Aloys Schreiber (1761-1841) - Liebesgedichte



Aloys Schreiber
(1761-1841)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 





Der Blumenbrief

Euch Blümlein will ich senden
Zur schönen Jungfrau dort,
Fleht sie, mein Leid zu enden
Mit einem guten Wort.

Du, Rose, kannst ihr sagen:
Wie ich in Lieb' erglüh',
Wie ich um sie muß klagen
Und weinen spät und früh.

Du, Veilchen, sprich: sein Leiden
Wird jeden Morgen neu,
Von allem kann er scheiden,
Nur nicht von seiner Treu'.

Du, Myrte, flistre leise
Ihr meine Hoffnung zu,
Sag': auf des Lebens Reise
Glänzt ihm kein Stern als du.

Du, Ringelblume, deute
Ihr der Verzweiflung Schmerz,
Sag' ihr: des Grabes Beute
Wird ohne dich sein Herz.


Aus: Aloys Schreiber's Gedichte
Erster Theil Neueste Auflage
Wien 1817 Bey B. Ph. Bauer (S. 66-67)

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Das Schöne

Ich hörte einen Lautenton
In kühlen Waldesgründen
Und schlich ihm nach - er war entfloh'n,
Ich konnt' ihn nirgends finden.

Da sah ich eine Blum' am Bach
In Himmelsbläue stehen,
Das Blümlein wollt' ich brechen, ach!
Es war nicht mehr zu sehen!

Und traurig ging ich weiter fort,
Und weinte helle Thränen,
Und suchte da und suchte dort,
Und immer wuchs mein Sehnen.

Ein Mägdlein kam, im Abendglanz
Wie ich's noch nie gefunden,
Das Blümlein stand in ihrem Kranz,
Das mir am Bach entschwunden;

Sie trug die Laute in dem Arm,
Die mir so süß geklungen:
Es wurde mir das Herz so warm,
Das erst der Gram bezwungen.

Sie sprach zu mir: Ich will dein Glück
Dir freudig offenbaren!
Das Schöne nimmt der Augenblick,
Nur Liebe kann's bewahren.


Aus: Aloys Schreiber's Gedichte
Erster Theil Neueste Auflage
Wien 1817 Bey B. Ph. Bauer (S. 148-149)

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Der Jäger und die Hirtinn

Der Jäger
Hirtinn weißt du keine Quelle?
Ach, mich senget heißer Durst.

Die Hirtinn
Wohl! Ein Brünnlein frisch und helle
Rieselt in der nahen Hurst.

Der Jäger
Kraftlos muß ich niedersinken
An des Felsenbrünnleins Rand.

Die Hirtinn
Wenn du's nicht verschmähst, zu trinken,
Schöpf' ich mit der hohlen Hand.

Der Jäger
O ich schlürfe neues Leben,
Aber ach, auch neue Gluth.

Die Hirtinn
Jüngling, deine Lippen beben,
Und mir wird fast schlimm zu Muth.

Der Jäger
Führe mich in deine Hütte,
Deine Herde schütz' ich dir.

Die Hirtinn
Gern gewährt' ich deine Bitte,
Doch, mein Herz, wer schützt es mir?


Aus: Aloys Schreiber's Gedichte
Erster Theil Neueste Auflage
Wien 1817 Bey B. Ph. Bauer (S. 160-161)

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Rosalinde

In dieser Augen mildem Schein
Ist mir das Göttliche erschienen;
Ich wurde fromm, ich wurde rein,
Und kann nicht mehr der Erde dienen.

Der Himmel lag in ihrem Blick,
Ich konnt' in ihre Seele schauen!
Nun mag ich auch mein Heil und Glück
Nur der Holdseligen vertrauen.

Es ist kein Traum, es ist kein Wahn,
Den Blick, den hab' ich wohl verstanden!
Sie sah mich wie ein Engel an,
Der lösen will aus schweren Banden.

Die Sonne dort, sie bleibt uns nicht,
Das Leben muß von ihr sich wenden,
Jedoch in diesem heil'gen Licht
Da kann es nie und nimmer enden.

So tröstend ist mir nie ein Stern
In dunkeln Nächten aufgegangen,
Nun meid' ich fürder alles gern,
Was ich mit leichtem Sinn umfangen;

Es schweigt die niedrige Begier,
Es ist das schwache Herz entsündigt,
Ein fremdes Daseyn war in mir,
Sie hat ein neues mir verkündigt.

In dieses Himmels mildem Blau
Will meine Seele ganz verschwimmen,
Wie Blumen in dem Morgenthau,
Wenn nun die letzten Sternlein glimmen.

