Ernst Schulze
(1789-1817)
Psyche
ein griechisches Märchen in sieben Büchern
Angefangen im Sommer 1807
Erstes Buch
Auf Tempe's holder Flur, in einem Hain von Myrten,
Durch den sich der Penëus schlängelnd wand,
Entblühte still und unbekannt
Ein holdes Kind im Kreise frommer Hirten.
Sie hieß Psycharion; und Keiner fand
Ringsum auf Tempe's weiten Auen
Ein Mädchen, das ihr glich an Reizen und Verstand.
Sie schien mit Göttern mehr als Sterblichen verwandt;
Auch sagte mancher Hirt dem Nachbar im Vertrauen,
Daß eine Huldgöttin in süßer Schwärmerei,
In Paphos Hain, auf einem Rosenbette,
Mit einem jungen Gott sich einst vergessen hätte,
Und Psyche kurz darauf im Hain gefunden sey.
Doch, was man nun auch von ihr glaubte,
Das wußten alle, daß ihr Blick
Dem, den er traf, im Augenblick
Das Herz aus seinem Busen raubte.
So schön und noch so jung? Dann wehe ihrem Geist
Und ihrem Herzen! wird der strenge Eifrer sagen.
Verzeihe, lieber Freund. In jenen goldnen Tagen
Hielt man den goldnen Spruch, den Salomo beweist,
"Auf dieser Welt ist Alles eitel"
Für wahr und handelte danach.
Und wenn man auch vom Fuße bis zum Scheitel
So schön war wie der junge Tag,
Je nun, man grämte sich nicht drüber,
Doch, daß man so, wie jetzt, im eitlen Hochmuthsfieber
Sich aufgebläht und manchen armen Tropf
Und manchen Biedermann, nachdem man ihm den Kopf
Verdreht, mit Hohn zurückgewiesen hätte,
Davon erzählt mein Mährchen nicht.
Man kannte damals noch der Treue süße Pflicht,
In keinem Wörterbuch stand schon das Wort: Kokette;
Und wenn man's drin gesehn, ich wette,
Es wäre Närrin übersetzt.
Zwar war Psycharion schon jetzt
Geschmückt mit all den dreißig Gaben,
Die Coringer zum Schönheitskanon macht;
Doch hatte sie noch nie gedacht,
Nur eine einzige zu haben.
Sie war erst vierzehn Sommer alt,
Und Amors reizende Gewalt
Hielt noch ihr Herzchen nicht gefangen.
Sie ahnete noch nicht das schmachtende Verlangen,
Das in der Jahre Lenz die trunkne Seele füllt,
Und das nur heiße Liebe stillt.
Zwar war zuweilen schon im Traum ein holdes Bild
Vor ihrem Blick vorbeigegangen
Und hatte mit verschämtem Bangen
Ihr argwohnloses Herz gefüllt;
Doch kaum vergingen wenig Stunden,
War es aus ihrem Geist schon wiederum entschwunden.
Wohl mancher Hirt, der mehr für sie empfand
Als Freundschaft, sprach von Gluth und süßem Triebe
Und von den Tändelein, worin in Cypris Land
Im stillen Blüthenhain sich Amors Jünger üben;
Doch nie vermochte sie zu lieben,
Da sie noch nie ein Herz dem ihren gleich gekannt.
Nein, wie man Schwestern oder Brüder,
Wie Freunde man und Aeltern liebt,
So liebte sie die Hirten wieder;
Doch was der Liebe erst die schönsten Reize giebt,
Dies holde, schmachtende Verlangen,
Nur Einem Wesen anzuhangen,
Den leisen Händedruck, den halbverstohlnen Blick,
Dies gab sie ihnen nicht zurück.
So floh im süßen Rausch der holden Jugendspiele
Ihr noch ein froh durchträumtes Jahr,
Und nach und nach nahm sie veränderte Gefühle,
Die sie noch nie gekannt, in ihrem Herzen wahr.
Sie fühlte, daß sie jenen lieber
Als diesen sah, und wenn bei'm Pfänderspiel
Auf sie das Loos, den Kuß zu geben, fiel,
So stahl sich unvermerkt ihr Blick zu dem hinüber,
Der ihr vor Andern mehr gefiel.
Einst ging sie bei der Sonne Sinken
Im Myrtenwald, der ihre Hütt' umzog,
Den düftevollen Hauch der Kühlung einzutrinken.
Wo der Peneus sich im dichtsten Haine bog,
Sah sie, vom Fluß geformt, ein rundes Becken blinken,
Das eine Rosenwand im halben Kreis umzog.
Der Ort war rings so heimlich und so stille,
Die Wellen plätscherten so sanft durch's Ufer hin,
Und durch der Blätter grüne Hülle
Sang leis' und schwermuthsvoll der Haine Königin,
Der Nachtviolen Kelch ergoß die süßen Düfte,
Der Abendsonne letzter Strahl
Sah matt und zitternd noch ins dämmerliche Thal,
Und kosend flüsterten durch's zarte Laub die Lüfte.
Der Schönen schien der Ort zum Baden recht gemacht:
Ringsum des Waldes dunkle Nacht,
Und dann der kleine Teich, so glänzend wie ein Spiegel,
Vor jedem Lauscherblick versteckt
Durch rankendes Gebüsch und waldbewachsne Hügel.
Sie sieht sich sorgsam um, und als sie nichts entdeckt,
Beginnt sie scheu, mit sanften Herzensschlägen,
Das luftige Gewand erröthend abzulegen.
Schon sank der zartgewebte Flor,
Des holden Busens keusche Hülle,
Und in der reinsten Jugendfülle
Stieg sanftbewegt die Brust, der Fesseln frei, empor.
Jetzt fiel der letzte dünne Schleier,
Und wie zu Cypris sanfter Feier
Stand unverhüllt die schöne Jungfrau da,
So hold, wie einst Idalia
Der königliche Hirt auf Ida's Gipfel sah.
Sie steigt in's Bad und plätschert in den Wellen
Vergnügt umher und scherzend, und erschrickt,
Wenn an die Brust, vom Weste sanft gedrückt,
Die kleinen Wogen rauschend schnellen.
Der Schönheit Zauber schien die Dämmrung zu erhellen,
Von ihrem Anblick war rings die Natur entzückt:
Die Weste, die in Blüthenbüschen
Sanftflüsternd gaukelten, verließen ihre Lust,
Und, sie mit Kühlung zu erfrischen,
Umflatterten sie Psyche's Brust;
Der Vögel Chor erwachte auf den Zweigen
Und sang mit doppelt süßem Laut;
Ein jeder Blumenkelch, mit Perlennaß bethaut,
Schien sich vor ihrem Blick zu neigen,
Und durch das Dunkel strahlt' ein rosenfarbnes Licht.
Zwar diese Huldigung merkt' unsre Schöne nicht,
Denn Keiner hatte noch ein Mädchen so bescheiden
Und Keiner noch so argwohnlos gesehn.
Indeß begann der Mond am Himmel aufzugehn,
Und Psyche trat an's Land, sich wieder anzukleiden.
Schon hüllte faltig das Gewand
Sich um die schön geformten Glieder,
Und züchtig barg der Flor den holden Busen wieder.
Zwar manches Zephyrs lose Hand
Versucht', um noch einmal die Lüsternheit zu stillen,
Den dünnen Flor verräthrisch zu enthüllen;
Allein vergebne Müh, zu fest hielt ihn das Band.
Ihr glaubt nun, diese Badescene
Mit allen Wundern sey allein von der Natur
Aus Liebe gegen unsre Schöne
Bewirkt. Da irrt ihr sehr. Was uns auch Epikur
Von ihrer Kraft und Allmacht dichtet,
Glaubt mir's, die gute Mutter regt
Nicht Hand, nicht Fuß, wenn sie ein Stärkrer nicht bewegt.
Drum hört, wie mir das Mährchen es berichtet!
Ob's wahr sey oder nicht, das pflegt
Hier einerlei zu seyn. Matt von der Liebe Siegen
Flog Amor nach Idalia zurück.
Hoch aus den Lüften sah sein Blick
Peneus holde Ufer liegen,
Den steten Aufenthalt von ländlichen Vergnügen
Und von dem reinsten Erdenglück.
Der holde Ort reizt ihn, herabzufliegen;
Und als er sich der Erde naht,
Sieht er Psycharion sich baden.
Süßlächelnd steht sie da. Erst eben hat
Sie sich der letzten Hüll' entladen,
Und zitternd tritt ihr Fuß in's sanftbewegte Bad.
Wie anmuthsvoll ihr Wuchs! So blühten
Selbst nie die lächelnden Chariten,
So reizend war Cythere selber nicht.
Voll Unschuld war ihr Blick, die holden Wangen glühten
Von süßer, keuscher Scham; ihr reizendes Gesicht
Sah fröhlich in der Wellen Wiederscheine
Sein holdes Bild, das sich im Glanz der Wogen bricht,
Der rings die Thäler und die Haine
Mit halber Dämmerung bestreut und halbem Licht.
Des Gottes Herz zerschmilzt in zärtliches Entzücken.
So wünscht er ewig sie voll Sehnsucht anzublicken.
Er strebt nicht mehr, die Menschen zu berücken,
Er denkt an seine Macht, an seine Pfeile nicht;
Kurz, er, der kleine Bösewicht,
Sonst nur bereit, der Menschen Ruh zu morden,
War schnell zu Platons Amor jetzt geworden.
Ist das denn jener Amor nicht,
Der uns so oft um unser Herz betrüget,
Nachdem er den Verstand in süßen Schlaf gewieget,
Und dann so schnell entfliehet? spricht
Hier manches schöne Kind. Nein, jener ist es nicht;
Doch hütet euch, daß euch sein redliches Gesicht
Nicht, wie schon oft geschehn, betrüget!
Wenn jener unser Herz durch seinen Pfeil gewinnt,
Fängt dieser es durch List. Er ist ein sanftes Kind,
Das demuthsvoll zu unsern Füßen lieget,
An unserm Anschaun nur sein zärtlich Herz vergnüget,
Deß Seele schwärmend sich an unsre Seele schmieget
Und ganz in Eins mit ihr zusammenrinnt.
Doch soll er oft, wenn Ort und Stunde günstig sind,
Wenn er in einem dunklen Haine,
Wo Luna's Licht mit zauberischem Scheine
Durch dunkle Myrtenlauben blitzt,
An unsre Brust geschmieget sitzt,
Dann soll er oft sich schnell verwandeln
Und ganz so wie sein loser Bruder handeln.
Drum fliehet Amorn, welcher es auch sey!
Sie sind am Ende einerlei,
Bald weiß er so, bald so sich einzudrängen,
Er war es, der im Doctorkleide sich
In Heloisens Kammer schlich
Und dort in feinen Uebergängen
Von mönchischer Philosophie
Und trockener Theologie
Zur Liebe endlich kam. Daß Platons Amor nie
Auf unsrer Erdenwelt gewandelt haben sollte,
Das sag' ich nicht; allein, wer mit ihm tändeln wollte,
Dem müßten Grazien den zarten Sinn
Und Sokrates die strenge Tugend schenken.
Doch ruhig! wo gerath' ich hin?
Laßt zu Psycharion zurück uns wieder lenken,
Die Amor unterdeß versteckt und ungesehen
Begleitete. Rings blühn an den Gesträuchen
Jasmin und Rosen auf, und von des Aethers Höhn
Entschweben Töne, die so sanft in's Herz sich schleichen.
Die Schöne bleibt verwundert stehn
Und blickt umher, den Zauberer zu sehn,
Der solche Wunder schafft. Wie? soll sie vorwärts gehn?
Soll sie es nicht? Sie geht und kömmt an einen Rasen,
Wo, gleich Rubinen und Topasen,
Ein duftend Heer von bunten Blumen glänzt;
Rings bilden üppige Jasminen,
Mit Rosen hie und da bekränzt,
Ein Obdach, werth, zum Sitz dem Liebesgott zu dienen,
Und in des Kreises Mitte steht
Ein Wagen aus geflochtnen Myrten,
Von Rosenzweigen überweht,
Vor dem vier weiße Tauben girrten.
Wo bin ich? ruft die Schön' und bebt,
In staunendes Entzücken ganz verloren.
Hat diesen Ort ein Gott zum Wohnsitz sich erkoren?
Hat Cypris dies Gebüsch zu stiller Lust gewebt?
Und horch, aus hohen Lüften schwebt
Ein süßes Lied zu ihren Ohren,
Der Aeolsharfe gleich, wenn sie der West belebt:
Zittre nicht, du Holde! Laß kein Beben
Sich in deiner keuschen Brust erheben!
Du bist eines Gottes süße Braut.
Auf, besteige seinen Blumenwagen,
Laß dich hin in seine Reiche tragen,
Wo die Liebe dir Altäre baut!
Dort sollst du in aller Herzen thronen,
Sollst in köstlichen Palästen wohnen,
Rings umstrahlt von nie geseh'ner Pracht.
Strebe nicht, dein Schicksal zu ergründen!
Luftig wird das Glück dir sonst entschwinden,
Wie ein Traum der kurzen Sommernacht.
Die Schöne steht verzückt im Hören und im Schauen.
Was soll sie thun? Soll sie den Worten trauen?
Soll sie es nicht? Doch ach! der Stimme Flehn,
Es klingt zu süß, sie kann nicht widerstehn.
Mit Beben steigt sie in den Wagen,
Und, durch die Wolken fortgetragen,
Strebt er durch weite Räume hin.
Sanft trugen ihn die lauen Lüfte
Und hauchten um die Herrscherin
Der Blumen schönste Nektardüfte.
Allmählig senkte sich der Wagen nun herab
Und ließ Psycharion ein holdes Land erblicken,
Wie nie Armidens und Alcinens Zauberstab
Ein ähnliches erschuf, um Helden zu bestricken.
Rings schien die gütige Natur
Mit vollen Händen alle Gaben,
Die sie besaß, auf diese Flur
Mit Liebe ausgestreut zu haben:
Ein weites, grünes Thal, von sanften Höhn begränzt,
Das tausend Quellen rings durchirrten,
Erschien dem frohen Blick; dort zog von duft'gen Myrten
Sich eine Wiese hin, und vom Gebüsch umkränzt,
Wallt heimlich dort ein See und küßt mit sanften Wellen
Des Ufers blühend Grün; in wilden Wasserfällen
Stürzt hier ein Bach sich schäumend durch's Gefild,
Doch leise fließt er bald und mild,
Und Blumen wölben sich ob seinen klaren Fluthen;
Dort schützet vor des Mittags Gluthen
Den Wanderer ein stiller Felsengrund,
Vom hohen Wald umweht, wo bunt
Und duftend Ros' und Nelk' und Veilchen und Jasminen
Sich um den Preis zu streiten schienen;
Hier lockt ein dichter, dunkler Wald,
Wo Früchte sich an Früchte drängen;
Und Feld und Thal und Hain erschallt
Von wunderlieblichen Gesängen.
Doch, ach! umsonst versuch' ich, euch
Die holde Gegend zu beschreiben.
Die Schilderei kömmt nie dem wahren Urbild gleich,
Wie immer auf der Welt, denn alles Thun und Treiben
Des Menschen, der sich fühlt, ist schwaches Streben nur,
Das Ideal, das die Natur
Zum Ziel ihm stellte, zu erreichen.
Stets wandelt er auf seiner Spur;
Glaubt er es schon erreicht, sieht er es schnell entweichen,
Es winkt an einem rauhern Pfad;
Zwar Blumen schmücken stets den Weg, den es uns führet,
Doch dem sind Götter hold, der ihm so weit genaht,
Daß er des Kleides Saum ihm leise nur berühret.
