Adolf Schults (1820-1858) - Liebesgedichte



Adolf Schults
(1820-1858)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 



Rose und Lilie

O Rose, liebe Schwester! sprich:
Warum bist Du so roth?
"Mein Liebster ist der Sonnenstrahl,
Der kommt nun bald zu mir ins Thal
Und grüßt mich traut, und küsset mich
Den ganzen Tag lang, drum bin ich
Vor Lieb' und Lust so roth!"

O Lilie, liebe Schwester! sprich:
Warum bist Du so blaß?
"Mein Liebster ist der Mondenschein,
Der läßt mich hier so gar allein,
Vergißt den ganzen Tag lang mich,
Drum härm' ich mich, und drum bin ich
Vor Lieb' und Leid so blaß!"
(S. 34)
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Rose und Sonne

1.
Als mich in engen Räumen
Die Hülle gefangen hielt,
Da fühlt' ich oft von Träumen
Mich wundersam umspielt.

Mir sagte dunkles Ahnen
Gefesselt müßt' ich sein,
Mich trieb ein stetes Mahnen
Vom Bann mich zu befrein.

Wohl hab' ich oft gerungen,
Doch wich der Zauber nicht,
Bis mich der Strahl durchdrungen
Von Deinem Angesicht.


2.
Die Blumen alle schaun nach mir,
Weil ich so glüh' und blüh';
Sie wissen nicht, daß ich nur Dir
Es danke spät und früh.

Die Blumen alle neiden mich,
Weil ich so glüh' und blüh';
Sie wissen nicht, daß nur für Dich
Ich glänze spät und früh.
(S. 35-36)
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Das Vergissmeinnicht an den Zephyr

1.
Vergiß mein nicht, vergiß mein nicht,
Wenn Du mich Arme fliehst,
Vergiß mein nicht, vergiß mein nicht,
Wenn Du die Rose siehst!

Vergiß mein nicht, vergiß mein nicht,
Durchflatterst Du den Wald;
Vergiß mein nicht, vergiß mein nicht,
Und kehre wieder bald!


2.
Ich harre Dein
Hier still allein
Und will darob nicht klagen;
Erblick' ich nur
Noch Deine Spur,
So darf ich nicht verzagen.

O Lust! ich seh
Dort auf der Höh
Die Wipfel sich bewegen;
Nun kommst Du bald
Wohl aus dem Wald
Mir liebewarm entgegen!


3.
Ich bin so arm, ich bin so klein,
So Pracht- und Düfte-leer,
Und dennoch kommst Du, Liebster mein,
Tagtäglich zu mir her.

Ich bin so arm, ich bin so klein,
Ich habe nichts als Dich!
O, sollt's es wohl nur Mitleid sein,
Daß Du beglückest mich?


4.
Ich lauschte jüngst den Bächen,
Da hört' ich viel sie sprechen
Von Dir, und sich erfrechen,
Dich, Liebster, arg zu schmähn:
Sie nannten Dich den Losen,
Weil sie gar oft um Rosen
Mit buhlerischem Kosen
Dich Abends flattern sähn.

Das Alles sollt' ich hören,
Sie wollten mich bethören
Und unsern Bund zerstören
In bitterbösem Neid: -
Umsonst, ihr Lästerzungen!
Mein Liebster kam gesprungen,
Da war ich schnell durchdrungen
Von Lieb' und Seligkeit!


5.
Das ist der Liebe Zeichen,
Daß sie Geliebtes neckt;
Ich hab' an diesem gleichen
Auch Deine Lieb' entdeckt.

Du hast mich oft mit Küssen
Vom Schlummer aufgeweckt,
Mich oft mit Regengüssen
Im süßen Traum erschreckt.

Wenn ich Dich sah so gerne,
Hast Du Dich oft versteckt: -
Daß ich Dich lieben lerne,
Drum hast Du mich geneckt.
(S. 40-42)
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Nur Du

Du fragst mich, was ich treibe,
Du fragst mich, was ich thu?
Mein Dichten und mein Trachten
Bist Du, bist Du!

Von früh, wenn ich erwache,
Bis späte, wenn ich ruh,
Mein Denken und mein Sehnen
Bist Du, bist Du!

Dich seh' ich, schloß mein Auge
Ein milder Schlummer zu;
Mein Wachen und mein Träumen
Bist Du, bist Du!

Was ich begehr' auf Erden,
Was wollt' ich noch hinzu?
Mein Erstes und mein Letztes
Bist Du, bist Du!
(S. 49)
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Getrennt

Bist allein und harrest mein,
Kann nicht fort und denke Dein -
Welcher Schmerz mag größer sein?

Rechten will ich nicht mit Dir,
Ob er herber dort, ob hier;
Aber Eines glaube mir:

Gerne wollt' ich hier allein
Zwiefach tragen alle Pein,
Könnt' ich Dich davon befrein!
(S. 51)
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Stummes Verstehen

Weißt Du noch, da wir uns fanden,
Wie wir schweigend dagestanden?
Wie wir Beide vor uns nieder
Senkten stumm die Augenlieder?
Worte haben's nicht verkündet,
Wie wir innig uns verbündet:
Keines sprach von der Bewegung,
Keines von der tiefen Regung;
Aber Deines Busens Wallen,
Aber meines Herzens Pochen
Haben mächt'ger ausgesprochen,
Als der Lippen Liebelallen,
Daß wir schweigend uns verstanden,
Daß wir uns für ewig fanden.
(S. 52)
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Mein Lieblingsbuch

Kein Lied will mir gefallen,
Das nicht von Liebe spricht;
Mein liebstes Buch von allen
Ist Liebchens Angesicht.

Drin les' ich alle Tage,
Drin les' ich alle Stund';
Da wird auf jede Frage
Mir holde Antwort kund.

Da find ich's ja geschrieben,
Was ich nur wissen mag:
Ob sie mir hold geblieben,
Wie an dem ersten Tag.

Von ihrer Lieb' und Treue
Les' ich in jedem Zug;
Ich les' es stets aufs Neue
Und les' es nie genug.
(S. 53)
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Scheidestunde

Sie sprach: "Die Stunde mahnt, o, laß mich fort!"
Und hielt mich fest umschlungen bei dem Wort.

Ich wand mich los: ""Soll ich Dich lassen gehn?""
"Ja Liebster, laß mich!" sprach sie und blieb stehn.

Ich: ""Nun denn, weil Du mußt, Geliebte, zieh!""
"Ach, weisest Du mich von Dir?" klagte sie.

Sie sah mich an gar schmerzlich, liebewarm,
Und schmiegte schüchtern sich an meinen Arm.

Da zog ich kosend sie ins Gras,
Daß sie des Scheidens ganz und gar vergaß.
(S. 54)
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Liebeselig

So oft ich einen Abend
In Deinem Arme lag,
Ist mir gar wonniglabend
Der ganze nächste Tag.