Du, Fromme, sendest keine Qual,
Dein Auge schlägt uns keine Wunden,
An seinem keuschen, heil'gen Strahl
Muß jedes kranke Herz gesunden.

Nichts will ich schauen mehr, als dich,
Und werden meine Blicke trüber,
Dann, guter Engel, führe mich
In deine Heimath still hinüber.

Aus: Aloys Schreiber's Gedichte
Erster Theil Neueste Auflage
Wien 1817 Bey B. Ph. Bauer (S. 161-163)

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Rosalinde

Sie wallte sinnig und allein
Im hellen Wiesenthal,
Es floß um sie ein gold'ner Schein
Vom letzten Abendstrahl.

Die Blumen flisterten ihr zu:
O blick' uns freundlich an,
Denn uns're Königinn bist du,
Wir sind dir unterthan!

Es weheten im linden Hauch
Die Blüthen auf sie hin;
Es rief die Nachtigall im Strauch:
Laß mich doch mit ihr zieh'n!

Da tönte in der Wald-Capell'
Ein frommes Glöcklein fern,
Sie faltete die Hände schnell
Empor zum Abendstern.

Es kam der Mond hervor, und sah
Der Frommen Angesicht.
Als eine Heil'ge stand sie da,
Verklärt im Silberlicht.

Aus: Aloys Schreiber's Gedichte
Erster Theil Neueste Auflage
Wien 1817 Bey B. Ph. Bauer (S. 163-164)

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Cilina

Mit der Stimme Zauberklang
Hast du mir das Herz bezwungen,
Und sie hat mich tief durchdrungen
Wie ein himmlischer Gesang.

Mit dem süßen Lächeln hast
Du die Seele mir gefangen,
Und ich muß nun an dir hangen,
Ohne Ruhe, ohne Rast.

Mit dem liebevollen Blick
Hast du mich empor gehoben
Zu den Seligen dort oben,
Zu des Paradieses Glück.

Aus: Aloys Schreiber's Gedichte
Erster Theil Neueste Auflage
Wien 1817 Bey B. Ph. Bauer (S. 164-165)

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Der Falke

Im Eichenschatten, auf dem Bühle
Sitzt, an des Felsenbrünnleins Rand,
Herr Friedewin in Morgenkühle,
Den treuen Falken auf der Hand.

Der Falke schwingt sich in die Lüfte,
Doch zieht er nicht auf Raub und Tod,
Er trägt ein Blatt voll Rosendüfte,
Er ist der Liebe treuer Both'.

Das Brieflein bringt er zu Erlinen
Der schönen Jungfrau hold und zart,
Der Ritter schwur, nur ihr zu dienen;
Doch ist ihr Vater stolz und hart.

Die Liebe hat sich viel zu sagen,
Dem Herzen ist die Trennung schwer,
Die leisen Wünsche und die Klagen
Die trägt der Falke hin und her.

Doch heut ist er umsonst geflogen,
Er findet sie am Erker nicht,
Und durch den off'nen Fensterbogen
Sieht er ein kleines, mattes Licht.

Die Jungfrau ruht, im Todtenkleide,
Die Händ' gefaltet, auf der Bahr';
Als Gottesbraut ist ihr Geschmeide
Ein Kranz von Rosmarin im Haar.

Der Falke flattert zu der Leiche,
Er nimmt den Kranz, und flieht davon,
Er kreiset drey Mahl um die Eiche,
Und nieder fällt die Todtenkron'.

Ich will die Kron' ihr wieder bringen,
Ruft Friedewin im irren Schmerz;
Das Leben läßt sich bald bezwingen,
Im Grabe ruht mir schon das Herz.

Mein festes Schloß, es mag zerfallen,
Nur einen Stab noch nehm' ich mir,
Dann will ich fort als Pilgrim wallen,
Und suchen so den Weg zu ihr.


Aus: Aloys Schreiber's Gedichte
Erster Theil Neueste Auflage
Wien 1817 Bey B. Ph. Bauer (S. 165-166)

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Adeline

Adeline stieg in der Morgenstunde
Herab von der Burg auf Ehrenstein,
Sie wallte zum Kirchlein im Eichengrunde
Mit frommen Vertrauen, ganz allein.

Die Blümlein blühten so frisch am Wege,
Sie dachte: die schönsten wähl' ich aus;
Das Opfer ist gut gemeint, ich lege
Es auf den Altar im Gotteshaus.

