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Ulrich von
Schlippenbach
(1774-1826)
Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
Als ich mir die entfernte Geliebte tanzend dachte
Meschneeken 1798
Leicht, wie eine Silberquelle
Sich durch Blumenufer schlingt,
Wie des Morgenstrahles Helle
Schimmernd durch die Dunkel dringt:
O, so wallt im leichten Kleide,
Als des Festes Königin,
In der Unschuld Glanz Geschmeide
Jetzt mein schönes Mädchen hin.
Dich ereilt der Liebe Flügel,
Mädchen, wo Du immer bist,
Sie, die, höhnend Schloss und Riegel,
Gleich den Lüften, Dich umschliesst;
Fliehe mit Gedankenschnelle
Schimmernd durch die bunten Reih'n,
Liebe folgt auf jeder Stelle,
Liebe holt Dich ewig ein.
Aber glüht Genuss der Freude
Dir im schönen Angesicht,
So vergiss der theuern Eide
Und des Schwurs der Treue nicht.
Denke meiner, der so ferne,
Fern von Dir in dunk'ler Nacht,
Bey dem bleichen Schein der Sterne,
Dich nur denkend, einsam wacht.
O, Geliebte, dieses Leben
Schliesset nicht mein Sehnen ein;
Ewig werd' ich Dich umschweben,
Und als Geist noch bey Dir seyn.
Tanzend oder am Altare,
Heilig der Unsterblichkeit,
Schwör' ich bis zur Todtenbahre
Meiner Liebe Ewigkeit.
Aus: Gedichte von
Ulrich Freyherrn von Schlippenbach
Mitau 1812
Gedruckt bey J. F. Steffenhagen und Sohn
(S. 19-20)
_____
Die Erde und der Himmel
Es hat ein Gott der Liebe Bund geschlossen,
Und Erd' und Himmel, Hand in Hand,
Durch ein untrennbar heilig Band
Vereint, als zärtliche Genossen,
Ein ewig hochbeglücktes Paar.
Sie liebten sich mit fester Treue,
Und ihres Bundes heil'ge Weihe
Bekräftigt jedes neue Jahr;
Viel Kinder hat sie ihm geboren,
Das treue Weib dem lieben Mann,
Doch keinen Reiz hat sie verloren,
Das Alter sieht ihr Niemand an.
Der Himmel drückt mit starkem Arme,
Voll unermessner Liebeslust,
Dass sie in seinem Hauch erwarme,
Die Gattin Erd', an seine Brust.
Er schaut mit hellen Sonnenblicken
So glühend heiss auf sie herab,
Weint Freudenthränen, voll Entzücken,
Im Morgenthau auf sie herab.
Mit Morgen- und mit Abendröthe
Schmückt er das holde Weib so schön,
Trägt Sänger her aus seinen Höh'n
Und wiederhallt der Nachtigallen Flöte.
Will gift'ger Hauch, so schwer, so bange,
Um die geliebte Gattin zieh'n,
Er scheucht ihn fort mit seiner Blitze Glüh'n
Und fächelt sanft der Theuren heisse Wange.
Die Erde hat von ihrem Blüthenleben
Den Kindern alles hingegeben,
Und wünscht zu ruhn: o seht den treuen Gatten,
Er webt um sie des Winters kühle Schatten,
Hüllt sie in weisser Decke ein;
Schaut dann herab aus tausend Sternen
Und kann sich nicht von ihr entfernen,
Und muss stets zärtlich um sie seyn.
Sein Antlitz oft so thränenvoll, so trübe,
Ist Zeuge seiner treuen Liebe.
Doch sieht im Lenz die Gattin er erwachen,
Und freundlich ihm entgegen lachen,
Wie lieblich heitert sich sein Blick.
Durch seines Aethers lichte Bläue
Hallt jetzt der Freude Ruf auf's Neue,
Hallt seiner Liebe hohes Glück;
Er trägt durch sanft bewegte Lüfte
Zu der Geliebten Blüthendüfte,
Umflattert ihren Morgentraum,
Schmückt golden ihres Kleides Saum.
Ihr Schlummer weicht in seinem Kusse,
Sie blickt den Gatten zärtlich an,
Und zu dem seligsten Genusse
Beglückt sie liebevoll den Mann.
Das erste Kind der schönsten Stunde
Keimt in dem Veilchen jetzt empor,
Blau, wie der Vater, hell und mild,
Von süssem Blüthenduft erfüllt,
Tritt's aus dem Mutterschooss hervor,
Als Erstgeburt in diesem heil'gem Bunde.
So leben sie viel tausend Jahr,
Und sind ein ungetrenntes Paar,
Und haben nimmer sich geschieden,
Und ihren Kindern lehren sie,
Die treue Liebe wanke nie
Voll Erden- und voll Himmelsfrieden.
Aus: Gedichte von
Ulrich Freyherrn von Schlippenbach
Mitau 1812
Gedruckt bey J. F. Steffenhagen und Sohn
(S. 42-45)
_____
Die Geburt der Liebe
Es fühlte Frau Venus den Gürtel zu enge,
Und dachte, was kann wohl der Grund davon seyn;
Es fielen ihr sicher die nächtlichen Gänge
Des Gottes der Krieger so eben nicht ein.
Doch, um sich den Kopf nicht mit Grillen zu plagen,
Denn diese, das wusste sie, kleiden sie nicht,
Beschloss sie, die Parzen um Rath zu befragen.
Sie eilet mit Schnelle zum Orkus und spricht:
"Erfahrene Schwestern, lasst ruhen die Spindel,
O lasset die schneidende Scheere nur seyn,
Und saget, was macht mir wohl Kopfweh und Schwindel,
Den Gürtel und selbst dieses Mieder zu klein."
Da lächelten nun die erfahrenen Schwestern,
Und sahen die Venus bedächtiglich an,
Und sprachen: ihr fraget, als wär't ihr von gestern,
Und sehet euch selbst wohl die Schwangerschaft an.
Drauf liess sich die Älteste weiter vernehmen,
So runzlich als eben geackertes Feld,
Ihr müsst zur Geduld euch, Frau Venus, bequemen,
Ihr bringet die giftigste Schlange zur Welt.
Nein, sicher ein Ungeheuer wird sie gebären,
So rief nun die jüngere Lachesis drein:
Mein Schwesterchen Klotho, dein Urtheil in Ehren
Das Kind wird ein schreckliches Ungeheur seyn.
Doch Atropos meinet, ihr irrt alle Beyde;
So wahr meine Hand diese Scheere noch hält,
Bringt Venus die Folgen der nächtlichen Freude
In einer hellbrennenden Flamme zur Welt.
Nun quälte sich Venus mit künftigen Dingen,
Und grämte und weinte die Augen sich nass.
Als sie, eh' noch einige Monden vergingen,
Des schönsten und niedlichsten Knäbchens genass.