Dann trag' ich kein Verlangen
Nach neuer Liebeslust;
Dann mein' ich, still zu hangen
Noch stets an Deiner Brust.

Dann fühl' ich sel'gen Frieden
Sich senken auf mich hin,
Weiß nicht, ob ich hienieden
Ob ich im Himmel bin.
(S. 55)
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Trennung

Feinde, Lug und Trug beflissen!
Wähnt Ihr unsern Bund zerrissen,
Wenn's gelänge Euren Tücken
Uns einander fern zu rücken?

O, wie fremd ist Euch geblieben
Unser Leben, unser Lieben!
Trennung schaffet herbe Leiden,
Doch vermag sie nicht zu scheiden.

Wisset, lieb' entbrannte Herzen
Gleichen hellen Opferkerzen;
Finden sich die beiden Flammen,
Lodern sie in Eins zusammen.

Aber, mögt Ihr auch sie trennen,
Hören drum sie auf zu brennen?
Jede Flamme strebt alleine
Himmelan mit hellem Scheine!
(S. 56)
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Tändeleien

1.
Als ich Dich sah, gefielst Du mir,
Als Du mich sahst, gefiel ich Dir.

Du nahtest mir, da liebt' ich Dich,
Ich nahte Dir, Du liebtest mich.

Die Eile hat uns nicht gereut,
Wie's gestern war, so ist's noch heut.

Und wie es ist und wie es war,
So soll es bleiben immerdar.


2.
Mädchenlaune, Mädchensinn
Sucht das Neue immerhin,
Also ist's mit Allen;
Drum, mein Liebchen, sage mir,
Wie beginn ich's, daß ich Dir
Immer mag gefallen?

"Nun wohlan, Geliebte, sprich
Heut zu mir: "Ich liebe Dich!"
Morgen: "Bin getreu Dir!"
Uebermorgen: "Ich bin Dein!"
Und dann ferner: "Du bist mein!"
So bleibts ewig neu mir!"


3.
Perlenklar
Ist der Liebsten Augenpaar;
Perlenrein
Ist der Liebsten Herzelein:
Perlenglanz
Ist sie innen und außen ganz.
Und die Perl' ist mein, ist mein -
Kann der Mogul reicher sein?! -
(S. 57-58)
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Der erste Kuss

"Wie ist's doch zugegangen,
Mein Lieb, wenn ich's nur wüßt',
Als wir uns zuerst umfangen,
Zum erstenmal uns geküßt?

Wie ist's doch zugegangen,
Mein Lieb, weißt Du's nicht mehr?
Ich glaub', uns brannten die Wangen,
Uns pochen die Herzen sehr.

Wie ist's doch zugegangen?
Erinnerst Du Dich, o sprich!
Ich glaube, wir waren befangen
Im Traume, Du und ich."

Mich deucht, es ist zugegangen,
Als ob so sein es müßt':
Wir haben uns stumm umfangen,
Wir haben uns still geküßt!
(S. 59)
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Die Liebste schreibt

Ich saß und dachte Deiner
Im stillen Kämmerlein;
Hell blickte durch mein Fenster
Herein der Mondenschein.

Ich dachte jenes Tages,
Wo ich zuerst Dich sah;
Viel liebe Bilder standen
Vor meiner Seele da.

Wie ich an Deiner Seite
So still und selig ging,
Wie ich das erste Blümlein
Aus Deiner Hand empfing.

Wie ich die erste Rose
Dir dort im Garten brach,
Wie ich zum erstenmale
In Deinem Arme lag.

Und was Du da gesprochen,
Und was ich drauf gesagt,
Und was Du mir vertrauet,
Und was ich Dir geklagt:

Das Alles sah und hört' ich
Im stillen Kämmerlein -
Und müde sank die Wimper,
Und leise nickt' ich ein.

Und träumend wähnt' ich lange,
Zu ruh'n an Deiner Brust -
Da plötzlich aber schreckte
Mich's auf aus meiner Lust.

Und wie ich um mich schaute,
Da war ich, ach! allein;
Still blickte durch mein Fenster
Herein der Mondenschein.
(S. 60-61)
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Wunsch

Wie gerne möcht' ich bei ihr stehn
Und sie betrachten ungesehn,
Wenn sie's vertrauet dem Papier,
Wie sich ihr Herz gesehnt nach mir!

Wie wonnig wär' es, unverwandt
Zu folgen der geliebten Hand,
Wie schnell sie malet Zug an Zug,
Dem Herzen nimmer schnell genug!

Wie wonnig wär' es, allgemach
Zu spähn den stillen Seufzern nach,
Wie sie, ihr selber unbewußt,
Sich drängen aus der vollen Brust!

Wie wonnig wär' es dann, zu schaun
In dieses Aug', so dunkelbraun,
Und in dem Auge, treu und klar,
Zu sehn ein glänzend Thränenpaar.

Doch grausam wär' es, das zu sehn
Und dennoch ungesehn zu stehn!
Nein! Nein! dann sänk' ich ihr an's Herz
Und stillte küssend ihren Schmerz.
(S. 62)
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Du die Meine

Wenn ich beim Morgenscheine
Vom Schlummer auferwach',
Denk ich: Du bist die Meine!
Und grüße froh den Tag.

Wird mir im Sonnenscheine
Beim Tagewerke heiß,
Denk ich: Du bist die Meine!
Das ist der Mühsal Preis.

Geh' ich beim Mondenscheine
Ins stille Kämmerlein,
Denk ich: Du bist die Meine!
Und friedlich schlaf' ich ein.

Wenn ich dem Dämmerscheine
Mein Aug' geschlossen kaum,
Denk ich: Du bist die Meine!
In einem süßen Traum.
(S. 63)
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Schmerzesklänge

1.
Deine Wangen seh' ich bleichen,
Schwinden Deinen Lebensmuth,
Und aus Deinem Blick entweichen
Deines Jugendfeuers Gluth.

Nur wenn einsam Du geweinet,
Strahlt Dein Aug' in hellem Glanz:
Wie ein Licht aufflackernd scheinet
Eh' sein Strahl verlischet ganz.


2.
Was ist doch Dein Verschulden
Du armes, reines Herz,
Daß Du sollst ewig dulden
So tausendfachen Schmerz?

Daß Du so treu' mich liebest,
Ist Deine einz'ge Schuld,
Und daß Du an mir übest
So himmlische Geduld.

Daß Du, wenn ich Dich quäle,
Mich an den Busen drückst,
Und mich, wie ich auch fehle,
Mit Deiner Huld beglückst.


3.
Du sitzest nun alleine -
Verlassen hab' ich Dich;
Du nennst Dich doch die Meine
Und härmest Dich um mich.

Du sitzest nun alleine -
Und weinst die Augen roth;
Du nennst Dich doch die Meine
Und brächt ich Dir den Tod.