Zweites Buch
Die Schöne übersah mit wonnevollen Blicke
Das holde Thal, wohin die Macht
Des Gottes sie im schnellen Flug gebracht.
Wo bin ich? ruft sie voll Entzücken,
Wer wohnt auf dieser Zauberflur?
Wer herrscht hier über die Natur,
Mit Himmelsreiz dies Thal zu schmücken?
Ist dies der Huldgöttinnen Thron?
Hat den Adonis einst Cythere hier gefunden?
Sind Lunen hier der Dämmrung holde Stunden
Einst mit Endymion im süßen Rausch entflohn?
Und sanft und lieblich, gleich wie in Olympus Hallen
Der Grazien und Musen Lieder schallen,
Entbebt den Aetherhöhn ein wonniglicher Ton:
Kalter Reif umzog hier einst die Wälder;
Ew'ger Schnee bedeckte rauh die Felder;
Oed' und traurig war hier die Natur.
Dir zu Lieb' ist Schnee und Eis entschwunden,
Eine Gottheit, die du überwunden,
Formte dir zur Wohnung diese Flur.
So sprach die Stimm' und schwieg. Der zephyrleichte Wagen
Ward itzt zu einem Schloß getragen,
Das Kunst und Reichthum schwesterlich
Zu einem wahren Göttersitze
Geformt. Doch hoffet nicht, daß ich
Hier die Gelegenheit benütze,
Wie Scudery im Alarich,
Ein Schloß euch zu erbaun, dem nie ein andres glich.
Die Kunst der Perraults und Vitruve
Ist meine Sache nicht. Darum zurück, damit
Mir die Kritik nicht in die Ohren rufe:
Steig nur, so hoch du kannst, und höher keinen Schritt.
Solch ein Palast hier in des Waldes Mitte?
Denkt Psyche und erstaunt. In diesem holden Thal
Erwartete sie wohl nur eine Schäferhütte,
Bey der ein klarer Wasserfall.
Hernieder rieselte, wo die bemoosten Wände
Des Weines grüne Reb' umwände,
Und wo der müde Gast bei'm ländlich frohen Mahl
Die Sitten Tempe's wiederfände,
Doch zürnte Psyche nicht, betrogen sich zu sehn;
Denn so getäuscht zu seyn, ist wahrlich immer schön.
Indessen hoben unsichtbare Hände
Vom Wagen sie, und sanft, von Zephyrs Arm umfaßt,
Schwebt sie bei lieblichem Gesang in den Palast:
Komm herein in deines Schlosses Hallen,
Komm herein, du süße Königin!
Laß dir unsre Dienste wohlgefallen,
Blicke mild auf unser Streben hin!
Früh, wenn sich Apollons Rosse heben,
Spät, wenn Hesperus die Flur bethaut,
Ewig wollen wir dich treu umschweben,
Komm herein, des Gottes süße Braut!
Mit der Liebe sehnendem Verlangen
Harret zärtlich der Geliebte dein.
Komm herein, ihn wonnig zu umfangen,
Seine holde Königin zu seyn.
Hörst du nicht die Myrtenkränze wehen?
Hörst du nicht der Harfen süßen Laut?
Komm herein, die Feier zu begehen!
Komm herein, des Gottes süße Braut!
So sang's. Und Harfentön' und Flöten um die Wette
Begleiteten das wollustvolle Lied.
Die Thüren öffnen sich, und Psyche sieht
In einem Saale sich, wo selbst ein Sybarit
Sein höchstes Gut gefunden hätte.
Dort bot ein sanftes Kanapee,
So weich, wie neu entkeimter Klee,
Mit koischem Geweb' umhüllet,
Den Schooß der süßen Ruhe dar.
Dort lockt' ein goldner Tisch, mit Speisen angefüllet.
Und winkte sie, so eilte unsichtbar
Ein Heer von kleinen, weichen Händen,
Das Köstlichste, das Schönste ihr zu spenden.
Rings wallt ein süßer Nektarduft;
Begleitet von der Laute holden Tönen,
Floß ein Gesang sanft schwellend durch die Luft,
Und wiegt ihr Herz in namenloses Sehnen.
Daß jetzt Psycharion, nachdem sie etwas sich
Von ihrer Fahrt erholt, des Schlosses weite Zimmer
Durchirrt, und daß ringsum hier alles königlich
Von Gold und Edelstein gestrahlt, so daß vom Schimmer
Die Augen übergehn, das wißt ihr ohne mich.
Doch jetzt verlaßt mit mir des Reichthums todte Schätze,
Und folgt mir in die lebende Natur.
Dort trifft man häufiger der Musen holde Spur,
Und Amor spannet dort die unsichtbaren Netze.
Schon öffnet sich des Gartens Lustrevier,
Und auch mit uns ist Psyche hier.
Durch Rosen und Jasminengänge
Durchirrte sie den Feenaufenthalt.
Bald führt sie schlangengleich und enge
Der Pfad durch einen dunklen Wald;
Bald schwindet das Gesträuch, und bange
Steht sie an einem Felsenhange,
Der in ein holdes Thal sich scharf hernieder streckt,
Wo mancher See, umkränzt von blühenden Gehegen,
Und mancher Bach, vom Laube halb versteckt,
Das Auge lockt. Auf rauhen Wegen
Klimmt sie herab. Ein wilder Wasserfall
Ergießt sich neben ihr in schäumenden Kaskaden
Und schlängelt hüpfend sich in blumigen Gestaden
Durch's holde Thal, wo manche Nachtigall,
Im duftigen Gesträuch verhüllet,
Mit sanfter Zärtlichkeit der Schönen Herz erfüllet.
Mit blassem Dämmerlicht sah Luna auf die Flur,
Und träufelte, voll süßer Milde,
Des Schlummers Zauber auf's Gefilde,
Und jeder leise Laut erstarb in der Natur.
Und sieh, es hebt aus dem Gebüsche,
Das bunt und zauberisch des Mondes Licht beglänzt,
Ein Tempel sich empor, von Rosen rings umkränzt.
Die Holde tritt hinein. In einer Marmornische
Steht lächelnd Cytheräens Bild,
Ein Bild, wie Miron einst und Polyklet es schufen.
Der Stein schien von der Kunst zum Leben aufgerufen;
Zu reden schien der Mund, die Augen lachten mild;
Ein banger leiser Seufzer quillt
Aus Psychens Brust, ein süßes Ahnen füllt
Ihr sanft das Herz, ihr Auge schwimmt in Thränen.
Sie scheint sich anders itzt, als sie noch eben war.
Wie ist mir? ruft sie aus. Was bebt so wunderbar
Mir durch dies Herz? Wer schafft dies süße Sehnen?
Wer singt vom ew'gen Glück in leisen Zaubertönen
Mir in die Brust den ach! so holden Wahn?
Hast du dies Wunder, Göttliche, gethan?
O sey dem Opfer hold, das Freud' und Dank dir spenden.
Sie eilt hinaus, nimmt von des Tempels Wänden
Der Kränze schönsten, naht mit schüchternem Gesicht
Der Göttin sich, legt ihn mit bangen Händen
Auf den Altar, sinkt auf die Knie, und spricht:
O nimm sie an, die kleine Gabe!
Ich opfre sie mit reinem Sinn,
Ich opfre alles, was ich habe,
Und gebe mich dir ganz dahin.
Du hast mein Wesen umgestaltet,
Des Lebens holder Mai beginnt.
Nimm an, du, die so gütig waltet,
Des jungen Lenzes schönstes Kind!
Kaum war der Kranz geweiht, so werden rings die Hallen
Mit lieblichem Gedüft erfüllt.
Ein schönrer Glanz umfließt der Göttin holdes Bild,
Und Harfentön' und süße Lieder schallen:
Das erste Opfer hast du jetzt gebracht,
Du hast dich ganz Cytheren hingegeben.
O folge stets der süßen Triebe Macht!
Geliebtseyn nur und Lieben sey dein Leben!
So sang's. Und sanft, wie wenn ein leiser West
Ein Rosenblatt, das von des Sommers Schwüle
Schon halb vertrocknet war, ergreift, und in die Kühle
Des klaren Quells es fallen läßt,
Um neues Leben ihm zu spenden,
So ward Psycharion von kleinen weichen Händen
Zu Amors Heiligthum gebracht.
Die schönste Grotte war's, wo eine kleine Quelle
Dem Marmorkrug entsprang. Rings herrschte dunkle Nacht;
Nur stahl zuweilen sich des Mondes sanfte Helle
Durch's duftende Gebüsch. Ein Lager, sanft und kühl,
Zwar nur von Myrtenlaub, doch von den Amoretten
So weich gestreut, wie Eiderbetten,
Empfing die holde Braut. Ein seliges Gefühl,
Wie in Elysiums Blumengründen
Die frommen Seelen es empfinden,
Durchzuckte sie. Ein süßes Ahnungswehen
Flog durch ihr Herz, das hier zu finden,
Was sie bisher in Träumen nur gesehn.
Und plötzlich, horch! ein leises Säuseln
Schlich durch der Grotte Dunkelheit,
So wie sich sanft des Baches Wellen kräuseln,
Wenn in des Haines Einsamkeit
Sich eine Huldgöttin in kühle Fluthen tauchet.
Es nahet sich, und leise hauchet
Ein unsichtbarer Mund, gleich einer Melodie,
Die bald sich schwellend hebt, bald sanft in Luft verhallet,
So süße Worte aus, wie selbst Cythere nie
Zu ihrem Liebling sprach. Der Schönen Busen wallet
Von süßer Angst, von nie empfund'ner Lust.
Was schadet es, ihm zuzuhören?
Zu grausam wär' es doch, das Reden ihm zu wehren.
Doch halt, das ist zu kühn! Von ihrer holden Brust
Sucht eine weiche Hand den Schleier wegzuziehen,
Und tausend heiße Küsse glühen
Auf Busen, Mund und Hand. Sie hebt
Sich schnell vom Lager auf, um zu entfliehen;
Doch eine Stimme, die ihr Inneres durchbebt,
Hält sie zurück: Du willst entfliehen?
O du, für die allein nur meine Seele lebt?
Verweile noch! bei jenen Zauberstrahlen,
Womit Selenens Blick zur Erde niederschaut,
Bei jenem Rosenkelch, von Perlennaß bethaut,
Bei jenen Blumen, die im klaren Quell sich malen,
Beschwör' ich dich, verweile, süße Braut!
Wer hätt' es Psychen nicht verziehen,
Daß sie gefesselt ward durch dieses Schwurs Gewicht?
Und dennoch mußte sie entfliehen,
Ruft manche Prüde hier. O laßt zu streng uns nicht,
Nein, laßt uns Menschen menschlich richten.
Setzt euch nur selbst in Psychens Fall hinein.
Denkt in die Grotte euch, vom dichten
Gebüsche rings versteckt, von Luna's Zauberschein
Mit jener Dämmerung umgossen,
Die, ach! so leicht das Herz zur Zärtlichkeit bewegt;
Denkt eure Sinnlichkeit von Wundern aufgeregt,
Von Götterduft berauscht, euch an die Brust geschlossen
Von einem Wesen, das so süße Worte spricht,
Und dann, versteckt die Wahrheit nicht,
Sprecht, hättet ihr euch losgewunden?
Kurz Psyche blieb. Sie kam, die seligste der Stunden,
Der Schönen holdes Auge bricht
In süßer Lust. Mit heißen Armen
Umfaßt er sie; an ihrer warmen,
Hochangeschwellten Brust fühlt sie die seine glühn.
Ach! sie versucht nicht mehr zu fliehn,
Sie kämpft nur noch mit matten Bitten.
Ihr schwindet und ihm mehrt sich stets der Muth;
Sie weicht, sie sinkt, es mischt sich Gluth in Gluth,
Und die Natur hat ihren Sieg erstritten.
Betäubt vom wonnigen Genuß,
Sank in des Siegers Arm die Schöne.
Ein süßes Schmachten folgt. Nur leise Liebestöne
Und mancher sanft geraubte Kuß
Verkünden ihre Lust. Wie eine reine Quelle
Vom Felsenhang sich schäumend niedergießt,
Doch plötzlich wieder sanft durch ihre Ufer fließt
Und nur zuweilen noch aufhüpfend mit der Welle
Des Randes Blumen netzt, so schmolz der Wonne Glühn
In süße Ruh'. O welche Seligkeiten
Empfand Psycharion! Ein neues Leben schien
Sich reizend vor ihr auszubreiten,
Ein schönres Leben, wo ein ew'ges Frühlingsgrün
Der Seele lacht, wo in dem Strom der Zeiten
Die Jahre wohl, doch nie die Freuden fliehn,
Wo nie der heitre Aether trübe
Und nie die Flur verödet ist,
Wo man so schnell das Leid, doch nie die Lust vergißt,
Das Leben der beglückten Liebe.
Zwar sah Psycharion im Schooße der Natur
Auch manche Freuden schon entsprießen;
Doch solche Freuden, die man nur
In seinem Innern zu genießen,
An fremder Brust nicht zu ergießen
Vermag, wie arm sind sie! Zwar schön war Tempe's Flur,
Allein das Volk, das sie bewohnte,
Glich den Nomaden noch; noch thronte
Dort nicht der Sittlichkeit verfeinerte Kultur,
Durch die sich Lieb' und Lust zur Göttlichkeit erhöhen.
Noch hatte keiner dort den blühenden Apoll
Durch Hain und Thal der Heerde folgen sehen;
Noch rührte Orpheus nicht, vom Geist der Gottheit voll,
Der Rohen Herz durch süßer Töne Wehen;
Noch sah man nicht der Huldgöttinnen Spur
An des Penëus blumigten Gestaden.
Der launenvolle Pan strich einsam durch die Flur,
Und Demeter, mit goldner Frucht beladen,
Regiert' allein die gütige Natur.
Wie können solche Götter bilden?
Zwar Ceres schließt der Sterblichen Verein;
Doch was gefühlvoll sie und fein
Und liebenswürdig macht, was sie mit milden
Und holden Sitten schmückt, zu Menschen schafft aus Wilden,
Das geben Musen nur und Grazien allein.
Psycharion war ein zu feines Wesen,
Als daß durch solch ein Volk, so viel
Des Schönen wir von ihm auch im Guarini lesen,
Ihr Herz befriedigt sey. Jetzt hatte sie das Ziel
Von ihrem Wünschen, ihrem Hoffen,
Von alle dem, was einst die jugendliche Brust
Geahnet und gesucht, getroffen.
Wie schmiegte sie sich nicht im süßen Rausch der Lust
An ihres Gatten Herz und sprach in Schmeicheltönen
Der holden Liebeständelei,
Was die entzückte Schwärmerei
Und ihrer Brust erfülltes Sehnen
In's Herz ihr gab, doch was, wär' er von den Kamönen
Auch selbst erzogen und zum Liebling auserwählt,
Kein Dichter wieder euch erzählt.
Soll ich nicht dein süßes Bild erkennen?
Soll ich dich nicht bei deinem Namen nennen?
Laß die Hülle, die dich mir entzieht!
Halb ist nur der Liebenden Entzücken,
Wenn nicht wechselnd aus den trunknen Blicken
Seligkeit durch beider Seele glüht.
So sprach Psycharion, von Sehnsucht hingerissen,
Indem sie zärtlich ihn umschlang.
Doch plötzlich fühlte sie bei ihrem heißen Küssen
Des Gatten Augenpaar von Thränen überfließen.
Ein schwerer, leiser Seufzer drang
Aus seiner Brust, und sanft sprach er und bang:
Forsche nicht! Nur in der Dämmrung Feier
Oeffnet sich der Nachtviole Schooß;
Hebt der Tag den zauberischen Schleier,
Steht sie düfteleer und anmuthlos.