Da haben sich wahrlich die Parzen betrogen,
O seht nur das Knäbchen mit goldenem Haar!
Doch hatte der Schwestern nicht eine gelogen,
Weil Venus so eben die Liebe gebar.
Aus: Gedichte von
Ulrich Freyherrn von Schlippenbach
Mitau 1812
Gedruckt bey J. F. Steffenhagen und Sohn
(S. 64-67)
_____
Udolin an Lida
1.
Bekenntnis der Liebe
An die Gestalt ist
Liebe nicht gebunden -
Die Liebe, die Urania
Im Äther reiner Seelen nur gefunden
Und wie sie nie der Sinnentaumel sah -
Der Wohllaut der bewegten Herzen,
Der durch ein Menschenleben klingt,
Noch jenseits dieses Seyns voll Schmerzen,
Im reinsten Ton, hinüberdringt;
Die, vom Verhältniss losgewunden,
Im freyen Wohlgefallen lebt, -
Die zarte Sitte selbst in sich gefunden
Und nicht vor dem Gesetz erbebt;
Die nie nach dem Besitze ringet,
Der Fesseln um den Körper schlägt,
Und selbst die Opfer, die sie bringet,
Mit freyem, reinem Willen trägt:
Die Liebe wag' ich zu bekennen, -
Erröthe bey dem Namen nicht!
Sie fordert nichts, doch will sie dein sich nennen;
Sie lebt in Frieden mit der Pflicht.
Nicht Jahre braucht sie, um zu reifen: -
Ein Ideal entsteht im Augenblick
Und strahlt, um in das Leben einzugreifen
Die Kraft der Götter rein zurück.
(S. 70-71)
2.
Lebewohl
Dies Lebewohl - nimm
es aus meinem Herzen -
Es ist der Liebe Heiligthum! -
Und mit der Thräne, bey der Trennung Schmerzen -
Mein ganzes Seyn zum Eigenthum.
Du darfst dies selige Empfinden,
Das rein, wie deine Seele, ist,
Im eig'nen Busen wiederfinden -
Gesteh'n, dass du mich nie vergiss'st.
Ich ahnde dein Gefühl, - o Gott! ich darf es kennen.
Ich bin des Werthes mir bewusst:
Nur Göttliches entflammte meine Brust,
Und vor dem Himmel darf ich dein mich nennen.
Zum langen Abschied - ach! vielleicht fürs Leben -
Gieb mir den Trost, gieb mir das Glück -
Die Welt kann mir kein schön'res geben:
Lass ich dein Herz auch wirklich mein zurück?
Zu rein ist mein Gefühl, um zu entschwinden.
Ob hier das Schicksal Wiedersehn verleiht,
Das weiss ich nicht; doch wiederfinden
Werd' ich dich einst in schöner Ewigkeit.
Lass meine Seligkeit mich wissen,
Die nur allein dein Herz mir giebt,
Wo wir vielleicht auf immer scheiden müssen: -
Hat deine Seele mich geliebt! - -
(S. 72-73)
3.
Die Liebe
Was soll die Liebe?
Kannst du fragen? -
Ein Herz beglücken, eh' es bricht,
Ins stille Inn're übertragen,
Was Seele leis' zu Seele spricht,
Und in ein armes Menschenleben
Den Reichthum eines Gottes weben.
Die Liebe borgt nicht von Sekunden
Den flücht'gen Reiz berauschter Lust,
Ihr gnügt Gefühl, das sie gefunden,
Gefühl in der Geliebten Brust.
Nicht reichen an der Liebe Freuden
Die Lust der Welt und ihre Leiden.
Wo Liebe sich ein Herz erkohren,
Da adelt sie, was sie erschafft;
Dem niedern Wunsche nur verloren,
Weckt sie der Seele höh're Kraft.
Sinkt in den Staub der Geist danieder,
Die Liebe hält und hebt ihn wieder.
(S. 74-75)
4.
Abschied
Was soll ich singen,
soll ich klagen?
Soll, was das Herz zum Herzen spricht,
Ein leiser Ton vorübertragen? -
Ihn wiederhallt die Liebe nicht.
Der Ton, den Harmonie geboren,
Irrt so im eig'nen Schall verloren.
Lass mich verstummen, lass mich schweigen
Vom Herzen, das dein eigen ist. -
Du darfst mir dein Gefühl nicht zeigen,
Und wohl mir, wenn du glücklich bist.
Nimm hin die Welt, nimm auch der Himmel Freuden -
Lass mir mein Herz, mein Schweigen und mein Leiden.
(S. 75)
5.
Der Wasserfall der
Narowa bey Narwa
Hoch stürzt sie
hernieder, die brausende Fluth,
Um sanft sich dem Ufer zu schmiegen.
Im Innern, da wogt eine mächtige Gluth,
Die kann nicht die Kälte besiegen;
Vergeblich strebt Eis durch die Wellen hervor,
Und hebt sie, die Woge, wie Flocken empor.
Du dämmest ihn nimmer, den Strom, der mit Lust
So frey aus der Höhe sich ringet,
Den Felsen zerschlägt er mit mächtiger Brust, -
Wer ist's, der den Brausenden zwinget?
Ihn halten nur sanfte Gesetze der Pflicht,
Und über die Ufer, da dringet er nicht.
Die edlere Liebe, die gleichet dem Strom,
Vom Himmel, da strömt sie hernieder,
Sie spiegelt sich frey in den Himmels Dom,
Die Sterne, die strahlen sie wieder; -
Doch über die Ufer der sittlichen Pflicht,
Da dränget sie nimmer, da strömet sie nicht.
(S. 76-77)
6.
An Lida
Den Abschiedskuss auf
deine Lippen drücken
Und scheiden - wär's von einer Welt -
Ist, was im Nachgefühl mir seliges Entzücken
In reinem Vollgenuss erhält. -
Auch in den Kelch der Trennung bitt'rer Leiden
Goss Liebe einen Tropfen Seligkeit,
Der schönen Hoffnung künft'ger Freuden
Und der Erinnerung geweiht.
Es lebt ein Bild von dir in meinem Herzen,
Ein süsses Bild, das keine Zeit zerstört,
Und das mit Wonne und mit Schmerzen
Die Seele füllt und mir so ganz gehört; -
Das nimmermehr aus meiner Seele schwindet,
Ihr höchster Stolz, ihr grösster Reichthum ist,
Mich deinem Schicksal liebevoll verbindet,
Und ewig dich, Geliebte, nicht vergisst.
(S. 77-78)
7.
Der Wandrer und die
Stimme
Die Stimme
Es tönt im Thal so
eine bange Klage,
Des Wandrers Lied hallt Wald und Flur zurück;
Was klagst du, armer Pilger, sage,
Was störte deines Lebens Glück?