Du sitzest nun alleine -
Und stürbest Du vor Leid:
Du nennst Dich doch die Meine
In alle Ewigkeit.


4.
Und wenn Du nun gestorben
In Liebesgram und Leid,
So hast Du wohl erworben
Die ewige Seligkeit.

Und aus den seligen Höhen
Schaust Du auf mich herab,
Und siehst mich einsam stehen
An Deinem frischen Grab.

Siehst mich verzweifelnd klagen,
Hinknieen am Grabesstein,
Und hörest dumpf mich sagen
In namenloser Pein:

"Hier liegt sie nun versenket,
Die stets mir Liebe bot,
Ich hab' ihr Herz gekränket,
Bin schuld an ihrem Tod!"

Doch nein, wenn Du gestorben,
Vergessen sollst Du mein;
Wenn Du Dein Grab erworben,
Dann sollst Du selig sein.

Und könntest Du mich sehen
In meinem großen Leid,
Dann wär' es wohl geschehen
Um Deine Seligkeit!
(S. 64-66)
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Lieder und Thränen

Deine Thränen, meine Lieder,
Liebste, sind sich nahverwandt,
Beide wurden, stille Tröster,
Uns vom Himmel zugesandt.

Wenn ein heißer Schmerz im Busen
Dir, Geliebte! brennend wühlt,
Und Du darfst dann einsam weinen,
Wird der Schmerzensbrand gekühlt.

Wenn die Welt mir wird zu enge,
Weh die Brust mir sprengen will,
Und im Liede kann ich klagen:
O, dann werd' ich sanft und still.

Deine Thränen, meine Lieder
Sind, Geliebte! gar wol Eins:
Was Dein Herz ergoß in Thränen,
Wandelt schnell in Lieder meins.
(S. 67)
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Abendeinsamkeit

Einsam Dein zu denken,
Das ist meine Lust,
Still mich zu versenken
In die eigne Brust.

Wenn der Tag sich neiget,
Eil' ich Wäldern zu,
Dort, wo Alles schweiget,
Halt' ich Abendruh.

Auf dem Waldesgipfel
Da ist Alles stumm,
Nur der Bäume Wipfel
Flüstern um und um.

Meine Blicke schweifen
Rings in weite Fern',
Lichten Wolkenstreifen
Folgt mein Auge gern.

Weiß ich doch, daß Eine
Liebend meiner denkt,
Nach dem Abendscheine
Auch die Blicke lenkt.

Weiß ich doch, daß Eine
Nimmer mein vergißt,
Daß sie noch die Meine
In der Ferne ist. -

Einsam Dein gedenken,
Sel'ge Abendlust!
Friedenswonnen senken
Sich in meine Brust.
(S. 68-69)
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Taubenpost

Wenn ich doch zwei Täubchen hätte,
Die für mich auf Reisen gingen,
Ei, wie sollten um die Wette
Lustig sie die Flügel schwingen.

Flattern sollten sie und schwirren,
Wenn sie vor Dein Haus gekommen,
Und vor Deinem Fenster girren,
Bis Du sie hereingenommen.

Und zwei Brieflein, feingefalten,
Goldgerändet, fein beschrieben,
Sollten sie im Schnabel halten,
Meldend, daß ich treu geblieben.

Waizenkörner, rund und golden,
Müßten dann das Paar erquicken;
Furchtlos sollten Dir die Holden
Aus der lieben Hand sie picken.

Und wenn sie gelabt die Speise,
Sollten sie die weißen Schwingen
Wieder regen zu der Reise,
Deine Antwort mir zu bringen.
(S. 70)
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Wiedersehen

Wiedersehen, Wiedersehen,
Süße Hoffnung der Getrennten!
Traurend müßten sie vergehen,
Wenn sie Deinen Klang nicht kennten.

Wiedersehen, Wiedersehen!
Wenn die Treuen Tod geschieden,
Hauchest Du mit sanftem Wehen
In die Seelen Himmelsfrieden.

Wiedersehen, Wiedersehen!
Tönt es mir und Dir im Herzen:
Vor dem Klange schnell verwehen
Alle herben Trennungsschmerzen.

Wiedersehen, Wiedersehen!
Hallt es endlos durch die Fernen;
Wiedersehen, Wiedersehen!
Jauchzt es droben über Sternen.
(S. 71)
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Heimkehr

Kehre wieder, kehre wieder!
Treue Liebe harret Dein;
Mit dem schönsten meiner Lieder
Sollst Du mir begrüßet sein!

Dir entgegen, Dir entgegen
Breit' ich froh die Arme aus,
Rufen möcht' ich allerwegen:
Meine Liebste kehrt nach Haus!

Mir am Herzen, mir am Herzen
Sollst Du, Liebste, wieder ruhn,
Trennungsleiden, Sehnsuchtschmerzen
Wandeln sich in Wonne nun.

Alles sagen, Alles klagen
Will ich dann, Geliebte, Dir!
Alles klagen, Alles sagen
Sollst Du dann, Geliebte, mir! -

Kehre wieder, kehre wieder,
Treue Liebe harret Dein!
Mit dem schönsten meiner Lieder
Sollst Du mir begrüßet sein.
(S. 72)
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Die Schlummernde

An meinem Herzen sah ich sie
In stillem Schlummer liegen:
O, welche Lust, im Arme die
Süßträumende zu wiegen!

O, welche stille Seligkeit,
Zu lesen in den Zügen,
Den Zügen voller Offenheit,
Die nie mein Auge trügen!

In ihrem Antlitz sah ich hell
Sich unser Lieben spiegeln;
Die alten Tage nahten schnell
Auf der Erinnrung Flügeln.

Bei ihrem Lächeln dacht' ich all'
Des Glücks, das wir genossen;
Bei jedes leisen Seufzers Hall
Der Thränen, die geflossen.
(S. 73)
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Beim Abendgeläute

Da tönen hell die Glocken
Im fernen Gotteshaus,
Und meine Liebste locken
Die Klänge wohl hinaus.

Sie folgt dem Ruf des Klanges
Mit frommem Herzen stets
Zur Stätte des Gesanges,
Zur Stätte des Gebets.

Und naht sie Gott in reiner
Inbrünst'ger Andacht sich,
So denkt sie liebend meiner
Und betet auch für mich.
(S. 74)
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Wahrheit

Dich hab' ich niemals Sonne,
Noch Königin genannt:
Doch hab' ich stets in Wonne
Mein Aug' auf Dich gewandt.

Auch keinen Engel hieß ich
Dich in verliebtem Tand:
Doch stets den Himmel pries ich,
Der Dich mir hergesandt.

Nie sank ich vor Dir nieder,
Noch küßt ich Dir die Hand:
Dich liebt' ich treu und bieder,
Da ich Dein Herz erkannt.

