Gustav Schwab (1792-1850) - Liebesgedichte



Gustav Schwab
(1792-1850)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 




Nachruf
1811

Nur Eine laß von deinen Gaben,
Verschwundne Liebe, mir zurück!
Nicht deine Freuden will ich haben,
Nicht dein beseligendes Glück.

O schenke nur den Schmerz mir wieder,
Der so gewaltig mich durchdrang,
Den tiefen Sturm der Klagelieder,
Der aus der wunden Brust sich schwang!

Ich will ja nicht ein fröhlich Zeichen,
Auch keinen Blick, kein freundlich Wort;
Nur nicht so stille loß mich schleichen,
Aus dieser Ruhe treib mich fort!

Laß deine Wehmut mich erfüllen,
Flieh weit, doch zieh mein Herz dir nach!
Gieb mir den Durst, der nie zu stillen,
Gieb mir dein Leiden, deine Schmach!

Dein Seufzen, deine Last, dein Sehnen,
Was andre nur an dir verschmähn -
O gieb mir alles, bis mir Thränen
In den erstorbnen Augen stehn!
(S. 64-65)
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Liebe in der Fremde
1811

Endlich rauscht des Stromes Welle,
Die so fremd mir klang, vertraut;
Berg und Thäler schauen helle,
Und der Geist der Flur wird laut.
Heimat ist's in meiner Seele,
Heimisch wird mir nun das Land,
Seit ich selbst mir nicht mehr fehle,
Find' ich alles rings verwandt.

Ja das macht, ich trag' im Herzen
Wieder nun ein liebes Bild:
Was verhüllt lag unter Schmerzen,
Tritt mit ihm hervor so mild.
Von den Augen fällt die Blindheit,
Feld und Wald im alten Schein
Laden mich, wie in der Kindheit,
Mit den trauten Stimmen ein.

Hoffnung führt mich auf die Fluren,
Die ich sonst nur irr durchstreift;
O und nach geliebten Spuren
Überall mein Auge schweift!
Jeder Weg, der zu ihr gehet,
Ist mir wie schon längst bekannt;
Jeder Boden, drauf sie stehet,
Ist mein altes Vaterland.
(S. 65-66)
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Im Tempel
1811

Der Priester schweigt, es sendet die Gemeine
Von halbbewegten Lippen stumme Bitte;
Verklärend gießet ihre Heilgenscheine
Die Sonne nieder in der Beter Mitte.
Dort steht, von ihrem Glanz umwallt die Meine,
Die Hände faltet sie nach frommer Sitte
Und neiget jetzt mit friedlicher Gebärde
Ihr schönes Haupt demütiglich zur Erde.

Du selges Kind! wie fühl ich deine Nähe!
Kommt doch des Geistes Strahl auf mich hernieder;
In meiner Brust, so oft ich nach dir sehe,
Thut sich der Himmel auf und quellen Lieder;
Und wie ich ganz in dich verloren stehe,
Gebiert dein heilger Sinn in mir sich wieder;
Mein Auge senkt, mein Haupt sich, wie das deine,
Und dein Gebet, dein Wesen wird das meine.

Da weckt mich wunderbar aus meiner Stille
Der Glockenklang und des Gesanges Wogen:
Es kommt dein Bild in unnennbarer Fülle
Auf allen Tönen nach mir zugeflogen,
Mein Geist ergießt sich durch die irdsche Hülle,
Von Liedern und Gebeten hingezogen;
Von deinem Geist wird er geführt nach oben,
Die Engel hört am Thron den Herrn er loben.
Und wie nun schweigen Glocken und Gesänge,
Blick ich, erwacht, hinab, sie noch zu finden;
Dort wandelt sie zur Thüre mit der Menge -
Froh, ohne Sehnsucht, seh ich sie verschwinden;
In meinem Ohr ja hallen noch die Klänge,
Die mich an sie, wie Priestersegen, binden.
Ich bin mit ihr vor Gottes Stuhl getreten,
Und mir war klar: erhöret sei mein Beten.
(S. 66-67)
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Liebesmorgen
1812

Gelagert sprachlos saßen wir im Kreise,
Ein jeder sann den Morgenträumen nach;
Da öffnete die Pforte sich, und leise
Tratst du herein und standst in dem Gemach,
Und neigtest dich nach deiner holden Weise,
Verschämt und kaum vom ersten Schlummer wach,
Und blicktest schüchtern auf, uns mit den süßen
Schlaftrunknen Äuglein halb im Traum zu grüßen.

