Johanne Juliane Schubert (1776-1864) - Liebesgedichte

Johanne Juliane Schubert

 


Johanne Juliane Schubert
(1776-1864)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:

 




Gedanken an Gott im Frühlinge

Erhabner Gott! mein froher Geist
Schwingt sich zu deinem Throne;
Dir tönt mein schwacher Lobgesang
Vom Staub, den ich bewohne.

Wie groß ist deine Majestät!
In Millionen Chören
Seh' ich dich, Unermeßlicher!
Mit Lieb' und Dank verehren.

Die Erd' ist deiner Güte voll;
Und Weisheit, Macht und Stärke
Verkündigt mir, wohin ich seh,
Gott, jedes deiner Werke.

Das sanfte Weh'n der Frühlingsluft,
Die aufgesproßne Blume,
Sind deiner Liebe Denkmal mir
Im großen Heiligthume.

Zum Tempel wird mir jeder Hain;
Es leuchtet deine Sonne
So sanft und lieblich mir herab
Auf einen Pfad voll Wonne.

Du schufst, mein Vater, mich zum Glück,
Und ewig einst zu leben;
Dich soll, so lang ich hier noch bin,
Mein schwaches Lied erheben!

Einst werd' ich hin zur Seligkeit
Der höhern Welt mich schwingen:
Dann soll mein Geist, verklärt und rein,
Dir höh're Lieder singen.
(S. 3-4)
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Die ersten Veilchen

Nun seh' ich wieder
Die Veilchen blühn;
Sie winken freundlich
Mich zu sich hin.

An jenem Hügel,
Wo sie so schön,
So stärkend duftend,
So lieblich stehn,

Hier will ich lernen
Gern niedrig seyn,
Und meines Lebens
Mich dort zu freun.

Dank sei dem Schöpfer,
Ihn preisen sie;
Vergiß nun, Seele,
Auch du ihn nie.

Dank ihm die Freude,
Die hohe Lust,
Und das Entzücken
In deiner Brust. -

Dich will ich preisen,
Gott, weil ich bin;
Nimm meine Freude
Zum Loblied hin.
(S. 7-8)
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Ein Hochzeitgedicht an eine Freundin

O Louise! Freundschaft, Mitempfindung
Deines Glückes, ladet froh mich ein,
Deinen Tag der süssesten Verbindung
Zu besingen, seiner mich zu freun.

Tausend Freuden, nie empfundne Wonne
Bringe, Theure! dir sein Morgengruß;
Find' einst spät im Lächeln seiner Sonne
Noch Entzücken, Lebens-Hochgenuß! -

Hochgesegnet sei die große Stunde,
Wo sich heilig Herz und Herz verspricht,
Treu zu seyn dem festgeschloßnen Bunde,
Bis das Grab sein heil'ges Siegel bricht! -

O die Liebe geht mit uns durchs Leben
Wie ein Gott, der uns den Frieden schirmt;
Sie will freundlich uns zur Seite schweben,
Wenn es auch um unsern Pfad oft stürmt. -

Wandle froh, mit ihrem Kranz umwunden,
Deines Lebens neue, schöne Bahn;
Und der Tag, der innig Euch verbunden,
Lächle stets Euch hold und freundlich an.

Trinkt vereint des Lebens höchste Wonne,
Und die Freuden stiller Häuslichkeit;
Daß, bis spät zum Sinken Eurer Sonne
Euer Herz des hohen Tags sich freut.
(S. 133-134)
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Die Liebe. An Hrn. D. E. in N.
am 6. December

Heil der süssen Allgewalt der Liebe!
Heil ihr! sie nur adelt unsre Triebe,
Und durch sie nur wird die Seele groß;
Wie ein reiner, lichter Götterfunken,
Ist ihr Strahl zu uns herab gesunken,
In der bessern Menschheit Pflegeschoos. -

Tausende zertreten ihre Blumen,
Stürmen wild zu ihren Heiligthumen;
Doch sie hat ja nur ein Heiligthum -
Keine Stürme mögen es erschüttern;
Hehr und groß, trotz allen Ungewittern,
Feiert sie des Schöpfers ew'gen Ruhm.

Feiert ihn in ew'ger Jugendblüthe
In dem Herzen, das voll innrer Güte
Ruhig auf zu seiner Würde schaut -
Hier nur ist der Altar, wo die treue
Himmelstochter ihre hohe Weihe,
Ihre Freuden unsrer Brust vertraut.