So schlang sich fest und fester
Um uns ein süßes Band,
Geliebte, Freundin, Schwester!
Zu ewigem Bestand.
(S. 75)
_____



Ein Frühlingstag

1.
Mein Lieb, verlaß das enge Haus,
Das Dich gefangen hält!
Komm mit mir in den Wald hinaus,
Verlaß die arge Welt.

Der Frühling steht am Thor dadrauß,
Ich hab' ihn herbestellt!
Er führt aus dieser Welt hinaus
Uns ein in seine Welt.
(S. 79)


2.
Gegrüßet mir
Am Wege hier
Du holder Wunderknabe!
Nun führe uns,
Berühre uns
Mit Deinem Zauberstabe!

Mein Liebchen hier
Und ich mit ihr
Wir harrten Dein gar lange;
Der Winter kam
Mit manchem Gram
Und bleichte uns die Wange.

Nun färb' uns bald
Im grünen Wald
Die Wangen roth, o Knabe!
Komm, führe uns,
Berühre uns
Mit Deinem Zauberstabe!
(S. 79-80)


3.
"Schau um, mein Lieb, da liegt die Stadt
In einem Nebelmeer,
Die uns so lang gepeinigt hat
Mit Sorgen trüb' und schwer."

Mein Lieb', vergiß der Sorg und Pein -
Empor zum Himmel schau:
Wie lacht so hell der Sonnenschein,
Der Himmel wie so blau!
(S. 80)


4.
Sieh da, zu Deinen Füßen
Ein Maienglöckchen klein!
Es ladet uns mit Grüßen
Zum Maienfeste ein.

Mir ist, als hört' ich's sagen:
"Schaut, Alles ist bereit!
Genießet mit Behagen
Des Festes Herrlichkeit!"
(S. 81)


5.
Die Bäume neigen die Kronen
Vor Dir, mein Lieb', o schau:
Sie flüstern: willst Du wohnen
Bei uns, Du schöne Frau?

Sie strecken die grünen Aeste
Gleich Armen aus nach Dir,
Sie bitten: O Schönste, Beste,
O weile, weile hier!
(S. 81)


6.
"Wie ruft es auch der Ferne
So hell: Kuku, Kuku!
Du necktest uns wohl gerne,
Du loser Vogel, Du!

Und eilten wir dem Tone
Mit schnellen Schritten zu,
So flögst Du, uns zum Hohne,
Davon in einem Nu."

Ei denk', wie Du vor Tagen
Mich also necktest, Du!
Drum darfst Du nicht verklagen,
Mein Liebchen, den Kuku!
(S. 82)


7.
Wie drängen sich an den Wegen
Die Blumen im Schmuck von Thau,
Als riefen sie Dir entgegen:
"Auch mich, auch mich beschau!"

Ein Blümlein nur bleibt ferne,
So lieblich klein und blau,
Das zeigt sich nur mir gerne,
Komm' ich allein zur Au.

Doch kennt Dich wohl das kleine
Blaublümchen, denn es spricht
So oft ich komm alleine:
"Vergiß, vergiß nur nicht!"
(S. 82-83)


8.
Schau, das Moos zu Deinen Füßen
Breitet sich zu einem Pfühl,
Schau, und diese Schatten grüßen
Uns so labig und so kühl.

Laß mich sitzen Dir zu Füßen -
Lenz und Liebe machen schwül!
Horch, Gesänge rings versüßen
Uns die Ruh auf weichem Pfühl.
(S. 83)


9.
"Was murmelt der Bach hier neben mir,
O sprich, kannst Du's verstehn?"
Den Kuß, den Du gegeben mir,
Hat er gewiß gesehn!

Er wirds erzählen den Blumen all'
Die blüh'n am Ufer entlang;
Er wird erzählen der Nachtigall
Die drüben im Strauche sang.
(S. 83)


10.
Es ruft der See: betrachte Dich
In meinem Spiegel so klar!
Du liebes Kind, was machte Dich
So blaß in Einem Jahr?

Es ruft der See: betrachte Dich,
Und lächle wieder so mild!
Ein Lächeln heute machte Dich
Zum schönsten Marmorbild.
(S. 84)


11.
Da ruft es: "trinke, trinke,
Mein Wasser ist so hell!"
Wir danken Deinem Winke,
Du lieber frischer Quell.

Was ist der Saft der Reben
Du Reiner, neben Dir?
Nur Du giebst neues Leben -
O gieb' es mir und ihr!
(S. 84)


12.
O schau nur, wie von ferne
Die Rosen Dich ansehn!
Mein Lieb, sie möchten gerne
Dir all' entgegen gehn.

Doch haben sie keine Schwingen,
Verzaubert steht ihr Fuß:
Die dienenden Lüfte bringen
Dir ihren Duft zum Gruß.
(S. 85)


13.
Du bist eine Blum, o schöne Frau,
Allein von welcher Familie?
Wenn ich Deinen schlanken Wuchs beschau,
So dünkst Du mir eine Lilie.
Betracht' ich der Wange, der Lippen Glühn,
So mein' ich, ich seh' eine Rose blühn;
Doch aus Deinem blauen Auge spricht
Ein Veilchen, oder Vergißmeinnicht.
Mein Herz indessen, das hat Dich erkannt
Und Dich ein Jelänger-Jelieber genannt!
(S. 85)


14.
Sieh drüben am Zaun die lose,
Duftreiche wilde Rose,
Wie flattert ihr leicht Gewand!
Wie spielt sie mit dem Winde,
Gleich einem sorglosen Kinde,
Das nie die Liebe gekannt.

Mein Lieb, und sieh daneben
Am Stock in stillem Beben
Die Purpurrose blühn!
Sie zieht sich scheu zusammen
Und birgt verschämt die Flammen,
Die tief im Kelche glühn.
(S. 86)


15.
"Uns hat gefangen genommen
Das Dickicht ganz und gar,
Der Pfad ist uns entkommen,
Der unser Führer war.

Wie ließen wir uns verblenden -
Nun schweifen wir in der Irr!
Wohin den Schritt nun wenden
In diesem Wald-Gewirr?"

Wir wandern frisch und schauen
Nur nach der Sonne hin:
Mein Lieb, laß uns vertrauen
Der großen Führerin!
(S. 86-87)


16.
O lehne doch an meine Brust
Dein liebes müdes Haupt!
Der Sonne dank ich diese Lust,
Die Dir die Kraft geraubt.

O lehne Dich an meine Brust -
Ich trage Dich in's Feld!
Der Liebe dank' ich diese Lust,
Die mir die Kraft erhält.
(S. 87)


17.
Schau, wie blitzt durch diese Tannen
Nun der Abendsonne Strahl,
Mahnend: "eh' ihr zieht von dannen,
Schaut mich an zum letzten Mal!