Da kam ein Landsknecht daher gegangen,
Er grüßte die Jungfrau mit frechem Blick,
Er wollte den schönen Leib umfangen,
Sie stieß ihn mit hohem Ernst zurück.

Ha, schöne Maid, und müßt' ich dich kaufen
Mit meiner Seele, so wollt' ich's thun!
Und wage nur nicht, mir zu entlaufen,
In deinem Arm, da muß ich ruh'n.

Adeline faltet die Lilienhände,
Ihre Wange wird Schnee, ihr Blut wird Eis,
Sie versucht, ob des Frevlers Herz sich wende,
Sey menschlich, stöhnet sie, bang und leis;

Beflecke dich nicht mit solchem Raube,
Es ist ein Auge, es schlummert nicht;
Die Gestalt - sie vermählt sich bald dem Raube,
Der Seele harret ein schwer Gericht.

Der Kriegsmann umfaßt sie mit schnödem Hohne,
Er hält sie in seinem starken Arm;
Du bist und bleibst mir der Frauen Krone,
An deinem Busen da ruh' ich warm.

Und wenn ich dich auch dem Himmel stehle,
Er hat der Bräute ja noch mehr.
So spricht er, doch in der Jungfrau Seele
Leuchtet ein Gedanke von oben her.

Dem Tode verkauft hast du dein Leben,
Ich bin nur ein armes schwaches Weib,
Doch kann ich dir wohl ein Mittel geben
Zu schützen vor Wunden deinen Leib.

Sieh, diese Blumen, im Thau gepflücket,
Bewährt ist ihre geheime Kraft!
Umsonst ist das Schwert auf den gezücket,
Der sich bestreichet mit ihrem Saft.

Der Kriegsmann versetzt: wär'st du erfahren
In der verborg'nen, hohen Kunst,
Dein Mittel, ich wollt' es treu bewahren,
Und suchte bey dir nicht and're Gunst.

Die Jungfrau lächelt: deines Schwertes Spitze
Bieth' ich mich selbst zur Prüfung dar,
Ich weiß, daß es mir die Haut nicht ritze,
Dein Arm ist stark, und mein Wort ist wahr.

Sie nimmt vom Halse die gold'ne Kette,
Sie reibt den Blumensaft emsig ein,
Sie bethet in sich: Gott im Himmel rette
Die Seele mir, ich erhielt sie rein.

Sie kniet zur Erde - mit irrem Muthe
Führet der Krieger den Todesstreich;
Der Boden wird roth von der Jungfrau Blute,
Das Haupt liegt im Grase, starr und bleich.

Aus: Aloys Schreiber's Gedichte
Erster Theil Neueste Auflage
Wien 1817 Bey B. Ph. Bauer (S. 168-170)

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Das Herz

Es sehnt sich das Herz
Nach Lust und Schmerz,
Und nimmer kann es ruhig bleiben,
Muß auf des Lebens Wogen treiben.

Es trotzet und wagt,
Es zittert und zagt,
Will bald herab den Himmel ziehen,
Bald schüchtern in die Erde fliehen.

Um schnöden Gewinn
Gibt es oft sich hin,
Will oft ein Höheres erringen,
Und sich dafür zum Opfer bringen.

Es zürnt und vergibt,
Es glaubt und liebt,
Und seinem Sehnen, seinem Hoffen
Sind stets die Himmelspforten offen.

Heut' glühend und roth,
Und morgen todt!
In Asche ist es still versunken,
Doch glimmt noch deinem ein Götterfunken.


Aus: Aloys Schreiber's Gedichte
Erster Theil Neueste Auflage
Wien 1817 Bey B. Ph. Bauer (S. 187-188)

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Zu ihr, zu ihr

Zu ihr, zu ihr, die ich mir auserkoren,
In die geweihte Rosenlaube hin,
Zu ihr! mir ist der Augenblick verloren,
Da ich von ihr geschieden bin.

"Ha sieh, es lagert hinter jenen Hügeln
Ein Hochgewitter furchtbar drohend sich."
Zu ihr, zu ihr, es deckt mit ihren Flügeln
Die Liebe schützend sie und mich.

"Siehst du den Regen an das Fenster schlagen?
Hörst du am Strand den heulenden Orcan?"
Zu ihr, zu ihr, die Liebe kennt kein Zagen;
Nur Sonnenschein ist ihre Bahn.

"Der Fluß empört sich, seine Wellen schäumen,
Und reißen zürnend Roß und Mann hinab."
Sie wartet mein! die Liebe kennt kein Säumen,
Für Sie gibt's weder Tod noch Grab.