Froh sehn wir die Schmetterlinge fliegen,
Mit der Farben buntem Glanz geziert,
Aber schnell entschwindet das Vergnügen,
Wenn ein rauher Finger sie berührt.
Psycharion vernahm mit Zagen
Das Wort. So schau' ich nie dein lächelndes Gesicht,
Nie deiner Züge Reiz, der Augen holdes Licht?
Ach, mag ein andres Herz es tragen,
Die arme Psyche trägt es nicht!
So hallte lange noch von ihren leisen Klagen
Die dunkle Nacht, bis endlich sanft und süß
Der Schlaf die Flügel ausgebreitet,
Und, von der Träume Schaar im frohen Tanz begleitet,
Auf ihre Wimpern sich voll Milde niederließ.
Drittes Buch
Der Morgen kam, die leichtbeschwingten Stunden
Eröffneten Aurora's gold'nes Thor,
Und rings entschwand der Dämmrung düstrer Flor.
Psycharion, des Schlummers Arm entwunden,
Sah hocherröthend rings umher,
Den Gatten zu erspähn; doch ach! der Platz war leer,
Wo er geruht. So ist er doch entschwunden?
So seufzte sie betrübt, und ihres Gatten Wort
Fiel drückend ihr auf's Herz. Doch tausend frohe Spiele
Verscheuchten bald die düsteren Gefühle,
Und jagten schnell den Gram aus ihrem Busen fort.
Von Harfen und Flöten begleitet,
Reizt bald ein lieblicher Chor
Ihr fröhlich lauschendes Ohr;
Im bunten Nachen gleitet
Sie bald auf silberner Fluth,
Wo Myrten und Rosenhecken
Sie duftend vor der Gluth
Der brennenden Sonne verstecken,
Wo sanft balsamisch und kühl
Sich scherzende Zephyretten
Auf ihrem Busen betten,
Und rings im frohen Gewühl
Sich Nymphen und Najaden
Im klaren Gewässer baden.
Bald tanzt ein fröhlicher Chor
Von Faunen und muntern Mänaden
Aus nahen Gesträuchen hervor.
Sie wirbeln und drehen und winden
Sich scherzend im schwebenden Reihn,
Bis sie allmählig im Hain
Und in die Grotten entschwinden.
So floh Psycharion der Tag.
Als es nun kühler ward, und rings die Schatten
Der Haine sich verlängert hatten,
Ging sie, im Traum versenkt, dem Lauf der Quelle nach.
Erst blühten Wiesen rings, doch bald verlor der Bach
In düstern Wäldern sich, die nie der Sonne Schimmer
Mit heitrer Luft erhellt. Die Schöne tritt hinein.
Bald hemmt umranketes Gestein
Den wüsten Pfad, bald irrt durch öde Trümmer
Der müde Fuß. Und sieh! es gähnet eine Kluft
Sie plötzlich an, umgraut von dunklen Thränenweiden.
Sie kehrt sich ab, den wilden Ort zu meiden;
Doch ein geheimer Zauber ruft
Sie unbezwinglich hin. Vergebens wehen
Sanft warnend Stimmen aus der Luft
Ihr zu: laß ab, hinein zu gehen!
Mit eigner Hand störst du dein süßes Glück!
Doch ach, umsonst! Ein feindliches Geschick
Zwingt die Unglückliche; sie kann nicht widerstehen.
Sie tritt hinein. Von düsterm Zwielicht war
Die Grott' erfüllt. Es schwebten wunderbar
Ringsum unkenntliche Gestalten,
Die bald in Nebelhauch verwallten,
Bald wieder aus dem trüben Duft
Zu neu gebildeten Phantomen sich entfalten.
Ein blasses Licht durchschimmerte die Luft,
Das rastlos hier und dorthin irrte
Und wechselnd jeden Gegenstand
In ein unkenntliches Gemisch dem Blick verwirrte.
Im dunkeln Hintergrunde stand,
Umkettet rings von bunten Schlangen,
Ein weißgeformtes Marmorbild
Mit ungewissem Blick und eingefallnen Wangen:
Die Haare starrten, fürchterlich
Mit Nattern untermischt. In seinen Händen strahlte
Ein glänzender Krystall, worin dem Blicke sich
In steter Wechselung ein wildes Chaos malte,
Wo Wahrheit dem Betrug, Betrug der Wahrheit glich.
Bald zeigte sich in holder Schöne
Ein anmuthstrahlendes Gesicht
Mit einer Glorie von sanftem Rosenlicht,
Doch bald entfloh die milde Scene,
Der holde Zauberglanz entschwand,
Und schrecklich, hundertköpfig wand
Ein Ungeheuer sich durch düstre, leere Räume.
So kamen und entflohn, mit sich im ew'gen Streit,
Die eitlen Phantasien, wie in der Dunkelheit
Der Nacht das Volk der luft'gen Träume
Die Sterblichen durch steten Wechsel neckt,
Bald durch ein holdes Bild der Sehnsucht Gluth entzündet,
Bald mit Phantomen sie und Feuerdrachen schreckt,
Bis Beides schnell in eitle Luft entschwindet.
Die düstre Zweifelsucht, von Furien gezeugt,
Sie war's, die diese Kluft zum Wohnsitz sich erkoren,
Sie, deren gift'gem Hauch der Scherz und Frohsinn weicht,
Sie, welche Freuden, die das Glück uns kaum geboren,
Mit ihren grausen Schwingen scheucht.
Sie fürchteten die fernsten Nationen
Und huldigten der Göttin Macht;
Aus niedern Hütten ward und von erhabnen Thronen
Manch traurig Opfer ihr gebracht.
Nicht Freuden schuf sie, nichts als Schmerzen,
Denn jedem, der ihr nahte, ließ
Sie in den Spiegel schaun, und mit verwelktem Herzen
Kehrt' er zurück. Selbst dieses Paradies,
Wo Amors mächt'ger Wink regierte,
Blieb nicht von ihr verschont, denn von dem Unglücksort,
Wohin einmal des Schicksals Macht sie führte,
Trieb sie kein Gott, selbst Zeus nicht fort.
Zwar hatte Cypris Sohn mit tausend Amorinen
Die Kluft umringt; der Gott, dem süße Träume dienen,
Und Himeros und Pothos wachten dort.
Doch ach! wie konnten sie der Starken widerstehen,
Die den Gebieter selbst der Götterwelt besiegt?
Auch Psychen zwang ihr Wink, in den Krystall zu sehen,
Und sanft in Träume eingewiegt,
Erblickte sie sich ohne Schleier
Auf ihrem Bett; doch ach! an ihrer Seite liegt
Ein fürchterliches Ungeheuer,
So grausend, als es je der Menschen Furcht erfand.
Des Löwen glich sein Haupt, mit Zähnen war der Rachen
Dreifach verzäunt, und hinten wand
In schnellen Kreisen sich der Schweif des größten Drachen.
Schon naht sein Schlund der holden Schläferin,
Die Zunge lechzt, ihr Blut zu trinken;
Laut schreiet Psyche auf, die starren Kniee sinken,
Und halb entseelt stürzt sie zu Boden hin.
Wie aufgeschreckt aus düstern Phantasien,
Fuhr endlich Psyche auf. Das gräßliche Gesicht
Schwebt noch vor ihrem Blick. Wohin soll ich entfliehen?
Ihr Götter, o verlaßt die arme Psyche nicht!
Ruft sie verzweiflungsvoll. Doch nach und nach verfliegen
Des Traumes Bilder ihr, und vor der Grotte fand
Sie sich auf weichem Rasen liegen.
O welch ein Kummer übermannt
Die Arme jetzt! Von welchen goldnen Höhen
War sie herabgestürzt! Ein wilder Streit entstand
In ihrer wunden Brust. Bald wehen
Mitleid'ge Genien ihr Hoffnungsbilder zu;
Doch ach! wie leerer Schaum vergehen
Sie bald. Unglückliche! so ruft sie, mußtest du
Deshalb der Lieben Kreis, die jugendlichen Freuden,
Der Kindheit argwohnslose Ruh,
Der Aeltern süße Küsse meiden,
Um ohne Grab, von keinem Freund,
Von keinen blühenden Gespielinnen beweint,
So früh des Orcus Pfad zu gehen!
Doch warum folgtest du dem heuchlerischen Flehen,
Dem falschen Schein, der ach! so oft betrügt?
Unglückliche, du liebtest die Gefühle,
Womit ein loser Gott dein schwaches Herz besiegt.
Du freutest dich der süßen Liebesspiele,
Des holden Traums, der ach! so schnell verfliegt,
Und findest jetzt, bei'm traurigen Erwachen,
Den Tod in eines Unholds Rachen.
Doch nein, sie sind nicht wahr, die eitlen Luftgebilde,
Sie sind Betrug, von Furien erdacht.
Er, der in jener süßen Nacht
So zärtlich dich umfing, er, der so milde,
So holde Worte sprach, er sollt' ein Unhold seyn?
So schlau kann sich die Tücke nicht verstecken,
Solch eine Gluth kein Ungeheuer wecken.
Frag' ich mein Herz, so spricht es zärtlich: Nein!
So dachte Psyche. Doch nicht lange
Blieb dieser süße Wahn. Gleich einer bösen Schlange,
Die, wenn wir schaudernd fliehn, sich schlau in's Gras verbirgt,
Und, wenn wir uns dem Untergange
Entflohn schon glauben, rasch hervorspringt und uns würgt:
So nahte, wenn sich kaum der wonnigliche Glaube
Von des Geliebten Treu' in ihren Busen schlich,
Des Traums Erinnerung der Seele fürchterlich,
Und gab das arme Herz dem düstern Gram zum Raube.
Nein! ruft sie rasch, und Muth durchzucket ihren Geist,
Ich kann ihn länger nicht ertragen,
Den Kampf von Lieb' und Haß, der meine Brust zerreißt.
Mit kühnen Händen will ich's wagen,
Die wilden Zweifel zu verjagen,
Und sterben oder glücklich seyn.
Entschlossen eilte sie, als schon des Mondes Schein
Am Horizont sich zeigte, durch den Hain
Zum Hochzeitlager und versteckte
Bei'm Bett ein Lämpchen, matt genährt;
Und kühn, mit einem Dolch bewehrt,
Bestieg sie jetzt die sanften Kissen.
Und der Geliebte kam. Mit zephyrleichten Füßen
Schlich er durch's Dämmerlicht der Nacht.
Er fragt mit leisem Ton, ob seine Psyche wacht,
Und eh sie reden kann, ist er schon liebetrunken
An ihren Busen hingesunken.
O süße Macht der Liebenswürdigkeit,
Der Huldgöttinnen schönste Gabe,
Durch welche Ninon noch, so nah dem späten Grabe,
Beglückter Liebe sich gefreut,
Mit welcher Macht gebietest du den Herzen!
Auch Psyche, bei dem süßen Scherzen
Der wonniglichen Zärtlichkeit,
Vergaß der Zweifel bange Schmerzen,
Und fast schon hatte sie's bereut,
Daß sie dem Argwohn Raum gegeben.
Doch als der Rausch der Wonne schwand,
Und ihr des Athems leises Beben
Des Gatten Schlaf verhieß, da fand
Des Zweifels düstrer Geist, den sie noch kaum verbannt,
In ihrem Busen neues Leben.
Halb zagend, halb entschlossen, wand
Sie sich aus des Geliebten Armen.
Ihr Schutzgeist ruft umsonst: Halt ein! o hab' Erbarmen
Mit deinem eignen Glück! Vergebens; ihre Hand
Hält schon die Lamp' empor, und von des Lichtes Strahlen
Wird rings die dunkle Grott' erfüllt.
Du Meister in der Kunst zu malen,
Du, dessen Blicken sich die Grazien enthüllt,
O Wieland, male jetzt des Liebesgottes Bild!
Ein Tröpfchen nur aus jener Feenquelle
Der zauberischen Phantasie,
Die mild dir die Natur zum Eigenthum verlieh,
Nur Einen Ton der süßen Harmonie,
Mit der dein Vers, gleich einer sanften Welle,
Die leise murmelnd durch das blühnde Ufer schlüpft,
Im grazienhaften Tanz dem Ohr vorüberhüpft,
Nur einen kleinen Theil von diesen Göttergaben
Verleihe mir zu Amors Bild!
Mein Blick wird hell, die Musen haben
Des Herzens heißen Wunsch erfüllt,
Der Vorhang reißt, der mir die Götterwelt verhüllt.
Ich sah ihn ruhn, nicht jenen losen Knaben,
Der seinen Muth so gern an fremden Leiden stillt,
Nein, einen Jüngling, hold und mild,
Antinous an Kraft und Ganymeden
An blühnden Reizen gleich, so daß in mancher Nacht
Die keusche Luna selbst, die Königin der Spröden,
Statt zu Endymion, zu ihm sich hingedacht,
Und oft die Küsse nun bereute,
Die sie dem ew'gen Schläfer weihte.
Wie reizend lag er da! Ein süßes Lächeln floß
Um seinen kleinen Mund. Der Wangen Reiz erhöhte
Aurorens milde Purpurröthe.
Ein weiches Goldgekräusel goß
In sanften Wellen sich auf seine Brust hernieder,
Und aus den zarten Schultern sproß
Ein sammtnes farbiges Gefieder.
Rings schmiegte sich um seine holden Glieder
Ein unnennbarer Reiz, aus sanfter Schüchternheit
Und kühner Lust gewebt, woraus die Charitinnen
Der Liebesgöttin Gürtel spinnen.
Wie süß er schläft, wie sanft in sich hineingeschmiegt,
Als wär' er zauberisch vom Lied der Nachtigallen
In leisen Schlummer eingewiegt!
Wie klopft sein Herz! wie seine Pulse wallen,
Beschwingt vom schönsten Traum, der seine Stirn umfliegt!
Sieh her, Psycharion, ist das das Ungeheuer,
Das deine Phantasie so schrecklich dir gemalt?
Du schweigst erstaunt? In deinen Blicken strahlt
Der heißen Liebe zitternd Feuer;
Dein Aug' ist reuevoll zur Erde hingewandt;
Du bebst; es zittert in der Hand
Die Lampe dir, mit Rosenöl getränket.
O stör' ihn nicht, den süßen Traum der Lust,
Der seinen Geist umschwebt! Umsonst; ein Tropfen senket
Sich brennend auf die zarte Brust -
Und er erwacht.
Wie einem Menschen ist, den mit den schönsten Träumen
Ein Gott beschenkt, wo hold der Liebe Blick ihm lacht,
Wo rasch die Freuden fliehn und rascher wieder keimen,
Und nie das Uebermaaß die Lust ihn hassen macht;
Wie diesem ist, wenn er erwacht,
Und jetzt nun in die dürre Wüste
Der Wirklichkeit versetzt sich sieht:
So ward Psycharion. Der Genius entflieht,
Der sonst ihr äußres Glück durch innre Ruh versüßte,
Und wenn sie auch die That mit ihrem Leben büßte,
Nichts hält den Fliehenden zurück.
Mit trübem, kummerschweren Blick,
Nicht voll von Zorn, nein, voll von Zähren,
Sieht Cypris Sohn sie an. So muß ich dir entfliehn?
Ach! sollte denn das Glück nur wenig Stunden währen,
Das mir in deinem Arm Aeonen würdig schien?
O meine süße Braut! Betrogene Geliebte!
So lebe wohl! Das Schicksal ruft - ich muß -
So lebe wohl! Nimm diesen letzten Kuß
Und hasse nie den, der dich nie betrübte!
So ruft er weinend aus, naht sich mit leisem Flug,
Küßt sie auf Stirn und Mund, und sieh, mit leisem Wehen
Naht' eine Wolke sich und trug
Den Gott empor zu lichten, goldnen Höhen.
