Alexander Julius Schindler (1819-1885) - Liebesgedichte

Alexander Julius Schindler



Alexander Julius Schindler
(Julius von der Traun)
(1819-1885)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 




Du bist mir lieb

Du bist mir lieb! Wie jene stille Stunde -
Der Frühling streifte kaum den Gartenrand -
In der ein Wort, gehaucht von deinem Munde,
Bis über's Grab mein Herz an deines band,
Bist du mir lieb!

Du bist mir lieb, wie meiner Seele Hoffen,
Dass Gott zum Lichte seine Völker lenkt;
So wie mein Glaube, dass in's Herz getroffen
Die alte Nacht schon ihre Flügel senkt,
Bist du mir lieb!

Du bist mir lieb, wie stiller Glanz der Sterne
Der niedergrüsst in ahnungsvoller Pracht;
Wie meiner Lebenstage heit're Ferne,
Aus der noch manches reiche Glück mir lacht,
Bist du mir lieb!

Du bist mir lieb, wie meines Liedes Tönen,
Wie meines Namens gern vernomm'ner Klang,
Wie die verborg'ne Thräne, die aus schönen
Jungfrauenaugen lockte mein Gesang,
Bist du mir lieb!

Du bist mir lieb, wie jene Hand voll Erde,
Die bald in Frieden hält mein Vers bedeckt;
So wie er selber, der mir sprach mein "Werde!"
Der mich zu Grabe ruft und wieder weckt,
Bist du mir lieb!
(S. 3-4)
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Nur zu Gaste

Siehst du die arme Hütte, die dort einsam
Das braune Dach erhebt aus grünem Grunde?
Mich könnte dort im tiefen Wald gemeinsam
Mit dir - beglücken jede Lebensstunde.

Mag wechseln auch im Lauf der raschen Tage
Schnee, Blüthenpracht und Frucht; uns beiden bliebe,
Ob Lenz, ob Winter seine Zelte schlage,
Unwandelbar im engen Haus die Liebe.

Wär' Glück bei Liebe! - dir ein Schloss, das mächtig
Mit blanken Kuppeln ragt aus alten Bäumen;
Wo zwischen Forsten, wildbelebt und prächtig,
Kaskaden durch die stillen Gärten schäumen;

Ein stolzes Schloss, in dessen Marmorballen
Du königlich auf gold'nem Throne prangest,
Durch dessen Pforten schon die Freuden wallen,
Eh' du im sanften Herzen sie verlangtest.

Zu deinem Lobe tönten meine Lieder
Bei vollem Klange gold'ner Harfensaiten -
Inzwischen rauschte von den Thürmen nieder
In's Festgebrause gold'nes Abendläuten.

Doch ach! was soll der Traum vom Prachtpalaste,
Von Bleiben mir! Ich wäre zu beneiden
All' überall mit dir! Doch nur zu Gaste
Bin ich bei dir und morgen - muss ich scheiden!
(S. 9-10)
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Ob auch der Pfeil am Bogen liegt!

In deine Gartengänge fliegen
Die welken Blätter aus dem Wald -
Das ist der Herbst! ich scheide bald,
Doch soll der Schmerz mich nicht besiegen.

Mir hat der Hirsch im tiefen Walde
Des Lebens rechte Kunst gezeigt,
Der nie sein Haupt in Sorge neigt,
Noch trübe schleicht auf stiller Halde.

Nicht träumt sein Herz von Fang und Netzen,
Er wechselt frei von Hag zu Hag!
Es graut noch früh genug der Tag,
Wo ihn zu Tod die Hunde hetzen.

Stolz naht er durch's Gehölz gezogen
Bis an des Waldes lichten Rand,
Kaum tritt er aus der grünen Wand,
Kommt schon die Kugel hergeflogen.

- Und mag auch mein Verderben lauern
An dieser frohen Stunde Saum,
Nicht störe mir den süssen Traum,
Die kurze Lust ein feiges Trauern.

In Liebeswonne ganz verloren,
An deine Brust mein Haupt sich schmiegt,
Ob auch der Pfeil am Bogen liegt,
Bestimmt das Herz mir zu durchbohren.
(S. 11-12)
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Leere Stunden

Bei des Tages Helle tragen
Stolze Ströme reiche Frachten,
Nutzen fördernd und Behagen -
Fröhlich ist es zu betrachten;
Kommt die Nacht herangezogen,
Suchen Schiff und Kahn die Bucht,
Nutzlos fliessen leere Wogen
Durch das Land in stummer Flucht.