Ist das der Blick, der aus der Locken Kranze
So stolz hervorgeleuchtet und gesiegt?
Ist das die Brust, die sonst bei Fest und Tanze
In weicher Seide schwellend sich gewiegt?
O wie sie nun sich, frei von allem Glanze,
So fromm in die bescheidnen Tücher schmiegt!
Wie schmückt das Haar so schlicht der Stirne Bogen,
Wie hat der Blick sich scheu zurückgezogen!

O dürft ich als die Meine dich begrüßen
In dieser keuschen, stillen Morgentracht,
Wo nur der Sonne Lichter dich umfließen,
Nicht eitler Lampenschein und falsche Pracht.
O dürft ich diesen milden Reiz umschließen,
Nach jeder einsam durchgehofften Nacht
Dir liebend in dein Morgenantlitz blicken,
Ans Herz dich, den verhüllten Himmel, drücken!
(S. 68-69)
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Erste Liebe
1814

Wo bist du, Zeit der Plage,
Der ungestillten Lust?
Ruhst du, o Glut und Klage?
Wirst du so mild, Verlust?

Die Sonne schon im Sinken
Verkläret ihren Schein,
Die Bäum und Büsche winken,
Die Quellen flüstern drein.

Und schon erwachst du wieder,
Du erstes Liebsgefühl,
Ihr reinen Jugendlieder,
Du frommes Bilderspiel!

O Hoffnung, nicht Verlangen!
O Sehnsucht, nicht Begier!
Ein Beten und ein Bangen
Scheu vor der Himmelsthür.

Ein Ja aus allen Trieben,
Und wieder keusches Nein;
Das ist das erste Lieben,
Das erste muß es sein.

Das ist die Lieb auf Erden
In halber Kinderzeit;
Erfüllet wird sie werden
In jener Herrlichkeit.

Verlieren und Entsagen,
Das macht auf Erden reich:
Das Finden und Erjagen
Ist für das Himmelreich.
(S. 73-74)
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Das Wort der Liebe
1815

O aller Berge Quellen,
Tönt mit berauschten Wellen
Vernehmlich durch die Luft!
O aller Thäler Bäume,
Säuselt mir leise Träume,
Und sendet süßen Duft!

Es sollen alle Sinne
Der Freude werden inne,
Die heut mein Herz begeht,
In allen Farben, Tönen
Lebe das Wort der Schönen,
Das mir im Geiste steht!

Der Liebe Wort, das zitternd
Und inniglich erschütternd
Durch meine Seele dringt,
In ewgen Wiederhallen
Hör ich es rings erschallen,
So daß es nie verklingt.

Und wenn die Quellen schweigen
Und wenn die Bäume neigen
Ihr Haupt in welker Zier!
Im Herzen ewig klingen,
Blühen und lieblich singen
Wird doch das Wort von Ihr.
(S. 78)
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Zum 17. Februar
1822

Seine Hoffnung und sein Sehnen
Ist's, was an der Liebsten Fest
Unter Seufzern, unter Thränen,
Jünglings Leier tönen läßt.
Wer in seines Weibes Arme,
Zwischen Kinderwiegen, ruht,
Wie kann der von Liebesharme
Singen und von Sehnsuchtsglut?

Aber - miteinander lieben,
Lohnt es keinen Leierklang?
Weil die Blüte Frucht getrieben,
Tönt vom Baum kein Vogelsang?
Anders mag das Lied erschallen,
Aber jubeln wird es doch.
Frühling würde nicht gefallen,
Folgte nicht ein Sommer noch.

Miteinander zu erstreben,
Miteinander zu verstreun
Und zu nehmen und zu geben
Und nach Leide sich zu freun;
Miteinander zu verlachen
Stolz und Geiz der armen Zeit,
Eins das andre zu bewachen
In dem Strom der Eitelkeit; -

Miteinander zu entbrennen,
Wo's die höchsten Güter gilt,
Eins des andern Herz zu kennen,
Das von Freiheitsliebe schwillt,
Aus der tüchtgen Kinder Augen
Jugendlust und Hoffnungsmut
Und fürs Alter Trost zu saugen
Und zu flehn zum höchsten Gut; -

Miteinander so zu pflegen
Jeden irdischen Gewinn,
Daß sich kehrt beim Erdensegen
Zu dem ewgen Heil der Sinn;
Wenn am freudenreichen Morgen
Solch Gefühl ist Liedes wert:
Nun, so bleib es nicht verborgen,
Ström es aus am eignen Herd!
(S. 82)
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Aus: Gustav Schwabs Gedichte
Gesichtete und neuvermehrte Ausgabe
mit einer biographischen Einleitung
von Gotthold Klee
Gütersloh Druck und Verlag von C. Bertelsmann 1882

 


Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Gustav_Schwab




 

 


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