Als kaum der Liebesgott entschwand,
Verbargen jammervoll die Nymphen und Najaden
In düstre Klüfte sich, hoch braust an den Gestaden
Der Bäche Fluth empor und überschwemmt das Land,
Schnell flieht der Vögel Chor die duftigen Gesträuche,
Es welkt der Wiesen frisches Grün,
Und Hain und Flur und Thal verblühn,
Und mit der Erde Schmuck entfliehn
Die Brüder Amors schnell in Cytheräens Reiche.
Viertes Buch
Doch jetzt, ihr Freunde, setzt mit mir
Euch in den zauberischen Wagen
Der Phantasie! und laßt euch hin nach Cypern tragen.
Seht, in die Lüfte schweben wir
Schon hoch hinauf. In grauer Tiefe ragen
Der alten Troja Thürm' empor.
Jetzt flieht das Land. Hört, wie an euer Ohr
Der Wogen dumpfe Donner schlagen!
O zittert nicht! Seht ihr den holden Götterort?
Der Wagen sinkt, wir stehn in Cytheräens Lande.
Seht ihr die Göttin, wie sie dort
Im losen, flatternden Gewande
Auf jenem Throne sitzt? Voll Kummer ist ihr Blick,
Und unbekränzt und ordnungslos umfließen
Die Locken Hals und Brust; gebeugt zu ihren Füßen
Liegt der Chariten Chor, entflohn ist alles Glück
Von Paphos goldner Flur, die zarten Amoretten
Sehn freudenlos sich an, kein süßes Lied erschallt,
Oed' ist es auf der Flur und öd' im duft'gen Wald;
Gefesselt an des Grames Ketten
Liegt alle Lieb' und Lust. Was ist es für ein Schmerz,
Der Cypris trauern macht, der Freud' und heitern Scherz
Von des Vergnügens Flur verscheuchet?
Und Alles senkt den Blick, und jede Wang' erbleichet,
Und Alles ruft: Wir klagen Cypris Sohn;
Der Gott der Lieb' ist uns entflohn!
Schon mancher Tag war jetzt entschwunden,
Seit Amor Cypria verließ.
Ach! in der Liebe Paradies,
Im süßen Rausch der holden Schäferstunden,
Wie konnt' auch ein Gedanke nur
An seines Reiches goldne Flur,
An seiner Mutter Angst, an der Chariten Schmerzen
In seiner Brust entstehn? Er, der so viele Herzen
Mit seinem bittern Pfeil besiegt,
Der stolze Gott, er unterliegt
Dem eigenen Geschoß; und als sein Glück entfliegt,
Als Psyche ihn verräth, kann er den Gram nicht tragen,
Er flieht und birgt betrübt sich in die tiefste Kluft
Des Kaukasus, und seine lauten Klagen
Verhallen fruchtlos in der Luft.
Ein Freund der fliehenden Najaden,
Der gern, wenn unbesorgt sich holde Nymphen baden,
In dichtem Laube sich versteckt
Und lüstern seinen Hals durch die Gebüsche reckt,
Ein Faun, der grad' ein Mädchen jagte,
Das ihm entfloh, kam in die Einsamkeit,
Wo Cypris Sohn, dem Grame nur geweiht,
Sein schmerzliches Geschick beklagte.
Das Faunenvolk lauscht gar zu gern;
Drum birgt auch dieser sich nicht fern
Vom Orte, wo die Tön' erschallen,
In ein Gebüsch und horchet lauschend zu.
Wo bist du hin, du holde Ruh,
Rief Amor weinend aus, die in den Myrtenhallen
Von Paphos mich beglückt? Wo bist du, heitrer Sinn,
Der mich so oft im Hain der Nachtigallen,
Wenn ich mit einer Huldgöttin
Auf jungen Blumen saß, belebte?
Ach Psyche, süße Braut, mit dir, mit dir entschwebte
Mir jede Lust und jedes Glück!
Und ehe dich mir das Geschick
Nicht wiedergiebt, kehr' ich nach Paphos nicht zurück
Und nicht zum Göttersaal. Bei'm Styx sey es geschworen!
Der Satyr wackelt mit den Ohren,
Als er das Wort vernimmt. Da ist er ja, der Sohn,
Denkt er, den Cypria verloren.
Die Nachricht bringet mir ein gutes Botenlohn,
Ein Küßchen oder zwei. Nur nicht zu sehr gezaudert!
Denn Ohren hat der Wald, und Ohren hat die Flur.
Leicht könnt' es seyn, daß, eh' ich Armer nur
Cytherens Land erreicht, ein Andrer schon geplaudert.
So spricht er und enteilt, und nach zwei Stunden schon -
Die Götter reisen schnell - ist er vor Cypris Thron.
O Göttin, die du oft, wenn Amor dir entlaufen,
So sprach der Faun, die frohe Nachricht dir
Von seinem Aufenthalt mit Küssen zu erkaufen
Versprochen hast, was giebst du mir
Für meine tröstungsvolle Kunde?
Zwei Küßchen nur und noch ein drittes in den Kauf
Für meiner Füße schnellen Lauf
Zur Stärkung von dem Rosenmunde!
Du siehst, daß fast der Athem mir gebricht.
Was thut die Mutterliebe nicht!
Auch Cypris, welcher sonst ein Küßchen zu verdienen
Kaum einer schön genug von allen Göttern war,
Sie reichte jetzt mit holden Mienen
Dem Faun die Rosenlippen dar;
Und der erzählt, halb taumelnd vor Entzücken,
Was er gehört. Doch wie erstaunt er nicht,
Als mit des Unmuths düstern Blicken
Die Liebesgöttin zürnend spricht:
Deswegen flieht er mich, der stolze, eitle Knabe?
Um eine Sterbliche verläßt er Paphos Hain,
Verläßt er mich, die ich im Schooß gewiegt ihn habe,
Und meiner Huldgöttinnen Reihn?
Um eine Sterbliche, die kaum ein Tausendtheilchen
Der niedrigsten von meinen Nymphen gleicht?
Fällt ihm Cytherens Zorn so leicht?
Es ginge noch, wär's nur ein kurzes Weilchen,
Doch treu zu seyn! O Amor, schäme dich!
Wo ist das Mädchen, welches mich
Und meine Nymphen so beleidigt?
Wir wollen sie doch sehn. Sucht sie und bringt sie her!
Weh' ihr, wenn sie sich nicht, so wie ich will, vertheidigt!
Sie fühle dann, der Götter Zorn sey schwer!
Nein, solcher Rachsucht ist Cythere,
Die Lächelnde, nicht fähig, spricht
Wohl mancher Hörer hier. O traut dem Scheine nicht!
Verletzt das sanfteste Geschöpf an seiner Ehre,
An seiner Eitelkeit, schnell wird es zur Megäre.
Die Eitelkeit regiert die Welt:
Sie macht aus Frommen Bösewichter,
Sie schafft Minister, Fürsten, Dichter,
Und ehe sie den Busen ihm geschwellt,
Ward mancher ernste Sittenrichter
Oft als ein Schelm und Dieb am Pranger ausgestellt.
Indeß Cythere nun in die entferntsten Lande
Berschlagne Boten schickt, die Feindin zu erspähn,
Irrt diese in dem dürren Sande
Der Wüst' umher. Rings war kein Baum zu sehn,
Kein kühler Quell, die Lippen zu erfrischen,
Kein Beerchen an den Dornenbüschen
Bot sich zur kargen Labung dar.
Ach, wie so ganz verschieden war
Das Jetzt vom Jüngst, da sie an Göttertischen
Ambrosia gespeist, und sanft von zauberischen
Gesängen eingelullt, auf Rosenbetten schlief!
O arme, arme Psyche! rief
Sie weinend aus, so sollst du hier vergehen,
Und nie der Heimath trauten Hain,
Nie deine Aeltern wiedersehen?
O fänd' ich einen Fluß, ich stürzte mich hinein;
Doch ach, zu schrecklich ist des Schmachtens lange Pein!
Indem sich so ihr Schmerz in lauter Klag' ergießet,
Hört sie ein Rieseln, silberrein,
Wie wenn durch Klippen und Gestein
Ein rascher Quell herniederfließet.
Sie eilt dem holden Tone nach,
Sie naht, und denkt euch ihr Entzücken,
Ein tiefer, wilder Felsenbach
Wälzt sich mit rascher Fluth vor ihren frohen Blicken.
O süßer Tod, ruft sie erfreut,
O süßer Tod, so darf ich dich umarmen!
Du schaust mich an, mit Blicken voll Erbarmen;
Der Fackel Gluth erlischt, und mit ihr alles Leid.
Sie ruft's, und will herab sich stürzen,
Doch eine starke Hand hält plötzlich sie zurück.
Sie steht erstaunt. Vor ihrem Blick
Schmückt blühend sich die Flur, und tausend Düfte würzen
Die reine Luft, und aus der Fluthen Grund
Hebt eine Nymphe sich, von Götterglanz umschienen.
Sie schauet Psychen an mit wundersüßen Mienen,
Und wie Gesangeston entbebt aus ihrem Mund:
Höre auf zu klagen und zu weinen!
Weinen nicht, nur Buße frommet hier.
Erst nach langer Prüfung wird mit dir
Wiederum dein Gatte sich vereinen.
Traue meiner Rede freudig nur!
Künft'ges gab ein Gott mir zu verkünden.
Willst du deinen Gatten wiederfinden,
Gehe hin nach Paphos Blumenflur.
Zwar wird dort, nach Cypris strengem Willen,
Manches Leiden grausend dich bedrohn.
Harre muthig aus! Groß ist dein Lohn,
Herrlich wird dein Schicksal sich enthüllen.
So spricht der süße Ton. Die holde Nymphe sinkt
In die geschwollne Fluth, die steigend sie umringt.
Wie wenn auf holde Aun, wo lang des Sommers Schwüle
Heiß und verzehrend rings geweht,
Und jeder Baum verdorrt, und welk die Blume steht,
Aus Wolken plötzlich sich die lebensvolle Kühle
Des milden Regens niedersenkt
Und jeden Baum erfrischt und jede Blume tränkt:
So fühlte Psyche schnell mit Tröstung sich erfüllet,
Der Schwermuth düstrer Schleier schwand,
Der sie vorher mit grauser Nacht umhüllet;
Vor ihrem Geiste lag ein schönres, beßres Land,
Voll grüner Aun und blühnder Triften,
Durchweht von nektarsüßen Düften,
Voll Quellenlaut und Liebesharmonie.
Mit welcher Sehnsucht strebte sie
Nach diesem Lande hin! Zwar manche rauhe Pfade
Sind noch davor und manche steile Höhn;
Doch o, wie kühlet nicht am glücklichen Gestade
Der Liebe Palmenkranz so schön!
Nur Muth, mein Herz! Bald ist der Sieg erstritten,
Bald langst du froh im frischen Hafen an.
Süß schlummerst du im Arm des Gatten dann
Und fühlst den Gram nicht mehr, den du zuvor erlitten.
So ruft Psycharion in süßer Schwärmerei
Und eilt, um Paphos zu erreichen.
Verschwunden ist nun sie, die grause Wüstenei
Rings blüht die schönste Flur, besät mit Duftgesträuchen,
Benetzt von Quellen, die durch Veilchenthäler schleichen,
Begränzt von blühnden Höhn. Voll süßer Träumerei,
Getrieben von des Herzens Sehnen,
Irrt Psyche, nicht gedenk der Thränen,
Die sie erwarten, durch die Flur.
Bald folgt sie eines Bächleins Spur,
Der eine duft'ge Au mit sanfter Fluth bespület,
Bald ruhet sie, vom Hauch des Wests gekühlet,
Von Duft umweht, im dunklen Myrtenhain,
Und hört den Liedern zu, die durch die Zweige schallen;
Und wenn der Mond mit Silberschein
Die Fluren deckt, schläft sie, umtönt von Nachtigallen,
Auf weichen Blumenbetten ein.
O holdes Land, wo Göttern nur zu wallen
Vergönnt ist, holdes Land der Unschuld und Natur,
Fänd' ich doch einst in dir den langersehnten Frieden!
O wohnt' ich doch auf einer Feenflur,
Durch ferne Meeresfluth vom Sturm der Welt geschieden,
Wo, von des eisernen Berufs Geschäften frei,
Aus keinem süßen Traum die strenge Pflicht mich schreckte,
Wo ewig schön und ewig neu
Der junge Morgen mich zum jungen Leben weckte,
Wo ich an der Geliebten Hand,
Wie in Endymions Traum, mein Daseyn froh verlebte,
Bis es zuletzt in ein noch schönres Land,
Wie Aeolsharfenklang langsam verhallend, schwebte!
Doch ach, zu schöner Traum, entflieh!
Mich setzte das Geschick auf irdische Gefilde,
Und deine holden Luftgebilde,
Sie herrschen nur im Reich der Phantasie.
Zum Loos ist Thätigkeit den Sterblichen beschieden;
Drum sey auch Thätigkeit des Menschen höchstes Ziel!
Verletzt auch oft das Unglück euren Frieden,
So denkt, die Erde hat der Freuden doch so viel.
Wie schön ist nicht das lohnende Gefühl
Nach der vollbrachten That! Wie süß der Dank für Leiden,
Die ihr gemildert! Wenn die Freuden
Der Liebe euch beseligen,
Wenn Freundesherzen treu an eurem Herzen schlagen,
Dann könnt ihr froh und muthig sagen:
Auch ich bin in Arkadien.
Indeß naht Psyche schon des Meeres hohem Strande;
Und ungewiß und zweifelsvoll
Steht sie jetzt da und sinnt, wer sie nach Cypris Lande
Auf wilder Fluthen Bahn hinüber bringen soll.
Indem sie so auf's Meer herniedersieht, erspähet
Sie einen Kahn, der wie ein Blatt, das leicht
Ein sanfter West durch blaue Lüfte wehet,
Dem Ufer naht. Kein Schiffer zeigt
Sich drin. So hat ein Gott zu dem, was ich geflehet,
Ein gütig Ohr herabgeneigt?
Ruft Psyche aus, und muthig steigt
Sie in den schmalen Kahn. Ein lauer Zephyr blähet
Das Segel auf, und wie beflügelt streicht
Das Schifflein durch die Fluth. Von Psyche's Reiz betrogen,
Glaubt der Gewässer Volk Cytheren hier zu sehn.
Delphine heben sich aus den getheilten Wogen
Und schwärmen um das Schiff, und Nymphen, wunderschön,
Umtanzen froh den Bord und singen süße Lieder.
Der Schwan mit glänzendem Gefieder
Läßt sanfte Töne durch die stillen Lüfte wehn.
Froh sitzt Psycharion, umhüpfet
Von manchem holden Traumgesicht,
Und keine schwarze Ahnung schlüpfet
In ihre sichre Brust. Sie denkt der Zukunft nicht,
Da mit so holdem Rosenlicht
Die Gegenwart sich zeigt. Unglückliche, es eilet
Der Kahn so schnell dahin! Das Land
Cytherens zeigt sich schon, schon weilet
Das Schiff an deiner Leiden Strand.
Sie steigt hinaus, und schnell durchdringet
Ein tobendes Geräusch ihr Ohr.
Scheu und erstaunt blickt sie empor
Und sieht von Faunenvolk und Nymphen sich umringet,
Die sie mit schmähndem Spott und Hohn,
Zum Chor vereinigt, überschütten.
Man fesselt sie; nichts helfen ihre Bitten,
Nichts hilft ihr Trotz. Mit wildem Drohn
Reißt man sie fort, von blinder Wuth erhitzet,
Und bringt sie an den Platz, wo auf erhabnem Thron,
Als strenge Richterin, der Liebe Göttin sitzet.
