Christian Friedrich Daniel Schubart (1739-1791) - Liebesgedichte

Christian Friedrich Daniel Schubart

 


Christian Friedrich Daniel Schubart
(1739-1791)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 




 

An dieselbe
(Brief vom 13. Januar 1784.)

Ach, am Feste deines Lebens
Streckt dein alter Freund
Seinen müden Arm vergebens
Nach dir aus - und weint
Zwanzig Jahre - ha, wie trübe!
Wie von manchem Höllengram entweiht
Floßen diese Jahre unsrer Liebe
Hin ins Meer der Ewigkeit!!
Von den zwanzig Jahren sind kaum zehen
Meine durch Genuß.
Mehr als zehen schwanden unter tausend Wehen
Leer - und ohne deinen Kuß.

aus: Christian Friedrich Daniel Schubart's Leben
in seinen Briefen
Gesammelt, bearbeitet und herausgegeben
von David Friedrich Strauß
Berlin 1849 (Band 2 S. 134-135)
_____

 

Am Geburtstage meiner Gattin

Als du geboren warst, als Gottes Licht
Zum ersten Mal dein keusches Aug' geküßt,
Da mischtest du an deiner Mutter Brust
Die süße Milch mit Thränen, die dir mehr,
Als andern Säuglingen entquollen;
Denn ach! dein Engel stand am Eingang
In deines Lebens dornbesäte Gänge
Und sprach prophetisch diese Worte:
Helena! in der Stunde deines Werdens
Sah ich im Heiligthum, von Wolkendunkel
Dichtumflossen einen goldnen Becher,
Gefüllt mit starkem Wein, durchbittert
Mit Wermuth. - »Ja, sie soll ihn trinken,
Sprach weggewandt der Menschenvater,
Und ist er ausgeschlürft bis auf die Hefe,
Die trüb' und schlammig an des Bechers
Goldnem Boden gährt: so hole sie!
(Dich, Eliel, wähl' ich zu ihrem Engel)
So hole sie in Wolken süßes Schlummers
Herauf zu mir. Hier, diese Krone,
Mit meines Himmels hellsten Steinen
Besät - und dort dies Schneegewand,
So weiß im Lammesblut gewaschen,
Sei dann ihr Lohn! Auch sproßt dort eine Palme
Für ihre Rechte, sie zu schwingen
Am gläsernen Meer.« Der Menschenvater schwieg.
Ich flog herab und kühle dir die Wange,
Noch glühend von den Schmerzen der Geburt.
O Dulderin, was hier der Engel sprach,
Ist bald erfüllt. Bald ist der letzte Tropfen
Hinabgeschlürft in deinem Leidenskelche.

Ach, mancher Tropfen fiel wie Feuer
Dir, Helena, aufs Herz. Doch keiner heißer,
Als da ein Todesengel mich mit eiserm Arm
Von deinem Busen riß, und mich
Ins Felsengrab verschloß - lebendigtodt!
Du eine Witwe - ich lebendigtodt!
Die vollen Halme meiner Mannesjahre
Zerknickt, im Hagelsturm zerknickt!
Da starrtest du - ein Denkmal des Entsetzens!
Und deine Kinder heulend um dich her.
So liegen abgerißne Zweige um den Baum,
Den Gottes Wetterstrahl geflügelt traf;
Aufdampft der Stamm und Zweig' und Wipfel dorren.
Ich aber lag in grauser Kerkernacht
Und meine Ketten klirrten fürchterlich.
Doch fürchterlicher war das Angstgebrüll
Nach Freiheit! und nach dir! und meinen Kindern!
Von Thränenblut und Angstschweiß faulte
Das Strohbett unter mir. Um meinen Felsen
Krächzten Raben, die Fäulnis witterten;
Auch zuckten Stürme; doch das Rasen meiner Klage
War lauter als der Stürme Wuthgetümmel.
Doch, Mitternacht, bedecke diese Scene
Mit deinem Rabenmantel!

Aber du,
O Dulderin, getrost! bald ist der letzte Tropfen
Hinabgeschlürft von deinem Leidenskelche.
Dann ist die Krone und das Schneegewand,
Dann ist die Palme dein!

Indessen
Streck' ich hier in meinem Kerkergrabe
Den müden Arm nach deiner Luftgestalt
Und danke dir an deinem Wiegenfeste,
Für jede Thräne, die dir meinetwegen floß!
Für jede Wohlthat, die von deinen Händen
Wie Goldthau von Aurorens Fingern trof!
Für jedes Angedenken an mich Armen,
Das deine Brust, so weiblichgut, durchschaurt.
Für jeden Seufzer, jedes Glutgebet,
Das du für mich gen Himmel schicktest,
Wenn du dem Berge meines Jammers
Gegenüber knietest und Gott um Lösung batst!
Für jeden Dornengang, den du für mich,
Für meine Rettung hast umsonst gewagt!
Für jedes Schmachten deines treuen Herzens
Nach mir! nach mir! der immer noch
Am Felsen angeschmiedet ächzt,
Von Geiern tiefes Grams zerfleischt,
Und vom Gewimmel stachlicher Sorgen
Gleich Hornissen und Bremsen laut umsummt!
Für jedes Mitleid, das in blut'gen Tropfen
An deinen Wimpern hing, dank' ich, Geliebte, dir!