Der Wandrer
Wie Sonnenschein
durch Wolken bricht,
Mit ungewissem irrem Licht,
Bald durch des Dunkels Nacht versteckt,
Von Sturm und Nebel überdeckt;
O! so erschien die Freude mir,
Sie kam und schwand dahin,
Ein Augenblick führt' mich zu ihr,
Der andre hiess sie flieh'n.
Die Stimme
O Wandrer! sieh, es
ist ein Bild des Lebens,
Dess Licht und Schatten an einander gränzt, -
O! klage nicht der Welten Loos vergebens,
Wo fleckenlos die Sonne selbst nicht glänzt.
Der Wandrer
Mir winkte Liebe mit
sanftem Blick,
Ich fand in ihr mein ganzes Glück,
Es ward von der Geliebten Bild
Mein Herz so inniglich erfüllt.
Doch bald schwand dieser süsse Traum,
Und liess mich freudenleer;
Ich fasste die Geliebte kaum,
So liebte sie nicht mehr. -
Die Stimme
O! klage nicht; - in
den Erinnerungen
Der kürz'sten Zeit genoss'ner Seligkeit
Liegt schon der Lohn, den du errungen,
Und den kein Schmerz der Gegenwart zerstreut.
(S. 78-80)
8.
An Lida beym Klavier
Werdet wach,
Holde Phantasien,
Hallet nach,
Werdet Melodien;
Dass im süssen Tone bebt,
Was die Seele mir erhebt,
Tragt mich hin
Über Welt und Erde,
Dass mein Sinn
Losgebunden werde.
Brust, du athmest frey und weit
Äther schon der Ewigkeit.
Ha! wie schön,
Auf des Wohllauts Schwingen
Zu den Höh'n
Jener Welt zu dringen,
Wo ein Ton die Seele ist
Und in Seelen überfliesst.
(S. 80-81)
9.
An Lida
Du willst dem Spiegel
selbst nicht trauen,
Und glaubest seinem Schmeicheln nicht.
Nun wohl! - Willst du die Wahrheit schauen?
In meinem Auge spiegle dein Gesicht.
(S. 82)
10.
Udolin an Lida
Lass mich allein mit
meinem Herzen,
Mit meiner Liebe, meiner Quaal,
Mit meinem tiefgefühlten Schmerzen;
Sie sind ja meine eig'ne Wahl.
Als meine Ruhe mir geschwunden,
Da hab' ich sie nur treu gefunden.
Du reichst zum freudenlosen Leben
Mir kalt und prüfend deine Hand;
Die Seele hab' ich dir gegeben,
Die Liebe, die ich rein empfand.
Was ich dir gab; was ich empfangen habe:
Ich trage beydes hin zum Grabe.
Die Flamme steigt durch sich genähret
Und glüht zu eig'nem Missgeschick;
Sie hat ihr Daseyn selbst verzehret,
Nur kalte Asche bleibt zurück.
Du armes Herz! bald hörst du auf zu bluten;
Die eig'ne Asche deckt der Liebe Gluthen.
(S. 82-83)
11.
Das Gute
"Das Gute weilt im
Menschenherzen." -
Betrog'ner! o! da such' es nicht;
Du zahlst mit deiner Seele Schmerzen
Der grässlichen Erfahrung Licht.
Wach auf! Lass deinen Traum entschwinden!
Flieh', Armer! Sieh', die Schlangen winden
Empor sich aus geliebter Brust.
Sie werden dich im Schlummer finden,
Mit gift'gem Hauch am Boden binden,
Und morden dann mit kalter Lust.
Trau' nicht dem freundlichen Entzücken,
Und nicht den lieblich-holden Blicken;
Auch Liebe trägt Verrath im Schooss;
Sie schmeichelt oft bis nah am Grabe,
Und reisst alsdann vom letzten Stabe,
Den Greis von seiner Stütze los.
Hinweg mit dir, zerriss'ne Saite!
Du hallst mir nimmer Harmonie!
Der Ton, der sich in dir entweihte:
Rein giebt ihn nur die Phantasie!
Im Ideal erscheint das Gute;
Die kalte Erde trägt es nicht;
Du zahlest ihr mit deinem Blute
Der schrecklichen Erfahrung Licht.
Aus: Gedichte von
Ulrich Freyherrn von Schlippenbach
Mitau 1812
Gedruckt bey J. F. Steffenhagen und Sohn
(S. 83-84)
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An Elisen
Zwey Genien steh'n an des Weibes Wiege,
Und es erwacht in ihrem Kuss;
Ein jeder spricht: das Herz, das ich ersiege,
Beglückt des Lebens Vollgenuss;
Vertraue mir, lass meine Leitung walten,
Bey meinem Schwur, dein Glück will ich erhalten.
Verschieden sind die Genien gestaltet:
Der eine lächelt sanft und mild,
Sein Blick, in dem ein inn'rer Friede waltet,
Ist seines reinen Geistes Bild;
Er heisst Gefühl der Liebe und des Schönen,
Und seine Sprache hallt gleich Flötentönen.
Der andre prangt geschmückt im Rosenkranze,
Und lautes Lob erherrscht sein Feuerblick;
Sein Fuss entschwebt im leichten Jubeltanze,
Er lässt den ersten weit zurück;
Und, Eitelkeit genannt, will ewig er nur siegen,
Nicht Freude kennen, nur Vergnügen.
Die Wahl ist schwer! Zum stillen Heiligthume
Zeigt deutungsvoll das leisere Gefühl,
Und Eitelkeit vom Glanze und vom Ruhme
Ein hohes lichtumglänztes Ziel.
Die Wahl ist schwer! und ihres Lebens Frieden
Hat schon das Weib im Augenblick entschieden.
Der Schönheit Reiz im Blüthenschmuck der Jugend,
Der Wissenschaften holde Lust,
Der Künste Bild, selbst das Idol der Tugend,
Verschieden lebt es in des Weibes Brust;
Denn sie bedarf Gefühl, um Herzen zu beglücken,
Und Eitelkeit will eine Welt entzücken.
Doch endlich, wenn ermüdet von dem Glanze
Der Blick zur Erde niedersinkt,
Der Schwermuth Flor auch selbst im Reihentanze
Sich um den einsam kalten Busen schlingt,
Dann straft Gefühl ein Herz, das es verloren,
Und nur im Schmerze wird es neu geboren.
Zu deinem Herzen lass, Elise, du mich sprechen,
Das fest Gefühl und Eitelkeit vereint;
Nicht, was du innig fühlest, ist Verbrechen,
Es wird es dann nur, wenn es trügend scheint.
Nicht reine Liebe heiss und innig fühlen,
Verbrechen ist's, mit ihrer Gluth zu spielen.