Fünftes Buch
O Hoffnung, holde Lügnerin,
Wie groß ist deine Macht in unsern schwachen Herzen!
Bald schaffst du Lust, bald bittre Schmerzen,
Und unwillkürlich giebt sich jeder Mensch dir hin.
Wohl ihm, wenn deiner Morgenröthe
Die Sonne, die ihr folgt, entspricht.
Doch weh ihm, wenn dein holdes Licht
Sich schnell verhüllt und durch die Blumenbeete
Geträumter Seligkeit ein wilder Sturmwind bricht.
Weh ihm, dann steht er ganz verlassen
Von allem Glück, das ahnend seine Brust
Geschwellt, und ach, die bange Lust
Der Hoffnung selbst muß er dann zürnend hassen!
Die süßen Träume fliehn, an die er sonst geglaubt;
Ein Hafen nur steht noch dem Müden offen,
Der letzte, bittre Trost, zu hoffen,
Daß bald der Tod ihm Qual und Freude raubt.
Auch Psychen täuschten die Gebilde,
Die ihr mit so viel Reiz die Hoffnung vorgemalt.
Schon glaubte sie in Paphos Lustgefilde
Im Arm des Gatten sich, vom Glanz der Lieb' umstrahlt,
Als sie so plötzlich jetzt aus ihres Himmels Freuden
Zur Erde niedersank. Ist das die Zauberin,
Die Amorn um Verstand und Sinn
Gebracht? Nun sein Geschmack ist wahrlich zu beneiden,
Ruft Cypris aus. Welch ein unschuldiges Gesicht!
Man möchte wahrlich doch fast glauben,
Daß es ihr an Verstand, verliebt zu thun, gebricht.
Und solch ein blödes Kind soll meinen Sohn mir rauben?
Wie konnte Cypris Sohn wohl so geschmacklos seyn,
Sich solch ein Mädchen zu erlesen?
Mein gutes Kind, man kann nicht ewig sich erfreun;
Du bist jetzt Göttin lange gnug gewesen,
Jetzt kannst du auch einmal wohl meine Sclavin seyn
Mit sanften, demuthsvollen Mienen
Und thränenschweren Blicken spricht
Psycharion: O Göttin, kränke nicht
Mein armes Herz so sehr! ich will dir ewig dienen.
Gehorsam sey jetzt meine Pflicht.
Befiehl das Schwerste mir, ich will es gern verrichten.
Und wenn's an Kraft dem schwachen Arm gebricht,
Mag dann dein Zorn mich ganz vernichten;
Allein, mein Herz, o Göttin, kränk' es nicht!
Nun wohl, sprach Cypria mit schadenfrohen Blicken,
Siehst du die Kränze dort, die meines Tempels Wand,
In schöne Reihn geordnet, schmücken?
Nur einen hat die Sonnengluth verbrannt;
Verwelkt senkt er das Laub, das schwache Weste pflücken.
Nimm diesen Kranz und geh in jenen dunkeln Wald,
Wo nie der Sonne Licht erwärmend niederschaute;
Die finstre Zweifelsucht erbaute
Dort einen Tempel sich mit trauriger Gewalt.
Umkränz' ihr Bild und ihre Weihaltäre!
Zwar schmückt den Kranz kein frisches Grün;
Allein, was ist's, das dir nicht möglich wäre,
Da Götter selbst vor deinen Reizen knien?
Durch deine Zauberkunst muß dieser Kranz entblühn;
Wo nicht, so fürchte mich und meines Zornes Schwere!
Nicht biegsam wahrlich ist, wenn man sie reizt, Cythere,
Nicht leicht wirst du der Mächtigen entfliehn.
Psycharion erschrickt, sie sinket fast zurücke,
Ihr Aug' umhüllet düstre Nacht.
Mit welcher schadenfrohen Tücke
War der Befehl nicht ausgedacht!
Er heischt, daß sie das Ungeheuer schmücke,
Das von dem höchsten Erdenglücke
In's tiefste Elend sie gebracht.
Weh dir, Psycharion, kannst du es wagen?
Nahst du noch einmal dich der wilden Herrscherin?
Wirst du den grausen Anblick tragen?
Sinkst du nicht regungslos zu ihren Füßen hin?
Ach, wer wird hülfreich dann an deiner Seite stehen?
Wer läßt den Kranz entblühn mit zauberischer Hand?
Umsonst suchst du der Rache zu entgehen,
Im Tode nur winkt dir der Ruhe Land.
So denkt Psycharion und eilet,
Dem Leben zu entfliehn, hin zu des Meeres Strand;
Doch eine leise Ahnung weilet
Den raschen Fuß. Vielleicht wird deinem Flehn
Sein gütig Ohr ein mildes Wesen neigen;
Und wenn dann Glaub' und Hoffnung schweigen,
Dann wird es von des Himmels Höhn
Erbarmend zu dir niedersteigen
Und Muth und Zauberkraft in deine Seele wehn.
Ermanne dich, mein Herz! Die Göttlichen verlassen
Die Liebe nie, der Gram und Kummer dräut;
Sie müßten ja ihr eignes Wesen hassen,
Denn nichts sind sie als Lieb' und Zärtlichkeit.
So ruft sie aus und geht mit festem Schritte
Dem fürchterlichen Walde zu.
Rings herrschte todte Grabesruh,
Dumpf bebt der Grund zurück bei jedem ihrer Tritte,
Es traurt der öde Wald, der Blätter welke Last
Hängt winterlich um den zernagten Ast,
Von keinem West erfrischt, von keinem Thau gekühlet;
Kein froher Vögelschwarm durchspielet
Die Zweige, Fledermäuse nur
Und scheue, unglückschwangre Eulen
Durchrauschen das Gebüsch; rings tönt der Wölfe Heulen,
Und gelbes Gift befleckt der Drachen öde Spur;
In grausiger Gestalt durchstreifen Schreckphantome
Die falbe Dämmerung, bald hoch emporgedrängt,
Bald wieder tief zu Boden hingesenkt;
In einem halbzerfallnen Dome,
Von gift'gen Pflanzen rings umrankt,
Hebt sich der Göttin Bild. Die bange Psyche wankt,
Als sie der Grausen naht. Du, die mein Glück zerstöret,
Ruft sie mit leisem Ton, nimm dieses Opfer hin!
Und wenn dein Ohr das Flehn der Unschuld höret,
So mildre deinen Zorn, du wilde Herrscherin.
So fleht sie und mit bangen Händen
Naht sie dem Bilde sich; doch wie sie es berührt,
Fährt sie zurück laut schreiend, und verliert
Den Kranz aus ihrer Hand. Ich muß es doch vollenden,
So ruft sie zitternd aus, das kühne Wagestück,
Und naht zum zweiten Mal, mit abgewandtem Blick.
Von höherm Muth fühlt sie ihr Herz durchdrungen,
Schon ist der Kranz um den Altar geschlungen,
Und im erzwungnen Schmuck hohnlächelnd prangt das Bild.
Jetzt sinkt sie auf die Knie - und fleht mit leisen Tönen:
O ihr, auf deren Wink die Fluren sich verschönen,
Du, Ceres, deren Hand die goldne Frucht entquillt,
Und du, o Flora, die du mild
Die Flur mit Blumen schmückst, Göttinnen, o erfüllt
Der Flehenden Gebet! Laßt euren Segen fließen
Aus diesen welken Kranz, schmückt ihn mit neuem Grün!
Laßt frische Blumen ihm entsprießen,
Und in der ersten Pracht ihn schön und herrlich blühn!
So betet sie, und horch, mit wundersüßem Klange
Hört sanfte Töne sie der stillen Luft entwehn,
Und mit sanfttröstendem Gesange
Schwebt eine Stimm' herab aus goldnen Wolkenhöhn:
Kein Rosenstrauch wird ohne Dorn gefunden,
In ew'ger Ruh liegt keine Seligkeit.
Zwiefach erduldet der, der sich vor Unglück scheut;
Wer muthig widersteht, der hat es überwunden.
So sprach die Stimm' und schwieg. Ein leises Wehen fliegt
An Psychens Ohr. Sie blickt dem Ton entgegen,
Und sieh, ein Täubchen schwingt mit raschen Flügelschlägen
Leichtflatternd sich herab. In seinem Schnabel liegt
Ein Rosenblatt, mit Ichor angefüllet,
Mit jenem Balsam, der aus Götterwunden quillet
Und Alles, was er trifft, mit neuer Kraft belebt.
Dreimal, mit leisem Fittig schwebt
Um Psychens Haupt sie her und gießet
Dann auf den welken Kranz den wunderbaren Saft.
Und welch ein Wunder! Plötzlich fließet
Durch das verdorrte Grün des Frühlings junge Kraft.
Dort keimt der Nelke Pracht, dort sprießen Amaranthen,
Hier frische Rosen auf, das blaue Veilchen hebt
Sich schüchtern und versteckt, doch prangend aufwärts strebt
Der Tulipanen Kelch, Heliotrope wandten
Zum Sonnenstrahl ihr duftend Haupt empor,
Hier blühten Lilien und würzige Jasminen,
Dort hauchten süße Balsaminen
Aus dem prunklosen Strauch den schönsten Duft hervor.
Psycharion bemerkt mit wonnevollem Zagen
Das frohe Wunder, sprachlos biegt
Den Göttern sie die Knie und fliegt,
Cytheren des Gebets Erfüllung anzusagen.
Schon aus der Ferne ruft mit schadenfrohem Blick
Ihr Cypris zu: Ist sie geschehen,
Die That? Nicht wahr? Du kehrst als Siegerin zurück?
Zu leicht war mein Befehl! - Mein kindlich frommes Flehen
Erhörte mild ein Gott, die Schuld ist mir verziehn.
Die Göttin steht geschmückt, des Kranzes Blumen blühn,
Spricht Psyche demuthsvoll und beugt sich bis zur Erde.
In Cypris feindlicher Geberde
Versteckt sich kaum der Zorn; doch bald erhält die List
Die Ueberhand. Wenn du so mächtig bist,
Daß, dir zu helfen, selbst die Götter sich bemühen,
So hab' ich noch ein Werk für dich.
Siehst du den Felsen dort, um dessen Gipfel sich
Der Wolken graue Nebel ziehen?
Zwar ist er nie erklimmt, doch leicht wird ja ein Gott
Voll Mitleid zu dir niederschweben
Und zu dem Gipfel dich auf seinen Flügeln heben.
So ruft ihr Cypris zu mit Blicken voller Spott.
Durch wildbewachsne Klippen fließet
Dort in der Höh des ew'gen Lebens Fluth,
Die frische Lebenskraft und neu beseelten Muth
In den verstorbnen Busen gießet.
Nimm dies Gefäß und füll' es mit dem Trank,
Doch hüte dich, daß deine Lippen
Nicht kühn aus jener Quelle nippen,
Die nicht für Sterbliche, für Götter nur entsprang.
Nun geh, und kannst du dies vollenden,
So sey befreit, und nimm Cytherens Dank.
So wie dem Sclaven ist, der, von Korsaren Händen
Gefesselt an die Ruderbank,
Schon manches Jahr sich härmt und, tief in Schmerz versunken,
Umsonst um Tod zum Himmel fleht;
So wie ihm ist, wenn er ein heimisch Schiff erspäht
Und dann der Kräfte letzten Funken
Versammelt, um dem Bord durch raschen Ruderschlag,
Dem freundlichen, zu nahn: so ward auch unsrer Schönen;
Sie trocknete des Schmerzes Thränen
Von ihren Wangen ab und flog dem Wege nach,
Der zu des Felsens Fuß sie führte.
Sie nahte sich. Vergebens spürte
Ihr Blick nach einem Pfad. Rings starren rauh und wild
Zerstreute Klippenreihn, geschützt durch grause Klüfte,
Die ew'ge Nacht in ihren Schleier hüllt;
Gigantisch hebt der Fels in graue Nebeldüfte
Sein kahles Haupt; kein Falke schwingt
So hoch sich auf, das schärfste Auge dringt
Mit Mühe nur zu der beschneiten Spitze;
Den todten Grund umpanzert ew'ges Eis;
Hier grünt kein Baum, kein blühend Reis
Schmückt karg die schroffe Wand; aus jeder Felsenritze
Zischt eine Schlang' empor, und Drachen, braun gefleckt,
Und Vipern, im Gestein versteckt
Bedrohn die Schaudernde. Mit wundgeritzten Händen
Klimmt sie an den zerspaltnen Wänden
Voll Todesangst empor. Ihr Götter, hört ihr nicht
Die Flehende? Ist dein Gericht
So streng, du milder Gott? Willst du nicht Hülfe senden
Der einstgeliebten Braut? Umsonst; kein Trost erscheint;
Die Thränen, die die Arme weint,
Gerinnen schnell zu Eis; erbarmungslose Lüfte
Verwehn der Seufzer klagend Ach;
Und schwach nur hallt die Nacht der bodenlosen Klüfte
Der Armen laute Klagen nach,
Und höher klimmt sie auf. Durch starre Eisgefilde,
Die nie der Sonne warme Milde
Zersprengte, führt der Weg. Die letzte Kraft entflieht
Der Matten jetzt. Ach, wenn sie aufwärts sieht,
Wie weit ist noch das Ziel! und wenn sie niederblicket,
Welch einen kurzen Raum ist sie erst fortgerücket!
Es ist vorbei, ruft sie verzweifelnd, ihr entflieht,
Der Hoffnung rosenfarbne Träume!
Sie sind verwelkt, des Lebens schönste Keime.
Es ist vorbei, und wüthend winkt der Tod.
So ruft sie aus und sinkt auf's starre Eis hernieder,
Sie schließt die Augen. O entflieh,
Du schöne Seele, nicht so früh
Der armen Welt! Umsonst! Doch sieh,
Dort schwingt mit schattendem Gefieder
Der Vogel Jupiters sich auf die Erde nieder.
Er nimmt den Kelch aus Psychens Hand
Und schwingt sich auf in finstre Wolkenhöhen.
Das Auge sieht ihn nicht, das Ohr nur hört das Wehen
Des raschen Flugs. Doch sieh, aus fernem Wolkenland
Kehrt er zurück, der Becher ist gefüllet,
In silberhellen Perlen quillet
Der Geist am Rand empor. Der rasche Adler schwingt
Zum Orte sich, wo Psychens Glieder
Am Boden leblos ruhn. Ein kleines Tröpfchen sinkt
Aus dem Pokal auf ihren Mund hernieder,
Und der Viole gleich, die bei des Tages Licht
Den festverschloßnen Kelch zur Erde trauernd senket,
Doch, wenn der Dämmrung Thau die matten Fluren tränket,
Die Knospe aus einander bricht,
Und durch die stille Nacht verstohlne Düfte hauchet:
So blüht auf Psychens Angesicht
Das Leben wieder auf. In sanftes Roth getauchet
Ist Wang' und Mund, der Lippen Purpur bebt,
Und leis' und lieblich wallend hebt
Die zarte Brust sich athmend wieder,
Es schließen sich die Augenlieder
Zum Leben staunend auf. O süßer Augenblick!
Die düstern Leiden sind entschwunden,
Geheilt des Herzens tiefe Wunden,
Ein neues Wesen, kehrt in's Leben sie zurück.
Die Hoffnung bietet ihr ein nie getrübtes Glück,
Mit Rosen scheint die Zukunft ihr umwunden,
Versöhnt das feindliche Geschick.
Sie nimmt den Kelch und eilt mit schnellen Füßen
Den Pfad zurück. Kein Drache schreckt sie mehr,
Entflohn ist Schnee und Eis, am ebnen Wege sprießen
Die schönsten Blumen auf, und alles grünt umher.