Auch dank' ich dir, daß du auf deiner Wage
Das Gute nur, das mir vom Ebenbild
Der Gottheit übrig blieb, voll Nachsicht wägst,
Und am Gewichte meiner Fehler
Nie mit dem sanften Auge weilst!
Ach Dulderin! ach Christin! Weib
Nach meinem Herzen! Du Sanfte, deren Blut
Wie Taubenblut in blauen Adern fließt!
Du Bild der Demuth, das in stolzen Reihen
Der aufgeschwollnen Trotzer niederblickt!
Nur ihre Schwäche fühlt und nicht den Werth
Der hohen Tugend, die den Engeln
Dich ähnlich macht! wie dank' ich dir!
Ach, schwarz und blutig stürzt die Thräne
Mir ohne Unterlaß von bleicher Wange,
Denn ich, ich hab' in öder Mitternacht
Das Donnerwort gehört: Nicht würdig
Warst du solch eines Weibes! ach darum
Stürzt schwarz und blutig mir die Thräne
Ohn' Unterlaß von bleicher Wange.
O Gott, zu dem ich strecke meine Hand,
Lohn' ihr, der besten Gattin! und der Mutter
Voll Muttertreu'! der Dulderin! der Christin!
All' ihre Lieb'! all' ihre Muttertreu'!
All' ihre Sanftmuth, Demuth und Geduld,
Die lange schon den zarten Hals der Wucht
So langer, schwerer Leiden unterbeugt.
Lohn's ihr, du Allbelohner, wie du ihr's
Am Tage ihres Seins verheißen hast,
Mit Kron' und Schneegewand und Palme!
Und füll' ihr dann den goldnen Becher
Mit Freuden an, daß sie von deinem Auge
Angelächelt, schlürf' aus ihm Entzücken.
Dann trocknest du die Thränen von dem Auge
Der Langgeprüften! - Dann, o Vater! darf ich's wagen,
Ihr dann vor deinem Angesicht zu fallen
Um ihren Hals, und lange dran zu weinen,
Des Wiedersehens Paradiesesthräne,
Und spät erst herzustammeln diesen Segen:
Helena, ewig mein - nun bist du ewig mein!

aus: Sämmtliche Gedichte von
Chr. Fr. Dan. Schubart Neue verbesserte Auflage
Frankfurt am Main 1829 (Band 2 S. 209-213)
_____


 

An Amalia

Amalia reizend wie Cypria war,
Als sie eine Welle des Meeres gebar.
Sie schlüpfte aus silbernem Schaume empor,
Begrüßt von der Götter olympischem Chor.

Nun stand am Gestade das himmlische Kind,
Es spielte in goldenen Locken der Wind;
Und ihren weißschimmernden Hüften entschwebt
Der Gürtel, aus zauberischem Liebreiz gewebt.

Amalia, schau in der Göttin dein Bild!
So himmlisch geschaffen, so lächelnd, so mild;
So still in der Größe, so hoch in der Ruh',
So reizend im Schleier der Schönheit bist du.

Du bist zwar an Liebreiz der Cypria gleich,
Doch nicht so empfindsam, für Liebe so weich;
So schmelzend, wenn Liebe Fühlenden spricht:
Amalia - leider! so bist du noch nicht!

Oft hab' ich's empfunden, oft hab' ich's gefühlt,
Daß Qualen der Liebe das Herz mir zerwühlt.
Ich schaurte, und wies dir mein blutendes Herz;
Doch bliebst du, Amalia, härter als Erz.

Wenn Liebe von zitternden Lippen mir scholl,
Wenn blutend die flehende Zähre mir quoll;
So flohst du der Liebe geheiligtes Band,
Und botst mir als kältere Freundin die Hand.

Als Freundin? Amalia, Freundschaft ist gut
Bei wachsenden Jahren, und kälterem Blut:
Doch strahlend wie du in der Blüthengestalt -
Ihr Himmel, wie ist da die Freundschaft so kalt!

Nur Liebe, nur Liebe erweckst du in mir,
Die heilige Flamme, wie lodert sie dir!
O laß dich erweichen, Amalia, sprich:
»Mein Busen empfindet auch Liebe für dich!«

aus: Sämmtliche Gedichte von
Chr. Fr. Dan. Schubart Neue verbesserte Auflage
Frankfurt am Main 1829 (Band 3 S. 29-31)
_____



Aus einem Brief Schubarts an seine Gattin
Vom Hohenasperg, 3. Juni 1783.

Dich behüte der Engel,
Den dir Gott zum Führer gab,
Und spät erst säuseln dich Winde des Himmels
Hinunter ins Grab.
An Edens wolkenerbauter Pforte
Erwart' ich dich!
Und kommst du, dann ertönen die Worte:
Umarme mich!

Und wenn an deinem Hals ich hange,
So lächeln Engel uns zu,
Und führen mit wonnestrahlender Wange
Uns ein in die ewige Ruh'.
Dir singen die Vögel in Eden,
Wenn du der Wolke des Todes entsteigst,
Vor Wonne können wir beide nicht reden;
Du faltest die Hände und schweigst.

aus: Christian Friedrich Daniel Schubart's Leben
in seinen Briefen
Gesammelt, bearbeitet und herausgegeben
von David Friedrich Strauß
Berlin 1849 (Band 2 S. 77)
_____


 

Mädchenlaune

Die Mädels sind veränderlich,
Heut so und morgen so;
Kaum zeigt ein Rosenwölklein sich,
So sind sie hell und froh!
Doch morgen?
Ei, wie geschwind
Dreht sich der Wind!

Sobald ein rauhes Lüftlein weht,
Grämt sich das Mädel tief;
Ein Zährlein ihr im Aeuglein steht,
Das Mündlein krümmt sie schief.
Doch morgen?
Tralla la la!
Hopsa sa sa!

Das Mädel sieht dich liebreich an,
Du traust dem schlauen Blick,
Und schwindelst auf zur Sonnenbahn,
Und träumst von deinem Glück.
Doch morgen?
Kennt sie dich kaum;
Nichtiger Traum!
Ihr Mädels, dreht mir noch so süß
Die Aeuglein hin und her,
Und kämt ihr aus dem Paradies;
So traut' ich keiner mehr.
Ihr Falschen!
Heut seid ihr heiß!
Morgen, wie Eis!

aus: Sämmtliche Gedichte von
Chr. Fr. Dan. Schubart Neue verbesserte Auflage
Frankfurt am Main 1829 (Band 3 S. 71-72)
_____


 

An meine Gattin
In einer Krankheit 1778.

Geliebte! Lebe wohl, ich scheide;
Dein armer Gatte flieht von dir.
Du warst mein Glück, warst meine Freude;
Ja, Lebenswonne warst du mir.

Leb' wohl, ich will dich nimmer sehen,
Nicht küssen mehr auf dieser Welt;
Nicht hören deiner Stimme Flehen,
Nicht sehn, wie deine Thräne fällt.

Du würdest nur dein Leiden mehren,
Sähst du mein bleiches Angesicht,
Zerfressen von viel tausend Zähren
Mein Aug', aus dem das Elend spricht.

Sähst meinen Leib verwelkt, zerfallen,
Und meine Brust von Seufzern schwach;
Sähst banges Blut in Adern wallen,
Und hörtest mein gebrochnes Ach!