Willst du ein Herz, das dir gehört, verdienen,
So zeige, dass das deine innig liebt;
Der kann zu lieben nimmer sich erkühnen,
Der Liebe nicht um Liebe giebt.
Nur Herz in Herz, und Seel' in Seel' verloren,
Wird reiner Liebe Ewigkeit geboren.
Aus: Gedichte von
Ulrich Freyherrn von Schlippenbach
Mitau 1812
Gedruckt bey J. F. Steffenhagen und Sohn
(S. 90-93)
_____
Liebe und Gegenliebe
Jungen Grazien und Horen
Gab den Sohn, den sie geboren,
Venus zur Erziehung hin,
Und mit mütterlichem Sinn
Pflegten sie den holden Kleinen;
Doch er hört nicht auf zu weinen,
Reisst selbst in der Grazie Schooss
Sich von ihrem Schmeicheln los.
Ach! was mag dem Kleinen fehlen?
Aus der Grazie Arm entfloh'n,
Jammert Venus holder Sohn;
Welch ein Leiden kann ihn quälen? -
Das Orakel soll es deuten,
Das der Götter Schluss belauscht,
Wo sich Lorbeerzweige breiten
Und die heil'ge Quelle rauscht;
Und wenn Opferdüfte wallen,
Öffnet sich des Schicksals Buch, -
Aus geweih'tem Haine schallen
Höret des Orakels Spruch:
Anteros nur kann ihn heilen,
Amorn, der in Kummer sinkt,
Muss ein Daseyn mit ihm theilen,
Das vereint nur Lust erringt.
Den Gespielen aufzufinden,
Sey der Grazie erste Pflicht,
Lieb' und Gegenliebe schwinden
Dann aus ihren Armen nicht.
Anteros, ein Kind des Mars und der Venus,
war die Gottheit der Gegenliebe,
so wie Amor (Eros) die Gottheit der Liebe
Aus: Gedichte von
Ulrich Freyherrn von Schlippenbach
Mitau 1812
Gedruckt bey J. F. Steffenhagen und Sohn
(S. 94-95)
_____
Liebeserklärung eines kalekutischen
Hahns an seine Henne
Der Lenz ist endlich wieder neu
Für alles Fasel kommen,
Und alles fühlt, die Liebe sey
In seiner Brust entglommen. -
O, Hennchen, fühlt auch deine Brust
Nicht wunderbare Liebeslust
Bey meinem Kullern?
Sieh nur, wie Liebe mir den Kopf
Allmählich aufgetrieben,
Wie glüht mein purpurrother Kropf
Und mahnet dich zum Lieben!
Was irgend ein Roman gelehrt,
Das, Liebchen, sey von dir gehört
In meinem Kullern. -
Aus Liebe sträubt die Feder sich
Und komm' ich kühn geschritten;
O, Hennchen! alles nur für dich,
Mir Liebe zu erbitten. -
Gewähre mir der Liebe Lohn!
Ach! mein Gefühl, es spricht ja schon
Aus meinem Kullern. -
Sieh'! wie ein Mensch so bräs' ich mich,
Und will, gleich ihm, stolzieren,
Das alles, Liebchen, nur für dich,
Dein Hennenherz zu rühren. -
Sing' ich gleich einer Lerche nicht,
Mir glüht die Liebe im Gesicht
Und meinem Kullern. -
Ein Mensch, noch gestern sah' ich ihn
Am Arm sein Liebchen führen,
Ich sah' auch ihm die Wange glühn,
Auch ihn so stolz spazieren; -
Und was er sprach, das alles glich,
So wahr ich lebe, sicherlich
Ganz meinem Kullern. -
Es war ein junger Herr - so hiess
Man ihn - doch sollt' ich meinen,
Dass ihm das Bräsen nicht so liess,
Als wahrlich unser Einen; -
Und alles, was er zärtlich sprach,
Das überschrie ich tausendfach
Mit meinem Kullern. -
Sieh', Liebchen! bis die Frühlingszeit
Das Fasel treibt zur Liebe,
Geniesse du mit Zärtlichkeit
Die dir geweihten Triebe. -
Und schlachtet heute mich der Koch,
So grüsse ich den Mörder noch
Mit meinem Kullern. -
Aus: Gedichte von
Ulrich Freyherrn von Schlippenbach
Mitau 1812
Gedruckt bey J. F. Steffenhagen und Sohn
(S. 107-110)
_____
König Regner und Aslauga
Dem Könige Regner, am Baltischen Strand,
War Glück und Freude entschwunden.
Er wandelt zum Grabe der Königin hin,
Nichts tröstet des Klagendes trauernden Sinn,
Er hatte nicht Ruhe gefunden,
Seit Thora, die Liebliche schwand.
Hinaus, hinab in das stürmische Meer,
Hinaus in die schäumenden Wogen,
Und find' ich auch dort nicht verlorene Ruh,
Schliesst über dem Herzen die Welle sich zu -
Wenn Stürme den Himmel umzogen,
So wehen sie Tröstung mir her.
Es hat wohl die Farbe der Trauer das Schiff,
Und schwebet auf schäumenden Wellen,
- So wie ein vom Gram umdüstertes Herz
Tief fluthet in tobenden Wogen, im Schmerz,
Wo Sterne das Dunkel nicht hellen -
Sich wendend zum drohenden Riff.
Wer will mich begleiten hinaus in das Meer?
So frug nun der König der Dänen.
"Wir alle, wir theilen mit dir das Geschick,
Es bleibt deiner Helden nicht einer zurück!"
Es dankte der König mit Thränen,
Und wählt zur Begleitung sein Heer.
Da rollen die blähenden Segel sich auf,
Da werden die Anker gelichtet;
Die düsteren Schiffe entfliehen dem Land,
Und Tausende flehen am felsigen Strand,
Die Augen gen Himmel gerichtet:
"Herr, hilf im gefährlichen Lauf!"
So viele der Meere der König durchzog,
Schon waren zwey Monden entschwunden,
Doch ruht' nicht im Herzen der nagende Wurm,
Trotz tobendem Meere, beym brausenden Sturm,
Er hatte nicht Ruhe gefunden,
Wohin auch das Steuer sich bog.
Da schimmert hervor aus der wogenden See
Ein Eyland, von Felsen umgeben,
Umrauscht von der kalten, weiss schäumenden Fluth,
Da siehst du, nie löschend, die flammende Gluth,
Laut donnernd, aus Bergen sich heben,
Hoch zuckend zur schwindelnden Höh'. -
"Ha! Bild meines Herzens, dich grüss ich, o Land!"
Ruft Regner, "hier wollen wir weilen."
So hebt sich die Liebe mit flammender Gluth
Hervor aus der Leiden umringenden Fluth,
Sie kann nicht die Flamme ereilen,
Die lodernd zum Himmel gewandt.
Die Segel sich falten; das Ankertau fällt;
Es eilet der König zum Strande.