Wie einem Täubchen ist, das arglos in die Schlingen
Des schlauen Jägers fiel und jetzt von Angst durchbebt
Die Netze zu durchbrechen strebt,
Indeß mit Tönen, die das Herz ihr tief durchdringen,
Der nahe Tauber lockt; so wie der Armen ist,
Wenn eine Masche reißt, durch die sie froh entschlüpfet
Und auf den sichern Ast zu dem Geliebten hüpfet,
Und dort mit ihm vereint der kurzen Angst vergißt:
So war auch Psychen jetzt. Sie sollt' ihn wiederfinden,
Den holden Gott, zu dem ihr Herz sich sehnt.
Betrogne, die das Wort Cytherens redlich wähnt!
Ein Schwur ist nur ein Hauch, entführt von raschen Winden.
Gekränkter Weiberstolz wird nicht so leicht versöhnt.
Von fern erblickte jetzt Cythere
Die Eilende. Sie sieht den Kelch gefüllt.
Ihr Auge rollt, und eine Zähre
Des Zorns und nicht des Mitleids quillt
Aus ihrem Aug'. Ihr Götter, ruft sie wild,
Soll diese Sterbliche die Göttin stets besiegen?
Soll Paphos Herrscherin sich ohne Rache sehn?
Sie senkt den Blick, in ihren Zügen
Malt sich der bittre Groll. Doch wie, wenn Windeswehn
Des grauen Nebels düstre Wogen,
Die des Gebirges Haupt mit dunklem Flor umzogen,
Im raschen Fluge scheucht, die waldbekränzten Höhn
In bunter Pracht mit Grün bekleidet stehn:
So wandeln schnell in Cypris Blicken
Des Zornes Gluthen sich in feindliches Entzücken.
Ich bin gerächt, ruft sie mit wildem Ton;
Verwegne, buhle jetzt nicht mehr um Cypris Sohn!
Noch eine That will ich dir übergeben.
Allein wirst du auch jetzt das ferne Ziel erstreben,
Erweichst du Hades harten Sinn,
Dann kämpf' ich länger nicht; nimm den Geliebten hin!
Dann muß ein Gott in deinem Busen leben.
Sechstes Buch
O sonderbares Loos des Bürgers dieser Welt!
Bald wildem Grame hingegeben,
Bald durch sein innres Glück den Göttern beigesellt,
Dreht sich im wilden Kampf sein unruhvolles Leben.
Ein jedes Wesen flieht den Feind,
Mit wilden Löwen wird das Lamm sich nie verbinden;
Nur in des Menschen Busen finden
Sich Schmerz und Freude eng vereint.
Wer ist's, der von sich rühmen möchte,
Daß nie der Gram sein Inneres durchwühlt?
Und wen verfolgte so des Schicksals starke Rechte,
Daß er den Sonnenschein des Glückes nie gefühlt?
Doch sollen wir uns mit dem Glück entzweien,
Weil es so wunderbar das Feindliche gepaart,
Daß wir nach herbem Schmerz der Wonn' uns süßer freuen,
Und daß durch Lust die Unlust milder ward?
Darum getrost! Wenn auch, verscheucht von tausend Qualen,
Sich Glaub' und Hoffnung schon verlor,
So steigen endlich doch des Glückes heitre Strahlen
An unserm Horizont empor.
Froh müssen wir uns in das Loos ergeben,
Das wandelbar uns aus der Urne fiel;
Wir sind nicht bloß des Schicksals blindes Spiel,
Ein höhres Wesen lenkt mit weiser Hand das Leben;
Kein Unmuth fruchtet hier, kein eitles Widerstreben,
Es führt uns dunkel oft, doch sicher stets an's Ziel.
Mit Blicken, voll von Hoffnung und von Freude,
Mit Wangen, die der Liebe Purpur malt,
Naht Psyche jetzt dem Thron. Sie wähnt die Schuld bezahlt,
Die Gläubige, sie traut Cytherens Eide,
Und hält die Schadenlust, die Cypris Blick entstrahlt,
Für der Verzeihung Pfand. Doch wehe, wie erschrocken
Bebt sie zurück, wie plötzlich stocken
Die Pulse ihr, als so die Göttin spricht:
Du hast die That vollbracht, die ich dir aufgetragen;
Allein durch eigne Kraft? Ich glaub' es wahrlich nicht.
Verdient es der, daß er die Palme bricht,
Dem ohne Müh' ein Gott mit schnellerm Flug den Wagen
Beschwingt, für den ein Gott mit starker Rechte ficht?
Drum hoffe nicht, daß dir Verzeihung werde,
Bevor du nicht noch Eins vollbracht.
Geh hin, wo tief, im dunklen Schoos der Erde,
Der finstre Hades wohnt, in nie erhellter Nacht.
Und wenn du dann des Styx Gewässer überschritten,
Wenn du den Cerberus in Schlummer eingesenkt,
Befehl' ich dir, Persephone zu bitten,
Daß sie ein Teilchen mir von ihren Reizen schenkt.
Schwer ist die That, doch hast du sie vollzogen,
Ich schwör' es bei den heil'gen Wogen
Des Tartarus, dann sey mein Zorn gedämpft,
Dann hast du meine Gunst und meinen Sohn erkämpft.
Dem Wandrer gleich, der in der Wüste Sande
Von Durst zu Boden fast gedrückt,
Jetzt an des Horizontes Rande
Ein schimmerndes Gedüft, dem Wasser gleich, erblickt,
Entzückt dem Scheine folgt, der immer mehr entschwindet,
Und ach! zuletzt nur Nebelstreifen findet:
Ihm gleich verzweifelte jetzt Psychens armes Herz,
Getäuschter Hoffnung herbe Qualen
Sind bitterer, als hoffnungsloser Schmerz.
Erträumtes Glück ist nie mit Golde zu bezahlen,
Mit keinem Königreich, nicht mit der ganzen Welt.
Wo ist der Fürst, dem nie der Schmerz den Busen schwellt?
Allein der Hoffnung Traum, er gleicht den heitern Strahlen
Des Diamants, den nie der kleinste Fleck entstellt.
Dem Maler gleich, der aus verschiednen Auen
Die schönsten Theile wählt, dort einen stillen Hain,
Hier einen See und dort umranketes Gestein,
Dort ein Gebirg, um das der Wolken Nebel grauen,
Und so der Landschaft reizend Bild
Mit Allem, was sein Blick nur Schönes sah, erfüllt:
So sucht die Hoffnung auch zu ihren Schildereien
Die schönsten Farben nur hervor,
Und alle Gruppen, die das holde Bild entweihen,
Verhüllt sie uns mit ihrem Zauberflor.
Was glich dem Schmerze nur, der Psychens Brust durchbebte,
Als jetzt der milde Schleier schwand,
Und, statt der grünen Flur, sie öden tiefen Sand
Und wildes Moor, um das ein gift'ger Nebel schwebte,
Statt klarer Silberquellen fand.
Wie fern war noch das Ziel, zu dem sie sehnend strebte,
Wie rauh die Wüste nicht, durch die der Pfad sich wand!
Ach, durch der Schatten düstres Land
Ging jetzt der Weg zu ihrem Glücke!
Und welches Gottes starke Hand
Führt sie aus jener Kluft zurücke,
Die von des Tages Licht auf ewig uns verbannt?
Doch warum zögr' ich noch? Was frommt das öde
Leben?
So ruft Psycharion. Im Tode flieht das Leid;
Wo keine Sorgen mehr den Busen stürmisch heben,
Da nur ist Ruh, da nur ist Seligkeit.
Hinab, hinab, die Palme zu erstreben,
Die mir nach bangem Kampf die süße Ruhe beut!
So ruft sie aus und eilt durch Wald und Thal zum Strande.
Dort steht ein Kahn, das Segel hoch geschwellt,
Sie tritt hinein, und rasch, vom Ufer fort geschnellt,
Entflieht er pfeilgeschwind dem Lande.
Rasch eilt das Schiff. Schon zeigt kein Land sich mehr,
Der Blick sieht nichts als bunte Luftgefilde,
Und ringsum braust hoch auf das ungeheure Meer,
Nur schaun zuweilen noch, wie zarte Duftgefilde,
Zerstreute Inselgruppen her.
Jetzt fliehn erst Asiens, dann Kreta's holde Auen
Dem Blick vorbei, und bald zeigt Griechenland,
Das, dem Gewölke gleich, des Morgens Düft' umgrauen,
Am Horizont des Meers den segenreichen Strand.
Schon sind umschifft Cythera's duft'ge Wälder,
Messeniens fruchtbare Felder
Entziehn dem Meere schon den flachen Uferrand,
Jetzt thürmen Elis steile Höhen
Sich am Gestad' empor, Achaja's Spitze blickt
Ein Weilchen jetzt daher, und rasche Winde wehen
Das Schiff von Samos Strand, mit holdem Grün geschmückt;
Nun läßt sich schon das Felseneiland schauen,
Wo einst die göttliche der Frauen
Der Freier Uebermuth mit frommer List bestrickt;
An Akarnaniens Gestad mit Windesschnelle
Flieht jetzt das Schiff vorbei, Epirus Ufer nahn,
Und rasch hinweggewälzt von hoher Meereswelle,
Naht sich dem Hafen jetzt der leichtbeschwingte Kahn.
In eine Felsenbucht, vom hohen Wald umsäuselt,
Wo außerhalb das Meer sich thürmt, hoch am Gestein,
Doch innen friedlich sich die stille Welle kräuselt,
Führt jetzt der Kahn Psycharion hinein.
Sie steigt an's Land, ein dunkler Fichtenhain
Empfängt gastfreundlich sie in seine kühlen Schatten,
Und sanftes Moos, vom klaren Quell erfrischt,
Mit Majoran und Veilchen untermischt,
Schenkt die gesehnte Ruh der Matten.
Ein süßer Schlaf, aus goldnen Höhn gesandt,
Senkt sich, mit freundlichem Gefieder
Auf ihre müden Augenlider
Und leitet ihren Geist in holder Träume Land.
Sie wähnt, es steh', umhüllt von bunten Regenbogen,
Der Liebe Gott vor ihrem Blick.
Voll Scham und süßer Angst bebt sie erstaunt zurück,
Doch, mächtig von ihm angezogen,
Naht sie sich wiederum. Sein Blick ist sanft und mild,
Kein Vorwurf schaut aus seinen Zügen,
Nur zarte Schwermuthswölkchen fliegen
Um seine Stirn, mit Thränen füllt
Sein Auge sich, als er die Hold' erblicket.
Psycharion, so ruft er wehmuthsvoll,
Unglückliche, erkennst du mich noch wohl?
Er ist dahin, mein Traum, der einst mein Herz beglücket,
Schon lange blüht die Freude mir nicht mehr.
Und ach, doch fällt es stets so schwer,
Dem zu entfliehn, was einst das Herz entzücket!
Rauh ist der Prüfung Pfad, zu der dich Cypris schicket,
Drum komm' ich dir zu helfen her.
Nimm diesen Ring! Mit zaubrischem Gesange
Hat Hekate ihn einst geweiht,
Und jeder Sterbliche ist unsichtbar, so lange
Er ihn am Finger hegt mit strenger Sorgsamkeit,
Nimm ihn und geh, das Große zu vollführen!
Und wohl uns, wenn dein Flehn den untern Zeus bewegt;
Dann kann ich, holde Braut, dich nimmer mehr verlieren,
Dann fesselt ewig uns der holden Liebe Band.
So rief der Liebesgott und schwand.
Dem Wanderer, dem auf verirrten Wegen,
Wenn über ihm ein wilder Sturm erwacht,
Am Horizont ein blaues Wölkchen lacht,
Das ihn schon fröhlich hoffen macht,
Das Wetter werde bald sich legen,
Doch schnell entschwindet es, und fürchterlicher kracht
Des Donners Wuth mit zehnfach stärkern Schlägen,
Und schmetternd rauscht der winterliche Regen
Herab durch die gespensterschwangre Nacht:
Ihm glich Psycharion, als sie vom Schlaf erwacht.
So hat mich nur ein süßer Wahn betrogen?
Rief sie bekümmert aus, als sie allein sich fand.
Ach wallt' ich ewig doch an holder Träume Hand!
Des Lebens Aether ist mit Wolken stets umzogen,
Und nur im Traume blüht der Wonne Vaterland.
Sie senkt den trüben Blick; doch schnell mit neuem Leben
Schaut sie empor, sie glaubt ihr Auge trügt;
Denn sieh, an ihren Finger schmiegt
Das goldne Kleinod sich, das Amor ihr gegeben.
O Wonne! ruft sie aus, so war es denn kein Wahn?
So ist mein Bild noch nicht aus seiner Brust
entschwunden?
Er liebt mich noch? O seligste der Stunden!
Jetzt wandl' ich ruhig fort die fürchterliche Bahn.
Bald werd' ich schön verklärt an seiner Seite schweben,
Bald froh mit ihm der Götterwelt mich nahn,
Euch Schatten segn' ich jetzt, die bald mich trüb' umfahn,
Denn aus des Todes Schoos entkeimt mein schönres Leben.
So ruft sie aus, und wandelt kühn
Den unbetretnen Pfad. Bald hemmet eine Klippe
Bald eines Stromes Lauf, bald dornigtes Gestrippe
Die matten Füße, bald umziehn
Die öden Felder steile Höhen;
Nichts schreckt sie ab. Doch jetzt entschwindet alles Grün
Der durst'gen Au, nichts ist als Sand zu sehen,
Und schwüle, gift'ge Lüfte wehen
Verderben auf die Flur, die Haine stehn verbrannt,
Fremd scheint der Himmel hier, roth glimmt der Sonne Feuer,
Und Acherons umschilfter Weiher
Wirft seine schwarze Fluth lauttönend an den Strand.
Am Bord des Sees erhebt hochauf in finstre Lüfte
Ein kahler Fels sein ungeheures Haupt.
Kein Eppig, keine Rank' umlaubt
Mit kargem Schmuck den Schlund der schaudervollen Klüfte,
Die gähnend ihn umziehn. Dem Land des Todes nah,
Scheint ihm das Leben fremd. In eine hohe Pforte,
Von ew'ger Nacht bewohnt, stürzt sich des Sees Fluth,
Hinab zu jenem dunklen Orte,
Wo alle Freude schweigt und aller Kummer ruht.
Psycharion betritt mit fürchterlichem Zagen
Den schmalen Pfad, an dem der Strom sich niederrollt.
So soll sie jetzt dem süßen Licht entsagen?
Zwar viel hat sie im Leben schon ertragen,
Und ach, doch lächelt ihr das Leben noch so hold.
Doch nur getrost! Was sollte der nicht wagen,
Der nichts mehr zu verlieren hat?
Hinab, hinab den fürchterlichen Pfad!
Giebt Amor dir nicht freundlich das Geleite?
Schwebt Lieb' und Hoffnung dir nicht lächelnd an der Seite?
Reißt deine Sehnsucht dich nicht hin zur raschen That?
Der Kämpfer strebt nach Sieg und Ruhm im Streite,
Doch nie ward Sieg und Ruhm noch ohne Schweiß erreicht;
Doch wenn der Liebe Hand das Schwert des Helden weihte,
Wie wird ihm dann der Sieg und wie der Tod nicht leicht?
Die Liebe überschifft des Meeres tiefe Gründe,
Die Liebe trotzt der Elemente Macht,
Sie kämpft und siegt in wilder Männerschlacht,
Sie bahnt sich einen Weg durch nie betretne Schlünde,
Und taucht sich froh in's enge Reich der Nacht.