Mein Jammer soll dein Herz nicht quälen,
Nur Gott und mir sei er bekannt;
Im Himmel will ich dir erzählen
Das Elend, das ich überstand.

Dort soll es dir dein Engel sagen,
Wie oft dein armer, kranker Freund,
Bestürmt von tausend heißen Plagen,
Für deine Ruh' zu Gott geweint,

Wie er bis in den Tod dich liebte!
Wie angstvoll es sein Herz bereut,
Daß er aus Leichtsinn dich betrübte,
Aus Leichtsinn, nicht aus Grausamkeit.

O Freundin! Gott hat mir verziehen;
Verzeih mir auch, du bist ja gut!
Sieh Thränen meiner Reue glühen,
Sieh was verschmähte Tugend thut!

Ach! sterben muß ich, und du drückest
Mir nicht die starren Augen zu;
Kniest nicht an meinem Bett, und blickest
Zu Gott, und flehst um meine Ruh'?

So leb' denn wohl! Des Himmels Segen
Beglücke dich nach meinem Tod;
Er, der in deinem Arm gelegen,
Dein Mann, erfleht ihn dir von Gott.

O gönne mir die Ruh' im Grabe!
Du weißt wohl, Freundin! wie ich sie
Gesucht und nicht gefunden habe;
Wie oft ich Armer nach ihr schrie.

Besuche meinen Todtenhügel,
Und pflanz' ein kleines Blümlein drauf,
Und sieh, von deines Engels Flügel
Gekühlt, zum Sternenfeld hinauf:

Wo dann mein Geist herunter schauet,
Und es mit stiller Freude sieht,
Wie deiner Wehmuth Zähre thauet,
Wie noch die Liebe in dir glüht.

Nun, tausend Dank für deine Treue,
O drückt' ich dich an meine Brust!
Dort, Freundin! seh' ich dich aufs neue
In ewig ungestörter Lust.

Leb' glücklich, wie die Christen leben,
Einfältig, fromm und keusch und gut;
Der Vater wird dir alles geben,
Der frommen Witwen Gutes thut.

Küß unsre Kinder meinetwegen;
Sag' ihnen: Euer Vater starb,
Und hinterließ euch Gottes Segen,
Mit dem kein Waise noch verdarb.

O Weib! mir bricht das Herz; mein Ende
Kömmt schon, ich fühl' die letzte Noth;
Dich segnen meine starren Hände,
Ich liebe dich bis in den Tod.

Wie seufzt mein Geist nach jenem Tage,
Wo du dich aus dem Grabe schwingst,
Und frei von jeder Lebensplage,
Die Rosenarme um mich schlingst.

Indessen stille deine Schmerzen,
Und weine nicht zu viel um mich;
Dort schlagen wieder unsre Herzen,
Und ewig, ewig lieb' ich dich!

aus: Sämmtliche Gedichte von
Chr. Fr. Dan. Schubart Neue verbesserte Auflage
Frankfurt am Main 1829 (Band 2 S. 162-165)
_____



Die Zärtlichkeit
An Luise

Goldne Zierde sanfter Seelen,
Himmelsgrazie, mit dir
Will ich ewig mich vermählen;
O, wie lieblich strahlst du mir
Aus Luisens sanftem Blick
Deine Herrlichkeit zurück.

Einfalt mit dem Silberschleier,
Unschuld mit dem Rosenflor
Wandern dir in stiller Feier
Als zwei liebe Schwestern vor.
Engel Gottes freuen sich
Ueber dir, und küssen dich.

Als die Schönheit und die Güte
Einst im Garten Gottes stand,
Und der erste Vater glühte,
Da sich Eva ihm entwand;
Blicktest du das erstemal
Aus des Weibes Augenstrahl.

Göttin - doch, so schön und milde
Hat dich nie ein Aug' erkannt,
Als ich in Luisens Bilde
Dich zum erstenmal empfand.
Still und groß und himmlisch mild
Warst du in Luisens Bild.

Ihrer Augen Zährenhelle,
Ihrer Wangen Purpurschein,
Ach, in Edens lichtem Quelle
Wuschen sie die Engel rein.
Ihrer Stimme süßer Ton,
Wie ein Himmelspantalon;

Blitzt' und drang in meine Seele,
Herz und Busen wurden weit,
Und aus meiner Augenhöhle
Schimmerte die Zärtlichkeit.
Liebeschauernd schlug mein Herz,
Bald vor Wonne, bald vor Schmerz.

Sterben möcht' ich nun vor Liebe,
Seh' ich diese Zauberin;
Aber wird ihr Auge trübe,
O, wie trübt sich dann mein Sinn!
Jeden Zug der Sympathie
Fühlt mein armes Herz durch sie.
Bruderliebe zu den Brüdern,
Mitgefühl bei jeder Noth;
Jedes Lächeln zu erwiedern;
Jede Angst bei fremdem Tod;
Demuth, Kinderfreundlichkeit
Lehrte mich die Zärtlichkeit.

Aber nur aus deinen Blicken,
O Luise! lernt' ich sie;
Ewig soll mich nun entzücken
Diese Seelensympathie;
Diese süße Zärtlichkeit,
Die uns Cherubsschwingen leiht.

Wenn ich rede, wenn ich schweige;
Wenn, in deinen Reiz verschwemmt,
Manche Thrän', der Liebe Zeuge,
Mir die süße Rede hemmt;
O so denke: tief, wie dich,
Rührt die Zärtlichkeit auch mich!

aus: Sämmtliche Gedichte von
Chr. Fr. Dan. Schubart Neue verbesserte Auflage
Frankfurt am Main 1829 (Band 2 S. 144-146)
_____



Ehelicher Gutermorgen

Guten Morgen!
Groß' und kleine Sorgen,
Weibchen, theilen wir,
Du, die mir im Leben
Gott zum Trost gegeben:
O wie theuer bist du mir!

Guten Morgen!
Hehr und unverborgen
Glänzt das Morgenlicht.
Und das Gold der Sonne,
Weibchen, welche Wonne!
Spielt auf deinem Angesicht.

O, der Freude!
Hier an meiner Seite
Sitzt das holde Kind.
Ihre Finger schweben
Ueber Goldgeweben,
Wie im Blüthenbusch der Wind.

