
        Schmeichelnd aus dem Busen zog -
        
        Ach! da fühlt er plötzlich glühend
        Seinen bleichen Mund gepreßt,
        Und die Wange, still verblühend,
        Von des Schmerzes Flut genäßt.
        
        Und mit krampfhaft wildem Zagen
        Fühlt er liebend sich umfaßt,
        Fühlt ein Herz an seinem schlagen
        Ohne Ruhe, ohne Rast.
        
        "O vergib!" so schluchzt es leise,
        "O vergib der Liebe Zwist,
        Der Du auf der letzten Reise
        Edler, als ich Arme, bist!"
        
        "Ja, nun fühl' ich's: schön und selig
        Ist der Tod für's Vaterland! -
        Und die Götter reichen fröhlich
        Einem Sieger ihre Hand!" 
        (S. 123-126)
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        Aus: Neue Liederflur
        von August Schilling
        Wien & Leipzig
        Verlag von Tauer & Sohn 1843
        
        
 
      
        
        Biographie:
        
        Schilling Ritter von Henrichau, August (österreichischer Poet, geb. zu 
        Wien 24. April 1815). Der Sohn eines Hof- und Gerichtsadvocaten in Wien, 
        wo er seine wissenschaftliche Ausbildung erhielt, dann im k. k. 
        Oberstkämmereramte in den ah. Hofdienst trat, in welchem er, stufenweise 
        vorrückend, im Augenblicke die Stelle eines k. k. Hofrathes und 
        Kanzleidirectors im Oberstkämmereramte bekleidet, dessen Chef der 
        Kunstmäcen und Ritter des goldenen Vließes, Franz Graf Crenneville [Bd. 
        IV, S. 279; Bd. XXVI, S. 379; Bd. XXVIII, S. 333] ist. S.’s Neigung zur 
        Schriftstellerei entwickelte sich schon frühzeitig, und bis zu Anfang 
        der Fünfziger-Jahre brachte der Büchermarkt öfter die poetischen Spenden 
        aus S.’s Feder, deren Titel hier in chronologischer Folge aufgeführt 
        werden: „Sinngedichte und poetische Kleinigkeiten“ (Wien 1833); – 
        „Faunenkränze“ (ebd. 1835); – „Reifperlen. Novellen“ (2. Aufl., ebd. 
        1840); – „Lieder und Balladen“ (ebd. 1841); – „Satirisch-komische Wiener 
        Skizzen“ (Wien und Leipzig 1841, 8°.); – „Satirische Anklänge“ (2. 
        Aufl., Wien 1842); – „Dramatische Contouren“ (Prag und Teplitz 1842, 
        8°.), enthält das Lustspiel: „Die Eisenbahn“, im November 1841 im 
        Burgtheater mit Beifall gegeben; das versificirte Scherzspiel: „Der Mann 
        allein“, im Josephstädter Theater aufgeführt; das dreiactige Schauspiel: 
        „Löbenegg“; „Die Nacht im Försterhause“ und „J. J. Rousseau’s letzte 
        Augenblicke“; – „Spaziergänge eines Wiener Humoristen“ (Wien 1842); – 
        „Neue Liederflur“ (Wien und Leipzig 1843, 8°.); – „Humoristische Wiener 
        Lichtbilder“ (Wien 1845); – „Guckkästner Grebeke“ (Pesth 1846); – „Vogelperspective 
        eines Wanderlustigen“ (Wien 1847); – „Grossmütterchens neuestes 
        Märchenbuch“ (Wien und Leipzig 1848), unter dem Pseudonym: Musäus der 
        Jüngere; – „Feldsträusschen. Lieder aus dem Kriegs- und Soldatenleben“ 
        (3. Aufl., Wien 1851); – „Lagerlieder“ (Wien 1853); – „Verwehte Blüthen“ 
        (Leipzig 1860); – „Soldaten-Album im Krieg und Frieden“ (Wien 1867); – 
        „Auf und davon, humoristische Wanderbriefe“ (ebd. 1871), eine 
        Fortsetzung der obigen „Vogelperspective“. Außer obigen schöngeistigen 
        Schriften brachte S. auch eine ernste Arbeit in seiner „Geschichte des 
        souveränen Johanniter-Ordens“ (2. Auflage 1846). Neben den oberwähnten, 
        im Drucke erschienenen dramatischen Arbeiten hat S. noch mehrere kleine 
        Lustspiele in Alexandrinern geschrieben, welche ungedruckt geblieben, 
        aber auf verschiedenen Bühnen aufgeführt worden sind, so: „Die 
        Nebenbuhlerin“, „Die junge Müllerin“. S. bewegt sich in seinen Arbeiten 
        [322] so vorherrschend auf wienerischem Boden, daß es nur daraus zu 
        erklären ist, wenn man ungeachtet seiner nicht geringen literarischen 
        Thätigkeit seinem Namen in den literaturgeschichtlichen Werken von Kurz, 
        Goedeke, Kehrein und Anderen nicht begegnet. Im Jahre 1846 hat S. von 
        der Krakauer Universität das Diplom eines Doctors der Philosophie 
        erworben, ferner ist er k. k. Truchseß, Ritter des Ordens der eisernen 
        Krone 3. Classe und des Franz Joseph-Ordens und Besitzer der k. 
        hannover’schen goldenen Medaille für Kunst und Wissenschaft; auch haben 
        der Sultan, der König von Preußen, der Großherzog von Hessen, die 
        Herzoge von Sachsen-Coburg und Parma S. mit ihren Decorationen 
        ausgezeichnet.
        