"Sieh, wie der Blitz die Eichen dort zersplittert?
So furchtbar kämpften Erd' und Himmel nie."
Zu ihr, zu ihr! und wenn der Erdball zittert,
Ich hör' und sehe nichts als sie.

Aus: Aloys Schreiber's Gedichte
Erster Theil Neueste Auflage
Wien 1817 Bey B. Ph. Bauer (S. 196)

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Minnelied

Ich hab' Rosengarten,
Der blüht Jahr aus und ein,
Ich brauch' ihn nicht zu warten,
Er blüht auch mir allein.

So viel ich Röslein breche,
Die Zahl, sie bleibt sich gleich;
Da ist kein Dorn, der steche,
Kein wird vom Sturme bleich.

Es leuchten mir zwey Sterne,
So mild wie Engelsblick!
Sie zieh'n mich aus der Ferne
Mit stiller Kraft zurück.

In ihnen kann ich schauen
Mein Leben rein und klar,
Den Sternlein darf ich trauen,
Sie reden treu und wahr.

Wo meine Rosen prangen,
Das thu' ich gern euch kund:
Sie blüh'n auf Liebchens Wangen,
Sie blühn auf Liebchens Mund.

Es glänzen meine Sterne
In Liebchens Augenlicht;
Die in der Himmelsferne
Sie leuchten sanfter nicht.

Sagt, was gefunden werde
Wie Ros' und Sternenschein?
Vom Himmel, von der Erde
Ist d'rum das Schönste mein.

Aus: Aloys Schreiber's Gedichte
Erster Theil Neueste Auflage
Wien 1817 Bey B. Ph. Bauer (S. 208-209)

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Die Quelle von Vauclüse

O Silberquell, um dessen stillen Rand
Der Lenz die schönsten seiner Blumen reihte?
Bemooste Bäume, und du Felsenwand,
Die einst Petrark durch seine Liebe weihte!

O könnt' ich hier, im Schooße der Natur,
Mein Leben still und unbekannt verleben!
Was ich bedarf - es ist ja wenig nur,
Das würden mir zwey Hufen Landes geben.

Dem Wiederhall, der noch den Nahmen kennt,
Den er so oft in süßen Liedern hörte,
Dem nennt' ich sie, die mein Gesang nicht nennt,
Die schuldlos meiner Tage Frieden störte.

In dieser unbesuchten Siedeley
Könnt' ich doch unbelauscht von Menschen klagen,
Hier würd' ich ihr, wie theuer sie mir sey,
Zum mindesten in meinen Träumen sagen.

Hier opfert' ich am grauen Felsaltar
Des Sängers Manen Blumen, feucht von Zähren,
Ach, sie ist streng, wie seine Laura war,
Und ewig wird auch meine Liebe währen.


Aus: Aloys Schreiber's Gedichte
Erster Theil Neueste Auflage
Wien 1817 Bey B. Ph. Bauer (S. 220-221)

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Gram der Liebe

Brich, armes Herz! dein Urtheil ist gesprochen,
Den Schwur, den sie auf meinen Mund gethan,
Hat sie mit leichtem Mädchensinn gebrochen;
Verschwunden ist der letzte süße Wahn!

Nichts hatt' ich mehr mir vom Geschick bedungen,
Als sie mir sagte: Dein bis in das Grab!
Auf sie beschränkt' ich alle Forderungen,
Die die Natur mir an das Leben gab.

Nun hat ein And'rer ihre Gunst gewonnen,
Auf Gottes Erde nenn' ich nichts mehr mein,
Gleich einem Traum ist all' mein Glück zerronnen,
Und keine Hoffnung wiegt das Herz mehr ein.

Noch ein Mahl kommt zurück, ihr Traumgestalten,
Und laßt mich tiefer in mein Elend seh'n!
Nur eine Stunde will ich fest euch halten,
Und wenn ihr flieht, stumm zu den Schatten geh'n.

Ich seh' ihr Lächeln, das mich einst gefangen,
Den Blick, an dem ich oft verloren hing,
Die heil'ge Scham auf ihren holden Wangen,
Wenn zitternd sie mein kühner Arm umfing;

Die Lippen treffen sehnsuchtsvoll zusammen,
Und stürmisch wogt mein Herz an ihrer Brust,
Mein ganzes Wesen lodert auf in Flammen,
Und ich versink' in einem Meer von Lust.

O flieht noch nicht, ihr zauberischen Bilder,
Laßt mich noch einen Pulsschlag glücklich seyn!
Umsonst! sie wandeln sich in Nacht, und wilder
Zuckt nun die Fiebergluth durch mein Gebein.