Freudenzähren
Fließen dir zu Ehren,
Der mein Weibchen schuf.
Leicht ist mir der Tage
Zugemeßne Plage
Und ein Spiel ist mein Beruf.

Guten Morgen!
Alle unsre Sorgen,
Weibchen, theilen wir.
Gerne will ich leben,
Gern in Eden schweben;
Aber, Engel, nur mit dir.

aus: Sämmtliche Gedichte von
Chr. Fr. Dan. Schubart Neue verbesserte Auflage
Frankfurt am Main 1829 (Band 2 S. 139-140)
_____


 

Eheliche Gutenacht

Gute Nacht!
Unser Taglauf ist vollbracht,
Goldne Sternlein äugeln wieder
Von des Himmels Zinne nieder;
Und des Mondes Scheibe lacht,
Gute Nacht!

Zum Klavier,
Herzensweibchen, eilen wir!
Um ins Goldgeweb' zu spielen,
Was wir für einander fühlen;
Ich mit dir und du mit mir,
Am Klavier.

Gottes Ruh'
Säuselt uns vom Himmel zu;
Bringt uns der Empfindung Fülle,
Zärtlichkeit und Herzensstille,
Ach ich fühle sie wie du,
Gottes Ruh'.

O gewiß,
Welt, du bist ein Paradies;
Wenn wir schon im Erdenleben
Liebe nehmen, Liebe geben;
Welt, so bist du uns gewiß
Paradies.

Schimmernd fällt
Unsre Thrän' dem Herrn der Welt.
Ach! dem Stifter unsrer Ehe
Flammt der Dank zur fernsten Höhe!
Sieh, die Zähre, Herr der Welt,
Wie sie fällt!

Gute Nacht!
Sieh den Mond in stiller Pracht
Uns mit goldnen Strahlen winken,
Um in deinen Arm zu sinken,
Weib, zur Wonne mir gemacht.
Gute Nacht!

aus: Sämmtliche Gedichte von
Chr. Fr. Dan. Schubart Neue verbesserte Auflage
Frankfurt am Main 1829 (Band 2 S. 140-142)
_____


 

Liebe im Kerker

H - ist der Ort, wo ich gefangen bin.
In Banden wein' ich hier mein Trauerleben hin,
Und immer dennoch bleibt dies unglückvolle Leben
Der Liebe Tyrannei zum Opfer hingegeben.
Gezwungen tugendhaft, weil du nicht bei mir bist,
Fluch' ich der Unschuld oft, die mir beschwerlich ist.
Noch bis zur Wuth verliebt soll ich die Liebe zwingen!
Wie schwer, wie grausam ist's, bei meiner Pein zu ringen
Ach, eh' einmal die Ruh' dies arme Herz erquickt,
Eh' die Vernunft einmal die Glut in mir erstickt:
Wie oft, wie oft werd' ich noch lieben, noch bereuen,
Verlangen, hassen, flehn, verzweifeln, suchen, scheuen!
Mich mir entreißen - ja! - denn dies gebeut die Pflicht.
Und alles will ich thun, nur dich vergessen nicht.

aus: Sämmtliche Gedichte von
Chr. Fr. Dan. Schubart Neue verbesserte Auflage
Frankfurt am Main 1829 (Band 3 S. 135)
_____


 

Der glückliche Ehemann

Ich bin so glücklich, bin so froh;
Ein Weiblein darf ich lieben,
Ganz, wie einst König Salomo
Sein liebstes Weib beschrieben.

Wie rüstig ist sie spät und früh!
In goldner Morgenstunde
Weckt sie mich mit der Melodie:
Aus meines Herzens Grunde.

Ich hab' den Engel dann und wann
Im Stillen knieen sehen.
Da hört' ich sie für ihren Mann
Und ihre Kinder flehen.

Im Bibelbuche liest sie gern,
Bei jeder schönen Stelle
Wird meines Weibchens Augenstern
Von frommen Zähren helle.

Dann rennt so frisch das gute Kind
Im Hause hin und wieder,
Befiehlt; und hält doch das Gesind'
Für Schwestern und für Brüder.

Dem Vieh gebricht sein Futter nie,
Wie flattert ihr entgegen
Im Hof das bunte Federvieh
Und pickt den goldnen Regen.

Als Mutter erst - da solltet ihr
Dies Herzensweiblein kennen.
Schwör' euch, ihr würdet sie mit mir
Der Mütter Muster nennen.

Wie lehrt die treue Mutter nicht
Den Töchtern und den Söhnen,
Zur Fertigkeit in jeder Pflicht
Sich zeitig zu gewöhnen!

Dann setzt sie, wie das Bild der Ruh',
Sich still an meine Seite.
Ich hör' dem Tanz der Spindel zu
Mit inniglicher Freude.

Wie wird die Arbeit mir so leicht!
Es streichelt mich die Liebe,
Sieht sie oft meine Stirne feucht
Und meine Augen trübe.

Ihr Frühlingslächeln im Gesicht
Lehrt mich des Lebens Plagen,
Lehrt Zentner, wie ein Lothgewicht,
Mich Glücklichen ertragen.

Sie sorgt für mein gesundes Mahl;
Und reicht mir, will ich trinken,
Mit Lächeln selber den Pokal,
Drin goldne Tropfen blinken.

Des Himmels Pracht, der Auen Zier,
Das spiegelnde Gewässer,
Du holdes Weib, gefallen mir
An deiner Seite besser.

Drum steigt mein Dank zum Himmel hin,
Daß Thränen mir entbeben,
Weil Gott zur Lebensführerin
Mir solch ein Weib gegeben.

Mit ihr laß mich durchs Erdenthal,
Du Gott der Liebe, wallen;
Mit ihr in deines Thrones Strahl
Einst dankend niederfallen.

Du ließest uns der Häuslichkeit
So süßes Glück genießen;
O sei dafür in Ewigkeit,
Allmächtiger, gepriesen!

aus: Sämmtliche Gedichte von
Chr. Fr. Dan. Schubart Neue verbesserte Auflage
Frankfurt am Main 1829 (Band 2 S. 241-243)
_____


 

Das Schwabenmädchen

Ich Mädchen bin aus Schwaben,
Und braun ist mein Gesicht;
Der Sachsenmädchen Gaben
Besitz' ich freilich nicht.