So verrinnet auch mein Leben -
Kann vor deinem Blick es gleiten,
Rastlos ist es im Bestreben
Holdes dir heranzuleiten.
Ist dein Anblick mir genommen,
Flieht es ohne Glück und Ruh' -
Leere Stunden geh'n und kommen -
Ach! ich weiss es nicht wozu?
(S. 16)
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Winterabend

Von den schneebedeckten Zügen
Des Gebirges fliegt der Rabe -
Dass mich seine Schwingen trügen!

Auf der Linde, traurig ragend
Deinem Hause gegenüber,
Sänk ich nieder flügelschlagend.

Ohne Kopf und Hals zu regen,
Schaut' ich durch die hellen Scheiben
Dein holdseliges Bewegen.

In der Nacht, wenn meinen Blicken
Du entschwunden leise schlummerst,
Würd' ich an dein Fenster picken.

Weisst du, dass den fernen Erben
Kunde bringt der Todtenvogel,
Wenn ihr Vater liegt im Sterben?

Nicht geringer sollst du achten
Dieses Picken, denn vor Sehnsucht
Will mein armes Herz verschmachten.
(S. 17-18)
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Diese Stimme

Wenn ich den scheuen Hirsch im Walde jage,
Wenn Morgenlüfte flüstern im Gezweig,
Dann wähnt mein Herz, die ferne Liebste frage:
Denkst du auch mein auf deinem grünen Steig?

Ruh' ich auf heit'rer Höh' im Strahlenlichte
Des rosenrothen Sonnenniedergangs -
Aus Allem, was ich schaue, denke, dichte,
Tönt eine Stimme mir bekannten Klangs.

Wiegt mich der See, so klingt sie aus der Tiefe,
In's Thal herab, vom Felsenborne mir,
Geh' ich durch Städte, ist mir's fast als riefe
Aus jedem Fenster mich ein Eilgang zu ihr.

Sie liebt mich, liebt und kann es nicht verschweigen!
Wenn einst auf meiner Gruft im Kirchhofraum
Der Nachtwind spielt mit Treuerweidenzweigen,
Hör' ich dieselbe Stimme noch im Traum.
(S. 23-24)
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Nah und fern beisammen sein

Unter diesen Buchenkronen
Wo zu Nacht die Rehe wohnen,
Sink' ich einsam in das Moos.
Schwankend Gras im Abendwinde -
Doch mein Ohr erkennt geschwinde
Deinen Schritt. O schönes Loos!
Selbst geschieden, ohne Wanken
Nah und fern beisammen sein,
Alle Räume und Gedanken
Du erfüllst sie mir allein!
(S. 25)
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Bitte

Ich bat mit erhobenen Händen
Den schlimmen Winter um Trost,
Er konnte mein Leiden nicht wenden,
Ist halt vorüber getost.
Jetzt schmettern in jubelnden Chören
Die Nachtigallen! - Herbei!
Du wirst mein Bitten erhören,
O Mai, du lieblicher Mai!

Du konntest auf sonnigem Hügel
Erwecken der Rose Pracht,
Du konntest mit duftendem Flügel
Verscheuchen des Winters Macht.
Du konntest die Bahn mir bereiten
Vom Schnee dem feindlichen frei,
Du wirst zur Geliebten mich leiten
O Mai, o lieblicher Mai!

Doch sende, bevor ich sie schaue,
Die süsse Botin voraus,
Entsende durch Lüfte, durch blaue,
Die Nachtigall vor ihr Haus.
Nie trugen willkommnere Töne
Erwünschtere Kunde herbei:
"Bald naht deinem Herzen, du Schöne,
Sein Mai, sein lieblichster Mai!"
(S. 26-27)
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Am Ziele

Jetzt ist alles überwunden,
Was sich zwischen uns gestellt,
Und der Hafen ist gefunden
Vor den Stürmen dieser Welt.

Ruhig, ruhig sind die Wogen
Und das Ufer gastlich nah,
Alles, dem wir nachgezogen,
Ist in holder Nähe da.

Heit'ren Himmel, sanften, leisen
Wogengang und guten Wind
Wünschen Allen, die noch reisen,
Zweie, die im Hafen sind.
(S. 28)
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Scheideabend

Das Glück hat rasche Flügel!
Sie winkte mit der Hand,
Und hinter jenem Hügel
Ihr Reisewagen schwand.

So riss im Abenthaue
Das Band, das uns vereint;
Es haben Feld und Aue
Bei unserm Schmerz geweint.

Es waren alle Tannen
Und alle Aehren nass,
Und von den Zweigen rannen
Die Tropfen in das Gras.