Muß noch manche tausend Meilen
Ferne ziehn aus diesem Wald -
Doch ihr beiden dürft nicht eilen,
Denn am Ziele seid ihr bald!"
(S. 87)


18.
Horch auf, mein Lieb, welch' heller Ton -
Es ist die Nachtigall!
Sie ist mit uns dem Wald entflohn,
Sie folgt uns überall.

Sie singt nicht mehr von Klag' und Schmerz,
Wie im vergangnen Jahr:
Mich dünkt, sie singt von Kuß und Scherz -
Mein holdes Lieb, nicht wahr?
(S. 88)


19.
O schau! schon gingen hier auf dem Feld
Die Blümlein alle zur Ruh;
Es ist, als schliefe die ganze Welt,
Als wachten nur ich und Du!

Die Welt hat, wenn die Sonne wich,
Nur Träum' und Küsse noch:
Dann wählt ein Jedes das Seine sich -
Mein Lieb, was wählen wir doch?
(S. 88)


20.
"Meinem eigenen Auge trau
Ich noch kaum - Geliebter, schau!
Ist dies nicht derselbe Pfad,
Den ich früh mit Dir betrat?"

Ja, mein Lieb, und schau einmal:
Vor uns liegt das Heimaththal!
Und der Frühling, welch' ein Glück!
Führet uns nach Haus zurück.
(S. 89)
_____



Ein Maimorgen

1.
O schau! wir setzten kaum den Fuß
Noch über des Hauses Schwelle,
Da beut uns schon seinen Morgengruß
Der Wind, der muntre Geselle.

Der kecke Gesell, der Morgenwind
Besinnt sich gar nicht lange:
Er springt aus seinem Versteck geschwind
Und küßt Dich frisch auf die Wange!
(S. 90)


2.
Mit Murmeln bittet das Bächlein Dich,
Das Dir zu Füßen quillt:
O bücke Dich, beglücke mich
Mit Deinem lieben Bild!

Schon gab der Mond das seine mir,
Die Sonne das ihre - doch
So lange fehlt das Deine mir,
Entbehr ich das schönste noch!
(S. 90-91)


3.
Mein Lieb, Du bist die Sonne nicht,
Und nicht der Mondenschein:
Am Tag nur strahlt das Sonnenlicht,
Der Mond bei Nacht allein.

Doch Du, mein Lieb', beglückest mich
Mit immer neuer Pracht,
Denn Du, mein Lieb', entzückest mich
Am Tage, wie bei Nacht!
(S. 91)


4.
Die Blätter und Blüthen flüstern
Und lispeln einander zu;
Die Vöglein blicken so lüstern -
Ein Wunder allen bist Du.

Sie hüpfen, springen und singen
In Näh' und Ferne schon:
Sie wollen sich all' erringen
Von Dir einen Blick zum Lohn.
(S. 91)


5.
O schau, wie verfolgt uns der Morgenwind!
Er stieg auf des Baumes Gipfel;
Auf neckische Schelmenstreiche sinnt
Der Lose droben im Wipfel.

Blick auf, mein Lieb, da wirft er schnell
Eine Handvoll Blüthen herunter!
Und hurtig eilt der wilde Gesell
Von dannen frisch und munter.
(S. 92)


6.
Die Blumen alle Dich grüßen:
Willkommen, o schöne Frau!
Sie legen Dir zu Füßen
Den Perlenschmuck von Thau.

Ob auch die Perlen müssen
Zerrinnen in eitel Schaum -
Sie sterben willig - sie küssen
Ja Deines Kleides Saum!
(S. 92)


7.
Horch auf! da singt die Nachtigall:
Mein Lieb, mein Lieb, wo weilst Du?
Schon blühn und glühn die Rosen all',
Warum nicht zu mir eilst Du?

So sang auch ich manches Jahr,
Doch nimmer, nimmer kamst Du!
Da holt' ich Dich - und wunderbar:
Warum die Flucht nicht nahmst Du?
(S. 93)


8.
Liebchen, sieh' die junge Rose!
Gestern war sie Knospe noch;
Endlich hat sie ihrem Loose
Willig sich ergeben doch.

Spröde widerstand sie lange,
Lange Zeit dem Sonnenstrahl -
Liebchen, ei, was färbt die Wange
Dir so roth mit einem Mal?
(S. 93)


9.
Es läuten die Maienglocken:
Die Königin ist da!
Die Rose ist erschrocken,
Als sie Dich kommen sah.

Die Rose hatte bis heute
Sich unüberwindlich geglaubt;
Du schönste aller Bräute!
Nun neigt sie Dir das Haupt.
(S. 94)


10.
Der Sonnenstrahl erhellt uns
So freundlich Flur und Hain,
Als früg' er, wie die Welt uns
Gefiel in seinem Schein?

"O Liebster, laß uns schweigen
Und ruhn im Moose hier;
Sieh drüben die Lerche steigen!
Die sagts ja besser, als wir!"
(S. 94)
_____



Ein Gang im Herbst

1.
Mein Lieb, hier stehn wir wieder
Am alten lieben Ort:
Nun schweigen die Lerchenlieder,
Nun sind die Rosen verdorrt.

Wir können's leicht verschmerzen,
Daß sie entflohn dem Thal:
Sie klingen und blühn im Herzen
Jetzund uns allzumal!
(S. 95)


2.
Nun trägst Du auf dem Haupte
Den frischen Myrthenkranz;
Der Kuß, den sonst ich raubte,
Ist nun mein eigen ganz.

Doch laß mich immer glauben,
Daß ich ihn rauben muß:
So mein' ich stets beim Rauben,
Es wär' der erste Kuß!
(S. 95-96)


3.
Die Blumen des Feldes blicken
In ihrem schlichten Kleid
Nach Dir empor und nicken
Dir zu in Traulichkeit.

Es ist, als wollten sie sagen:
Die Maid ging gern zum Wald;
Nun solls der Frau behagen
Bei uns im Felde bald!
(S. 96)


4.
Die Sonne beleuchtet die Welt so schön,
Als wollte sie scheidend uns sagen:
Betrachtet die Thäler, die Wälder, die Höhn,
So lang ihren Schmuck sie noch tragen!

Bald raubt der Winter die bunte Pracht
Und wirft seinen Schleier drüber;
Dann sink ich selber in lange Nacht
Und schreite verhüllt vorüber.
(S. 96)


5.
Wie nicken von den Bäumen
Die rothen Aepfel nun!
Sie mahnen, nicht zu säumen
Und bald sie einzuthun.

Sie scheinen uns zu fragen:
Saht Ihr Euch sorglich vor?
Habt Ihr in Wintertagen
Ein Haus mit Thür und Thor?
(S. 97)


6.
Sieh', mein Lieb', die beiden Schwalben!
Alle andern sind schon fort!
Traurig schaun sie auf die falben
Blätter, die der Herbst gedorrt.