Sie spottet jetzt vielleicht noch des Bethörten,
Dem sie die Erde und den Himmel nahm!
O spotte nicht! die hohen Götter hörten
Den Schwur, der einst aus deiner Seele kam.

Du hast mich um die Seligkeit betrogen,
Es streichelt mich des Todes kalte Hand,
Ich steh' umtoset von des Abgrunds Wogen,
Und schnell zerrinnt im Stundenglas der Sand.

O rinne nur! kalt seh' ich dich zerstieben,
Was soll die Welt mir, da ich mir nichts bin!
Man kann nur ein Mahl und nur Eine lieben,
Und ein Mahl hin, ist auch auf ewig hin.

Es braucht kein Gift, zu enden meine Schmerzen,
Da mich der Gram mit Amors Pfeil durchsticht!
Die Natter häg' und pfleg' ich an dem Herzen,
Bis von dem Todesbiß mein Auge bricht.

Du Erde, wirst mir ja ein Plätzchen gönnen,
Wo müde sich mein Haupt zur Ruhe legt?
Doch werd' ich auch im Grabe ruhen können?
Wird nicht mehr dort des Todten Staub bewegt?

Und wenn mir nun dieß Herz auch jenseits bliebe
Mit dieser Gluth, die wie die Hölle brennt!
Wenn mich auch dort noch eine fremde Liebe
Von ihr, von ihr - und ach, auf ewig trennt!

Dann, Weltengeist, der diese Brust entflammte,
O dann belebe nicht mehr mein Gebein!
Ich würde sonst der einzige Verdammte
Selbst unter Wonnen deines Himmels seyn.


Aus: Aloys Schreiber's Gedichte
Erster Theil Neueste Auflage
Wien 1817 Bey B. Ph. Bauer (S. 239-241)

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Die Jungfrau auf Burg Windeck

Es steh'n zwey alte Thürme
Hoch unter Schutt und Graus,
Der Berggeist und die Stürme,
Die zieh'n da ein und aus.

Durch den zerfall'nen Bogen
Stieg ich als Knab' hinan;
Die wilden Blumen zogen
Mich wunderbarlich an.

Da trat aus dem Gemäuer
Ein zartes Jungfräulein,
Sie sah im weißen Schleyer
Fast wie ein Engel drein.

Sie trug aus grünen Weiden
Ein Körblein in der Hand,
Sie pflückte Moos und Heiden,
Und was sie sonst noch fand.

Da rief es aus dem Boden -
Sie wurde lilienbleich,
Und sprach: Nur still, ihr Todten,
Ich komm', ich komme gleich.

Die weiße Heiderose,
Die steckte sie in's Haar,
Die Dolden und die Moose
Both sie mir freundlich dar.

Mich überlief ein Schauer,
Ich wurde heiß und kalt,
Schnell, an der Epheumauer,
Verschwand jetzt die Gestalt.

Das Bild ist mir geblieben,
Noch seh' ich sie vor mir!
Ach, könnt' ein Schatten lieben,
Ich ging' alsbald zu ihr!

Aus: Aloys Schreiber's Gedichte
Erster Theil Neueste Auflage
Wien 1817 Bey B. Ph. Bauer (S. 242-243)

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Liebestrauer

Dort ist ein Gärtchen, still und klein,
Der Frühling schaute gern hinein;
Ein Mägdlein ging da auf und ab,
Dem er die schönsten Blumen gab.

Das Mägdlein wandelt hier nicht mehr,
Der Garten ist an Blumen leer,
Der Frühling trägt sie auf ihr Grab,
Sie welkte vor dem Sommer ab.

Ein dunkles Zweiglein Rosmarin
Seh' ich im Garten einsam blüh'n,
Zum Hochzeitschmucke brech' ich's mir,
Und lege mich dann still zu ihr.


Aus: Aloys Schreiber's Gedichte
Zweyter Theil Neueste Auflage
Wien 1817 Bey B. Ph. Bauer (S. 16-17)

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Liebe

Es ist der Himmel mit Nacht umzogen,
Doch wandelt die Liebe ihre Bahn,
Es brüllen des Meers empörte Wogen,
Doch Liebe vertraut dem schwachen Kahn.

Es harrt das Mägdlein am Felsgestade,
Wo schwach die Leuchte des Thurmes glimmt,
Und lauschet, ob sie vom Wellenpfade
Die Schläge des Ruders nicht vernimmt.