Die können Bücher lesen,
Den Wieland und den Gleim:
Und ihr Gezier und Wesen
Ist süß wie Honigseim.

Der Spott, mit dem sie stechen,
Ist scharf wie Nadelspitz;
Der Witz, mit dem sie sprechen,
Ist nur Romanenwitz.

Mir fehlt zwar diese Gabe,
Fein bin ich nicht und schlau;
Doch kriegt ein braver Schwabe
An mir 'ne brave Frau.

Das Tändeln, Schreiben, Lesen
Macht Mädchen widerlich;
Der Mann, für mich erlesen,
Der liest einmal für mich.

Ha, Jüngling, bist aus Schwaben?
Liebst du dein Vaterland?
So komm, du sollst mich haben.
Schau, hier ist meine Hand!

aus: Sämmtliche Gedichte von
Chr. Fr. Dan. Schubart Neue verbesserte Auflage
Frankfurt am Main 1829 (Band 3 S. 70-71)
_____


 

Der Frühlingsabend

Kühlender Abend! steige vom Hügel,
Lieblich verguldet vom sonnigen Strahl;
Thaue von deinem purpurnen Flügel
Tropfen aufs durstige Blümlein im Thal.
Gluckt, Nachtigallen, zärtliche Lieder,
Reget, ihr Weste, euer Gefieder;
Schüttelt vom Baum
Seidenen Flaum!
Walle, o Duft! vom Blüthenzweig nieder.

Hier auf der Erde blumigem Schoße
Ruh' ich! es ruhet mein Mädchen bei mir.
Meine Geliebte, kennst du die große,
Kennst du die fühlende Freundin von dir?
Lieblicher Abend, lächle der Trauten!
Lächle der Schlanken, Himmlischgebauten!
Schöner war nicht
Florens Gesicht,
Als sie des Morgens Tropfen bethauten.

Hesperus äugelt hoch in der Ferne;
Ziehst du schon, Mond, am Sternenfeld auf?
Sieh doch, Geliebte, sieh doch die Sterne!
Sieh doch zur freundlichen Luna hinauf!
Doch seh' ich nicht im Auge der Milden
Thränen der Liebe schimmernd sich bilden?
Sind sie es nicht,
Die dein Gesicht,
Wie eines Engels Antlitz, vergülden?

Lieblicher Abend, Erweicher der Herzen!
Dank dir, des Frühlings liebkosender Sohn,
Daß du geendigt zärtliche Schmerzen;
Sieh doch, die Holde umarmet mich schon!
Schmelzende Wonne flimmt in den Blicken,
Ach ich empfinde Himmelsentzücken.
Liebe, nur du
Wiegst uns in Ruh';
Kannst, wie ein Gott, allein uns beglücken.

aus: Sämmtliche Gedichte von
Chr. Fr. Dan. Schubart Neue verbesserte Auflage
Frankfurt am Main 1829 (Band 2 S. 136-137)
_____


 

Winterlied eines schwäbischen Bauerjungen

Mädel, 's ist Winter, der wollige Schnee,
Weiß wie dein Busen, deckt Thäler und Höh'.
Horch, wie der Nordwind um's Häuslein her pfeift!
Hecken und Bäume sind lieblich bereift.

Mädel, 's ist Winter, die Bäche sind Eis;
Dächer der ländlichen Hütten sind weiß.
Grau und ehrwürdig, im silbernen Flor,
Streckt sich der stattliche Kirchthurm empor.

Mädel, 's ist Winter. Mach's Stüblein fein warm;
Setz dich zum Ofen, und nimm mich in Arm!
Lieblich und kosend, wie rosigen Mai,
Führt uns die Liebe den Winter vorbei.

Drehst du mit Fingern, so reinlich wie Wachs,
Seidene Fäden vom silbernen Flachs,
Schüttl' ich die Acheln dir schäkernd vom Schurz,
Mache die Nächte mit Mährlein dir kurz.

Mädel, 's ist Winter. O wärst du schon mein!
Schlüpft' ich ins blähende Bettlein hinein;
Nähm' dich, mein herziges Liebchen! in Arm,
Trotzte dem Winter; denn Liebe macht warm.

aus: Sämmtliche Gedichte von
Chr. Fr. Dan. Schubart Neue verbesserte Auflage
Frankfurt am Main 1829 (Band 3 S. 40-41)
_____


 

Lisels Brautlied

Mädels, sagt es laut:
Lisel ist 'ne Braut.
Michel thut mich heuren,
Haus und Hof und Scheuren
Sind für mich gebaut;
Ich bin eine Braut.

Michel, der ist mein!
O wie wird mir sein,
Wenn am Dienstag frühe
In die Kirch' ich ziehe?
Und wenn Alles schaut
Auf die Jungfer Braut.

Wenn die G'meinde singt,
Und die Orgel klingt;
Wenn mein Ja ich sage
Zu des Pfarrers Frage,
Und mir schaurt die Haut:
Ich bin eine Braut.

Mit dem Hochzeitkranz
Eil' ich dann zum Tanz.
Hackbrett, Geigen, Pfeifen
Muntern auf zum Schleifen,
Bis der Morgen graut -
Hoh! ich bin 'ne Braut.

Roth wird mein Gesicht,
Wenn er mit mir spricht.
Wenn er mir am Mieder
Krappelt hin und wieder,
Schlägt mein Herz so laut:
Ich bin halt 'ne Braut.

Wenn's doch Dienstag wär'!
'S Herzle wird so schwer.
Schwestern! ist's ein Wunder,
Wenn die Backen 'runter
Mir ein Zährlein thaut? -
Bin ich doch 'ne Braut!

aus: Sämmtliche Gedichte von
Chr. Fr. Dan. Schubart Neue verbesserte Auflage
Frankfurt am Main 1829 (Band 3 S. 44-45)
_____


 

Lisel an Michel

Mein trauter Michel ist so gut,
So gut wie er gibt's keinen;
Wenn ihn mein Auge sehen thut,
So möcht's vor Freuden weinen.

Kein Apfel ist so roth und rund
Wie sein Gesicht und Wangen;
Wie Rosenblätter ist sein Mund,
Dran Honigtropfen hangen.