Wie ein Lichtstrahl höh'rer Sonnen, wandelt
Sie durchs Leben, wo die Menschheit handelt,
Suchend den, der ihren Werth versteht;
Er vertraut so gern sich ihr; und schirmen
Will sie ihm bei dieses Lebens Stürmen
Ihren Frieden, den kein Sturm verweht.

Sie, unsterblich, wie der Gott der Liebe,
Der sie schuf, begleitet uns durchs trübe,
Dunkle Thal hin zur Unendlichkeit; -
Dort, verklärt, und ohne alle Mängel
Harrt sie unsrer, wie ein schöner Engel,
Und ihr Glanz wird ewig nicht entweiht.

Und o! sie, die überall uns segnet,
Ist auch dir, du Edler! nun begegnet,
Hold und schön, wie eine Lichtgestalt; -
Eure Herzen, die sich vor nicht kannten;
Eure Herzen, die so nah verwandten,
Schirmte sie mit ihrer Allgewalt. -

Heil dir, Mann! du hast sie nun gefunden
Die des Leben trüb' und frohe Stunden
Mit dir theilt im zärtlichsten Verein;
O Gott selbst hat euer Loos gezogen;
Eurer Herzen innern Werth gewogen,
Und ihr sollt durch Liebe glücklich seyn.

Seid es, Theure! bis zum fernsten Ziele;
O es blühn der holden Blumen viele
Auf den Fluren, die ihr Hauch umweht; -
Süßer lacht uns jegliches Vergnügen;
Leichter wird ein steiler Berg erstiegen,
Wenn sie treu uns an der Seite steht.

Segnend harrt sie eurer am Altare;
Webt am Kranze, den sie in die Haare
Der Geliebten hehr und feiernd flicht; -
Ihre Mirthen werden ewig grünen,
Und ihr sollt der Welt zum Beispiel dienen,
Daß nur Tugend ihre Rosen bricht.

Pflückt sie stets im glücklichsten Vereine!
Doch von euren Blumen laßt das kleine
Liebliche Vergißmeinnicht! für mich;
O ich weiß, es wird mein Wunsch nicht fehlen:
Lieb' und Freundschaft dürfen sich vermählen;
Beide segnen still und schwesterlich. -
(S. 257-260)
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An Demois. J. H. in Br.
Nach der Melodie: Freut euch des Lebens

Heil dir, o Liebe!
Des Lebens hoher Werth
Wird, du Geweihte!
Durch dich verklärt.

Singt froh, ihr Lieben! im Verein,
Die Liebe soll uns heilig seyn;
An ihrer Hand geht leicht und froh
Der Pilger seine Bahn.

Heil dir etc.

Hoch über'n Sternen wohnt sie dort,
Und hier von Süden bis zum Nord,
Vom Morgen bis zum Abend weht
Ihr sanfter Götterhauch. -

Heil dir etc.

Ihr alle, die ihr je geliebt,
Sagt, ob nicht sie uns alles giebt,
Und nicht die Freundin sei, die uns
Den Weg mit Blumen streut? -

Heil dir etc.

Sie reicht im Sturm uns treu die Hand,
Zeigt freundlich uns das stille Land,
Wo vor des Schicksals Ungestüm
Sie ihre Freuden birgt. -

Heil dir etc.

Nein, wie sie ihrem Quell entfließt,
Wird sie ein Engel uns, und gießt
Auf unsre dürre Lebensflur
Der Freude Segensthau. -

Heil dir etc.

Die Tugend, tief in Staub gedrückt,
Erhebt durch sie ihr Haupt; es schmückt
Mit Blumen aus Elysium,
Die Gottgeweihte sie. -

Heil dir etc.

Sie schlingt geheimnißvoll ihr Band
Um Seelen, die sich längst verwandt;
Nun werden ihre Mirthen grün
Zum schönen Weihekranz.

Heil dir etc.

Sie reicht an ihrem Weihaltar
Uns Freuden eines Himmels dar,
Und folgt uns nach zum stillen Creiß
Den sie zum Tempel weiht. -

Heil dir etc.

Wenn müde vom Geräusch der Welt
Der Mann sich fühlt, o dann erhellt
Sie ihm den trauten Zirkel, wo
Des Lebens Stille wohnt. -

Heil dir etc.

Wenns auf der Erde rauscht und stürmt,
Und nichts ihm seinen Frieden schirmt,
Schließt sie ihr Heiligthum ihm auf,
Wo Glück und Friede blüht. -

Heil dir etc.

Sie scheucht des Lebens Harm zurück,
Webt an die Erd' ein himmlisch Glück,
Wenn Hand in Hand die Zärtlichen
Den Weg durchs Leben gehn. -

Heil dir etc.