Umsonst! sie hört nur des Meeres Toben;
Nun wird es in ihrer Seel' auch Nacht!
O Mägdlein, es wohnt ja noch dort oben
Ein Gott, der über die Liebe wacht.

Schon ist der Jüngling an's Land gesprungen,
Schon fliegt er in der Geliebten Arm;
Sie hält ihn mit süßer Lust umschlungen,
Und küßt ihm die kalten Lippen warm.

Es sey der Himmel mit Flor umhangen,
Es tobe noch zürnender der Belt!
Sie halten sich fester nur umfangen,
Und außer ihnen ist keine Welt.

Die Liebe bettet am nackten Strande
Den Liebenden wie auf weichem Flaum,
Es drücken sie nicht des Lebens Bande,
Für sie ist das Leben ein schöner Traum.

Mag ihnen das Schicksal alles rauben,
Sie lassen von der Liebe nicht ab,
Und blicken mit Lächeln, in dem Glauben
Sich wieder zu finden, in ihr Grab.

Wenn ihnen nur eine Wüste bliebe,
Sie hätten ein Paradies auch dort,
Und ihnen wäre ohne die Liebe
Der Himmel nur ein Verbannungsort.


Aus: Aloys Schreiber's Gedichte
Zweyter Theil Neueste Auflage
Wien 1817 Bey B. Ph. Bauer (S. 49-51)

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Empfindung eines Cartäusers
in dessen Zelle ein Frauenzimmer auf einige
Augenblicke gekommen war

Hier stand sie, die himmlische Gestalt,
Hier sog ich Gram und Lust aus ihrem Blicke!
Schon war mein Herz vom Hauch des Grabes kalt,
Ihr Lächeln rief ins Leben mich zurücke.

Sie kam, und raubte meine Ruh', und ging;
Ich starrt' ihr nach mit ausgestrecktem Arme:
Doch nur ein Traumbild war's, das ich umfing,
Ich blieb allein - allein mit meinem Harme.

Die Stille, die in diesen Mauern wohnt,
Besänftigt nicht den Sturm in meinem Herzen,
Und neben ihm, dort an dem Kreuze, thront
Der kleine Gott der Liebe und der Schmerzen.

Es herrscht umsonst ein ödes Schweigen hier,
Nur von dem Spruch des Todes unterbrochen;
Ach, Amor spielt mit Geißel und Brevier,
Und windet Rosen selbst um Todtenknochen.

Mich ruft der Brüder dumpfer Bußgesang;
Doch jenes Bild wird mir auch dort erscheinen,
Ich wandle durch den dunkeln Klostergang,
Wo nur die Steine, nie die Menschen weinen.

Dort schleichen sie, gleich bleichen Schatten, hin,
Die einsamen Bewohner dieser Mauern.
Die Büßer, die mit frommen Sclaven-Sinn
Ihr Leben still und ungenützt vertrauern!

Ach, jede Brust ist kalt, wie Grönlands Eis,
Kein Blick ist mehr auf Irdisches gerichtet!
Doch träte plötzlich Sie in ihren Kreis,
Wie würde schnell der finstre Wahn zernichtet!

Ihr Hochgeblückten, denen niemand wehrt
Um Sie zu seyn, Sie unverwandt zu sehen,
Und wenn ihr euch in Liebe auch verzehrt,
Wer möchte nicht an solcher Gluth vergehen?

Ha, könnt' ich so, in wonnevoller Pein
Verzaubert steh'n vom Lichte ihrer Augen!
Dürft' ich, der Blume gleich im Mittagsschein,
Mir süßen Tod aus ihren Blicken saugen!

Doch hier bin ich allein mit meinem Gram,
Genährt von tiefer, schauerlicher Stille!
Hier, wo der Mensch dem Menschen alles nahm,
Hier hört mich nur um Mitternacht die Grille.

Das eiserne Gesetz des Wahnes schloß
Das Mitleid aus aus diesen bangen Mauern;
Hier, wo noch nie der Liebe Thräne floß,
Hier darf auch nicht einmahl die Freundschaft trauern.

Aus: Aloys Schreiber's Gedichte
Zweyter Theil Neueste Auflage
Wien 1817 Bey B. Ph. Bauer (S. 51-53)

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Die Rache

Der Frühling lockt Chlorinden
In's Freye, wo die Bäume
Beschneyt von Blüthen stehen.
Sie kommt an eine Hecke,
Wo ein bescheid'nes Veilchen
Den süßen Duft verbreitet,
Und bückt sich, es zu suchen;
Doch fährt sie schnell betroffen
Zurück - ein kleiner Knabe,
Gelblockig und geflügelt,
Liegt sorglos in dem Grase,
Von holden Schlaf gefesselt.