Die weissen Schwäne hoben
Sich aus dem grünen See,
Und tausend Thränen stoben
Von ihres Fittig's Schnee.
(S. 32-33)
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Postlied

Nicht Paganini's Zaubervioline,
Nicht Thalberg's Flügel und nicht Lewy's Horn,
Nicht Homberg's Cello, nicht der Sonntag Stimme,
Der unvergess'ne reine Liederborn;

Sie sind es nicht, die ewig wiedertönen
In meinem Herzen, kaum mehr denk' ich d'ran;
Mir hat's in einem fernen Alpenstädtchen
Bei stiller Nacht das Posthorn angethan.

Am alten Posthaus hielt mein Reisewagen,
Aus Träumen weckte mich der gold'ne Klang,
Ich hob das Aug', zu Ende war mein Reisen,
Ich blieb bei ihr - die ganze Jugend lang.

In holder Eintracht flossen uns're Tage,
Wie Töne schwebend in vereinter Pracht,
Und leise wob in uns're Harmonien
Das Posthorn seinen Eilgang bei Tag und Nacht.

Wenn es verhallend schied zog die Geliebte
Ich an mein Herz und hielt sie fest und bang,
Bis jener Morgen kam, an dem ich selber
Hab' folgen müssen seinem Scheideklang!

- Mir ist die Welt, ich bin ihr gram geworden,
Nicht schätzt sie meinen, ich nicht ihren Brauch;
Sie hiess des Posthorn's gold'ne Brust verstummen,
Lässt reisen mich umzischt von Dampf und Rauch.

Nur selten noch auf weltvergess'nen Strassen
Drängt Posthornklang sich zitternd an mein Ohr -
Dann hör' ich fern die gold'nen Wogen rauschen
In denen ich mein Jugendglück verlor.
(S. 34-35)
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Vollmondschein

1.
Der Mond geht schweigend durch die stille Welt,
Ein Vogel wiegt sich träumend in der Helle,
So wie mein Herz, das diese Scholle hält
Und wandern möchte zu der fernsten Stelle.

Des Baches Wogen silbersprühend wallen
Dem schilfbewachs'nen Rand des Weihers zu,
Vom Walde drüben leise Stimmen schallen
Zu mir herüber - Kind! o wär'st es du!


2.
Du flohst von mir, wie der Novembersturm
Das letzte Blatt entreisst dem Rebgelände -
Der Mond geht schweigend über Dach und Thurm,
Mein Haus ist leer - mein Herz, wir sind am Ende!

Sei still! - Im Walde drüben schweigt es wieder,
Des Windes Hauch allein noch stört die Ruh,
Der seufzend geht im Korne auf und nieder -
Wo in der Ferne, Kind, wo wandelst du?!
(S. 36-37)
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Lieblichste Erinnerung

Wir hielten uns liebend umfangen,
Verborgen im schweigenden Hain,
Wir sprachen von Liebe, es sangen
Die Vöglein von Liebe darein.

In meinem glühenden Kusse
Erstarb dein flüsterndes Wort,
Es trugen die Wellen im Flusse
Das süsse Geheimniss fort.

Zerrissen sind jene Bande,
Vorüber die schöne Zeit,
Du zogest in ferne Lande,
Mit all' deiner Lieblichkeit.

Doch rauscht noch immer durch Klippen
Zu meinen Füssen der Fluss,
Noch bebt auf seligen Lippen
Dein letzter feuriger Kuss.

Der Herbst beginnt seine Kunde,
Die Blätter fallen im Hain,
Schon brechen Jäger und Hunde
Mit schallenden Hörnern herein.

Da lächelt aus welkenden Zweigen
Die Sonne herab in's Revier,
Als wollt' sie die Stelle mir zeigen,
Wo du einst geblüht neben mir.
(S. 38-39)
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Wer fragt darnach!

Das Dampfschiff trug mich brausend auf dem halben,
Dem ersten Theil des Weg's durch Donauwellen,
Die zweite Hälfte zogen muth'ge Falben
Mich unter Posthornklängen, unter hellen.

Es ging zu ihr! Ein Sprung - und es erdröhnten
Der Treppe Stufen unter meinen Tritten;
Wir hatten uns und süsse Namen tönten,
Wir küssten uns und - hatten nichts gelitten.

So flohen schöne Tage. Unterdessen
Reift Traub' und Apfel, auf die Alpenzacken
Fällt frischer Schnee, das seligste Vergessen
Stört welker Blätter Fall - und wir erschraken!

Steh' stille Sonne! Grünt noch fort ihr Blätter!
Was rennt ihr bösen Tage doch so eilig?
Zurück, du wonnereiches Erntewetter!
Umsonst, der Zeit ist Menschenglück nicht heilig.