Die Aeugelein sind rund und scharf
Als wie Rebhühneraugen;
Sie könnten, wenn man's sagen darf,
Des Nachts für Sternlein taugen.

Wer ist so flink, und rasch wie er,
Im Tanzen, Werfen, Springen;
Wer kann im Dorfe trefflicher
Zum Dudelsacke singen?

Wer ist so launig, so voll Scherz
Beim Flegel und der Sichel;
Und wer hat ein so gutes Herz,
Als wie mein lieber Michel?

Denkt nur, er ist erst achtzehn Jahr;
Man sieht's an seinem Kinne,
Am schlanken Wuchs, am weichen Haar,
Und an der hellen Miene.

Weiß wohl, es gibt der Mädels mehr,
Die meinen Michel lieben;
Drum fällt's mir armen Mädel schwer,
Die Hochzeit zu verschieben.

Noch heute werd' ich seine Frau,
So wahr ich Lisel heiße!
Daß nicht ein andres Mädchen schlau
Den Michel mir entreiße.


Michel an Lisel
Wer ist wohl auf der ganzen Welt
Vergnügter als ein Bauer?
Sein Haus, und Hof, und Ackerfeld
Macht's Leben ihm nicht sauer,
Hat er ein Weibchen noch dazu:
O Bauer, wie vergnügt bist du!

Ich hab' ein Mädel - Dudeldum!
O Gott, so zuckersüße.
Im Dorf, und Stadt, und weit herum,
Gibt's nichts wie meine Lise.
So jung und schön, so roth und braun,
Und immer von so guter Laun'.

Mein' Lisel ist mir herzlich gut,
Und ich ihr gleicherweise.
Sie schenkt mir Bänder auf den Hut,
Und ich - ich schenk' ihr Sträuße.
Nun Dudelsack, so tummle dich!
Kein Mensch ist so vergnügt wie ich.

aus: Sämmtliche Gedichte von
Chr. Fr. Dan. Schubart Neue verbesserte Auflage
Frankfurt am Main 1829 (Band 3 S. 76-78)
_____



An Guibal

O Guibal! der mit Wasser oder Oel,
So groß, wie Mengs und Raphael,
Bald Menschen, bald den Himmel malt,
Der dort auf Carln herunterstrahlt;
Du wandelst auf der Spur
Der richtig zeichnenden Natur;
Drum komm und male mir
Dies Engelantlitz hier!
Die Stirne, wo die Tugend sitzt
Und Haß auf jedes Laster blitzt;
Den Himmel ihrer Augen - nein!
Willst du die Augen malen,
So tauch in Sonnenstrahlen
Zuvor den Pinsel ein.
Dann nimm Aurorens Kolorit
Und male mir wie Tizian damit
Der Lippen Purpur, ihre Wangen,
Wo tausend Amoretten hangen.
Vergiß mir nicht die wallenden Locken,
Die zart, wie seidne Flocken,
Um Psyche's Schultern hangen.
Wähl' Hogarths feinste Schlangen-
Und Wellenlinien,
Den schlanken Wuchs, der Glieder Harmonien
Mit sichrem Pinsel nachzuziehn.
Nimm Schnee mit Blut getuscht und male mir die Brust,
Den Thron der Liebe und der Lust.
Mal' ihre Arme rund und ohne Mängel,
Die Hände weiß und wollenweich,
Die Finger zart wie Lilienstengel,
Kurz, male sie dem Ideale gleich,
Woran Apell, der Griechen Guibal, starb
Und sich im Götterreich Unsterblichkeit erwarb.
Doch, armer Maler, ihren Geist,
Ihr göttlich Herz zu malen,
Das von Empfindung überfleußt;
Dies Herz mit allen Idealen
Und großen Zügen, dies zu malen,
Entsinkt der Pinsel dir,
Und ach, die Feder mir!

aus: Sämmtliche Gedichte von
Chr. Fr. Dan. Schubart Neue verbesserte Auflage
Frankfurt am Main 1829 (Band 2 S. 226-228)
_____


 

Lina an die Unschuld

O Unschuld, du Engel vom Himmel gesandt,
Mit goldenem Gürtel und weißem Gewand:
Gespielin der Frommen, der Seligen Lust,
Komm, Göttin, in meine jungfräuliche Brust.

Wenn Wollust, die Schlange, so lieblich gefleckt
Sich unter die Blumen des Frühlings versteckt,
Und eh' sie sich rüstet zum tödtlichen Stich,
O himmlische Göttin, so warne du mich!

Und führe mir einstens den Jüngling, wie du
So freundlich, so edel, zum Bräutigam zu.
Und endlich so bring mich an rosiger Hand
Hinüber, o Göttin, ins wonnige Land.

aus: Sämmtliche Gedichte von
Chr. Fr. Dan. Schubart Neue verbesserte Auflage
Frankfurt am Main 1829 (Band 2 S. 237-238)
_____


 

Schwäbisches Bauernlied

So herzig, wie mein' Lisel,
Gibt's halt nichts auf der Welt!
Vom Köpflein bis zum Füßel
Ist sie gar wohl bestellt:
Die Wänglein weiß und roth;
Ihr Mund, wie Zuckerbrod.
So herzig, wie mein' Lisel,
Gibt's halt nichts auf der Welt.

Viel weicher als die Seide
Ist ihr kohlschwarzes Haar,
Und ihre Aeuglein beide
Sind wie die Sternlein klar;
Sie blinzeln hin und her,
Sind schwarz, wie Vogelbeer.
So herzig, wie mein' Lisel,
Gibt's halt nichts auf der Welt.

Im Dörflein ist kein Mädchen
So fleißig, wie mein' Braut.
Im Winter dreht sie 's Rädchen,
Im Frühling pflanzt sie Kraut.
Im Sommer macht sie Heu,
Trägt Obst im Herbst herbei.
So herzig, wie mein' Lisel,
Gibt's halt nichts auf der Welt.

Auch schreibt sie, 's ist ein Wunder;
Jüngst schickt sie mir 'nen Brief,
Daß mir die Backen 'runter
Das helle Wasser lief.
Liest sie in der Postill,
So bin ich mäuschenstill.
So herzig, wie mein' Lisel,
Gibt's halt nichts auf der Welt.