        Ritterstands-Diplom ddo. 14. November 1868. – Steger (Fr. Dr., 
        Ergänzungsblätter zu allen Conversations-Lexiken (Leipzig und Meißen 
        1850 u. f., gr. 8°.) Bd. VII, S. 320. – Meyer (J.), Das große 
        Conversations-Lexikon für die gebildeten Stände (Hildburghausen, 
        Bibliographisches Institut, gr. 8°.) V. Suppl.-Band, S. 553. – Mosenthal 
        (S. H. Dr.), Museum aus den deutschen Dichtungen österreichischer 
        Lyriker und Epiker der frühesten bis zur neuesten Zeit (Wien 1854, 8°.) 
        S. 437. – Scheyrer (Ludwig), Die Schriftsteller Oesterreichs in Reim und 
        Prosa auf dem Gebiete der schönen Literatur u. s. w. (Wien 1858, 
        typ.-liter.-art. Anstalt, 8°.) S. 459. – Genealogisches Taschenbuch der 
        Ritter- und Adelsgeschlechter (Brünn 1870, Buschak und Irrgang, 32°.) S. 
        373 [erscheint daselbst als Schilling von Heinrichau]. – Porträt. 
        Unterschrift. Facsimile des Namenszuges: August Schilling. Kriehuber 
        1843 (lith.), gedruckt bei J. Höfelich. Beilage des „Sammler“ (4°.).
        Zur Genealogie und Familienstand der Schilling von Henrichau. Die 
        Schilling sind ein schlesisches Patriziergeschlecht und erscheinen 
        bereits im 16. Jahrhunderte. Es gingen aus demselben mehrere Breslauer 
        Rathsherren hervor. Das Geschlecht theilte sich in zwei Linien: in jene 
        der Hartlieb und Henrichow und erhielt mit Diplom vom 2. Mai 1507 von 
        Kaiser Maximilian einen Wappenschild, der dem gegenwärtigen der 
        Schilling von Henrichau ganz ähnlich ist. Das Andenken eines Georg 
        Schilling hat sich durch eine auf denselben im Jahre 1539 geprägte 
        Medaille erhalten, dessen Avers das Brustbild Georg S.’s mit Halskrause 
        und Wahlspruch in Lapidarschrift: Spes mea in Deo salutari meo, der 
        Revers aber das Schilling’sche Wappen mit der Umschrift: Georgius 
        Schillink. Etatis suae XXXVIII. MDXXXIX. darstellt. Im 18. Jahrhunderte 
        war ein Johann Baptist Schilling Polizeiwache-Commandant zu Troppau in 
        Schlesien, welcher muthmaßlich zu obigem Geschlechte in 
        Verwandtschaftsbeziehungen stand. Dieser Johann Bapt. Schilling ist der 
        Großvater des Hofrathes August Schilling, welch Letzterer den Statuten 
        des Ordens der eisernen Krone dritter Classe gemäß mit Diplom ddo. 14. 
        November 1868 in den österreichischen Ritterstand erhoben wurde. Hofrath 
        August Schilling Ritter von Henrichau ist (seit 3. Mai 1853) mit Amalie 
        Emilie Reinhart (geb. 16. Juni 1835) verheirathet und stammt aus dieser 
        Ehe ein Sohn Moriz August Georg (geb. 24. Februar 1854).
        Wappen. In Roth ein silberner Kreis, in dessen Mitte ein dreiblättriger 
        grüner Lindenzweig. Auf dem Schilde stehen zwei zueinander gekehrte 
        gekrönte Turnierhelme. Auf der Krone des rechten Helms erhebt sich ein 
        offener rother Adlerflug, der mit Ring und Zweig belegt ist; die Krone 
        des linken Helms trägt einen offenen schwarzen Adlerflug, der von einem 
        Goldbalken in der Mitte durchschnitten ist. Die Helmdecken sind rechts 
        roth mit Silber, links schwarz mit Gold belegt. Unter dem Schilde 
        flattert ein rothes Band, worauf in silberner Lapidarschrift die Devise: 
        „Spes mea in Deo“ steht.
        
        Aus: 
        
        
        https://de.wikisource.org/wiki/Biographisches_Lexikon_des_Kaiserthums_Oesterreich