Ob sie noch ein Obdach finden,
Eine Statt zur Winterruh?
Hätten wir doch den geschwinden
Schwalbenfittig, ich und Du!
(S. 97)


7.
Siehst Du dort im Wald die Wege,
Die wir müssen heimwärts gehn?
Sommers war im Laubgehege
Von den Pfaden Nichts zu sehn.

Drum laß auch den Herbst uns lieben
Der uns heimwärts eilen heißt,
Und, wenn alles muß zerstieben,
Selber uns die Wege weis't.
(S. 98)


8.
Am Strauch hier noch zwei Beeren,
Schau her, für Dich und mich!
Als ob sie kommen wären,
Zu trösten mich und Dich.

Mich dünkt, sie wollen sprechen:
Und blieb Euch immerdar
Ein Beerlein noch zu brechen,
So seid ihr reich fürwahr!
(S. 98)
_____



Des Bergmann's Braut

"Nun noch einmal steig' ich nieder
In den tiefen Schacht!
Liebchen! fröhlich kehr' ich wieder
Heute noch vor Nacht.
Einmal fahr' ich noch hinunter
Zu der Erze Glanz;
Bald dann komm' ich froh und munter
Auf den Hochzeitstanz."

Lächelnd nickt er noch von ferne,
Winkt ihr sein "Glückauf!"
Und es führt ihn die Laterne
Den gewohnten Lauf.
In die Tiefe steigt er nieder,
In den dunklen Schacht;
Abend wird's, er kehrt nicht wieder,
Abend wird's und Nacht.

Schweigen herrscht daheim beim Feste,
Scherz und Freude weicht,
Müßig harren alle Gäste
Und die Braut erbleicht.
Schreckenposten sind erschollen
Schaurig durch die Nacht:
"Eingesunken ist der Stollen,
Ihn begrub der Schacht!"

"Nimmer, nimmer kehrt er wieder,
Unglücksel'ge Braut!"
Und sie hört's und sinket nieder
Ohne Klagelaut.
Doch die bleichen Lippen beben,
Blutend zuckt ihr Herz;
Lange ringt mit ihrem Leben
Der gewalt'ge Schmerz.

Nun ist ihr kein Fest mehr theuer
Und kein froher Tag,
Als des Trauertages Feier,
Da der Stollen brach.
Brautgeschmücket zur Kapelle
Wallt sie jedes Jahr,
Betet an geweihter Stelle,
Myrthen in dem Haar.

Und zur Feier manches Jahres
Zog sie so hinaus,
Bis der gold'ne Schmuck des Haares
Welkte mit dem Strauß.
"Gold'ne Hochzeit wär' wohl heute!"
Klagt sie einst und wallt,
Und sie hört, wie Grabgeläute
Hoch vom Thurm erschallt.

Hin zum Gotteshause schreitet
Sie mit schwankem Gang,
Sieh, da kommt ein Sarg, geleitet
Von der Menge Drang.
"Laßt uns nun den Leib begraben
An geweihtem Ort,
Den die Erze wiedergaben
Aus der Berge dort!"

Leben ist in ihm gepaaret
Seltsam mit dem Tod;
Frisch hat Erzeshauch bewahret
Seiner Wangen Roth.
Und sie hört es, und sie schauet
In den Sarg hinein:
"Endlich werd' ich Dir getrauet
Endlich bist Du mein!"

Ruft's, und wankt und sinket nieder
An des Jünglings Bahr';
Nimmer pilgert sie nun wieder,
Myrthenzweig' im Haar. -
Abermals erscholl Geläute,
Sank ein Sarg hinab;
Und die treuste aller Bräute
Ruht bei ihm im Grab.
(S. 105-108)
_____



Soldatenliebe

Soldaten marschieren zum Thor herein,
Im Städtchen soll heut' ihr Rasttag sein.

Dem neuen Quartiere eilt jeder zu,
Zu pflegen der lang' ersehnten Ruh.

Am Ende der Straße da steht ein Haus,
Das sieht gar morsch und verödet aus.

Da schaut heraus weder Weib noch Kind -
Die Thüren und Fenster verschlossen sind.

Schnell tritt aus den Reihen ein Musketier:
"Kameraden! das ist mein alt Quartier!

Gemeiner war ich noch dazumal,
Nun soll sie mich grüßen als Corporal!"

Er pocht an die Thür mit lautem Schlag:
"Wie doch nur Alles so still sein mag!"

Da öffnet sich knarrend die morsche Thür,
Ein altes Mütterlein tritt herfür.

"Gott grüß' Euch, mein gutes Mütterlein -
Wo weilt Eure Tochter, die Liebste mein?

Was habt Ihr, daß Ihr so traurig schaut?
Sagt an, wo ist meine holde Braut?"

""Bist wacker marschiert, Du junger Soldat,
Doch kommst Du, sie zu begraben, zu spat.

Und wärst Du gekommen heut früh am Tag,
So sahst Du, wie sie auf der Bahre lag!""

Das Mütterchen sprachs und barg ihr Gesicht -
Der Krieger aber, der weinte nicht.

Auf sein Gewehr gelehnt er stand
Die ganze Nacht an der grauen Wand.

Und als der Schimmer des Morgens kam,
Er still von der Alten Abschied nahm.

"Gott tröst' Euch, trauriges Mütterlein!
Die Tochter soll Euch gegrüßet sein.

Lebt wohl! ich zieh nun hinaus in die Schlacht,
Da wird mir das Hochzeitbette gemacht.

Und trifft die Kugel, dann komm ich zu ihr
Auf immer und ewig wohl ins Quartier!"
(S. 116-117)
_____



Das seltsame Brautpaar

Im Gotteshaus am Traualtar
Da steht ein junges Liebespaar.

Der Pfarrer nimmt zur Hand sein Buch,
Und liest den heilgen Trauungsspruch.

Doch als er nun zum Schlusse kam,
Da schweigen Braut und Bräutigam.

Sie sehn einander lächelnd an
Und deuten sprachlos himmelan.

Drauf fügt der Pfarrer Hand in Hand,
Daß er vollzieh' das heilge Band.

Kein Amen sprach der Beiden Mund,
Und doch geschlossen ist der Bund.

Die Zeugen fragen nicht warum -
Denn Braut und Bräutigam sind - stumm.