So ruft sie aus, und geht, halb muthig, halb mit Zittern,
Dem Strome nach, der gleich entfernten Ungewittern
Dumpfmurmelnd braust und lacht. Ein jeder leise Tritt
Scheint den benetzten Grund elektrisch zu erschüttern,
Und ringsum bebt die Fluth, die Wände beben mit.
Umhüllt von dicht gewebten Schatten,
Hört sie nur noch der Wogen dumpf Gebraus.
Doch plötzlich dehnet sich ein weiter Himmel aus,
An dem sich Nacht und Tag, in sich verfließend, gatten.
Ein Dunkel herrschet hier, kein Licht.
Der schauerlichen Dämmrung Schleier
Durchglimmert ein bewegtes Feuer,
Dem es an Glanz und Helligkeit gebricht.
Psycharion erbebt. So bist du denn im Lande,
Das Keinem je die Wiederkehr vergönnt,
Wo der Vernichtung Hand des Lebens schönste Bande
Zerreißt und Herz vom Herzen trennt,
Wo ohne Gram und ohne Klage
In langen Schlaf der müde Pilger sinkt,
Indeß mit nassem Blick am düstern Sarkophage
Um den entflohnen Freund der Freund die Hände ringt!
So bist du denn in diesen öden Weiten,
Wo Schatten nur die Dämmerung durchgleiten,
Die einzig Lebende! Gedanke voller Graus!
Hier schlägt kein Herz dir liebevoll entgegen,
Die bleichen Wesen fliehn auf nachtumhüllten Wegen,
Und keines hält den Blick des Lebens aus.
So denket sie, und unbegrenztes Bangen
Ergreift die Zögernde. Doch schnell ermannt sie sich,
Sie schreitet fort. Schon rennen fürchterlich
Mit blassen, eingefallnen Wangen,
Die faltenreiche Stirn umzischt von gelben Schlangen,
Und das zerstörte Kleid mit schwarzem Blut befleckt,
Die Furien heran. Rings grinsen Ungeheuer,
Und Natternbrut, im Orcus ausgeheckt,
Versperret jeden Pfad. Bewehrt mit regem Feuer,
Streift dort Chimära her und, tief im Sumpf versteckt,
Zischt Lerna's Drache dort, von jedem Fuß gemieden.
Harpyen flattern hier, dort grause Stymphaliden,
Dort ruht das Ungethüm, das Perseus hingestreckt.
Doch seht, schon naht sie sich den Wogen
Des schwarzen Styx. Der graue Fährmann weilt
Am Strand, auf's Ruder hingebogen,
Bis sich der Nachen füllt. Mit leisen Schritten eilt
Psycharion herzu und, jedem Blick verschleiert,
Betritt sie kühn das Schiff. Schon flieht das Land zurück,
Und langsam jetzt und schwer durchsteuert
Das morsche Boot die Fluth. Noch einen nassen Blick
Wirft Psyche wehmuthsvoll zum fliehnden Uferrande,
Und schauet stumm und starr dann auf die Fluth hinab.
Du siehst das Leben fliehn und eilest in dein Grab,
Raunt ihr die Furcht in's Ohr; doch schnell zum süßen Pfande,
Das Amor ihr geschenkt, blickt sie ermuntert hin,
Und Rosen blüh'n im düstern Schattenlande,
Und heitrer wird der tiefgebeugte Sinn.
Jetzt naht der Kahn des Orcus düsterm Strande,
Und leise, wie ein West um junge Blumen hüpft,
Die seinen Kuß kaum fühlen, schlüpft
Psycharion heraus. Mit grimmiger Geberde,
Das Schlangenhaar gesträubt, die Zähne scharf gewetzt,
Springt Cerberus hervor. Wild peitscht sein Schweif die Erde,
Die weiten Rachen sind mit schwarzem Blut benetzt,
Laut brüllt er auf. Bei'm schrecklichen Geheule
Erbebt der Grund, und lang' hallt Echo es zurück.
Psycharion erblaßt, sie wendet ihren Blick
Hinweg, und flieht in rascher Eile
Dem Ungethüm vorbei. Und sieh, aus Marmor hebt
Sich jetzt ein Dom hoch in die schwarzen Lüfte,
Von keiner Kunst geschmückt, von keinem Reiz belebt.
Einfach und groß, so wie Aegyptens Königsgrüfte,
Ragt er empor. Ein ew'ges Schweigen schwebt,
Die Flügel weit gespannt, um seine düstern Zinnen,
Und jeder Ton, der hier dem Mund entbebt,
Scheint lautlos und gedämpft zum Flüstern zu zerrinnen.
Zwei Sphinxe sind dem Thor als Hüter zugesellt;
Sie ruhn bewegungslos, nur ihrer Augen Blitze
Sind ihres Lebens Pfand. Den Busen bang geschwellt,
Naht Psyche jetzt des Hades ödem Sitze.
Sie tritt hinein, und auf erhabnem Thron
Sitzt hier an seiner Gattin Seite
Der Gott, den nie der Schmerz, nie süße Lust erfreute,
Saturnus ew'ger ernster Sohn.
Wild ist des Gottes Blick. Auf seinen Augenbraunen
Ruht sinnend düstre Majestät.
Die Schöne beugt die Knie und dreht
Den Ring vom Finger ab, und Staunen
Ergreift des Gottes Herz. Wer bist du, ruft er aus,
(Und wie entfernter Donner tönet
Der Stimme Laut) die bis in Hades düstres Haus,
Zu dem noch niemals sich ein Sterblicher gesehnet,
Dich unsichtbar genaht? O Gott, Erhabner, spricht
Psycharion, nicht frevelndes Gelüste,
Nein, eine stärkre Macht und eine höh're Pflicht
Zwang mich herab zu des Kocytus Küste.
Drum zürne, Mächtiger, der armen Psyche nicht!
An deine Gattin hat Cythere mich gesendet.
O wenn dein Herz das süße Mitleid kennt,
So sprich ihr zu, daß sie zu reden mir vergönnt,
Daß sich ihr Blick nicht zornig von mir wendet,
Von mir, die Glück und Leben von ihr fleht!
So ruft sie zitternd aus, und geht
Gebeugt hinzu, und wirft sich nieder,
Küßt demuthsvoll des Herrschers hohen Thron,
Hebt schmachtend dann die holden Augen wieder
Und flüstert, flehnden Blicks, mit sanftgedämpftem Ton:
Persephone, vom Schicksal herbeschieden,
Erschein' ich scheu vor dir mit demuthsvollem Blick.
In deiner Hand ruht meines Herzens Frieden,
Ruht mein Verderben und mein Glück.
Nicht wagt' ich es, vor deinen Thron zu treten,
Wenn höh're Macht mich nicht zum Orcus
hergeschickt.
Darum erhöre mich! Mit schüchternen Gebeten
Liegt Amors Braut vor dir im Staube hergebückt.
Ach einst erblickt' ich schönre, bessre Tage,
Mit Rosen kränzte sie der Liebe Zauberhand;
Doch jetzt verdammt zum Gram, verdammt zu ew'ger Klage,
Such' ich nach Trost im düstern Schattenland.
Du kannst ihn mir verleihn! O rette, Göttin, wehre
Dem wilden Gram, der nie in meinem Busen schweigt!
Zwar Großes ist's, was ich von dir begehre,
Doch milden Herzen wird das größte Opfer leicht.
Von deinen Reizen wünscht Cythere
Ein Theilchen sich; wenn sie den Wunsch erreicht,
Dann ruh' ich froh, umfaßt vom Arm des holden Gatten.
Allein gewährst du mir die bange Bitte nicht,
Dann kehr' ich nimmer heim, im Reich der düstern Schatten
Bleib' ich zurück, auf ewig fern vom Licht.
O hast du je der Liebe Glück empfunden,
Hat je ihr süßer Hauch im Busen dir geweht,
Sind jemals dir die rosenfarbnen Stunden
Schnell wie ein Morgentraum im süßen Rausch entschwunden,
So horche mild auf mein Gebet!
Und hast du je die Qual der Trennung fühlen müssen,
Hast du umsonst nach Rettung je gespäht,
Sind jemals unter süßen Küssen
Der Gatte, der Geliebte, dir entrissen,
So horche mild auf mein Gebet!
Bei Luna's goldner Flur, bei deiner Mutter Schmerzen,
Bei den Gespielen, die das Haar dir einst bekränzt,
Bei deinem Thron, bei deines Gatten Herzen,
Bei jenem Strome, der dein düstres Reich begränzt,
Beschwör' ich dich, erfülle mild mein Flehen!
Laß mich nicht rettungslos von deinen Füßen gehen!
So spricht Psycharion, und schaut empor, und schweigt.
Die Göttin fühlt ihr Herz von Mitleid sanft erschüttert,
Und selbst die harte Brust des Gatten wird erweicht.
O Wunder, eine Thräne zittert
In seinem Aug', und huldvoll neigt
Den Scepter er herab. Die hehre Göttin reicht
Bedauernd ihre Hand der Armen
Und spricht: Ermuntre dich, des Schicksals Zorn entweicht.
Den finstern Hades selbst ergreift Erbarmen,
Drum sey auch mir Cytherens Bitte leicht.
So ruft sie tröstend aus und steigt
Vom Thron herab und füllet eine Flasche
Mit ihrem Reiz und giebt sie Psychen hin.
Geh, sag' an deine Herrscherin,
Wenn sie ihr Angesicht mit diesem Balsam wasche,
Dann sey sie doppelt schön. Doch, daß dein kühner Sinn
Von diesem Zaubertrank nicht selbst zu kosten suche!
Denn schnell, wenn deine Hand das heil'ge Siegel bricht,
Stirbst du dahin, erreicht von Proserpinens Fluche,
Schaust nie den Gatten dann, und nie das süße Licht.
So wie dem Schiffer ist, dem wilder Stürme Wehen
Den Kahn zerschmetterte, und der ein Brett erreicht,
Auf dem er hofft dem Tode zu entgehen;
Schon kann sein Blick das ferne Ufer sehen,
Schon naht er sich, doch plötzlich steigt
Ein Wogenberg empor, er kömmt mit Pfeilesschnelle,
Schon sieht der Zagende sich an des Todes Schwelle,
Verzweifelnd läßt er schon das Brett, das er umspannt,
Jetzt naht sie sich, sie packt ihn wild, die Welle,
Hoch hebt sie ihn empor und schleudert ihn an's - Land:
So war der Holden jetzt. Vergessen und vergeben
Ist alle Schuld. Im lichten Morgenglanz
Sieht sie die Zukunft jetzt vor ihren Blicken
schweben.
Sie fühlt in ihrer Brust ein ätherreines Leben,
Und reizend winkt der Liebe Myrtenkranz.
Sie fühlt ihr Herz von Wehmuth überfließen,
Küßt sprachlos und gerührt Persephonens Gewand,
Wirft demuthsvoll dem Herrscher sich zu Füßen,
Und schnell enteilet sie dem düstern Schattenland.
Doch wer beschreibt der Seligen Entzücken,
Als ihr zuerst das Licht der Sonne wieder strahlt!
Sie irrt umher mit trunknen Blicken,
Und Alles scheint ihr neu. Mit reinerm Purpur malt
Die Rose sich, gelinder wehn die Weste,
Mit frischerm Laub kränzt sich der grüne Hain,
Ein weichrer Teppich scheint die Quellen zu umziehn,
Und ringsum die Natur, wie aufgeschmückt zum Feste,
In schönrer Lebenskraft zu blühn.
Sie lagert sich in dunkle Schatten
Und athmet tief mit süßer Lust
Der Lüfte milden Hauch in ihre warme Brust.
Sie denkt an's Wiedersehn, denkt an den holden Gatten.
Allein ein Zweifel zuckt ihr plötzlich durch den Sinn.
Wird Amor immer auch mir seine Liebe schenken,
Mir, die ich nur ein Erdenmädchen bin?
Ach könnt' er noch einmal durch seine Flucht mich kränken,
Ich trüg' es nicht, dem Tode sänk' ich hin.
Wie schwach ist doch mein Reiz, mit jenem Reiz verglichen,
Der eine Ewigkeit aus Götterwangen blüht!
Bald ist das Braun des weichen Haars verblichen,
Bald hat dies Auge ausgeglüht;
Doch jene strahlen fort in immer frischem Glanze,
Umwunden von der ew'gen Jugend Kranze,
Ist keine, die den Schnee des fernen Alters sieht.
Doch wie? hab' ich den Balsam nicht in Händen,
Der ewig jung und ewig reizend schafft?
Ein Tröpfchen nur braucht' ich der Flasche zu entwenden,
Nie würd' ich alt und nie vom Tode hingerafft.
Doch hat Persephone es mir nicht streng verboten?
Droht mir ihr Fluch bei'm Ungehorsam nicht?
Ach, jene herrscht im fernen Reich der Todten;
Wer sieht's, wenn meine Hand das schwache Siegel bricht?
So schwankt sie zwischen Lieb' und Pflicht.
Doch ach, in solchem Kampf, wann siegt die Liebe nicht?
Sie zweifelt, bebt; doch schnell, mit festem Willen
Bricht frevelnd sie das Siegel jetzt.
Ach schon bereut sie es, daß sie es kühn verletzt;
Die Flasche raucht, und schwarze Düfte füllen
Die reine Luft ringsum, sie hüllen
In gift'gen Dampf die arme Frevlerin;
Und ach! so nah dem schwererkämpften Ziele,
Sinkt Psyche, halb erstickt, im ängstenden Gefühle;
Bewußtlos auf den Boden hin.
Siebentes Buch
O schwere Kunst, sich zu begnügen!
Wann wird ein Sterblicher dich endlich ganz verstehn?
Mag ihn auf einen Thron auch das Geschick erhöhn,
Mag er den Süd, mag er den Nord besiegen,
Ha, welch ein ärmlich Loos! denn seine Wünsche fliegen
Stets höher auf, je mehr sie sich befriedigt sehn.
Dem Bettler scheint die kleinste Hütte,
Mit Stroh bedeckt, ein ungegrenztes Glück;
Kaum hat das günstige Geschick
Ihm seinen Wunsch gewährt, folgt schon die zweite Bitte:
Ein Gärtchen noch, dann werd' ich glücklich seyn!
Dem Garten folgt ein Feld, dem Felde reiche Heerden,
Bald ist sein Häuschen ihm für seinen Stand zu klein.
Ein schöneres muß aufgerichtet werden;
War es von Holz, so werd' es jetzt von Stein.
So jagt ein Wunsch den andern immer,
Und jedes neue Glück wird schnell zur neuen Pein.
Doch hat dies ewig rege Streben
Nach einem schönern, fernern Ziel
Zur Plage die Natur den Sterblichen gegeben?
O nein! verkennet nicht dies herrliche Gefühl,
Dies Ahnungswehn von einem bessern Leben,
Wenn sich das eitle Puppenspiel
Des Lebens endiget, und hier der Vorhang fiel!
Den Thoren nur, die zu den engen Kreisen
Der Außenwelt ihr stumpfer Sinn verbannt,
Ward dieser süße Trieb zum Peiniger gesandt.
Die Unzufriedenheit des Weisen
Ist seiner ew'gen Dauer Pfand.
O welch ein Quell von bitterm Kummer
Ward für Psycharion der kühnen Wünsche Macht!
Starr lag sie da, umfaßt vom kalten Todesschlummer,
Bis sie zuletzt, da laut der Sturm den Hain durchkracht,
Ach! nicht zum Glück, zu neuer Qual erwacht.