Da weiden viel Schäfchen, noch weisser als Schnee,
Am felsigen Ufer der brausenden See, -
Die Schäferin flieht nach dem Lande, -
Doch einer der Krieger sie hält.
"Was fliehst du?" so spricht er; "zum König komm hin
Und gieb ihm vom Lande hier Kunde;
Die Unschuld kann ruhig dem Könige nahn,
Nie hat ihr noch Regner was Leides gethan.
Er ist mit der Tugend im Bunde,
So edel als tapfer sein Sinn."
Aslauga, die nahet mit züchtigem Blick,
Mit blonden lang wallenden Haaren,
Wie Rosen die Wangen, die Brust wie der Schwan,
"Welch Mädchen!" so rufen und staunen sie an
Des Königs versammelte Schaaren,
Und weichen voll Ehrfurcht zurück.
Der König erblickt sie: - "Welch reizendes Bild!
Sprich, bist du dem Himmel entstiegen?" -
"Herr König, Ihr spottet der Schäferin nur,
In Island geboren, auf stürmischer Flur,
Wo wenig der Blumen sich wiegen
Und Nebel die Hütte umhüllt."
"Beym Odin! o Mädchen, wie bist du so schön!
Gesegnet sey ewig die Hütte,
In der du geboren; ich will sie beschaun.
Komm, führe du selbst mich; du kannst mir vertraun,
Ich ehre die Tugend und Sitte
Und liebe, die Unschuld zu sehn."
Sie wandern zur Hütte, am Berge gelehnt
Aus dem sich die Flammen erheben;
Ein Gärtchen voll Blumen am Felsen hier ruht,
Wie Liebe am Herzen des Helden voll Gluth;
Des Schönen beglückendes Streben
Ist, dass es zum Starken sich sehnt.
Ergriffen vom Anblick der hohen Natur,
Noch mehr von der Schäferin Schöne,
Entfloh nun dem König der traurende Sinn,
Er blickt' in die Welt jetzt beruhigter hin;
Des Schmerzes ergreifende Töne -
Leis bebten im Herzen sie nur.
Da sprach er: "Aslauga, willst mit mir du ziehn,
Am Hofe der Dänen zu leben?
Was irgend dein Herz nur an Freude begehrt,
Das, liebliches Mädchen! es sey dir gewährt,
Ich will es so gerne dir geben,
Dass rosig die Stunden dir blühn."
"O, lasst mich, Herr König! in einsamer Flur
Mein Leben in Unschuld vollenden,
Hier leb' ich so ruhig, hier kennet mein Herz
Nicht höhere Wünsche , hier droht nicht der Schmerz,
Hier kann sich das Glück mir nicht wenden -
Nur lächeln im Schooss der Natur."
Wohl bat sie der König; Aslauga doch blieb,
Und wollte zum Hofe nicht ziehen. -
Im Eyland weilt Regner, und fühlet den Schlag
Des Herzens sich mehren mit jeglichem Tag, -
Er fühlte im Busen es glühen -
Er habe das Mädchen so lieb.
"Ich scheide, Aslauga!" so sprach er zu ihr,
"Fort zieh ich, auf schäumenden Wogen.
Ich suchte verlorene Ruhe und fand
Sie, freundlich durch Liebe, am felsigen Strand;
Doch hat sie mich wieder betrogen, -
Ich lasse die Ruhe bey dir."
"Ach! wärst du ein Schäfer, dich liebte ich nur,
Dich wollt ich durchs Leben begleiten;
Doch hin an den Hof, - mich zur Dirne zu weihn,
Das kann dir Aslauga doch nimmermehr seyn. -
Vergiss sie in trennenden Weiten,
Und lass sie der heimischen Flur."
"O, Mädchen! dich lassen? ich lasse mein Glück!
Ich will dich zur Dirne nicht wählen.
Die Schäferin führ' ich zum glänzenden Thron
Und gebe die Krone der Liebe zum Lohn,
Dem Schäfer wirst du dich vermählen:
Die Gattin bringt Regner zurück."
"Wohlan," sprach Aslauga, "dich lieben will ich
Bis dass ich mein Leben vollende;
Jetzt ziehe, o König! zum Dänenland hin,
Und liebst du auch dort mich, mit redlichem Sinn,
Alsdann deine Boten mir sende;
Sie bringen die Gattin für dich." -
Hoch wallen die Segel; wie eilen sie fort!
Zur Heimath sich fördert die Reise,
Trotz Sturm und Gefahren am drohenden Riff;
Es jubelt die Freude auf jeglichem Schiff,
Auf steigendem, sinkendem Gleise
Gelangen die Pilger zum Port.
Der König verkündet vom glänzenden Thron:
Ihm wäre der Kummer entschwunden,
Er habe auf Felsenumgürterter Flur,
Am Berge voll Feuer, im Schooss der Natur,
Die tröstende Liebe gefunden,
Die Krone versprochen zum Lohn.
Bald führen Gesandte Aslauga ans Land;
Die Schäferin ziert kein Geschmeide.
Doch rufen die Dänen, voll Jubel, ihr zu:
"Die würdige Königin, Holde, bist du;
Du borgtest nicht Reize vom Kleide,
Die gab dir Natur, - nicht der Stand."
Geschlossen ward nun der beglückende Bund,
Und Regner dem Schicksal versöhnet.
Nur Liebe kann geben, was Liebe verlor,
Das sang in der Sage der Sänger euch vor,
Und wie's ihm im Herzen getönet,
So that er's im Liede euch kund.
Aus: Gedichte von
Ulrich Freyherrn von Schlippenbach
Mitau 1812
Gedruckt bey J. F. Steffenhagen und Sohn
(S. 130-140)
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Die Liebe und die Hasenjagd
Herr Paff, ein grosser Weidemann,
Sprach jüngst: Ihr Leute! hört mich an,
Da hab' ich's ausgedacht:
Die Liebe gleicht der Hasenjagd;
Und die versteh' ich wohl. -
Der Jäger folgt des Häschens Spur;
Die Liebe spürt die Schönheit nur;
Und ist das Wild erst ausgemacht,
Juchhei! so geht es fort zur Jagd:
Auch ich war oft dabey.
Das Häschen, wie die Schöne, flieht
Pfeilschnell, - allein der Jäger zieht
Rasch hinterdrein; das Häschen keucht;
Die Schönheit - nun die wird erreicht:
Ho, ho! die Jagd geht gut.
Zuweilen stellt man Netze auf;
Nun kommt das Wild in vollem Lauf,
Und da - rasch sitzt das Häschen fest,
Das sich mit Händen greifen lässt:
So geht's der Schönheit auch.
Der Jäger scheut das Wetter nicht;
Auch Liebe braucht kein Sonnenlicht.
Ein ächter kühner Weidemann
Hält nicht im Sturm das Jagen an:
So macht's die Liebe auch.