Ihr sollt sie tanzen sehen,
Das traute Liselein!
Sie hüpft und kann sich drehen,
Als wie ein Wieselein;
Doch schleift und tanzt sie dir
Am liebsten nur mit mir.
So herzig, wie mein' Lisel,
Gibt's halt nichts auf der Welt.

O, traute Lisel! länger
Renn' ich nicht hin und her,
Es wird mir immer bänger;
Wenn doch die Hochzeit wär'!
Im ganzen Schwabenland
Kriegst keine treu're Hand.
O du, mein' traute Lisel,
Wenn doch die Hochzeit wär'!

aus: Sämmtliche Gedichte von
Chr. Fr. Dan. Schubart Neue verbesserte Auflage
Frankfurt am Main 1829 (Band 3 S. 42-44)
_____


 

Der Rückfall

Weg, o Liebe, mit dem Zauberbecher!
Circe, weg, ich trinke nicht!
Weg von mir, du Flatterer, du Frecher,
Amor, mit dem Puppenangesicht!
Geht zum Jüngling, der dort um der Traube
Mostbeträufte Berge irrt
Und nach einer Lais, wie die Taube
Nach dem Tauber, girrt.
Grazien und Amoretten,
Locket mich nicht mehr!
Flechtet eure Blumenketten
Um den Süßling her,
Der mit Spielwerk aus Paris beladen,
Dorten pfeift und spielt,
Und nach seinen Waden
Beifallächelnd schielt.
Denn hier sitz' ich, wo, genährt von Oele,
Dieses blaue Flämmchen zückt;
Wo mit Ernst und Staunen meine Seele
Auf sich selber niederblickt.
Aller Weisen fromme Lehren schweben,
Eingehüllt in Bildern, um mich her;
Tausend Stimmen hör' ich um mich beben:
Guter Mann, so liebe doch nicht mehr!
Fahr empor! gen Himmel fahre!
Er allein ist deiner Liebe werth;
Warte nicht, bis Wollust deiner Jahre
Feuer aufgezehrt.

Ich will es thun! so sprach ich und die Saiten
Des hohen Flügels hallten's nach;
Die Geisterchen, die mich umschwebten, freuten
Sich hörbar, als ich's sprach.
Doch, Himmel, ach! wie schnell bin ich gefallen!
Du Zauberin, was willst du denn von mir?
Ich seh' sie wohl, die goldnen Locken, wallen!
Ich seh' sie wohl, die blauen Augen, hier!
Was schaust du unterm sanftgeschweiften Hute
Wollüstigschön, o Zauberin, hervor?
Laß mich, schon stürmt in meinem Blute
Der Liebe Flamm' empor!

Ich seh' es wohl das Schlängelchen am Munde,
Das sich zum Lächeln krümmt;
Und, ach! in einer finstern Stunde
Euch Geisterchen des Weisen überstimmt.
Ich sinke schon an ihre Brust: - O blicke
Mich nicht so schmachtend an! -
Dank dir, Natur, daß ich dein Meisterstücke
Mit diesem Arm umfassen kann!
Wer lacht da? Ha! 's ist Amor und die Liebesgötter,
Umtanzt von Grazien;
Hör' doch, o Minna, was er sagt, der Spötter:
Was machen deine Geisterchen?

aus: Sämmtliche Gedichte von
Chr. Fr. Dan. Schubart Neue verbesserte Auflage
Frankfurt am Main 1829 (Band 2 S. 230-232)
_____


 

An Fr.

Wenn aus deinen sanften Blicken
Wonne für mein Herze fließt,
Und dein holder Mund Entzücken
In mein Innerstes ergießt:
O so tadle nicht die Triebe,
Die dein Reiz in mir erregt;
Du verachtest sonst die Liebe,
Die sich schwer zu rächen pflegt.

Lange streitet in der Stille
Die Vernunft und Leidenschaft:
Seh' ich dich, so wird mein Wille
Und mein Vorsatz hingerafft.
O dies Zweifeln, dies Bemühen
Raubt mir alle meine Ruh'.
Soll ich hoffen, soll ich fliehen -
Wenn ich liebe, lieb' auch du!

Liebe mich, du wirst empfinden
Wie durch Zärtlichkeit und Treu',
Wenn zwei Seelen sich verbinden,
Himmlisch süß die Liebe sei.
O da wird uns manche Stunde
Unter Kuß und Druck entfliehn,
Wenn wir Beide Mund auf Munde
Neues Feu'r zur Liebe ziehn.

Ha, ich les' in deinen Zügen,
Daß dein Herz gewonnen ist.
Unaussprechliches Vergnügen,
Da du nun die Meine bist!
Böt' ein König seine Krone
Mir statt deiner Liebe an;
Wählt' ich dich statt seinem Throne,
Der nicht so beglücken kann.

aus: Sämmtliche Gedichte von
Chr. Fr. Dan. Schubart Neue verbesserte Auflage
Frankfurt am Main 1829 (Band 3 S. 31-32)
_____


 

An Zilla

Wie der Frühling lächelt!
Wie der junge West
Den erhitzten Schäfer fächelt,
In die Busenrose seines Mädchens bläst!
Wie die Regenbogenschale
Siebenfarbig glänzt!
Wie im nahen Thale
Ein Olympus glänzt!
Wie der Frühling in dem stillern
Sturmbefreiten Aether schwebt!
Wie die Nachtigall mit Trillern
Weiße Blüthen hebt!
Ach, wie lieblichblühend ist die Flur!
Wie elysisch die Natur!
Doch ich fühle keinen Maien,
Keinen Junius.
Kann den Jüngling ein Olympus freuen,
Ohne deinen Kuß?
Drohend steh' ich hier, wie Werther,
Mit dem Mordgewehr,
Alle Haine, Thäler, Oerter
Liegen um mich freudenleer!
Denn nicht ich, en andrer
War's, den, Zilla, du gewählt.
Donnre, Mordgewehr! - ich sinke! - Wandrer,
Liebe hat den Jüngling hier entseelt.

aus: Sämmtliche Gedichte von
Chr. Fr. Dan. Schubart Neue verbesserte Auflage
Frankfurt am Main 1829 (Band 2 S. 236-237)
_____


 

Jörg
Ein schwäbisches Bauernlied

Wie wohl ist mir in meinem Sinn!
Kein Mädel gibt's wie mein's;
Guck hin, guck her, guck her, guck hin,
So findst in Schwaben keins.