Chlorinde stutzt nicht lange;
Der Schläfer ist am Bogen
Und an den Pfeilen kenntlich,
Die ihm zur Seite liegen,
Ha, treffen wir uns endlich,
Freund Amor? sagt das Mädchen;
Wir haben mit einander
Ein Hühnchen noch zu pflücken;
Du sollst mir in der Folge
Kein Seelchen mehr verwunden,
Nicht einmahl einen Sperling.
Mit diesen Worten nimmt sie
Den Bogen, und versucht es,
Die Sehne zu zerreißen.

Der kleine Gott erwacht jetzt,
Und blinzt dem Mädchen schelmisch
In seine blauen Augen.
Zerbrich den Bogen immer,
Mir ist er nichts mehr nütze,
Ein Blick aus deinen Augen
Trifft sicherer die Herzen,
Als zwanzig meiner Pfeile.

So spricht der Schalk; welch' Mädchen
Muß eine solche Rede
Nicht ganz und gar besänft'gen?

Nimm nur dein Spielzeug wieder,
Erwiedert ihm Chlorinde,
Sonst weinst du noch, und Thränen
Kann ich durchaus nicht sehen.


Aus: Aloys Schreiber's Gedichte
Zweyter Theil Neueste Auflage
Wien 1817 Bey B. Ph. Bauer (S. 55-57)

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Liebesklage

In Liebe bricht mein armes Herz,
Macht fertig meine Kammer!
Es bringt der Tod mir keinen Schmerz,
Er endet meinen Jammer.
Der Freundschaft Hand
Bereite mir ein Schlafgewand.

Streut keine Blum' auf meinen Sarg,
Vom Morgenthau getränket!
Der Kummer, den ich sorgsam barg,
Werd' still in's Grab versenket!
Kein Leichenstein
Soll Denkmahl stummer Liebe seyn.


Aus: Aloys Schreiber's Gedichte
Zweyter Theil Neueste Auflage
Wien 1817 Bey B. Ph. Bauer (S. 57-58)

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Lettisches Volkslied

O käm' er doch zu dieser Stunde,
Ihn Euch zu nennen ist nicht Noth!
Wie flög' mein Kuß zu seinem Munde,
Und wär' er vom Blut des Wolfes roth.

Wie wollt' ich seine Hände drücken,
Und hingen Schlangen auch um ihn!
Ach, könnt' ich doch die Winde schicken,
Wär' ihnen doch die Sprache verliehn!

Sie müßten meine Wünsche tragen,
Und brächten mir die seinen her.
Die Liebe hat sich viel zu sagen,
Das Herz der Getrennten ist so schwer!

Ich kenne nur noch ein Verlangen,
Seit er zu mir an Brunnen kam.
Im Sommer hab' ich ihn gefangen,
Und im Winter macht' ich mir ihn zahm.

Aus: Aloys Schreiber's Gedichte
Zweyter Theil Neueste Auflage
Wien 1817 Bey B. Ph. Bauer (S. 59-60)

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Der Geist der Liebe
1790

Wo weht der Geist der Liebe?
Er wacht in Hain und Flur;
Sieh, wie sich Knospen spalten,
Und Blätter sich entfalten,
Das thut sein Odem nur!

Wo weht der Geist der Liebe?
Den Lenz erweckt sein Hauch;
Er lehrt die Vögel bauen,
Streut Veilchen auf die Auen,
Und Rosen auf den Strauch.

Wo weht der Geist der Liebe?
Er weht im Morgenlicht,
Er säuselt in dem Thale,
Und wo die dunkle Schale
Der Schmetterling durchbricht.

Wo weht der Geist der Liebe?
Er schwellt des Mädchens Brust,
Und röthet ihre Wange,
Weckt Dichter zum Gesange,
Gibt Armen Lebenslust.

Wo weht der Geist der Liebe,
Der so viel Wunder thut?
Wo Würmchen sich vermehren,
Und Mückchen sich verzehren
Stumm in der Feuergluth.

Wo weht der Geist der Liebe?
Wo an der Mutter Brust
Der zarte Säugling trinket,
In Tod die Treue sinket,
Den Dolch in ihrer Brust.

Wo weht der Geist der Liebe?
In Wasser, Feu'r und Luft,
Wo sich ein Leben reget,
Wo sich ein Hauch beweget,
Und in der Todtengruft.