"Wie kann ich tragen ohne dich die harten
Einsamen Tage?!" sprach sie auf den Stufen,
Ich riss mich los - die Falben unten scharrten,
Das Posthorn rief ein unbarmherz'ges Rufen.

Nun ist's gescheh'n! Verglommen sind die Gluthen,
Die Flocken fallen friedlich auf mein Dach;
Zwei treue Herzen kummervoll verbluten,
Wenn's wieder Frühling ist - wer fragt darnach?!
(S. 42-43)
_____



Verloren

Noch einen Kuss,
Einen Hauch, ein Wort -
Deine Hand - ich muss
In die Welt, in die Nacht fort!
Einsam!

Mein Rappe schäumt,
Mein Auge brennt,
Meine Seele träumt -
Welchen Jammer dies Wort nennt,
Einsam!

An dem grünen Innsgestade
Weltverloren steht ihr Haus,
Ueber mondbeglänzte Pfade
Blickt sie nach dem Liebsten aus,
Einsam!

Ach! so viele, viele Jahre
Lebt sie dort in Sehnsuchtpein,
Zeit, auf deiner Todtenbahre
Schlummert ihre Jugend ein!
Einsam!
(S. 44-45)
_____



Vorbei!

Das Posthorn schmettert seine Weisen,
In's Städtchen rollt mein Reisewagen;
Am Thore blühen noch die Linden -
Ach könnt' ich sie noch wieder finden,
Wie in verblühten Maientagen!

Vom stillen Leichenhof herüber
Die Trauerweiden schläfrig nicken.
Die Sonne, auf's Gebirg' gesunken,
Schaut durch die Zweige schlafestrunken
Auf mich herab mit trüben Blicken.

Des Zöllners Haar ist weiss geworden -
Gar manches Jahr verfloss indessen,
Seit ich mit ihr im Abendschimmer
Vorüber ging - er grüsst mich nimmer,
Hat meine Züge längst vergessen.

Es ist so leer, so seltsam stille,
In diesen einst so lauten Gassen;
Nur fremde Leute seh' ich gehen,
Wohin auch meine Augen spähen -
Es will kein Freund sich sehen lassen.

Dort ist ihr Haus! Wo ist sie selber?
Sonst ist am Fenster sie gesessen,
So schrieb sie, von Erinnerungen
Und Abendglocken sanft umklungen -
Hat sie den süssen Brauch vergessen?!

Es ist vorbei! - Mitleidig grüsset
Ihr Stern aus ferner Himmelsbläue;
Er mahnt, nach hellen Freudentagen,
Den dunklen Abend still zu tragen,
Wenn schlafen gingen Lieb' und Treue.

Die Wolken ziehen rosig glühend
Ihr über's Grab und sanfter Friede
Entfaltet leise sein Gefieder;
Im Herzen sterben mir die Lieder
Und ich bin müde - sterbensmüde!
(S. 53-54)
_____



Nachhall

1.
Ich stand in jungen Sommertagen
Am Gartenthor, hinüberschauend,
Wo Mädchen in dem Fenster lagen -
Des Herzens stillem Traum vertrauend.
Vorbei das Schmachten, Sehnen, Bangen!
Der Mädchen Spuren auf den Feldern
Und in den schattenreichen Wäldern
Verfolg' ich nimmer voll Verlangen.

Wozu? Ich würde nur vermissen
Von schöner Hand gewund'ne Kränze -
Die arge Zeit hat rauh zerrissen
Die süssen Bande früher Lenze.
Nie wird mir Jene mehr begegnen,
Die zum Gesange mich bewogen;
Der Scheidenden sind nachgezogen
Die letzten Lieder, sie zu segnen!


2.
Die Schwalben ziehen wieder fort,
Ich bleibe wieder hier -
Wohl weiss ich einen schönern Ort,
Doch wär' ich auch noch einmal dort,
Nicht wär' ich mehr bei ihr!

Für Freiheit zog ich in den Strauss,
Man warf mich aus dem Land!
In ihrem stillen Vaterhaus
Spricht niemand meinen Namen aus,
Es fiel in fremde Hand.

Im Kirchhof unter'm Bogengang
Muss sie jetzt einsam ruh'n.
Ich höre noch den Glockenklang -
Die Glocke hielt, mein Herz zersprang -
So traurig tönt es nun!
(S. 55-56)
_____

Aus: Gedichte von Julius von der Traun
Erster Band. Wien 1871 Verlag von Faesn & Frick

 


Biographie:

http://de.wikisource.org/wiki/BLKÖ:Schindler,_Julius_Alexander


 

 


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