Ein Aug' vom Himmel niedersah
Und las in Beider Brust das "Ja."
(S. 118)
_____



Ghaselen

1.
"Willst Du," fragte mich die Liebste, "ewig treu der Meine sein?"
Ewig, sprach ich, o Geliebte, will ich treu der Deine sein.
Mögen manche hier und dorten schöner blühen noch als Du,
Mögen ihre Angesichter gleich dem Sonnenscheine sein,
Doch auf keine will ich schauen von den fremden Sonnen all',
Immer meines Lebens Sonne sollst nur Du die Eine sein.
Mögen strahlend prangen Andre in Juwel- und Perlenglanz,
Mein Juwel und meine Perle soll Dein Herz, das reine, sein.
Mögen Andre zaubrisch glänzen Feen-gleich bei Tanz und Spiel,
Stolze Festesköniginnen prunkender Vereine sein -
Ferne bleib' ich all' dem Schimmer, gerne meid' ich all' den Reiz,
Kann ich nur mit Dir am Abend in dem stillen Haine sein,
Und Dir sagen: O Geliebte! meine Königin fürwahr
In der Liebe seligem Reiche sollst Du ganz alleine sein!
(S. 298)
_____



2.
Gleichwie im Ghasel die Reime kehren in den Zeilen wieder,
Also muß auch ich, Geliebte, immer zu Dir eilen wieder.
Denk' ich: heut' hab' ich der Liebe endlich lang' genug gepflegt -
Kaum daß ich von Dir gegangen, möcht' ich gerne weilen wieder.
Sprech' ich: nun genug gesungen hab' ich von der Liebe Lust -
Schon am nächsten Tage drängt mich's, Dir mich mitzutheilen wieder.
Mein' ich: künftig wird wohl nimmer quälen mich der Sehnsucht Schmerz -
Plötzlich brennt auf's Neu die Wunde, und Du mußt mich heilen wieder.
Ja, Geliebte! wenn uns Beide trennen sollten Land und Meer,
Dennoch müßt' ich zu Dir kehren all' die tausend Meilen wieder.
Ach, und wenn Du heimgegangen vor mir in des Lichtes Land,
Ueber dieses Lebens Gränzen würd' ich zu Dir eilen wieder!
(S. 299)
_____



3.
O, wie strahlten Deine Wangen in der Liebe Morgenroth,
Liebste, da uns aufgegangen unsrer Liebe Morgenroth!
Als ich still an Deiner Seite durch die Frühlingsauen ging,
Sah ich Wald und Fluren prangen in der Liebe Morgenroth;
Alle Blumen auf dem Felde schauten auf mit hellem Blick,
Und die Vöglein alle sangen unsrer Liebe Morgenroth.
Wie ein Nebel vor der Sonne, also schwand aus meiner Brust
Schnell das Sehnen und das Bangen vor der Liebe Morgenroth.
Können Sel'ge wohl im Himmel sel'ger sein als ich und Du,
Liebste, da wir uns umschlangen in der Liebe Morgenroth?!
(S. 300)
_____



Erster Liebesmai

1.
Als im vergangenen Jahr
Der Lenz gekommen war,
Die Blümlein blühten, die Vöglein sangen,
Da bin ich allein hinausgegangen:
Und Vogelsang und Blüthenduft,
Und Sonnenglanz und Maienluft
Ergriffen mein Herz - ich sank in's Gras
Ich fühlte, mir fehlt, ich wußte nicht was.

Doch nun zu dieser Frist
Der Lenz gekommen ist,
Nun hab' ich's glücklich ausgefunden
Was mir gefehlt in jenen Stunden: -
Und Sonnenglanz und Maienluft,
Und Vogelsang und Blüthenduft
Und endlich das Schönste: Liebchens Kuß -
Das nenn' ich mir wahren Lenzgenuß!
(S. 304)


2.
Gewünschet hab' ich einmal sehr,
Daß ich doch auch ein Blümlein wär,
Damit mir mög' vergönnet sein
Zu blühn auf frischem duftigem Rain
Bei einem andern Blümelein: -
Jetzt wünsch' ich das nicht mehr!

Gewünschet hab' ich einmal sehr,
Daß ich doch auch ein Vöglein wär,
Damit mir mög' vergönnet sein
Zu flattern in dem grünen Hain
Wohl um ein andres Vögelein: -
Jetzt wünsch' ich das nicht mehr!

Vöglein und Blümlein um mich her -
Nein, nun beneid' ich euch nicht mehr!
Seht nur, das holde Liebchen mein
Blüht schöner, als ihr Blümelein,
Ist trauter, als ihr Vögelein,
Und liebt mich auch gar sehr!
(S. 305)


3.
Ich sah zwei holde Blümelein
An einem Plätzchen stehn allein:
Eins winkte traut dem andern zu
Und schien zu fragen: Liebchen Du,
Darf ich Dich einmal küssen?

Drauf sah das andre Blümlein ich
Sein Köpfchen schütteln weigerlich,
Als wollt' es sagen: nein, o nein,
Laß mich hier stehn und blühn allein,
Du sollst mich nimmer küssen!

Da hab' ich traurend still gedacht:
Wenn's nun mein Liebchen also macht!
Wenn sie nun auch zu dieser Frist
So spröde wie das Blümlein ist,
Die ich so gern möcht' küssen!

Doch als ich wieder hingeschaut -
Kaum, daß ich meinem Blick getraut!
Da hab' ich in des Zephyrs Wehn
Die Blümlein hold sich neigen sehn
Und sich gar traulich küssen.

Da dacht' ich froh in meinem Sinn:
Nun schnell zum spröden Liebchen hin,
Ihr wird's wohl wie dem Blümlein gehn!
Und ob's geschehn, ob's nicht geschehn -
Ihr werdet's rathen müssen!
(S. 306-307)
_____



Im Walde

Im Walde sitz' ich und träume
Und denke vergang'ner Zeit;
Es flüstern die Gipfel der Bäume
Als wüßten sie um mein Leid.

Und einer sagt es dem andern,
Wie ich so traurig bin,
Und meine Klagen wandern
Durch die hohen Wipfel hin.

O, könntet ihr meine Klagen
Durch diesen Waldesraum
Mit leisem Flüstern tragen
Bis hin zum letzten Baum!

O eilt, es zu vollbringen!
Drin nistet ein Vöglein klein,
Das will meine Klagen singen
Vor Liebchens Fensterlein.
(S. 308)
_____



Eine Sterbende

Laß Deine Hand mich fassen,
Schau mir in's Angesicht!
Ich sterbe - doch verlassen
Will ich Dich, Liebste, nicht.

O, steh' nicht fern und weine,
Geliebter, tritt herzu!
Ich bleibe noch die Deine
Und mein noch bleibest Du.

An Deiner Seite schweben
Will ich den ganzen Tag;
Dir folg' ich, wie im Leben
Auch noch im Tode nach.

Allabends will ich schließen
Dein Aug' mit meiner Hand,
Und Nachts im Traum Dich grüßen
Im weißen Brautgewand.
(S. 310)
_____



Sommerabend

Mit meiner Liebsten saß ich in der Laube
Und lispelnd sagt' ich ihr, wie ich sie liebe;
Im nahen Neste girrte süß die Taube.

Die Sterne flimmten hoch am Himmelsbogen,
Der stille Vollmond war heraufgestiegen:
Glühwürmchen gaukelnd durch die Lüfte flogen.

Und unaufhörlich blinzelten die Sterne
Neugierig durch das Rosendach der Laube,
Als wüßten sie wer drinnen gar zu gerne.