Drum alle Freunde, die ihr hier,
Wollt glücklich leben, huldigt ihr
Der Reinen, Göttlichen, wie sie
Der Himmel selbst uns weiht.

Heil dir etc.

Sie bindet sich an keinen Ort,
Wir lieben hier, wir lieben dort,
Und ewig an der Tugend Hand
Wird ihre Palme blühn.

Heil dir etc.

(S. 28-31 der Nachlese des Bandes)

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Gedichte aus: Gedichte der Webers-Frau Johanne Juliane Schubert geb. May
Würgsdorf bei Bolkenhain Reichenbach 1810


Biographie:

Biographie der Dichterin, von ihr selbst entworfen und ohne die geringste Veränderung abgedruckt.

Ich bin 1776 den 25sten November in Würgsdorf, bei Bolkenhein, geboren, wo meine noch lebenden Ältern Weberleute sind, und wo mir von 5 Geschwistern noch eine ältere Schwester übrig geblieben war. In meinen Kinderjahren konnte ich mich nie einer vollkommnen Gesundheit freun, und wuchs - ein kränkelndes Wesen - an der Seite dieser meiner einzigen, in voller Gesundheit blühenden Schwester meiner weitern Bestimmung entgegen. Gewohnheit und Verhältnisse meiner Ältern machten, daß auch ich, von meiner ersten Kindheit an in den Arbeiten der Weberei unterrichtet, ohne erst lange zu wählen, bei dieser Profession blieb, und der Morgen meines Lebens gieng mir so ziemlich sorgenfrei vorüber. Im Jahr 1792 hatte ich das Unglück meine Schwester durch einen unerwarteten Tod, den ein gewaltsamer Schreck herbei führte, zu verlieren. Sie hinterließ einen Bräutigam, Namens Ehrenfried Schubert, seiner Profession ebenfalls ein Weber, mit dem ich mich 7 Jahre nachher, an meinem 24sten Geburtstage 1799, ehelich verband, und mit welchem ich nun bereits 11 Jahre als zufriedne Gattin, ob zwar unter so mancherlei Kummer und Sorgen, verlebt habe. Das meinen Ältern gehörige Häuschen mit einem ganz kleinen Gärtchen, übrigens aber ohne Äcker und Viehzucht, ist unser Eigenthum, und die Betreibung der Weberei unser einziger Brodterwerb. Die Umstände der Zeit, deren nachtheilige Wirkung auf den Handel, und das Wohl der mit denselben verbundnen Weberprofessionisten, am Tage liegt, nicht so wohl allein, als auch noch besonders so manche unerwartete häusliche Vorfälle, ließen mich nicht selten das Drückende meiner äußern Lage fühlen, und durch oft wiederkehrende und einigemal sehr lange anhaltende gegenseitige Kränklichkeit, in unsrer Arbeit zurückgesetzt, mußte ich sehr oft die bittre Erfahrung machen, daß selbst die größte Sparsamkeit und Vorsicht nicht allemal im Stande ist, Kummer und Sorge aus dem übrigens zufriednen häuslichen Zirkel zu verscheuchen. Ein Sohn und eine Tochter machten mich zur glücklichen Mutter, und ließen uns die schönen, älterlichen Freuden fühlen; das Mädchen aber starb - ein holdes Kind von beinah 3 Jahren - und nur der Sohn lebt noch, und hat jetzt sein 10tes Jahr zurückgelegt.

Dies wäre die kurze Schilderung meiner Lebensgeschichte und meiner häuslichen Verhältnisse. Was nun aber den Ursprung, die Unterhaltung, und etwas bessere Ausbildung meiner Lieblingsbeschäftigung, des Versemachens betrift, darüber kann ich ohngefähr folgendes sagen: Durch die oben angezeigte Kränklichkeit meiner ersten Lebensjahre in ein stilles, in mich selbst gekehrtes Wesen vertieft, fand ich nie Geschmack an den gewöhnlichen, lärmenden Spielen der Jugend; hatte aber im Gegentheil desto mehr Empfänglichkeit für stille ernsthaftere Freuden : die singende Lerche, eine schöne Blumenwiese, oder auch ein kleines, niedliches Blümchen, machten mich unendlich glücklich; im Frühling und Sommer Blumen, und im Herbst das bunte, herabfallende Laub zu sammlen, war meine Lieblingsbeschäftigung, so wie, wenn im Winter meine Mutter an meinem Bette saß, und auf mein Bitten, mir recht viele Abendlieder vorsang, ich bis in den Himmel entzückt wurde. Als ich in der Folge lesen gelernt hatte, faßte ich alles, was sich nur ein bischen reimte, begierig auf, und war im Auswendiglernen der Lieder des alten Breslauer Gesangbuchs sehr glücklich.