So jung und hübsch, und doch so gut
Wie Engel Gottes sind,
Und mir so treu, bei meinem Blut
Möcht' weinen, wie ein Kind.

Hat Haar, kein Flachs ist traun so fein.
Wie süß ihr Mündchen lacht!
Es blinken ihre Aeugelein
Wie Sternlein in der Nacht.

Sie schafft dir früh, und schafft dir spät;
Das gibt einmal ein Weib.
Wenn sie die runde Spindel dreht,
So hüpft mir's Herz im Leib.

Und ist dir doch so gut dabei,
So fromm und tugendsam -
Und doch so heimlich, meiner Treu!
So heimlich wie ein Lamm.

Sie weiß dir nichts von Bauernstolz;
Und hört sie Dudeldum,
So dreht sie sich als wie ein Bolz
Mit mir im Ring herum.

Wollt' gestern auf die Kirchweih gehn;
Da blieb das Mädel fein
Mit mir vor einer Hütte stehn
Und sprach: Jörg, komm herein.

Da lag ein Armer auf der Streu
Und kaute schimmlich Brod,
Ein Krüglein Wasser stand dabei;
Sie fühlte seine Noth,

Und sprach: O Jörg, gib ihm dein Geld,
Und hilf dem Armen nun;
Nichts Liebers ist mir auf der Welt,
Als Armen Gutes thun.

Da griff ich nach dem Beutel schnell,
Und gab's dem Armen hin.
Des Mädels Augen wurden hell,
Und mir ward wohl im Sinn.

An Tanz und Kirchweih dacht' ich nicht.
Der arme Kranke sprach
Mit hellen Thränen im Gesicht
Uns Gottes Segen nach.

Und als ich auf die Wiese kam,
War mir's im Herzen warm,
Und, ach, mein liebes Mädel nahm
Mich weinend in den Arm.

Seitdem denk' ich in meinem Sinn:
Kein Mädel gibt's wie mein's.
Guck hin, guck her, guck her, guck hin,
So findst in Schwaben keins.

aus: Sämmtliche Gedichte von
Chr. Fr. Dan. Schubart Neue verbesserte Auflage
Frankfurt am Main 1829 (Band 3 S. 66-68)
_____


 

Theon an Wilhelminen

Wilhelmine, o du Holde!
Die beim ersten Blick entzückt,
Denn mit seinem reinsten Golde
Hat der Himmel dich geschmückt.
Höre - nicht mit Liebesklagen
Füll' ich dieses Lied dir an;
Meine Augen mögen sagen,
Was der Mund nicht stammeln kann.

Deiner Schönheit Pfirsichblüthe,
Deiner Laune Heiterkeit;
Ach, dein Herz voll Himmelsgüte,
Das die Unschuld nie entweiht;
Deiner Augen stilles Feuer,
Drin der Liebe Schmachten flimmt,
Hat, o Traute! meine Leier
Heut zu deinem Lob gestimmt.

Alles tönt mir: Wilhelmine!
Ueberall seh' ich dein Bild,
Wie dir aus verklärter Miene
Weiblichzarte Anmuth quillt.
Wilhelmine! hallt's in Lüften,
Wilhelmine! seufzt der Bach,
In des Mondes Silberdüften
Seufzt es meine Seele nach.

Wilhelmine, kann dies Wallen,
Kann dies Klopfen meiner Brust,
Kann ein Jüngling dir gefallen,
Der der Treue sich bewußt?
Ach, so schaue mit den Blicken
Deiner Engelhuld auf ihn,
Wonnestrahlendes Entzücken
Reißt dann seine Seele hin.

O in deinen Armen leben,
Wilhelmine, welch ein Glück!
Unsichtbare Geister schweben
Goldgeschwingt um meinen Blick!
O mit dir! mit dir! - wie helle
Wär's in meinem trüben Sinn:
Hüpfend, wie die Silberwelle,
Tanzte mir dies Leben hin.

aus: Sämmtliche Gedichte von
Chr. Fr. Dan. Schubart Neue verbesserte Auflage
Frankfurt am Main 1829 (Band 2 S. 156-157)
_____


 

Die Erscheinung

Wo find' ich den Liebling der Seele,
Den Gott mir zum Manne erkor?
Ich säng' ihm mit schallender Kehle
Dies Liedlein so gern in das Ohr!
O käm' er, wie wollt' ich ihm singen,
Dem Trauten, so lange umschlingen,
Bis innig er's fühlte, wie ich,
Gott hab' ihn geschaffen für mich.

Jüngst saß ich, vom Monde beschienen,
Am Bettlein so einsam, so leer;
Da sah ich mit freundlichen Mienen
Den Jüngling, wie Hermann war er.
Es flammte der himmlische Zunder
Der Liebe die Augen herunter,
Hoch, schlank, nicht zu weich, nicht zu wild,
War meines Erwählten Gebild.

Auch wallte die bräunliche Locke
Dem Jüngling ins schöne Gesicht.
Er redte, die silberne Glocke
Ertönet so lieblich mir nicht.
Bald fließen, so sprach sie, die Flammen
Der Herzen in einem zusammen;
Mit mächtigem Drange fühl's ich,
Gott hab' ihn geschaffen für mich.

Doch harre, die bräutliche Stunde,
Bald steigt sie von Osten herauf,
Und drückt deinem glühenden Munde
Die Küsse des Bräutigams auf.
Ach ende, du Traute, das Sehnen
Des Herzens, und spare die Thränen;
Denn alles das Deine ist mein,
Und alles das Meine ist dein.

Ich bebte, ich schwamm in Entzücken,
Ich wagt' es mit bebender Hand,
Den Jüngling an Busen zu drücken,
Doch, ach! die Erscheinung verschwand.
Wo bist du nun, heiliger Schatten
Des Trauten, des zärtlichen Gatten?
Dein künftiges Weibchen sitzt hier,
Und schmachtet vergeblich nach dir.

aus: Sämmtliche Gedichte von
Chr. Fr. Dan. Schubart Neue verbesserte Auflage
Frankfurt am Main 1829 (Band 2 S. 239-240)
_____


 

Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Christian_Friedrich_Daniel_Schubart

 

 


zurück zum Dichter-Verzeichnis

zurück zur Startseite