Am Ende kommt der Unterschied:
Wenn man das Fell vom Häschen zieht,
Dann wird der Braten aufgezehrt;
Die Liebe macht es umgekehrt:
Die speist den Jäger auf.
Aus: Gedichte von
Ulrich Freyherrn von Schlippenbach
Mitau 1812
Gedruckt bey J. F. Steffenhagen und Sohn
(S. 158-159)
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Das Vergnügen und die Liebe
Das Vergnügen
Was klagst du dort?
Durchs frohe Leben
Führ' ich dich gern; gieb mir die Hand.
Die Liebe
O! lass mich! Du
kannst mir nicht geben
Den Werth des Kummers, den ich fand.
Im Heiligthume meiner Schmerzen
Steht nur verhüllt die Seligkeit,
Als Bild, gekannt von meinem Herzen,
Das, opfernd, jeden Schlag ihm weiht.
Du kennst die Wonne meiner Zähren,
Der Rührung süsses Leiden nicht;
Du kannst nur jene Lust gewähren,
Die Blüthen, die verwelken, bricht.
Das Vergnügen
Es hängt an kurzen
Augenblicken
Das Leben, so wie sein Entzücken;
Nur der Moment erscheint mit Lust,
Und drückt den Kranz, den er gefunden,
Eh' ihm der süsse Duft entschwunden,
An seine weite freye Brust.
So, Liebe! komm zu meinem Herzen,
Um, voll der Gluth, in meinem Kuss,
In holder Gegenwart Genuss,
Die bange Trauer zu verschmerzen.
Komm! Lass am Quell die Lust uns trinken,
Vereint in seine Fluth zu sinken,
Und, wie ein lichtes Abendroth,
Mit weiten, hellen Flammenzügen,
So glühend, lass uns in den Tod,
So untergehn, als Liebe und Vergnügen.
Die Liebe
Bis sie die Erde
nicht berührte,
Die Schwinge der so flücht'gen Zeit,
So lange bleibt, wohin ihr Flug mich führte,
Der Tempel der Unsterblichkeit.
Von dir berührt, fällt aus dem lichten Kranze -
Mir wandte ihn die Ewigkeit ums Haupt -
Bald Stern für Stern, und von dem Himmelsglanze
Wird schnell die Flamme mir geraubt.
Hinab zu dir, zu niedern Welten,
Trägt dann mich deiner Schwäche Wahn;
Und Trug und Überdruss, die mir sich beygesellten,
Erkennen mich als Unterthan.
Ein reiner Genius, frey von gemeinen Trieben,
Liegt meines Wesens Fülle nur in mir;
Mein Daseyn ist ein göttlich reines Lieben,
Und nimmer brauch' ich Lohn und Kraft von dir.
Der Perle gleich, im feuchten tiefen Meere,
Fällt meine Thräne in die Welt hinab;
Ob sie bemerkt, ob sie verloren wäre,
Sie schmückt ihr stilles tiefes Grab.
O! wage du nicht, Schmerz zu nennen,
Was sanft und klagend Liebe spricht.
Den bleichen Stern, du kannst ihn kaum erkennen,
Und ahnest ihn als Sonne nicht;
Doch seiner Welt, der ist er aufgegangen,
Und glänzt und wärmt als helles Licht;
In eignen Sphären will er leuchten, prangen;
Dem fernen Dunkel scheint er nicht.
Wohin die Liebe sich geborgen, -
Ob in das Grab, ob zum Gestirn erhöht; -
Wo sie auch ist, umleuchtet sie ein Morgen,
Der nimmer, nimmer untergeht.
Gleichviel, ob auch in dunkeln Nächten,
Wo nur der Lüste Fackel brennt,
Man Opfer meinem Namen brächte,
Und dennoch nicht mein Wesen kennt. -
Ich will, und will nicht niedersinken.
Kannst du dich nicht zu mir erhöh'n,
Wo Sterne in dem Äther blinken:
Ich bleibe - du magst untergehn.
Aus: Gedichte von
Ulrich Freyherrn von Schlippenbach
Mitau 1812
Gedruckt bey J. F. Steffenhagen und Sohn
(S. 165-169)
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Vernunft und Herz
Baldohn, den 6ten
July 1808
Die Vernunft, mit langsam-ernsten Schritten
Tritt sie kalt und prüfend in die Welt;
Nicht zu lenken und nicht zu erbitten
Ist das strenge Urtheil, das sie fällt.
Meinend, dass für Tugend und für Sitten
Sie mit fester Hand die Wage hält,
Muss des Guten und des Edeln Wissen
Langsam steigen aus den kalten Schlüssen.
Aber das Herz führt mit klopfenden Schlägen
Freudig die Menschen dem Guten entgegen,
Und es entscheidet und wählet im Nu.
Denn es bedarf nicht erst lange zu prüfen;
Heiliger Genien Stimmen die riefen
Sichere Kenntniss der Wahrheit ihm zu.
Die Vernunft lehrt schwere Pflichten üben,
Nur im Kampfe prüft sie ihre Kraft;
Dulden heisst sie, handeln, nur nicht lieben
Mit der Allgewalt der Leidenschaft.
Unbekannt mit freyen Herzenstrieben
Seufzt der Wille in der Regel Haft.
Mag in's Grab die Sehnsucht niederbeugen:
Sie gebeut - und die Gefühle schweigen.
Aber, entfesselt von drückendem Zwange,
Findet das Herz im melodischen Klange
Eigener Reinheit die freundliche Pflicht.
Nicht mit Gewalt an die Ernste gebunden,
Hat es sie liebend im Innern gefunden;
Treu der Erwählten, verlässt es sie nicht.
Wo die Sterne freundlich niederschauen,
Fragt Vernunft um ihren Schöpfer an;
Muss auf Schlüsse ihre Meinung bauen,
Bis den Gott sie mühsam finden kann,
Dessen Bild, nur sichtbar dem Vertrauen,
Ihr, der Zweifelnden, so leicht zerrann.
Mögen Welten leuchtend sich gestalten,
Messend will sie nur den Raum entfalten.
Aber das Herz hat in seligen Stunden
Schöner Gefühle den Gott schon gefunden,
Eh' ihn die kalte Vernunft nur gedacht;
Weckt in dem Auge die bebende Zähre;
Baut der Natur die geweihten Altäre,
Wo es Gebete und Opfer gebracht.
Und nicht ermessend die schreckende Ferne,
Schwingt sich das Herz an dem Strahle der Sterne
Hoch zu den kreisenden Sphären hinan;
Sinket am Throne des Ewigen nieder,
Kehret beglückter zur Erde dann wieder,
Weil es für diese den Glauben gewann.
Auch die Kunst, ein Bild des ewig Schönen,
Prüft Vernunft als strenge Richterin.