In meinem 8ten Jahre besuchte ich die hiesige Dorfschule, und hatte das Glück, in den damaligen Schullehrer, Herrn Knittel, einen Mann zu finden, dem die Bildung seiner Schuljugend, Sache des Herzens war, und dem es auch nicht an Kenntnissen und eigner Kultur fehlte, diesem seinen guten Willen Gnüge zu leisten. Sein Unterricht in der Religion, war rein und gründlich, und wer aus seiner Schule gieng, und nicht orthographisch schreiben und einen, wenigstens mittelmäßigen, Brief verfertigen konnte, der mußte ohne Seele zugegen gewesen seyn. Dieser edle, vortreffliche Mann starb 1792 in einem Alter von 32 Jahren; Friede sey mit seiner Asche, und ewiger Friede mit seinem schon hier immer höher strebenden Geiste! - - Besonders wichtig war es ihm, das eigne Nachdenken seiner Zöglinge zu üben, und ich erinnre mich, daß ich hierdurch veranlaßt, um mein 9tes oder 10tes Jahr einmal Verse gemacht habe, die ich aber für mich allein behielt, und die hernach wieder verlorengegangen sind. An Dichtkunst aber und an Unterricht in dieser Hinsicht wurde nie gedacht und konnte auch in einer Dorfschule nicht gedacht werden. Eine Gewohnheit glaube ich hier erwähnen zu können, die unser Lehrer hatte, und die bestand darinn: uns alle Neujahr einen Reim zum Auswendiglernen aufzugeben, den wir unsern Ältern als Glückwunsch zum Jahreswechsel sagen mußten, den ich immer sehr gut lernte, und welchen Fleiß hierin mir gewöhnlich ein kleines Geschenk meiner Ältern belohnte.

Ich gieng 1789 aus der Schule, und verließ mit Wehmuth einen Ort, welcher für mich Alles gewesen war, und wo ich mich oft so unbeschreiblich wohl befunden hatte. Das Neujahr kam, und um alles in der Welt hätte ich die Gewohnheit nicht aufgegeben, meinen Ältern einen Glückwunsch zu bringen, und wie ich glaube, durfte dieser nicht anders, als in Reimen seyn; den mußt du selber machen, war mein erster Gedanke, welchen ich auch nun nicht mehr aufgab, sondern von Jahr zu Jahr diese Gewohnheit bestimmt fortsetzte, so wie ich mich jetzt noch einer Idee erinnre, die ich damals hatte, daß sich ja doch jedes nach Gefallen manchmal ein Lied machen könnte, welches ich denn auch zuweilen that, es aber weiter nicht aufschrieb, sondern mich bloß an dem Beweis der Möglichkeit, den ich nun in meinen Gedanken hatte, begnügte.

Nun kam der wichtige Zeitpunkt, wo ich wie schon gesagt, meine Schwester verlohr, welcher Vorfall mein ganzes Wesen erschütterte. Ich zog mich von meinen Schulfreundinnen zurück, und huldigte von neuem der Einsamkeit, der stillen schönen Natur und meinen Blumen, ohnerachtet ich tief und in seiner ganzen Stärke das Bedürfniß empfand, eine Freundin zu finden, die mit mir sympathisirte. Um für dieses Bedürfniß einigen Ersatz zu haben, und die einsamen Stunden des Sonntags auszufüllen, fieng ich an, dann und wann an einige Gedanken, die ich in Reime zu bringen suchte, aufzuschreiben; hatte um diese Zeit bisweilen Gelegenheit, die Bunzlauer Monatschrift zu lesen, wo die darinn vorkommenden Gedichte meine Aufmerksamkeit auf sich zogen, und mich veranlaßten, auch einen Versuch zu wagen, und ein Gedicht zum Andenken meiner mir ewig unvergeßlichen Schwester zu machen, *) so wie einige andre Gedichte, welche ich nachzuahmen suchte. Was ich aber auch schrieb, das suchte ich stets aus einer gewissen Eigenheit zu verbergen, bis im Jahr 1796 einmal ohngefähr einige dieser Gedichte dem Herrn Pastor Ulrich, in Bolkenhain, zu Gesichte kamen, und welche derselbe, ohne daß ich etwas hiervon wußte, weiter bekannt machte. Der Herr Pastor Dobermann, in Leutmannsdorf, würdigte mehrere derselben, in seinen Vierteljahrschriften mit einzurücken, und dies war die erste Gelegenheit, mir da und dort in der gebildetern Welt Bekanntschaft zu verschaffen, und hier war es auch eigentlich das erstemal, wo ich anfieng, über diese Sache etwas Bestimmtes zu denken.