Aus: Aloys Schreiber's Gedichte
Zweyter Theil Neueste Auflage
Wien 1817 Bey B. Ph. Bauer (S. 61-63)

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Frauenlob

Was macht des Weibes hohen Werth?
Was ist's, warum der Mann sie ehrt,
Auf ewig sich an Eine bindet,
Und Erd' und Himmel an ihr findet?

Ist es der leichte, stolze Gang?
Der Stimme süßer Lautenklang?
Das frische Jugendroth der Wangen?
Der Augen schüchternes Verlangen?

Dieß macht des Mannes Herz nicht weit.
Was Jugend schenkt, das nimmt die Zeit,
Nur was die Huldgöttinnen geben,
Bleibt unvergänglich durch das Leben.

Die Anmuth zieht die Herzen an,
Und macht die Kraft sich unterthan.
Dem Zauberland, das sie geschlungen,
Hat selten sich der Mann entrungen.

Und mehr ist noch die heil'ge Scham,
Die in der Unschuld Schleyer kam,
Den ersten Liebesbund zu gründen,
Und Hymens Fackel anzuzünden.

Und jener hohe, zarte Sinn,
Den die Natur dem Weib verlieh'n,
Des Mannes heiße Brust zu kühlen,
Und Dornen ihm zu Flaum zu wühlen;

Und wenn er nun, im finstern Wahn,
Nicht glauben mehr und hoffen kann,
Ihn liebend wieder zu erheben,
Ihm Frieden mit sich selbst zu geben;

Und jener Muth, auf den sogar
Sich Tapfre stützen in Gefahr!
Sie lächelt mit der Todeswunde,
Kein Schmerz ist auf dem bleichen Munde.

Dieß ist der Frauen Lob und Werth,
Dieß ist's, warum der Mann sie ehrt,
Sich ewig fest an Eine bindet,
Und Erd' und Himmel in ihr findet.

Aus: Aloys Schreiber's Gedichte
Zweyter Theil Neueste Auflage
Wien 1817 Bey B. Ph. Bauer (S. 71-73)

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An das häusliche Glück
Meiner Gattinn

Nicht deiner Schwester, welche Ordensbänder
Und Gold und Ruhm aus voller Hand verschenkt,
Und oft das Loos der Völker und der Länder
Nach ihrer Laune dreht und lenkt:

Nein, dir, die stille Häuslichkeit und Frieden,
Genügsamkeit und fromme Einfalt liebt,
Und dem, der reines Herzens ist, hier nieden
Den Himmel schon in seiner Hütte gibt;

Dir sey mein Haus geweiht, das sich bescheiden,
Fern von der Stadt, in Nußgesträuch versteckt,
Wie könnt' ich Thoren ihre Feste neiden,
Da meinen kleinen Tisch die Liebe deckt?

Gerettet hab' ich aus dem Weltgewühle
Den besten Theil, den Sinn für euch, Natur
Und Wahrheit! unverschrobene Gefühle
Gefallen dir, o Himmelstochter, nur.

Wo wahnberauscht in einem Zauberkreise
Der Mensch nach bunten Luftgestalten rennt,
Und für das Leben keine höhern Preise
Als Gold und Bänder - oder Wollust kennt:

Da wendest du dein Antlitz ab, und kehrest
Beym Landmann in dem dunkeln Stübchen ein,
Hörst sein Gespräch mit Weib und Kind, und lehrest
Ihn dankbar froh bey Brot und Liebe seyn.

Auch meine Hütte gehst du nicht vorüber,
Sie ist durch dich an hohen Freuden reich!
Es wölkte sonst sich mancher Tag mir trüber,
Doch du machst einen jetzt dem andern gleich.

Wenn ich mich traulich an mein Weibchen schmiege,
Und Seel' in Seele auf den Lippen strebt,
Und dort ein kleiner Engel in der Wiege
Die hellen Äuglein aus dem Schlaf erhebt:

Dann tauscht' ich nicht des Glückes bunte Träume,
Dann ist der Erde schönste Blüthe mein,
Und meines Hauses stille, heit're Räume
Sie schließen einen ganzen Himmel ein.

Doch dieses Glück lohnt nur ein reines Leben,
Von eitlem Wahn und Dumpfheit gleich entfernt,
Nicht Kunst und Weisheit können es erstreben,
So wenig als sich Lieb' und Einfalt lernt.

Aus: Aloys Schreiber's Gedichte
Zweyter Theil Neueste Auflage
Wien 1817 Bey B. Ph. Bauer (S. 81-83)

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Biographie:

https://de.wikipedia.org/wiki/Aloys_Schreiber



 

 


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