Nur bedächtig will die Weise krönen,
Giebt sich nimmer der Empfindung hin;
Giebt ein Mass dem Bildniss und den Tönen,
Nur die Regel nennt sie Meisterin.
Aus der Ordnung festgeschloss'nen Schranken
Darf der Schönheit leichte Form nicht wanken.
Doch: wie so freudig in Farben und Tönen
Lebt in dem Herzen das Bildniss der Schönen;
Tritt aus demselben lebendig hervor.
Und es erkennt sich in eigener Klarheit,
Und es bedarf nicht den Massstab der Wahrheit,
Weil es sie nimmer im Innern verlor.
Mag Vernunft mir meine Pfade leiten,
Wo ich mit dem kalten Leben rang;
Wo, gefesselt noch durch Raum und Zeiten,
Ich ihn fühle, meines Schicksals Zwang,
Und die ernste Regel auszudeuten
Nur der strengen Richterin gelang.
Aber dem Herzen, dem sey es gegeben,
Dieser Gefühle unendliches Leben,
Das mich dem Göttlichen näher gebracht.
Ha! die Begeisterung lässt mit Entzücken
Heller im Spiegel des Herzens erblicken,
Was ich empfunden und was ich gedacht.
Aus: Gedichte von
Ulrich Freyherrn von Schlippenbach
Mitau 1812
Gedruckt bey J. F. Steffenhagen und Sohn
(S. 184-188)
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Lieder der Liebe
1.
Mit Zweifel lohnst du meinem Herzen?
Das sich auf ewig dir ergab;
Des Lebens Frucht an Lust und Schmerzen,
Die Liebe, nehm' ich mit in's Grab.
Des Jünglings leichtem Flattersinne
Ist Liebe noch ein leichter Scherz;
Der Mann nur schliesst die treue Minne
Mit fester Dauer in sein Herz.
Was du, Geliebte, mir gegeben,
Dies zarte, innige Gefühl
Tönt durch mein ganzes Erdenleben
Wie ein harmonisch Saitenspiel.
So hat der Gott der Liebe Flügel
Zum Schwunge hin zu jener Welt,
Die der Vollendung hohes Siegel
Durch treue Liebe nur erhält.
O, gieb sie mir zum heil'gen Bunde
Die so geliebte theure Hand,
Und knüpfe an die flücht'ge Stunde
Der Seelen ewig festes Band.
Des Lebens Gaukelbilder fliehen,
Doch Liebe hält den Augenblick,
Ihn, bess'ren Welten nachzuziehen,
Für die Unsterblichkeit zurück.
Nimm uns'rer Seligkeit die Blüthe,
O! nimm ihr das Vertrauen nicht.
Mein Herz, das heiss, voll Liebe glühte,
O! glaube, dass es liebend bricht.
(S. 210-211)
2.
Seh' ich dich im Tanz den Kreis durchschweben,
Und ich darf mich liebend dir nicht nahn,
Dich nicht grüssen, mein geliebtes Leben,
Dich mit heisser Sehnsucht nicht umpfahn?
Dich nicht mein vor allen Leuten nennen,
Und bewegt in Saitenklang und Lust
Laut der Liebe hohes Glück bekennen,
Wie es bebet tief in meiner Brust?
O! dann winden sich der Hölle Schmerzen
Bis zu meinem Himmel hoch hinan,
Und Verzweiflung droht dem armen Herzen,
Das die Qual, wie eine Fluth, umrann.
Und ich glaube all mein Glück entschwunden,
Dass du ewig mir entrissen bist,
Und von meiner Seele losgewunden,
Du, Geliebte! deinen Freund vergisst.
Lieber lass getrennt von dir mich weilen,
Was ich fühle, weiss mein stiller Heerd;
Darf ich nicht mein Leben mit dir theilen,
Sprich, Geliebte! hat es da wohl Werth?
(S. 212-213)
3.
Du liebst mich! ja! und mit Entzücken
Spricht es der Klang der Saiten aus,
In's Leben kann ich freudig blicken
Und in die Hoffnung weit hinaus.
Mir trägt die Welt, mir tragen Sterne,
Das Bild der Liebe nah und ferne.
Des Menschen höchste Lust und Würde
Geht liebend aus dem Herzen auf,
Und frey von jeder Lebensbürde
Beginnt der Göttersohn den Lauf;
In seiner Brust der Sonne Gluthen
Muss auch ihr Licht ihn hell umfluthen.
Und wollte aus den Äthergleisen
Ihn niederziehn der Sinne Wahn,
Zu reiner Liebe heil'gen Kreisen
Kann Ungeweihtes nimmer nah'n.
Sie winkt und finstre Larven weichen,
Den Himmel muss sie frey erreichen.
Ja liebend, Seel in Seel ergossen,
Und Herz an Herz, und Hand in Hand,
Der Flamme selige Genossen,
Die in der eig'nen Brust entbrannt,
Gehn Liebende durch kalte Zeiten
Getrost die Bahn der Ewigkeiten.
Geliebte! in der Saiten Beben
Ertönt mein Dank, ertönt mein Glück;
Doch mehr noch hallt mein ganzes Leben
Dies heilige Gefühl zurück.
Hast du, von meinem Arm umwunden,
Dies Leben auch so schön gefunden?
Aus: Gedichte von
Ulrich Freyherrn von Schlippenbach
Mitau 1812
Gedruckt bey J. F. Steffenhagen und Sohn
(S. 213-214)
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Malvinas Lied
(Nach einem
bekannten italienischen Gesange)
Wenn zu des Herzens Tiefen,
Der Liebe Zauber schwebt,
Was Götterstimmen riefen,
In reiner Seele bebt;
Allmächtig trägt die Menschenbrust
Dann aller Himmel volle Lust
Voll Äthergluth in sich, :,:
O Liebe! Liebe! Liebe!
Zum Gott beglückt durch dich.
Wenn auch der Welt verloren
Die Harmonie verweht,
Die Liebe nur geboren
Und Liebe nur versteht -
In dieser Erde kaltes Seyn
Will Wohllaut sie und Blüthen streu'n,
Dann schwebt voll hoher Ruh' :,:
Die Liebe, Liebe, Liebe,
Den bess'ren Welten zu.
Und wer auch nie gefunden
Das Glück, das sie versprach,
Ihm tönt, was er empfunden,
Durch's eig'ne Leben nach.
Als Bürgin schöner Ewigkeit
Blickt Liebe zu der armen Zeit
Aus jedem Stern hinab; :,:
So, Liebe, Liebe, Liebe,
Umstrahlst du auch das Grab.