Es öffnete sich mir nun eine ganz neue Welt: Durch die Güte meiner Freunde hatte ich Gelegenheit, mit einigen Schriftstellern unserer Zeit bekannt zu werden, und Gellert war der erste Dichter, welchen ich las, und dem ich auch meine ganze Verehrung schenkte. Fernerhin habe ich gelesen: Gedichte von Hagedorn, Uz, Hölti, Matthisson, D. Neubeck und etwas von Wieland; späterhin, und erst seit 1804 und 1805 habe ich Tiedgens schöne Elegien und seine vortreffliche Urania gelesen; dann Schiller, Klopstocks Messias, Gedichte von Gotter, und mitunter seit jener ersten Zeit, noch einige andre, deren Namen mir jetzt grade nicht beifallen.

Fleißig setzte ich als Mädchen, in den Zwischenstunden meiner Arbeit, diese Lektüre fort, legte sie aber auch, so süß mir diese Beschäftigung war, ruhig beiseite, als häusliche Geschäfte, und die Erfüllung heiliger Mutterpflichten mir dieselbe gänzlich untersagten. Lange hatte ich dies vorher gesehn; lange vorher die Verhältnisse eines Weibes, die bestimmt war, durch thätige Beihülfe, mit ihrem Manne gemeinschaftlich für die Erwerbung des Unterhalts zu sorgen, überdacht, und es kam daher nie ein Gedanke von Mismuth in meine Seele, besonders weil jene Versuche in der Dichtkunst, und alles dahin Abzweckende, mir stets Nebensache gewesen war, welches mir dies auch heute noch ist, und seyn muß, wenn ich als Gattin eines Webers der niedrigsten Klasse, ehrlich handeln will. Vielleicht häte ich damals meine Leyer ganz und auf immer weggelegt, wenn nicht sie mich in einem zwar kleinen, aber mir desto theurern Zirkel einiger sehr edlen Freunde und Freundinnen geführt hätte, deren Freundschaft mir Alles war, und heute noch ist, und welche mir Veranlassung wurde, doch noch immer mit einigem Vergnügen auf die erste Ursache zu dieser Bekanntschaft hinzusehn, und so denn doch noch immer eine gewisse Vorliebe dafür in meinem Herzen zu unterhalten, wozu denn nun auch noch besonders ein seit 12 Jahren ununterbrochner, und mir sehr schätzbarer Briefwechsel mit meiner verehrungswürdigen Freundin, der verwittweten Frau Hofräthin Fenderlin, in Landeshut, welche in allen, auch noch so mißlichen Verhältnissen meines Lebens, die treue, unveränderte Freundin blieb, das Seine redlich beitrug. Freundschaft, wenn sie das ist, was sie eigentlich seyn soll, hat für mich einen ganz besondern Werth, und sie ist es, die mich schon oft in einer seligen Stunde das Unangenehme des Erdenlebens vergessen ließ; sie, die Freundschaft edler, guter Menschen ist es, die noch heute das schon oft mehr als halb verloschne Feuer von neuem immer wieder in meiner Seele anfacht, und welche, wenn vom Sturm des Schicksals weit weggeführt vom stillen Musentempel, oft mein Geist unter dem so mancherlei Kummer des Lebens zu ermatten scheint, mich doch noch dann und wann in den Bezirk dieser holden Göttinnen zurückführt. Dank, herzlichen Dank allen meinen ältern und neuern Freunden und Freundinnen, denen es nicht zu klein schien, durch Herablassung und Freundschaft eine Blume mehr auf den oft sturmvollen Pfad einer niedrigen Dorfbewohnerin zu streun! - - nie müsse auch ihnen der theilnehmende Freund oder die zärtliche Freundin fehlen - und nie der hohe, göttliche Frieden, der - ein Lichtstrahl von Jenseits - in der Brust des Edlen die reine, stille Freude schirmt, und bei den Stürmen des Lebens ihn hinüber schauen läßt in das Land der Klarheit und der Stille. -
aus: Gedichte der Webers-Frau Johanne Juliane Schubert geb. May
Würgsdorf bei Bolkenhain Reichenbach 1810


 

 


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