Den kleinen Spähern war das Laub zu dichte;
Der helle Mondschein aber schlich sich sachte
Herein und spielt' in ihrem Angesichte.

Die Liebste aber hatte lang' geschwiegen:
Und als ich, sie zu küssen, mich wollt' neigen,
Sah ich sie schlummernd mir im Arme liegen.
(S. 311)
_____



Sieben kleine Lieder

1.
Komm o Liebchen, komm zum Garten
Komm o Liebchen, komm zum Garten!
Lange sank der Sonne Schein;
Soll ich länger einsam warten
Schlaf' ich mit den Blumen ein.

Komm o Liebchen, komm zur Laube,
Sterne sollen Wächter sein!
Unter Rosendüften, glaube,
Ruht es lieblich sich zu Zwein!
(S. 312)


2.
Nun können wir küssen und kosen
Nun können wir küssen und kosen,
Mein Liebchen, ganz ungesehn:
Ich sah die Nelken, die Rosen
Schon lange schlafen gehn.

Du darfst den Blumen am Morgen
Getrost in's Antlitz schaun:
Der Mond, sei außer Sorgen,
Wird ihnen nichts vertraun!
(S. 313)


3.
Von einer Blume, purpurroth
Von einer Blume, purpurroth,
Hab' ich dereinst vernommen;
Die brachte jedem Falter Tod,
Der ihr zu nah' gekommen.

Daß Du, daß Du die Blume seist
Erkenn' ich, hingesunken:
Ein Falter, hab' ich Dich umkreis't,
Und süßen Tod getrunken!
(S. 314)


4.
Wir haben von Liebe Nichts gewußt
Wir haben von Liebe Nichts gewußt,
So lange wir waren vereint;
Doch als wir auf immer scheiden gemußt,
Da haben wir bitter geweint.

Da sanken wir Eins an des Andern Brust
Und sagten uns schluchzend Ade:
Wir hatten's ja nimmer vorhergewußt,
Wie Scheidenden ist so weh!
(S. 315)


5.
Dein Aug' ist wie die dunkle Nacht
Dein Aug' ist wie die dunkle Nacht,
Und mein's wie Morgenschimmer;
Der Morgen immer folgt der Nacht,
Doch sie, sie flieht ihn immer.

Er fleht: o weile, süße Nacht!
Doch sie ruft: nimmer, nimmer!
Dein Aug' ist wie dunkle Nacht,
Und mein's wie Morgenschimmer.
(S. 316)


6.
Du sagst, daß stumm die Rose sei
Du sagst, daß stumm die Rose sei,
Doch ist sie stumm-beredt;
Und ging auch Mancher ihr vorbei,
Der nimmer sie versteht.

Laß immer stumm die Rose sein -
Mir ist sie stumm-beredt!
Sie singt und klingt in Melodein,
Die all' mein Herz versteht.
(S. 317)


7.
Wohl bist Du gleich dem Mondenschein
Wohl bist Du gleich dem Mondenschein
Mit seinem milden Licht;
Doch ich - soll eine Sonne sein?
O nein, ich bin es nicht!

Ein stilles Auge bin ich nur,
Das blickt empor zu Dir,
Und Du, aus Deiner Himmelsflur,
Du lächelst milde mir.
(S. 318)
_____



Wär' ich der Zephyr

Wär' ich der Zephyr,
Wüßt' ich, das glaubt mir,
Wohl was ich machte:
Schlich mich zum Liebchen
Heimlich in's Stübchen,
Sachte, ganz sachte,
Alle die Bänder,
All' die Gewänder
Fächelnd zu heben,
Ihr um den schwellenden,
Blendenden, quellenden
Busen zu schweben!
Ihr von den rosigen,
Küßlichen, kosigen,
Lieblichen Lippen
Nektar zu nippen! -
Wär' ich als Zephyr
Nächtens nun bei ihr
Und sie erwachte,
Was ich dann machte?
Blies ihr das Lämpchen aus,
Schlüpfet zur Thür hinaus
Sachte, ganz sachte,
und - lachte!
(S. 331-332)
_____



Schenkenlieder

1.
Die Schenke soll meine Wohnung sein
Vom Herbste bis zum Lenzen;
Drum schafft, Herr Wirth, eine Tonne Wein
Und ein Mägdlein zum Kredenzen.

Der rauhe Winter kann nicht herein
In dieses Hauses Grenzen:
Mag draußen stürmen es oder schnei'n,
Ich sehe den Frühling glänzen.

O Schenkin, schenk' aus dem Krug mir ein,
Den leeren laß ergänzen!
Zum Danke will ich zur Zeit des Mai'n
Dein Haar mit Blumen bekränzen.
(S. 336)


2.
Stundenschlag,
Den ganzen Tag
Will ich Deiner vergessen:
Du mein Glas,
O sei das Maaß
Meine Stunden zu messen!

Mägdelein,
Komm', schenk' mir ein
Noch ein liebliches Stündchen!
Alles leer?
So reich' mir her
Zum Ersatze Dein Mündchen!

Liebes Kind,
Wie flüchtig sind
Stunden also gemessen!
Glockenklang,
Wie jammerlang
Sind sie draußen indessen!
(S. 337)


3.
O wie brennt in der Kehle mir
Grimmigen Durstes Gluth!
O wie glüht in der Seele mir
Durstiger Liebe Muth!

Gieb den Becher zu nippen mir,
Füll' ihn bis an den Rand!
Reich' die rosigen Lippen mir,
Daß ich lösche den Brand!
(S. 338)


4.
Weil wie gestern ich noch heute
Bin dem Glase hold,
Scheltet mich, ihr klugen Leute,
Keinen Trunkenbold!

Wäre nur nicht gar so nüchtern
Eure Nüchternheit,
Blicktet ihr auch nicht so schüchtern
In die schlimme Zeit.

Weiß ich selber doch, welch' Grauen
Nüchtern mich befällt:
Augen giebt der Wein, zu schauen
Muthig in die Welt.
(S. 339)


5.
O Lieber, komm zur Schenke doch,
Zum fröhlichen Vereine!
Den alten Spruch bedenke doch:
"Die Wahrheit ist im Weine!"

Und wär' sie auch im Weine nicht,
Wo fändest Du sie heute?
O, trau' dem falschen Scheine nicht,
Dem Reden nicht der Leute!

Da gehn sie hin und bücken sich,
Und drücken sich die Hände,
Und reichen und berücken sich
Einander doch ohn' Ende.

Wenn aber hier beim Becher wir
Als frohe Zecher sitzen,
Dann lassen, freie Sprecher, wir
Der Wahrheit Waffen blitzen!
(S. 340)
_____


Aus: Gedichte von Adolf Schults
Dritte vermehrte Auflage
Iserlohn Julius Bädeker 1857
 

 



Biographie:

https://de.wikipedia.org/wiki/Adolf_Schults


 

 


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