Sie fährt empor mit stieren Blicken,
Und grausend lagert dunkle Nacht,
Dem Nebel gleich, den nicht an hohen Bergesrücken
Die Luft zusammenballt, sich drückend um sie her,
Wild rast der Sturm, des Waldes Häupter brechen,
Und prasselnd rauscht in tausend Bächen
Aus schwarzer Wolken Schoos ein neu geschaffnes Meer,
Laut tönt die Felsenkluft den Donner zehnfach wieder,
Und wenn der Blitz das schwarze Chaos hellt,
Durchschweben scheu, mit wankendem Gefieder,
Phantome den Tumult. Ein grauses Heulen gellt
Durch das Gebrüll des Sturms. Weh! ruft es, Psyche, wehe!
Du brachst den Schwur der Königin der Nacht.
Nichts frommt es, daß dein Mund zu tauben Göttern flehe,
Sie fodert Blut, drum werd' ihr Blut gebracht!
Ja, ruft Psycharion mit wildverwirrten Sinnen,
Ich folg' euch gern; geworfen ist mein Loos.
Hinab, hinab in der Vernichtung Schoos!
So ruft sie aus und eilt mit schnellen Füßen
Durch Sturm und Nacht hinweg. Wild flattert ihr Gewand,
Und rauh, vom Sturm gepeitscht, umfließen
Die Locken Hals und Brust. Die Geißel in der Hand,
Geführt von wilder Reu' und fürchterlichen Schrecken,
Folgt über Distel, Dorn und Hecken
Ihr der Erinnyen Schaar. Jetzt hemmt des Meeres Strand
Den Lauf der Fliehenden. Vom Wahnsinn angetrieben,
Ruft sie: Willkommen, süßes Grab!
Als alle Rettung schwand, bist du mir doch geblieben.
Sey mir gegrüßt! Und rasch stürzt sie hinab.
Du, die mit zephyrleichten Schwingen
Im Rosenkranz um Hain und Hügel schwebt,
Du, deren Blicke kühn durch heil'ge Nebel dringen,
Du, die den Quell und die den Hain belebt,
Du Reizende, die du bei Mondenglanze
Im Wiesenthau die zarte Wange kühlst,
Das frische Grün durchschwebst, im körperlosen Tanze,
Und mit dem Duft der jungen Blüthen spielst,
O Tochter des Olymps, mit allen deinen Bildern
Komm jetzt herab, gepriesne Phantasie!
Der Ueberraschung Glück, es ist so schwer zu schildern,
Und fehlt dein Beistand mir, ha, dann vermag ich's nie.
O schweb herab mit jenen Zauberblicken,
Womit dein Bild so oft vor Wieland's Geiste stand!
Nur eine Blume laß aus deinem Kranz mich pflücken,
Des sanften Mitgefühls belebendes Entzücken,
Als fühlt's ich selbst, was Psychens Brust empfand!
Ha, sie erwacht! Umstrahlt von goldnem Scheine,
Blüht das Gefild süß duftend rings um sie.
Ein rosenfarbnes Licht durchstrahlt die bunten Haine,
Und jeder Blüthenstrauch ertönt von Harmonie.
Und dreien Rosen gleich, von einem Stamm entsproßen,
Von einem Thau genährt, von einem West gekühlt,
Stehn lächelnd, Arm in Arm geschlossen,
Drei Schwestern vor ihr da. Ein Reiz, der sich nur fühlt
Und nicht beschreiben läßt, der, trauend seinem Siege,
Sich hinter zarter Scham und süßer Zucht versteckt,
Halb Lüsternheit, halb Ehrfurcht weckt,
Umwallt die reine Form, belebt die schönen Züge.
In ihres Blickes Spiegel malt
Sich Liebe, Mitleid und Entzücken.
Sie nahn Psycharion und drücken
Sie sanft an ihre Brust. Aus Psychens Antlitz strahlt
Der Ueberraschung Glück. Umsonst sucht sie zu sprechen.
Erstaunen, Angst und Lust versiegeln ihren Mund,
In Seufzern nur und nur in Thränenbächen
Thut ihres Herzens Sturm sich kund,
Sie schaut umher mit ungewissen Blicken,
Traut ihrem Aug' und ihren Sinnen nicht;
Doch endlich löst das sanftere Entzücken
Der Zunge Band, sie blickt empor und spricht:
O süßer Traum, verweile noch, verweile,
Du goldner Strahl, der durch das Dunkel lacht!
O nicht zurück in jenes Wuthgeheule
Des wildes Sturms, in jene grause Nacht,
Wo hart, vom Arm der Furien geschwungen,
Die Schlangengeißel traf! Doch wär' es wirklich wahr?
Wär' ich empor geschwebt aus jenen Dämmerungen,
Aus jener öden Kluft voll Kummer und Gefahr?
Seyd mir gegrüßt, Elysiums Gefilde!
Seyd mir gegrüßt, ihr Seligen darin!
Ihr nahet mir mit Blicken voller Milde?
Ach, ihr umarmt die schwache Sünderin?
Nur Liebe war mein einziges Verbrechen;
Empfandet ihr wohl je, was Lieb' in's Herz uns giebt?
Ihr lächelt sanft, und eure Augen sprechen:
Dir ist verziehn, wir haben auch geliebt.
So ruft sie aus. Gleich einem Heil'genscheine
Verklären Schüchternheit und Sehnsucht ihr Gesicht,
Und von den Dreien naht die Eine,
Die reizendste, sich ihr und spricht:
Noch nahst du nicht Elysiums Myrtenhütten,
Cytherens Haine sind's, die duftend dich umblühn.
Doch sey getrost, du hast geweint, gelitten,
Mit dem Geschick und mit dir selbst gestritten;
Die Göttin ist versöhnt und deine Schuld verziehn.
Umarme mich und stille deine Klagen!
Das Glück ist lieblicher nach überstandnem Schmerz.
Fühlst du dein Herz nicht lauter in dir schlagen?
Verstehst du nicht, was meine Blicke sagen?
O komm empor an deiner Mutter Herz!
So ruft Aglaja aus und schließt mit milden Zähren
Die Zitternde an ihre heiße Brust.
Du meine Mutter, du? O Uebermaß der Lust!
Noch einmal laß dies holde Wort mich hören!
Kein andres klingt dem Herzen mir so süß.
So war es denn kein Traum, daß oft in Tempe's Haine,
Im Duft der Dämmerung, umwebt vom Mondenscheine,
Ein göttlich Wesen sich zu mir herniederließ
Und mich geliebtes Kind und süße Tochter nannte
Und künft'ge Wonne mir und Götterglück verhieß?
Wie liebt' ich es, obgleich ich es nicht kannte!
Wie weint' ich, wenn es mich verließ!
O laß uns nie jetzt von einander scheiden!
Du bist mein Trost, du bist mein Alles nun.
Ach, es ist süß, nach tausend bittern Leiden
An einer Freundin Brust vom Kummer auszuruhn.
Indeß Psycharion zum ew'gen Liebesbunde
Die Arme fest um ihre Mutter schmiegt,
Steht mancher Hörer hier und staunt mit offnem Munde
Und zweifelt noch, ob auch sein Ohr nicht trügt.
Bewundert nichts, wie euch die Stoa lehret!
Ist es so sonderbar, daß eine Huldgöttin
Mit warmem Blut und weichem Sinn,
Vom Reiz der Dämmerung, von innrer Gluth bethöret,
Von Phöbus Arm umfaßt, ein wenig von der Bahn
Der strengen Sittlichkeit gewichen
Und einen kleinen Schritt gethan,
Dem üble Folgen nachgeschlichen?
Und daß sie Psychen drauf, der stillen Liebe Pfand,
Durch eine Dryas im Vertrauen
In Tempe's weitentlegne Auen
Zu einem Hirten hingesandt,
Um einem schmerzlichen Gerüchte vorzubauen,
Das, wenn es gleich sich nicht beweisen ließ,
Doch stets ein weites Feld dem Momus zum Gespötte
Und Cynthien zum Hohn gegeben hätte.
Was ist natürlicher, als dies?
Indessen naht mit ihrem holden Kinde
Aglaja sich Cytherens Blumenthron.
Rings war die Traurigkeit entflohn,
Die Paphos sonst beherrscht. Des Haines Irrgewinde
Durchschwärmte froh der Nymphen leichter Chor,
Aus jedem Strauche sah ein Amorskopf hervor,
Auf jeder Wolke wiegt mit goldenem Gefieder
Ein junger Zephyr sich, rings tönen süße Lieder.
Päane wirbeln sich lautjauchzend durch die Luft,
Weithallend singt, versteckt in kühler Felsenkluft,
Der Echo Ton den Ruf der Freude wieder,
Und aus den Wolken thaut ein rosenfarbner Duft
Auf die verjüngte Flur mild und erquickend nieder.
Hier schien der Liebe Gluth und zarte Schüchternheit,
Ein seltnes Paar, sich traulich zu verbinden,
Und Jedes seine Lust in heißer Zärtlichkeit
Und Jedes seine Pflicht in keuscher Zucht zu finden.
Auf ihrem Throne sitzt, nicht mehr von düsterm Gram
Umhüllt, nicht mehr umstarrt von seelenlosem Schweigen,
Das Lockenhaupt umkränzt mit frischen Myrtenzweigen,
Cythera's Königin. Der Reue sanfte Scham
Verschönert ihr Gesicht. Kaum wagt sie aufzublicken.
Komm, ruft sie aus, o laß an meine Brust dich drücken!
Viel hast du mir, ich nichts dir zu verzeihn.
Nicht diesen scheuen Blick! Er weckt in meiner Seele
Des alten Unrechts Schmerz. Komm, laß uns Freunde seyn!
Sanft trägt der Freund des theuren Freundes Fehle,
Gerecht ist oft der Zorn, doch schöner das Verzeihn.
Vergiß, was einst aus mir die blinde Wuth gesprochen!
Schwer ward mir stets des wilden Unmuths Sieg.
Oft hat dein frommer Blick mein hartes Herz bestochen,
Allein die Selbsucht sprach und zartes Mitleid schwieg.
O, wußt' ich denn, daß du aus Götterblut entstanden,
Mir gleich an Rang, mir gleich an Reizen kamst?
Das sah ich nur, daß du mit deinen Zauberbanden,
Du, eine Sterbliche, den holden Sohn mir nahmst.
Komm an mein Herz, vergiß in Götterreichen
Die Dornenkränze, die des Schicksals Strenge flicht!
Wer nimmer Gram empfand, der kann sich nimmer freuen,
Wer Liebesschmerz nicht kennt, den kennt die Liebe nicht.
So ruft sie aus, und tief erschüttert
Sinkt Psyche an Cytherens Brust.
Kein Rachgefühl, kein stiller Groll verbittert
Das holde Sühnungsfest. Welch eine Götterlust,
Durch Stärke das Geschick, durch Großmuth Haß besiegen,
Und liebend und geliebt an Feindes Busen liegen!
Nur Einer fehlt zur vollen Seligkeit;
Was weilt er noch an deine Brust zu fliegen,
Psycharion? Doch laß von Furcht dich nicht betrügen,
Glückselige! der Eine ist nicht weit!
Denn froh von lieblichen Gesängen
Ertönt ringsum die blaue Luft,
Die Rosen spenden süßern Duft,
Und niegesehne Blumen drängen
Aus ihren Knospen sich, der buschumkränzte Bach
Wird zur Harmonika, die Luft zum Nektarmeere.
Es naht der Gott! so ruft Cythere;
Es naht der Gott! ruft Thal und Hügel nach.
Und sieh, auf einem Blumenwagen,
Leicht wie ein Rosenblatt vom Hauch der Luft getragen,
Schwebt Cypris Sohn daher. Im Amorinenchor
Wallt raschen Flugs der Jüngling vor.
Der holde Gott der Liebesabenteuer,
Der frohe Scherz, die süße Tändelei,
Der Genius der zarten Träumerei
Umringen seine Bahn, und still im Zauberschleier
Folgt das Geheimniß nach. Mit freuderfülltem Blick
Schaut Cypris Volk empor. Rings tönen süße Lieder:
Heil uns! der Herrscher kehret wieder.
Heil uns! er bringet Lust und Glück
In Cytheräens Brust, nach Paphos Flur zurück.
O warum ist des Menschen Zunge
So schwach, so dürftig, so beschränkt?
O warum naht sie nie des Geistes kühnem Schwunge,
Der seinen Flug durch leichte Wolken lenkt?
Warum ward dem Gefühl kein Ausdruck doch gegeben,
Warum ist doch das Wort kein klares, frisches Bild
Von dem, was uns mit regem Leben,
Mit tiefer Innigkeit den heißen Busen füllt?
Welch eine Sprache wagt die Scene auszudrücken,
Wenn treue Liebe sich am Ziel der Leiden sieht?
Und welch ein Mund umfaßt das taumelnde Entzücken,
Die Seligkeit, die jetzt in Psychens Busen glüht?
Stumm steht sie da. In ihren Blicken
Malt Staunen sich und süße Lust.
Ein ganzer Himmel wohnt in ihrer heißen Brust,
Und jede Regung scheint Empfindung auszudrücken.
Ha, wie ihr Auge weint! wie ihre Brust sich hebt!
Welch ein Erröthen, welch Erblassen!
Kaum kann ihr Herz die Sehnsucht fassen,
Die, wie ein fluthend Meer, ihr Inneres durchbebt.
Ha, welch ein Wechsel zarter Triebe!
Welch eine süße Angst, welch eine Seligkeit!
Schon wallt sie im Olymp, entflohn der Sterblichkeit,
Sie fühlt nicht Liebe blos, ihr ganzes Seyn ist Liebe.
An ihren Busen hingeschmiegt,
Mit liebender Gewalt von ihrem Arm umschlungen,
Ruht jetzt der Gott: Heil mir, ich habe dich errungen!
Versöhnt ist das Geschick, und Liebe hat gesiegt.
Jetzt sollst du nie aus meinen Armen scheiden,
Nie laß ich dich von meiner Brust entfliehn.
Empor, empor zu jenen Götterfreuden,
Wo Treu' und Zärtlichkeit als ew'ge Blumen blühn!
So ruft er aus, umfaßt sie stärker
Und schwingt sich sanft mit ihr empor.
So wie dem Manne ist, der in dem tiefsten Kerker
Von Kindheit an des Daseyns Glück verlor,
Wenn seine Fessel fällt, und er nun voll Entzücken
Der Freiheit Lüfte trinkt, die schmeichelnd ihn umwehn,
Neu scheint das Licht und neu der Himmel seinen Blicken,
Doch dieses ahnet er, daß er ihn einst gesehn:
So ist der holden Braut. Sie glaubt sich neu geboren,
Doch ahnet sie, daß sie für dieses bessre Land,
Für dieses schönre Seyn erkoren,
Und daß schon einst ihr Geist die neue Bahn gekannt.
An ihrer Seite schwebt Cythere,
Aglaja folgt mit ihrer Schwestern Paar,
Im Tanz umschweben sie der Liebesgöttin Chöre,
Und bunt umgaukelt sie der Zephyretten Schaar;
Und leichter scheint die Luft die Liebenden zu tragen,
Und sanfter ist der West, der ihren Busen kühlt,
Zum Nektar wird sein Hauch, zum goldnen Duft der Wagen,
Um den der Wolken Heer mit buntem Fittig spielt.
Aus dem Olymp entfliehn in fröhlichem Getümmel
Die Göttlichen, sich an den Zug zu reihn,
Und triumphirend schließt der Himmel
Geprüfte Lieb' in seine Wonnen ein.
Aus:
Sämmtliche poetische Werke
von Ernst Schulze
Neue Ausgabe mit sechzehn Kupfern
Dritter Theil
Leipzig Brockhaus 1822
(S. 225-320)
siehe auch:
Teil 1 (Elegien)
Teil 2 (Vermischte Gedichte)
Teil 3 (Die bezauberte Rose Romantisches
Gedicht in drei Gesängen)