Aus: Gedichte von
Ulrich Freyherrn von Schlippenbach
Mitau 1812
Gedruckt bey J. F. Steffenhagen und Sohn
(S. 234-235)
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Glück und Ruhe
Die Liebe wollte Glück und Ruhe finden;
Doch wenn sie an dem Thron des Glückes stand,
Sah sie die stille Ruhe schwinden;
Und wieder war's das Glück, das bald entschwand,
Wo sie die Ruhe aufgefunden.
Nun klagte sie: vereint find' ich sie nie,
Sie haben nimmer sich verbunden,
Ihr doppelt Bild giebt nur die Phantasie.
Da trat mit freundlicher Gestalt
Die treue Freundschaft zu der Liebe
Und sprach: wir theilen die Gewalt
Der Herzen mit fast gleichem Triebe;
Doch lieber will zu dir das Glück sich wenden
Und holder lächelt Ruhe mir.
Komm! wollen wir mit fest verschlung'nen Händen
Durch's Leben ziehn; ich theile dir,
Was ich empfing, und du giebst deine Gaben,
Und beyder Lohn wird Alles, was wir haben.
Als Lieb' und Freundschaft innig sich verbunden,
Ward Glück und Ruhe so vereint gefunden.
Aus: Nachgelassene
Gedichte
von Ulrich Freyherrn von Schlippenbach
Mitau gedruckt bey J. F. Steffenhagen und Sohn 1828
(S. 18-19)
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Adagio
Der Liebe süsser Ton verhallte,
Wie dort die Wellen rauschend schwinden,
Um tief ein kaltes Grab zu finden.
Ach! Alles, was vorüber wallte,
Lässt seines kurzen Daseyns Glück
Nicht einer Menschenbrust zurück.
Ich folge bald dir, flücht'ge Meereswelle,
Wie dich, zieht mich das Schicksal bald hinab;
Vorüber ist dann des Momentes Helle:
Tief, kalt und dunkel ist das Grab.
Braust hin, ihr Wogen, lasst den lichten Schaum
Hoch an des Ufers Rand sich heben;
So schimmernd ist der Liebe schöner Traum,
So flüchtig auch der Liebe kurzes Leben.
Die Blüthe kalter Meeresfluthen,
Aus tiefem Grunde aufgeregt,
Stirbt in dem Strahl der Sonnengluthen.
O, Liebe, die das Herz bewegt,
Des Erdendaseyns süsser Traum,
Noch flüchtiger als Meeresschaum!
Aus: Nachgelassene
Gedichte
von Ulrich Freyherrn von Schlippenbach
Mitau gedruckt bey J. F. Steffenhagen und Sohn 1828
(S. 21-22)
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Der Nachtschmetterling und die Flamme
Kind, von dunkler Nacht geboren,
In des Schweigens tiefer Ruh,
Doch zum Lichte auserkoren,
Eilest du der Flamme zu;
Übst die bleichen zarten Schwingen
Zur geliebten Gluth zu dringen.
Da ergreifen dich die Flammen,
Und du wallst mit ihnen auf,
Loderst mit der Gluth zusammen
Zu dem Quell des Lichts hinauf.
Untergehend, musst du ringen,
Um auf Strahlen dich zu schwingen.
Bist der dunklen Welt verloren,
Aufgelöst in helle Gluth;
Doch im Lichte neu geboren
Trägt dich frey der Strahlen Fluth;
Was du liebend dir erlesen
Wird verklärt dein eignes Wesen.
Kind der Nacht mit Psycheflügel,
Stürze in der Liebe Strahl
Fort von diesem dunklen Hügel,
Fort aus ödem Schattenthal!
Untergehn, in Gluth entschweben,
Ist der Liebe höchstes Leben.
Aus: Nachgelassene
Gedichte
von Ulrich Freyherrn von Schlippenbach
Mitau gedruckt bey J. F. Steffenhagen und Sohn 1828
(S. 28-29)
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Das Johanniswürmchen im Kelche der Rose
Welch' ein Wunder hüllt der Rose
Zartes Roth in Flammen ein,
Barg sich wohl in ihrem Schoosse
Noch des Abendrothes Schein?
Ach! ein Würmchen schmückt mit Strahlen
Sein erwähltes Purpur-Haus,
Und den Kelch der Rose malen
Schimmernd helle Flammen aus:
Zwischen Laubgehängen scheinet
Hell die Rose durch die Nacht,
Und kein Fürstenthron vereinet
Solche wunderbare Pracht.
Will ein Bild sich hier entfalten,
Dessen Sinn mein Herz bewegt,
Dessen deutungsvollem Walten
Jeder Puls entgegen schlägt:
Purpurn in der Brust getragen
Ist der Rose gleich das Herz,
Doch in ihrem Schoosse nagen
An ihr Daseyn wilder Schmerz.
Mag der Wurm auch schimmernd strahlen
Gleich der Liebe hellen Gluth,
Schmückt er, wie mit Idealen
Seine Heimath, wo er ruht;
Dennoch, da, wo er sein Leben
In die Purpurquelle taucht,
Hat sie ihm sich hingegeben,
Ihren schönsten Duft verhaucht.
Mag nun hell die Rose schimmern,
Hochgeschmückt in lichtem Roth,
Doch ihr Wesen barg in Trümmern
Eig'nen Daseyn's schon den Tod.
Durch die Nacht des Lebens strahlen
Mag ein Herz, das Liebe füllt,
Aber kennst du auch der Qualen
Schimmernd, dennoch schmerzlich Bild?
Aus: Nachgelassene
Gedichte
von Ulrich Freyherrn von Schlippenbach
Mitau gedruckt bey J. F. Steffenhagen und Sohn 1828
(S. 52-53)
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Phantasie und Liebe
Alte Tempel, Burgen, Hütten,
Die kein Auge je gesehen,
Lässt oft Phantasie entstehen,
Und mit schnellen flücht'gen Schritten
Zieht sie fort durch weite Lande,
Über Ströme, über Seen,
Über ferne Bergeshöhen,
Denn nur sie trägt keine Bande.
Aber was aus lieben Händen
Irgendwo sich hat gestaltet,
Wenn auch Kunst nicht in ihm waltet,
Das wird Phantasie vollenden,
Legt in jedem flücht'gen Zuge
Alle ihre reiche Schöne,
Bilder so, und süsse Töne
Sammelt sie auf ihrem Fluge.
Nichts ist gross und nichts geringe,
Hat nur Liebe es erfunden,
Dass es spurlos nicht entschwunden,
Und verloren unterginge,
Weiss schon Phantasie zu sorgen;
Darum ist ihr himmlisch Leben
Nur zum Lieben uns gegeben,
Sie selbst ew'ger Liebe Morgen.
Aus: Nachgelassene
Gedichte
von Ulrich Freyherrn von Schlippenbach
Mitau gedruckt bey J. F. Steffenhagen und Sohn 1828
(S. 186-187)
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Biographie:
http://de.wikipedia.org/wiki/Ulrich_von_Schlippenbach
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